Entscheidungsdatum
17.06.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W108 2187952-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Iran, vertreten durch: Zentrum für Europäische Integration und Globalen Erfahrungsaustausch (ZEIGE), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.02.2018, Zl. 1025637608-151669661, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Vorbringen:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am 02.11.2015 den Antrag, ihm internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 (AsylG) zu gewähren (in der Folge auch Asylantrag).
Er gab im Zuge der Erstbefragung zum Fluchtgrund an, er sei am 12.10.2015 zum christlichen Glauben konvertiert und deswegen im Iran in Lebensgefahr. Er werde auch nicht mehr von seiner Familie unterstützt.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) brachte der Beschwerdeführer u.a. eine Taufbestätigung der XXXX (in der Folge [persische] Kirche bzw. Freikirche K.) über die Taufe des Beschwerdeführers am 12.10.2015, ein Schreiben des XXXX (in der Folge [evangelisches] Pfarramt bzw. Pfarre bzw. Kirche H.), ein Schreiben der XXXX (in der Folge [römischkatholische] Pfarre bzw. Kirche M.) vor und gab an:
Er sei Perser, ledig, habe keine Kinder und er sei im Iran zuletzt in der Stadt XXXX wohnhaft gewesen, wo noch seine Eltern lebten. Im Iran habe er zwölf Jahre die Schule besucht und vier Jahre an der Universität XXXX studiert. Sein Bruder lebe mit gültigem Aufenthaltstitel und Arbeitsbewilligung in Österreich. Er habe sowohl zu seinen Eltern als auch mit seinem Bruder regelmäßig übers Internet Kontakt. Abgesehen von seinem Bruder habe er in Österreich oder in der EU keine Verwandten oder Familienangehörigen.
Er sei am XXXX 2014 legal mit einem Flugzeug von Teheran direkt nach Wien geflogen und habe seitdem Österreich nicht mehr verlassen. Er habe einmal seinen Aufenthaltstitel verlängert. Seit seiner Ausreise sei er nicht mehr im Iran gewesen.
In Österreich sei er derzeit nicht mehr am Konservatorium inskribiert und niemals einer legalen Beschäftigung nachgegangen. Er lebe von der Grundversorgung. In der Freizeit/im Alltag lerne er in Österreich die Sprache, treibe Sport, spiele Musik, dichte, gehe mit seinen Freunden und seiner Freundin spazieren und besuche die evangelische Kirche H. Es sei geplant, dass er als ordentliches Mitglied der Gemeinschaft eingetragen werde.
Er habe den Asylantrag gestellt, da er im Iran seinen Glauben nicht ausleben könne. Er sei im Iran mit dem Christentum in Kontakt gekommen. Er habe die Widersprüche im Islam nicht akzeptieren können und er sei damit nicht zu Recht gekommen. Im Iran habe er christliche Filme und Sendungen über Satellit angeschaut. Das erste Mal sei er ca. im Jahr 2007 auf das Christentum aufmerksam geworden. Im Iran habe er sich nur mit den Grundkenntnissen des Christentums und nur heimlich beschäftigen können. Die Persönlichkeit Jesus Christus von der Geburt bis zur Auferstehung habe ihn am meisten fasziniert. Da er im Iran gelebt habe, habe er sich mit dem Christentum nicht tiefer auseinandersetzen können. In Österreich habe er Anfang September 2014 das erste Mal eine Kirche besucht. Seit seiner Ankunft in Österreich sei er über die Chorgruppe des Konservatoriums in die Kirche M. gegangen. Dort hätten sie einige Chorkonzerte präsentiert, wodurch er gläubige Personen kennengelernt habe. Während dieser Zeit hätte er sich tiefer mit Jesus Christus auseinandergesetzt und sei davon immer mehr überzeugt worden. Er habe die Bibel gelesen und sei in dieser Zeit mit einem Freund, welcher ein Mitglied der persischen Kirche K. sei, in Kontakt gekommen; dieser habe ihm immer empfohlen, die Bibel zu lesen. Durch diesen Freund sei er sechs Monate vor seiner Taufe mit dem Pastor XXXX in den Niederlanden in Kontakt getreten, mit dem er alle zwei Tage Kontakt gehabt und sich auf die Taufe vorbereitet habe. Am 10.12.2015 sei er dann in XXXX (S.) getauft worden. Er habe für die persische Kirche K. zwei Gebetslieder komponiert. Mit der persischen Kirche K. sei er immer noch in Kontakt. Jetzt besuche er die evangelische Kirche H., dort fände am Montag eine Bibelstunde statt und am Sonntag der Gottesdienst. Sein Cousin väterlicherseits habe von seinen christlichen Aktivitäten im Internet erfahren und habe dessen Vater, seinem Onkel, davon erzählt. Weil sein Onkel der Meinung sei, dass der Beschwerdeführer durch diese Aktivitäten die Ehre der Familie beschmutzt habe, habe dieser den Vater des Beschwerdeführers bedroht und gesagt, dass er den Beschwerdeführer persönlich im Fall seiner Rückkehr bei der Polizei vorführen werde. Er habe eine freie Erziehung genossen. Seine Familienmitglieder seien normal religiös, aber sein Onkel väterlicherseits sei strengreligiös. Seine Eltern und sein Bruder seien mit seiner Konversion mit Zeit zurechtgekommen und hätten es jetzt akzeptiert. Sein Onkel habe ein Problem damit. Im Islam werde immer über das „Müssen“ gesprochen, im Koran gehe es immer um Gewalt. Im Unterschied zum Christentum seien alle Menschen sündig und die Sünden würden erst nach dem Tod bewertet. Im Islam werde gebet, weil man Angst habe. Im Christentum hingegen sei immer von Liebe