TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/13 97/18/0529

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Veröffentlicht am 13.11.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §17 Abs4;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. Werner Zatlasch, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 49, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. August 1997, Zl. SD 295/97, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer, der sich seit 1994 im Bundesgebiet aufhalte, sei nie im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung gewesen. Bezüglich des illegalen Aufenthalts sei der Beschwerdeführer rechtskräftig bestraft worden.

Darüber hinaus sei er mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom 27. März 1995 wegen Diebstahls und unbefugten Besitzes von verbotenen Waffen (§§ 12, 127, 15 StGB, § 36 Abs. 1 Z. 2 des Waffengesetzes) und mit Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 18. Oktober 1995 wegen Körperverletzung (§ 83 Abs. 2 StGB) jeweils zu Geldstrafen rechtskräftig verurteilt worden. Dies habe den Beschwerdeführer nicht davon abgehalten, neuerlich straffällig zu werden. Er sei am 5. August 1996 vom Landesgericht für Strafsachen Wien und am 17. Mai 1996 vom Bezirksgericht Donaustadt wiederum wegen Diebstahls (§§ 15, 127 StGB) zu Geldstrafen rechtskräftig verurteilt worden.

Da der Beschwerdeführer somit dreimal wegen strafbarer Handlungen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhten, verurteilt worden sei, bestehe kein Zweifel, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei. Das den Verurteilungen zugrundeliegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers (eine Vielzahl von Eingriffen in fremdes Vermögen) sowie die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung rechtfertigten auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme. In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG entgegenstünden.

Aufgrund der Tatsache, daß der Beschwerdeführer am 10. Oktober 1994 in Wien geheiratet habe und mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind im Bundesgebiet lebe, sei zweifellos von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Grunde des § 19 FrG auszugehen. Dessen ungeachtet sei aber die gegen ihn gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen - dringend geboten. Daß der Beschwerdeführer auch nach bereits erfolgter rechtskräftiger Verurteilung nicht davor zurückgeschreckt sei, neuerlich straffällig zu werden, verdeutliche sehr augenfällig, daß er offenbar nicht in der Lage oder willens sei, die zum Schutz fremden Vermögens aufgestellten Normen seines Gastlandes einzuhalten. Der vom Beschwerdeführer relevierte Umstand, daß die österreichischen Gerichte wegen der Geringfügigkeit der Straftaten Geldstrafen verhängt hätten, sodaß daraus eine günstige Prognose für ein künftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers ableitbar wäre, vermöge daran nichts zu ändern. Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer drei strafbare Handlungen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen würden, begangen habe, lasse für eine positive Zukunftsprognose keinen Raum. Die den gerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Straftaten und die darin zum Ausdruck kommende krasse Mißachtung des Eigentums anderer Menschen ließen jedenfalls die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer, insbesondere zum Schutz der Rechte Dritter und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig erscheinen.

Im Lichte dieser Überlegungen habe auch die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmende Interessenabwägung zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausschlagen müssen, zumal der Beschwerdeführer bislang nicht in den Besitz einer Aufenthaltsberechtigung gelangt sei (die bloße Antragstellung vermöge nicht die behördliche Bewilligung zu ersetzen) und sich daher nicht mit Erfolg auf "einen relevanten Grad seiner Integration" berufen könne. Dies umsoweniger, als die für eine Integration wesentliche soziale Kompenente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers zusätzlich beeinträchtigt werde. Auch die Ehe des Beschwerdeführers falle nicht zu seinen Gunsten ins Gewicht, weil die Eheschließung zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, als der Beschwerdeführer rechtens nicht mit einem weiteren Aufenthalt in Österreich habe rechnen dürfen. Im übrigen könne er einer allfälligen Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Kind und seiner Ehegattin auch vom Ausland aus nachkommen. Diesen - ohnedies nicht sehr stark ausgeprägten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers seien die hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen an der Verhinderung der Eigentumskriminalität und an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüberzustellen. Bei dieser Interessenabwägung sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung auch nach Auffassung der belangten Behörde gerechtfertigt. Angesichts des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes vorhergesehen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer weist zunächst darauf hin, daß das Verwaltungsverfahren über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung noch nicht beendet sei und daß die belangte Behörde gemäß § 17 Abs. 4 FrG die rechtskräftige Entscheidung über die Aufenthaltsbewilligung hätte abwarten müssen, um dann erst über eine allfällige Ausweisung zu entscheiden.

1.2. Der Anwendbarkeit des § 17 Abs. 4 FrG steht im Beschwerdefall aber schon entgegen, daß diese Bestimmung auf die Maßnahme der Ausweisung beschränkt und somit im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes - welches das FrG sowohl von den Voraussetzungen her als auch hinsichtlich der Rechtsfolgen von der Ausweisung klar unterscheidet (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1997, Zl. 97/18/0511) - nicht anwendbar ist. Darüber hinaus hat die Beschwerde die maßgebliche Feststellung im angefochtenen Bescheid unbestritten gelassen, wonach der Beschwerdeführer noch nie im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung gewesen sei. Auch von daher gesehen ist der § 17 Abs. 4 FrG auf den Beschwerdefall nicht anwendbar, bezieht sich doch diese Bestimmung - wie auch die Beschwerde ausführt - lediglich auf Fälle, in denen rechtzeitig ein Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt wurde.