und Vergebung die Rede. Im Christentum bete man zu Gott in der eigenen Sprache, und nicht in einer fremden Sprache wie im Islam. Er sei Mitglied der persischen Freikirche K. und Protestant. Jetzt wolle er aber Mitglied der evangelischen Kirche A.B. werden, seit September 2016 besuche er sie regelmäßig. Durch die Freikirche sei er mit dem Christentum in Kontakt gekommen, die evangelische Kirche A.B. sei in der Nähe seiner alten Wohnung gewesen. Die Mitglieder dieser Kirche seien wie seine Familienangehörigen. Seine inneren Beweggründe, warum er sich für das Christentum entschieden habe, seien in erster Linie die Botschaft der Errettung. Vor allem die Stelle im Evangelium von Matthäus, Kapitel 7,7, die besage, bittet, dann werde euch gegeben, klopfet an, dann werde euch geöffnet, habe ihn fasziniert. Dies deshalb, weil Gott wolle, dass die Menschen ihm ihre Wünsche äußern, man müsse sein Anliegen im Namen Gottes wünschen. Die Glaubenszugehörigkeit sei für ihn in Österreich essentiell. Im Iran sei die Rolle Gottes nicht stark gewesen. Über seinen christlichen Glauben habe er mit anderen Personen nicht sprechen können, weil sie seinen christlichen Glauben nicht akzeptiert hätten. In Österreich werde sein Glaube respektiert und er könne seine Religion offen ausüben. Er sei in der Kirche in einer größeren Familie, die Leute in der Kirche würden sich gegenseitig mögen und ihn unterstützen. Er praktiziere seinen Glauben in Österreich dahingehend, dass er jeden Sonntag die Kirche besuche. Er gehe zum Gottesdienst, am Montag besuche er eine Bibelstunde, am Mittwoch besuche er einen Sprachkurs in der Kirche und bei Bedarf übersetze er. Anschließend würden sie christliche Lieder üben. Am Montag missioniere er die Leute, die zur Bibelstunde kommen würden. Im Fall einer Rückkehr in den Iran hätte er Angst, sein Leben sei in Gefahr. Er hätte nicht die Möglichkeit (gehabt), sich anderswo im Iran niederzulassen.
2. Mit dem vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wies sie den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran ab (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde bestimmte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.).
Die belangte Behörde traf neben Länderfeststellungen Sachverhaltsfeststellungen zur Identität und zu den persönlichen/familiären Umständen des Beschwerdeführers, wobei sie die Angaben des Beschwerdeführers zu Grunde legte, und zu seinem antragsbegründenden Vorbringen, wobei die belangte Behörde davon ausging, dass der Beschwerdeführer im Iran keiner Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen unterliege, dass er keine gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen habe glaubhaft vorbringen können, dass es sich bei der Konversion des Beschwerdeführers um eine Scheinkonversion zum Christentum handle und er in unglaubhafter Weise angegeben habe, im Iran aufgrund seiner Konversion zum Christentum einer Gefährdung ausgesetzt zu sein. Die belangte Behörde führte dazu aus, es sei sehr unglaubwürdig, dass er sich im Iran nur mit den Grundkenntnissen des Christentums hätte beschäftigen können, denn für junge gebildete Leute wie den Beschwerdeführer dürfte es kein Problem sein, die technischen Sperren zu umgehen. Die Ausführungen zum Islam und Christentum seien sehr verallgemeinernd und pauschalisierend. Der Beschwerdeführer wisse, was A.B. bedeute und auf wen es zurückgeht, er habe einige grundlegende Prinzipien von Martin Luther nennen können. Er habe aber keinen weiteren bekannten Reformator nennen können. Er habe Kalon oder Calon angegeben, vermutlich habe er den Reformator Jean Calvin gemeint. Dass er aber keine weiteren Reformatoren kenne, zeige, dass er sich noch nie wirklich mit den Ursprüngen des Protestantismus auseinandergesetzt habe, Martin Luther habe nicht allein den Protestantismus gegründet. Sehr verwunderlich seien seine Ausführung, dass es bei den 95 Thesen um den An- und Verkauf von Hölle und dem Paradies gehe. Er habe nicht angeben können, dass es beim Ablasshandel vor allem um das Fegefeuer ginge. Er habe einige Unterschiede zwischen Katholizismus und dem Protestantismus angeben können, z.B. die Rolle des Papstes, die Anzahl der Sakramente, die Rolle Marias. Sehr seltsam sei, dass er angeben habe, dass Protestanten an die Dreifaltigkeit glauben würden, denn Katholiken glaubten z.B. auch an die Dreifaltigkeit. Die Bedeutung der Sakramente hätte er nicht wirklich erklären können. Sehr verwunderlich seien seine Ausführungen, dass Protestanten daran glauben würden, dass die Sünden nur durch den Glauben an Jesus Christus getilgt werden könnten, daher wären die anderen Sakramente nicht relevant. Die Reformierten würden sagen, dass nur die zwei Sakramente Taufe und Abendmahl auf Jesus zurückgehen würden, das Sakrament der Beichte stehe zur Diskussion. Obwohl er von einer Freikirche getauft worden sei, würde er nicht wirklich wissen, was Freikirche bedeute. Er habe nicht angeführt, dass Mitglieder von Freikirchen keine Kirchensteuern bezahlen müssten und dass die Autonomie der Kongregation oder Einzelgemeinde Kennzeichen einer Freikirche seien. Anzuführen sei, dass andere Kirchen auch an Jesus Christus und an das Buch glauben und missionieren würden. Sonst sei er zum Teil gut vorbereitet gewesen, z.B. bei den Bibelstellen über die Tempelreinigung, Gefahr des Reichtums/der reiche Jüngling, Bekehrung des Saulus und über Kain und Abel. Er hätte jedoch nicht gewusst, um was es bei der „Berufung des Matthäus und das Mahl mit den Zöllnern“ gehe, und habe diese Geschichte verwechselt. Er habe auch nicht die Geschichte vom verlorenen Sohn/barmherzigen Vater gekannt. Bedenklich sei seine Angabe, dass er zur evangelischen Kirche A.B. gehe, weil diese in der Nähe seiner alten Wohnung liege. Es werde daher angenommen, dass sein erwünschter Wechsel von einer Freikirche zur evangelischen Kirche A.B. keine bewusste Entscheidung sei. Es sei auch anzuführen, dass die persische Kirche K. Menschen ohne religiöse Unterweisung bzw. nach einer äußerst kurzen Einführung in den christlichen Glauben taufe. Diese Kirche missioniere ohne Zusammenarbeit mit Gemeinden vor Ort und habe minimal bis gar keine Nacharbeit mit den von ihnen getauften Menschen. Aus geistlicher und asylrechtlicher Sicht sei das eine durchaus problematische Taufpraxis. Seinem ursprünglichen Reisegrund nach Österreich, der Betreibung einer Ausbildung, ginge der Beschwerdeführer nicht mehr nach. Laut einer Studienerfolgsbestätigung vom 20.05.2016 habe der Beschwerdeführer zwischen Jänner 2015 und Jänner 2016 einige Veranstaltungen absolviert. Laut dem Schreiben sei er mit 04.07.2016 nicht mehr am Konservatorium inskribiert. Dieser Umstand habe den Anschein, dass er nun seit über eineinhalb Jahren gar kein Interesse mehr daran habe, dem eigentlichen Reisegrund nach Österreich nachzugehen. Er habe eine freie Erziehung genossen und wäre bis zu seinem 20. Lebensjahr Muslim gewesen. Er habe im Iran ein Studium absolvieren und auch ein Studentenvisum für Österreich erlangen können. Es sei davon auszugehen, dass er nicht aus innerer Überzeugung, sondern zum Schein zum Christentum konvertierten sei, um dadurch einen Aufenthaltsstatus in Österreich zu erlangen. Hinsichtlich seines Vorbringens, wonach er im Iran aufgrund seiner Konvertierung zum christlichen Glauben mit Verfolgungshandlungen rechnen müsse, sei ihm die Glaubwürdigkeit zur Gänze abzusprechen. Der Beschwerdeführer habe keinen glaubhaften Eindruck hinterlassen, dass er sich aus innerer Überzeugung vom moslemischen Glauben ab- und zum Christentum hingewandt habe. Seine Angaben wirkten auswendig gelernt und zeigten nicht, dass er aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG an das Bundesverwaltungsgericht, in der der Beweiswürdigung der Behörde substantiiert entgegengetreten und begründet dargelegt wurde, dass entgegen der Beurteilung der belangten Behörde keine Scheinkonversion vorliege. Der Beschwerdeführer habe den Asylantrag gestellt, da er seinen christlichen Glauben nicht ausleben könne. Seine Eltern seien nicht streng religiös gewesen. Im Iran sei sein Interesse an der islamischen Religion nicht ausgeprägt und er sei offen für andere Weltanschauungen gewesen. So habe ihn besonders die Persönlichkeit Jesu Christi von der Geburt an bis zur Auferstehung fasziniert und er habe über den Satellitensender „Mohabat“ christliche Sendungen angeschaut. Derart habe er sich seit dem Jahr 2007 eigeninitiativ und heimlich mit den Grundlagen des Christentums beschäftigt. Nach seiner Ankunft in Österreich im Jahr 2014 sei er sogleich durch Chorkonzerte des Musikkonservatoriums in der römischkatholischen Kirche M. mit dem Christentum in Kontakt gekommen. Er habe regelmäßig die Bibel gelesen und sich tiefer mit dem Christentum auseinandergesetzt, was ihn immer mehr vom Christentum überzeugt habe. Ein Freund, der Mitglied der Freikirche K. gewesen sei, habe seinen Kontakt mit dem leitenden Pastor dieser Kirchengemeinde hergestellt. Sechs Monate lang sei der Beschwerdeführer mit diesem Pastor jeden zweiten Tag in Kommunikation gestanden und habe sich derart via Fernstudium auf die Taufe vorbereitet und sei am 10.12.2015 getauft worden. Als Musiker habe er für die Freikirche K. zwei Gebetslieder komponiert, er habe noch immer intensiven Kontakt zu dieser Kirche. Allerdings habe sie ihm die persönliche Einbindung in die praktische Glaubenspraxis der Glaubensgemeinschaft vor Ort nicht bieten können. Dies habe der Beschwerdeführer in der evangelischen Pfarre H. gefunden. Seit September 2016 besuche er regelmäßig diese Pfarre, er nehme jeden Sonntag am Gottesdienst und jeden Montag an der Bibelrunde, welche er mit Missionierungstätigkeit verbinde, teil, absolviere jeden Mittwoch die Gesangsproben zu den Kirchenliedern (und den Sprachkurs der Pfarre) und wirke zudem ehrenamtlich als Gitarrist in der Musikgruppe der XXXX mit. Da sein Cousin väterlicherseits über das Internet über seine christlichen Aktivitäten erfahren habe und dies seinem strengreligiösen Vater, dem Onkel des Beschwerdeführers, weitererzählt habe, sei der Vater des Beschwerdeführers im Iran von diesem bedroht worden, da der Abfall des Beschwerdeführers vom Islam die Familienehre beschmutzt habe. Der Onkel des Beschwerdeführers wolle den Beschwerdeführer bei Rückkehr in den Iran persönlich der Polizei vorführen.
4. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor.