2. In der Beschwerde bleiben die Feststellungen der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer (jeweils zu einer Geldstrafe) dreimal wegen strafbarer Handlungen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen würden (nämlich wegen (versuchten) Diebstahls), rechtskräftig verurteilt worden sei, unbestritten. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hegt der Verwaltungsgerichtshof - entgegen der Beschwerde - gegen die Auffassung der Behörde, daß im Beschwerdefall der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall verwirklicht worden sei, keine Bedenken. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung teilt der Gerichtshof auch die Beurteilung der belangten Behörde, daß das diesen Verurteilungen wegen (versuchten) Diebstahls (§ 127 StGB) zugrundeliegende Fehlverhalten - daß es sich um eine Vielzahl von Eingriffen in fremdes Vermögen handle, bestreitet der Beschwerdeführer nicht - auch die Annahme rechtfertige, sein Aufenthalt in Österreich würde die öffentliche Ordnung gefährden und somit den Tatbestand des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG erfüllen. Dem diesbezüglichen Beschwerdeeinwand, die Gerichte hätten - wie aus den Gerichtsurteilen ersichtlich - "aufgrund der günstigen Prognose des künftigen Wohlverhaltens des Beschwerdeführers" jeweils lediglich Geldstrafen verhängt, ist entgegenzuhalten, daß die Behörde ihre Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes und somit unabhängig von Erwägungen, die für das Gericht bezüglich der Strafbemessung ausschlaggebend gewesen sein mögen, zu treffen hatte (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 17. Juli 1997, Zl. 97/18/0333, mwH).

3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde der §§ 19 und 20 FrG. Der Beschwerdeführer lebe mit "seiner Familie und einem Kleinkind", für welches er unterhaltspflichtig sei, in Österreich. Er habe keine Verbindung mehr zu seinem Geburtsstaat. Vielmehr sei aufgrund der ethnischen Verschiedenheit der Ehepartner eine Rückkehr in das Geburtsland de facto als ausgeschlossen anzusehen; der Beschwerdeführer und seine Ehefrau wären dort mit Beeinträchtigung ihrer Freiheit und auch in ihrem Leben bedroht. Auch würde für die Unterhaltsansprüche seiner Ehegattin und seines minderjährigen Kindes Gefahr bestehen, wenn der Beschwerdeführer (offenbar gemeint: alleine) in ein Land abgeschoben werden sollte, wo er aufgrund seiner geschlossenen Mischehe "allenfalls nur mit Verfolgungen zu rechnen hätte". Diesbezüglich (gemeint ist offenbar: im Falle der Abschiebung des Beschwerdeführers in sein Heimatland) "würde eine Belastung des österreichischen Staates heranstehen". Der Beschwerdeführer habe auch - "wie urkundlich vorgelegt" - eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet und betreibe ein Unternehmen, in dem auch inländische Arbeitskräfte Beschäftigung finden könnten; dadurch würden auch der Familienunterhalt sowie "die Kosten im Aufenthaltsstaat" gesichert werden, es würden auch die entsprechenden Sozialabgaben und Steuern abgeführt. Diesen privaten Interessen stünden lediglich geringfügige, von inländischen Gerichten verhängte Freiheitsstrafen gegenüber, "welche jedoch keineswegs eine ungünstige Prognose über die Täterpersönlichkeit in den Urteilen deponierten". Ein Aufenthaltsverbot (noch dazu im Ausmaß von zehn Jahren) würde die Familieninteressen einer schon seit längerer Zeit in Österreich lebenden Familie aufs Ärgste beeinträchtigen, die in Österreich verbleibenden Mitglieder im Inland der Not oder Fürsorgeunterstützung aussetzen, im Ausland aber der Verfolgung.

3.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Im Hinblick auf die familiären Bindungen ist die Behörde zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme "zweifellos" mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Grunde des § 19 FrG verbunden sei. Die belangte Behörde hat aber ebenso zutreffend die Auffassung vertreten, daß ein großes, dem Art. 8 Abs. 2 MRK unterstellbares öffentliches Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität besteht. Zu Ungunsten des Beschwerdeführers fällt weiters ins Gewicht, daß dieser - unbestritten - bisher über keine Bewilligung für seinen Aufenthalt in Österreich verfügte und sein rechtswidriger Aufenthalt in der Dauer von etwa dreieinhalb Jahren gravierend gegen das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, welchem aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 17. April 1997, Zl. 97/18/0171, mwH), verstoßen hat.

Der Beschwerdeführer kann seiner Verpflichtung zum Unterhalt gegenüber seiner Familie - wenn auch allenfalls nur eingeschränkt - auch vom Ausland aus nachkommen (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 4. April 1997, Zl. 97/18/0140). Mit seinem Vorbringen betreffend seinen Heimatstaat - auch mit Rücksicht auf die von ihm dort befürchtete Verfolgung - verkennt der Beschwerdeführer, daß mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht (auch) ausgesprochen wird, daß der betroffene Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder daß er (allenfalls) abgeschoben wird. Mit dem auf den Umstand gerichteten Vorbringen, daß die Gerichte lediglich Geldstrafen verhängt hatten, ist der Beschwerdeführer auf die Ausführungen in Punkt II.2. bezüglich der von den Fremdenbehörden eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts vorzunehmenden Beurteilung zu verweisen. Schließlich ist die Ehe des Beschwerdeführers in ihrem Gewicht deutlich insofern gemindert, daß der Beschwerdeführer die Ehe - unbestritten - zu einem Zeitpunkt geschlossen hat, als er keine Aufenthaltsberechtigung besaß und rechtens mit einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht rechnen durfte. Dies gilt auch für die in der Beschwerde vorgebrachte Integration aufgrund der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers, deren Aufnahme ebenfalls ohne die für seinen Aufenthalt erforderliche Aufenthaltsbewilligung erfolgte (vgl. § 1 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes).

Wenn die Behörde angesichts dessen die Auffassung vertreten hat, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbots im Grunde des § 19 FrG dringend geboten sei und die negativen Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme (§ 20 Abs. 1 leg. cit.), ist dies nicht als rechtswidrig zu erkennen.

4. Schon der Inhalt der Beschwerde läßt somit erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt; die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180529.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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