5. Mit Schriftsatz vom 12.07.2018 brachte der Beschwerdeführer sein Taufzertifikat, ausgestellt von der persischen Kirche K., mit darauf angebrachter Bestätigung des evangelischen Pfarramtes H., XXXX , Pfarrer XXXX , und die Eintrittsbestätigung vom 03.07.2018, ausgestellt von der evangelischen Pfarrgemeinde H., wonach der Beschwerdeführer am 12.10.2015 in S. in der persischen Kirche K. getauft worden sei und nach erfolgtem zusätzlichen Bekenntniskurs am 25.06.2018 in die evangelische Kirche A.B. in Österreich, bei der evangelischen Pfarrgemeinde H., eingetreten sei, in Vorlage.
Mit Schriftsatz vom 19.04.2019 legte der Beschwerdeführer weitere Beweismittel zu seiner Konversion und zu seiner Integration vor: So etwa Lichtbilder, die den Beschwerdeführer in der Kirche beim Gottesdienst und mit dem evangelischen Bischof und dem evangelischen Pfarrer zeigen, sein schriftliches Bekenntnis zu Jesus Christus, seinen Weg zur Konversion, seine Motive und die Bedeutung, die der christliche Glaube in seinem Leben habe, und eine Beschreibung seiner christlichen Aktivitäten dahingehend, er habe von 2014 – 2015 die Musikgruppe der römischkatholischen Kirche M. mit Gesang und Gitarrenspiel unterstützt, aktualisiere seit 2015 regelmäßig seinen eigenen christlichen Blog im Internet auf Persisch und Deutsch, sei seit 2016 aktiv als Gitarrist und Sänger im Musikteam in der evangelischen Kirche H., sei seit 25.01.2018 ein oder zweimal im Monat als Ordner für die Organisation der Gottesdienste mitverantwortlich, sei am 25.06.2018 in die evangelische Kirche A.B. in Österreich bei der Pfarrgemeinde H. eingetreten, habe zum Anlass der Auferstehung Jesu Christi ein persisches Lied ins Deutsche übersetzt, inszeniert und am 21.04.2019 gemeinsam mit anderen Gemeindemitgliedern in der evangelischen Kirche H. vorgetragen.
Im Schreiben des evangelischen Pfarramtes H. vom 18.04.2019, verfasst von Pfarrer XXXX und mitunterzeichnet von weiteren Mitgliedern des Pfarrgemeinderates, wird die gemeindliche und gesellschaftliche Integration des Beschwerdeführers und seine eindeutige christliche Glaubenshaltung bestätigt. Der Beschwerdeführer habe sich seit seiner Ankunft in Österreich intensiv mit Inhalten des christlichen Glaubens beschäftigt. Er habe sich ins christliche Gemeindeleben integriert und habe mehrmals Gottesdienste der Kirche M. musikalisch mitgestaltet. Er habe einen Online-Glaubenskurs der Kirche K. absolviert und eine Schulungskonferenz in XXXX /Österreich besucht. Er sei am 12.10.2015 in S. getauft worden. Seit September 2015 erstelle der Beschwerdeführer einen eigenen Blog über das Christentum und veröffentliche Artikel über die Bibel auf Persisch und Deutsch im Internet und verleihe so seiner Glaubenshaltung ein eindeutiges öffentliches Bekenntnis. Seit September 2016 besuche er regelmäßig die Gottesdienste der evangelischen Gemeinde H., wirke aktiv bei Gottesdiensten und sonstigen Anlässen mit, nehme am Gemeindeleben teil (Musikarbeit, Internet- und Computertätigkeiten, Künstleraufgaben, Videopräsentationen in Gottesdiensten, Flohmarkt, Hilfsgüterunterstützung, Vorträge und Referate bei Veranstaltungen, Dolmetscherdienste). Ab 2017 leite der Beschwerdeführer eine Gruppe zum Thema Christentum, in der alle Mitglieder Fragen und Erfahrungen zum Glauben diskutieren könnten. Im April 2018 habe er eine Müllsammelaktion organisiert. Er habe auch in einem Sozialmarkt freiwillig mitgearbeitet. Am 25.06.2018 sei er nach viermonatiger intensiver Vorbereitung beim und mit dem Pfarrer in die evangelische Kirche A.B. eingetreten und offizielles Mitglied geworden. Es bestehe kein Zweifel an der authentischen, christlichen Glaubenshaltung des Beschwerdeführers. Er sei gesellschaftlich integriert, beliebt im nachbarschaftlichen Lebenskontext, quasi unverzichtbar im Pfarrgemeindeleben. Die unterzeichnenden Mitglieder des Pfarrgemeindebeirates würden ihn im Alltagsleben betreuen und begleiten. Seine kirchliche Sozialisation sei ermutigend für die Pfarrgemeindearbeit.
6. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher sich der Beschwerdeführer und ein Vertreter der belangten Behörde persönlich beteiligten.
Der Beschwerdeführer sagte u.a. aus, er glaube an Jesus Christus und daran, dass es Vater, Sohn und den heiligen Geist gebe. Er spüre das in seinem Leben. Ich habe das heilige Buch gelesen und das habe Änderungen und Ruhe in sein Leben gebracht. Ich habe auch von Jesus gelernt, geduldig zu sein und zu vergeben. Das Christentum der richtige Weg zum Leben. Er habe durch die Taufe öffentlich machen wollen, dass er ein Christ sei. Er habe wie Jesus getauft werden wollen. Durch die Taufe habe das neue Leben begonnen. Er gehe sonntags regelmäßig in die Kirche H., nehme mittwochs am Musikprogramm teil, wo auch aus der Bibel und aus dem Gebetsbuch gelesen würde. Es würde gemeinsam gebetet werden. Er übersetze und sei auch in der Musikgruppe aktiv. Seit 2016 habe er viele Sachen in der evangelischen Kirche H. gemacht. Es habe auch einen Bibelkurs im Gemeindesaal gegeben. Er habe eine Gruppe gemanagt. Sie hätten sich für die Umwelt betätigt und Flohmärkte für bedürftige Menschen veranstaltet. Er habe den Kontakt zur Kirche K. beibehalten und zwei Lieder für sie geschrieben. Nach seiner Taufe seien bei einer Konferenz seine Lieder gespielt worden, was gefilmt und fotografiert sowie über einen Messaging- Dienst und einen Onlinedienst (live) von der Kirche K. veröffentlicht worden sei. Auf seiner Internetseite veröffentliche er Gebete über das Christentum auf Farsi und Deutsch. Man könne dort das alte und neue Testament lesen und runterladen. Er habe dort auch seine Erkenntnisse und seit Glaubensbekenntnis niedergeschrieben. Seine Pflicht sei, die Frohbotschaft weiterzugeben. Seine Bilder und seine kirchlichen Aktivitäten seien auf Facebook zu sehen. Seine Cousins im Iran hätten dies getan und seinem Onkel erzählt. Sein Onkel ist ein sehr gläubiger Moslem. Daraufhin sei sein Vater bedroht worden, dass er den Beschwerdeführer den Behörden ausliefern werde, wenn er in den Iran zurückkehre. Er missioniere mit seinen Taten. Das beginne mit der eigenen Veränderung. Er spreche mit anderen und gebe Neuankömmlingen in der Kirche Bibeln. Alle seine christlichen Aktivitäten seien im Iran verboten und er könne dort nicht missionieren, er könne und würde seinen Glauben nicht leugnen.
Weiters wurde in der mündlichen Verhandlung Pfarrer XXXX als Zeuge einvernommen. Er gab u.a. an, der Beschwerdeführer sei ein außergewöhnlich aktives Mitglied der Kirchengemeinde. Er habe oft mehrmals wöchentlich mit dem Beschwerdeführer Kontakt, sie führten nämlich gemeinsam verschieden Agenden wie Gottesdienste, gemeindegliche Arbeiten, Kirchendienste, diakonische Tätigkeiten, allgemeine kirchliche praktische Arbeiten aus. Der Beschwerdeführer sei in die Kirchengemeinde als bereits Getaufter gekommen. In der Taufkirche K. sei er wenig sozialisiert gewesen. In der Kirchengemeinde H. habe er einen Sprachkurs besucht und habe mit vielen Gemeindemitgliedern Kontakt. Er habe einen kirchlichen Integrationskurs beim Zeugen besucht und sei offiziell in die Kirchengemeinde eingetreten und im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes aufgenommen worden. Der Beschwerdeführer betreibe evangelistisch missionarische Arbeit durch Internetauftritte, auch über die gemeindegliche Musiktätigkeit. Er berichte über sein Glaubensleben in Arbeitskreisen der Gemeinde und Begegnungsrunden, er werde bei einem Jubiläumsgeburtstag eines Gemeindegliedes einen Musikvortrag geben und ein persönliches Bekenntnis zum Glauben sprechen. Der Beschwerdeführer habe nach der Ansicht des Zeugen ein sehr diakonisches Glaubenselement dahingehend, dass er anderen helfe. Er habe beim Beschwerdeführer auf keinen Fall den Eindruck, dass er die Tätigkeiten und Aktivitäten bloß deshalb entfalte, um in Österreich einen Aufenthaltstitel zu erhalten. Die Intensität der Teilnahme am Gemeindeleben, das persönliche starke Interesse an Glaubensinhalten und die Bereitschaft mit dem Zeugen und anderen eine Gebetsgemeinschaft zu pflegen, sei für den Zeugen ein untrügliches Kennzeichen, den Beschwerdeführer als ehrlichen Christen anzusehen. Der Zeuge habe mit dem Beschwerdeführer ein umfassendes Skript über die Glaubensfragen in Deutsch und Farsi durchgearbeitet. Er habe schon früh nicht nur große Sprachkenntnisse, sondern auch Kenntnisse über theologische Fragen gehabt. Die inhaltlichen, theologischen Grundlagen bringe der Beschwerdeführer mit. Seine Kenntnisse seien teilweise vergleichbar mit Theologiestudenten im ersten Studienjahr. Der Zeuge habe weiter die Absicht, den Beschwerdeführer im Glauben weiter zu führen, bezüglich Inhalte und auch bezüglich weiterer Aktivitäten in der Gemeinde.
7. Der Beschwerdeführer gab in der Folge mit Schriftsatz vom 14.09.2019 „Ergänzungen“ zur Verhandlung ab, u.a. wurden ergänzende Beweismittel (Ausdrucke der betreffenden Internetseiten bzw. der Seiten des Beschwerdeführers auf sozialen Netzwerken) hinsichtlich seiner christlichen Aktivitäten im Internet vorgelegt. Der Beschwerdeführer führte aus, seine mehrfachen Aktivitäten im Internet zeigten sehr deutlich seinen Glaubenswechsel zum Christentum wie auch seine Absicht, anderen Menschen seinen christlichen Glauben mitzuteilen bzw. sie davon zu überzeugen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Es wird von den Darlegungen oben unter Punkt I. zum Verfahrensgang/Verwaltungsgeschehen/Vorbringen des Beschwerdeführers ausgegangen.
Somit steht insbesondere fest:
Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger des Iran, Zugehöriger der Volksgruppe der Perser und lebte im Iran in der Stadt XXXX . Er ist im Entscheidungszeitpunkt 30 Jahre alt. Er ist am XXXX 2014 legal aus dem Iran ausgereist und in das österreichische Bundesgebiet eingereist und seither nicht mehr in den Iran zurückgekehrt. Er war bis 02.09.2016 im Besitz eines Aufenthaltstitels „Schüler“ und studierte in Österreich an einem Musikkonservatorium ( XXXX ). Am 02.11.2015 stellte er in Österreich den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er ist strafrechtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer war ein gebürtiger Moslem, der jedoch bereits im Iran kein Interesse (mehr) am Islam hatte und begann, sich vom Islam (innerlich) abzulösen und sich über das Christentum zu informieren. Er wurde religiös frei erzogen, sein Onkel ist ein strenggläubiger Moslem.
Der Beschwerdeführer bekennt sich zum christlichen (protestantischen) Glauben, er ist Mitglied der evangelischen Kirche A.B. Österreich. Weil er vom Christentum überzeugt war, ließ sich der Beschwerdeführer am 12.10.2015 nach dem Ritus der persischen Freikirche K. in S. taufen und trat am 25.06.2018 in die evangelische Kirche A.B. ein. Er ist ernsthaft aus innerer Überzeugung vom Islam zum Christentum übergetreten. Er hat seine christliche Überzeugung (Konversion) öffentlich gemacht und lebt/äußert seinen Glauben sehr aktiv und offen. Er ist ernstlich gewillt, seine christliche Religion weiterhin (auch im Iran) auszuleben und auszuüben.
Gleich nach seiner Ankunft in Österreich im Jahr 2014 kam der Beschwerdeführer als Musiker über Chorkonzerte des Musikkonservatoriums mit der römischkatholischen Kirche M. in Kontakt, wo er mehrmals Gottesdienste für diese Kirche musikalisch mitgestaltete. Dadurch begann er, sich tiefer mit dem Christentum auseinanderzusetzen und die Bibel regelmäßig zu lesen. Über einen Freund, einem Mitglied der persischen Freikirche K., näherte sich der Beschwerdeführer dieser Kirche und absolvierte, mit einem leitenden Pastor dieser Kirche in den Niederlanden, eine Taufvorbereitung in der Dauer von sechs Monaten und nahm an Schulungskonferenzen in XXXX teil. Der Beschwerdeführer komponierte auch Gebetslieder für diese Kirche. Da der Beschwerdeführer die persönliche Einbindung in die praktische Glaubenspraxis der Glaubensgemeinschaft vor Ort bei dieser Kirche nicht finden konnte, schloss er Bekanntschaft mit der evangelischen Pfarre H. nahe seines Wohnsitzes, wo er einen zusätzlichen Bekenntniskurs in der Dauer von vier Monaten absolvierte. Seit September 2016 praktiziert der Beschwerdeführer das Christentum vorwiegend in dieser Pfarre, wo er etwa regelmäßig die Pfarrgemeinde und die dortigen Gottesdienste besucht und im Musikteam, bei Veranstaltungen und am Gemeindeleben aktiv und außenwirksam mitwirkt, wobei er auch organisatorische und leitende Aufgaben, Übersetzungstätigkeiten, Vortragsagenden, Internet- und Computertätigkeiten und Künstleraufgaben übernimmt und die Bibelrunde dieser Kirche besucht. Zudem steht der Beschwerdeführer noch immer in intensivem Kontakt zur Freikirche K. und wirkt ehrenamtlich in der Musikgruppe der XXXX mit. Der Beschwerdeführer liest in der Bibel, betet, setzt sich mit den Glaubensinhalten des Christentums und Glaubensfragen auseinander, spricht mit anderen über das Christentum und missioniert. Er verfügt über Wissen über seine Religion. Die Ausübung des christlichen Glaubens und dessen Verbreitung sind dem Beschwerdeführer wichtig. Der Beschwerdeführer veröffentlicht seine Konversion, seine christliche Glaubensüberzeugung sowie christliche Inhalte personalisiert im Internet, er betreibt seit 2015 einen christlichen Blog auf Persisch und Deutsch und verbreitet christliche Inhalte/seine Glaubensaktivitäten in einem sozialen Netzwerk. Die Beschäftigung mit dem christlichen Glauben veränderte den Beschwerdeführer im positiven Sinne. Der Beschwerdeführer ist ein geschätztes und engagiertes Mitglied seiner Kirchengemeinde, der sich die christlichen Werte und die christliche Lebensweise sehr gut angeeignet hat. Er beabsichtigt die Fortsetzung seiner kirchlichen/religiösen Aktivitäten, da dies für seine Glaubensüberzeugung von zentraler Bedeutung ist. Der Beschwerdeführer ist vom Christentum ehrlich überzeugt und ein Widerruf seines nunmehrigen religiösen Bekenntnisses kommt für ihn nicht in Betracht.
Die Konversion und die christlich religiösen Betätigungen des Beschwerdeführers sind im Iran bekannt. Der strengreligiöse Onkel des Beschwerdeführers erblickt im Abfall des Beschwerdeführers vom Islam eine Verletzung der Familienehre und hat deshalb die Auslieferung des Beschwerdeführers an die iranischen Behörden im Falle seiner Rückkehr angedroht. Der Beschwerdeführer ist gefährdet, wegen seiner Konversion/Religionsausübung im Iran asylrelevant in das Blickfeld der iranischen Behörden/der iranischen muslimischen Gesellschaft zu geraten und aus politischen/religiösen Gründen Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen zu werden.
1.2. Hinsichtlich der Lage im Iran:
Religionsfreiheit
In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen. Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist.
Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen.
Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden.
Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott“, 23 wegen „Beleidigung des Islam“ und 21 wegen „Korruption auf Erden“.
Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Situation für Konvertiten
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“. Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen. Anklagen lauten meist auf „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar]. Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt.
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen. Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen „Missionsarbeit“ verurteilt. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind.
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Apostasie ist derzeit nicht nach kodifiziertem Recht, aber nach der Scharia strafbar. Letztere ist entsprechend Art. 4 der Verfassung Grundlage des iranischen Rechts. Richter in Iran sind nach Art. 167 der Verfassung gehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf kodifiziertes Recht zurückzugreifen. Sind solche Gesetze nicht vorhanden, so müssen sie ihren Urteilsspruch auf Grundlage der authentischen islamischen Quellen oder der gültigen Rechtsurteile fällen.
Apostasie ist nach herrschender Meinung ein sog. Hadd-Delikt (Hadd-Strafen sind Strafen, die in der Scharia festgelegt sind). Folgende Prophetenworte werden im islamischen Recht dahingehend ausgelegt, dass Apostasie zu bestrafen ist: „...tötet den, der seine Religion wechselt“ und „Das Blut eines Muslims (zu vergießen) ist nicht erlaubt, außer in einem dieser drei (Fälle): der verheiratete Ehebrecher, Leben um Leben und der seinen Glauben Verlassende und von der Gemeinschaft sich Trennende.
Die Scharia bietet dem Richter demzufolge bereits heute eine Rechtsgrundlage, um Apostaten in Iran zum Tode zu verurteilen. Die Apostasie ist der normalen Strafgerichtsbarkeit zugewiesen, Eingangsinstanz sind die allgemeinen Strafgerichte der Provinzen. Ein Todesurteil aufgrund des Vorwurfs der Apostasie erging zuletzt im November 2002 gegen den regimekritischen Hochschulprofessor Aghajari, seine Strafe wurde aber – unter verändertem Strafvorwurf - im Frühjahr 2005 in eine Haftstrafe umgewandelt. Fälle einer Vollstreckung der Todesstrafe wegen Apostasie wurden in den letzten Jahren nicht mehr bekannt. Der ehemalige Chef der iranischen Judikative, Ayatollah Sharoudi, hatte die Staatsanwaltschaften und die Gerichte angewiesen, niemanden wegen Religionswechsel zur Todesstrafe zu verurteilen. Eine derartige Verurteilung ist daher derzeit unwahrscheinlich. Die Direktive des ehemaligen Chefs der Justiz könnte jedoch kurzfristig zurückgenommen werden.
Indes ist zu beachten, dass es trotzdem zur Anklage und Einleitung von gerichtlichen Strafverfahren wegen Konversion kommen kann. Eine Anschuldigung wegen Apostasie kann schwerste Sanktionen nach sich ziehen. Oftmals lautet die Anklage auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen" und „Beleidigung des Heiligen" wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Willkürliche Verhaftungen durch iranische Behörden
Trotz Fehlens einer strafrechtlichen Grundlage kommt es immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen von Konvertierten. Die ehemalige UN-Sonderberichterstatterin für die Lage der Menschenrechte in Iran, Asma Jahangir, hat in ihrem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) vom März 2017 betont, dass seitens der iranischen Behörden und vom Klerus gezielt mit strengen Maßnahmen und willkürlichen Verhaftungen gegen christliche Konvertiten mit vormals muslimischen Hintergrund vorgegangen wird. Auch Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief weisen auf willkürliche Verhaftungen von christlichen Personen hin. Danach ist es in den letzten zehn Jahren beispielsweise üblich geworden, dass während der Weihnachtszeit in verschiedenen Städten Irans christliche Konvertiten von den Sicherheitskräften festgenommen werden. In einem Interview mit UK Home Office im Juli 2017 wies die Organisation Article 18 darauf hin, dass bei den Verhaftungen von Konvertierten die gesetzlichen Vorschriften nur selten eingehalten werden. In den meisten Fällen würden Betroffene weder vorgeladen, noch werde ihnen bei ihrer Verhaftung ein Haftbefehl vorgelegt. Auch würden sie nicht über die Anklagepunkte informiert.
Konvertierte werden bei Razzien in Hauskirchen, Privathäusern oder an beliebigen anderen Orten festgenommen. Gemäß Zeugenaussagen an Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief sind Razzien und Festnahmen in Privathäusern von christlichen Personen in Iran weit verbreitet. Personen, die ihren Glauben in Hauskirchen praktizieren, sind von Razzien betroffen. Voraussetzung sind Informationen aus dem Umfeld der Hauskirchen. BosNewsLife zufolge haben Sicherheitskräfte allein im Monat August 2016 in mindestens vier Hauskirchen Razzien durchgeführt. Die Behörden beabsichtigen mit solchen Aktionen ein Klima der Angst zu schaffen. Gemäß Aussagen von Elam Ministries werden bei Razzien in Hauskirchen alle Anwesenden festgenommen: Sowohl diejenigen, die neu und inaktiv sind, als auch die Kirchenführenden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen. Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Anzahl verhafteter Konvertierter
Christen im Exil haben gemäß dem US Department of State von zahlreichen Festnahmen, insbesondere von evangelikalen und vom Islam konvertierten Christen berichtet. Laut der USCIRF und der in Budapest ansässigen Nachrichtenagentur BosNewsLife haben iranische Sicherheitskräfte zwischen Mai und August 2016 ungefähr 80 Christen verhaftet. Die Mehrheit der Inhaftierten wurde laut USCIRF verhört und nach wenigen Tagen freigelassen, aber ein Teil der Verhafteten wurde über Monate ohne Anklage festgehalten. Mehrere Betroffene seien weiterhin in Haft. Menschenrechtsgruppen gehen allerdings davon aus, dass es eine Dunkelziffer gibt und die Zahl der Christen, welche von den Behörden aufgegriffen werden, viel höher liegen könnte. Im Dezember 2016 waren rund 90 christliche Personen wegen ihren religiösen Tätigkeiten oder ihrem Glauben inhaftiert oder saßen in Untersuchungshaft (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Familienangehörige Konvertierter
Auch Familienangehörige von konvertierten Personen sind Ziel staatlicher Schikane und Drohungen. Verschiede Quellen geben an, dass Familienmitglieder von christlichen Konvertierten Opfer von Schikanen durch staatliche Akteure werden können. Elam Ministries berichtet von einem 12-jährigen Jungen, der über seinen Glauben befragt und geschlagen wurde und zusammen mit seinen konvertierten Eltern verhaftet wurde. Gemäß Angaben der internationalen Organisation in der Türkei an das DIS riskieren Familienmitglieder von Konvertierten den Verlust der Arbeitsstelle oder eine Verweigerung des Hochschuleintritts. Als weiteres Beispiel werden Eltern fortgeschrittenen Alters erwähnt, die wegen der Konversion ihres Kindes durch staatliche Behörden schikaniert werden. Wenn der Ernährer der Familie verhaftet wird, bringe dies außerdem finanzielle Folgen mit sich mit, zumal große Summen Geld als Kaution für die temporäre Freilassung aufgetrieben werden müsste. Diese Beträge werden so hoch festgesetzt, um der Familie möglichst hohen finanziellen Schaden zuzufügen. Berichte weisen auf Verwandte von einem ins Ausland geflohenen und von Verhaftung bedrohten christlichen Pastors hin, die fast täglich bedroht wurden und in eine andere Stadt ziehen mussten, weil der iranische Geheimdienst MOIS die lokale Gemeinde informierte, dass sie Apostaten seien (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 07.07.2018: Iran: Gefährdung von Konvertiten).
Soziale Folgen einer Konversion
Neben den strafrechtlichen Folgen einer Konversion besteht die Möglichkeit, dass bei Bekanntwerden des Glaubenswechsels der Arbeitsplatz in Gefahr gerät. Insbesondere bei staatlichen Unternehmen, in denen Angehörige des „Herasat“ (Aufsichtsgruppe des iranischen Geheimdienstministeriums) regelmäßig vertreten sind und auch in Privatunternehmen ab einer bestimmten Größe, die die Anwesenheit des „Herasat“ dulden müssen. Dabei ist es auch möglich, dass Familienangehörige des Konvertiten ebenfalls eine Kündigung erhalten.
Unabhängig von der gesellschaftlichen Umgebung besteht für Konvertiten die Gefahr, dass sie sich, wenn sie sich innerhalb der eigenen Familie erkennbar zum Christentum bekennen, erheblichen Widerständen bis hin zur aktiven Denunziation bei den Sicherheitskräften seitens eines Angehörigen der Familie aussetzen. Darüber hinaus riskieren sie auch den Ausschluss aus der Familie. Dies trifft insbesondere auf Konvertiten zu, deren Familienangehörige innerhalb des Regierungsapparates arbeiten, da diese in der Furcht leben, die Arbeit zu verlieren. Auch das Recht auf die Kindererziehung wird in solchen Fällen möglicherweise von der Familie in Frage gestellt, da die Erziehung eines muslimischen Kindes für Andersgläubige ausgeschlossen ist.
Grundsätzlich kann aber auch davon ausgegangen werden, dass diese Konflikte ausbleiben, wenn die Familie einem eher säkularen Umfeld entspringt, wie es in der iranischen Gesellschaft oftmals oder zunehmend der Fall ist. Daher kann auch davon ausgegangen werden, dass außerhalb des beruflichen Umfelds ein mangelhafter Moschee-Besuch oder die Verweigerung der Teilnahme an muslimischen Ritualen nicht zwingend den Verdacht einer Konversion aufkommen lässt. Dennoch ist es nicht verwunderlich, dass viele Konvertiten den Glaubenswechsel gegenüber ihren Familien verschweigen, um mögliche Konflikte zu umgehen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Rückkehr von Konvertiten
Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet.
Allgemein wird eine Unterscheidung zwischen dem Konvertiten, der bereits vor einer Ausreise in den Fokus der Sicherheitskräfte geraten ist und demjenigen, der nach der Ausreise einen Glaubenswechsel tätigte, vorgenommen.
Konvertiten, die aus einer Gefährdungs- oder Konfliktsituation heraus die Ausreise betrieben haben, werden als gefährdet betrachtet, da möglicherweise seitens der Behörden eine Akte über sie angelegt wurde und dies bei der Einreise über das Informationssystem angezeigt wird. Auch Konvertiten, die im Ausland in der Öffentlichkeit für ihr christliches neues Leben bekannt wurden, laufen Gefahr, dass die iranischen Sicherheitskräfte eine solche Ermittlungsakte angelegt haben. Dabei genügt es nicht, über die sozialen Medien den Glaubenswechsel zu verbreiten; vielmehr wird angenommen, dass bei entsprechender Aufmerksamkeit für die iranischen Dienste entscheidend ist, ob der Glaubenswechsel nachvollziehbar ist oder lediglich eine „copy/paste“-Entscheidung getroffen wurde, um eine Annäherung zum westlichen Leben zu erreichen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Menschenrechtslage/Sanktionen
Der Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer. Die Menschenrechtsbilanz der Regierung bleibt schlecht und verschlechterte sich in mehreren Schlüsselbereichen. Zu den Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften. Die Regierung unternahm wenige Schritte um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet.
Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden. Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des „Defenders of Human Rights Center“, deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Rechtsschutz / Justizwesen
Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik. in welcher versucht wird. demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt. dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden. Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den sogenannten Chef der Judikative. Dieser ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben. unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich. dass Exekutivorgane. v.a. der Sicherheitsapparat. trotz des formalen Verbots. in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten. dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer („Iranian Bar Association“;IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt. Die Liste der Verteidiger in politischen Verfahren ist auf 20 Anwälte beschränkt worden, die z. T dem Regime nahe stehen. Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen. Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen.
Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen. Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet. Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft.
In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden.
In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die “Sondergerichte für die Geistlichkeit“ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt.
Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:
- Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";
- Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;
- Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;
- Spionage für fremde Mächte;
- Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;
- Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen.
Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten.
Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt. Nach Art. 278 iStGB können in bestimmten Fällen des Diebstahls Amputationen von Gliedmaßen auch für Ersttäter - vom Gerich