TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/18 I422 1317049-3

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Veröffentlicht am 18.06.2020
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Entscheidungsdatum

18.06.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §52
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I422 1317049-3/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Farhad PAYA, Herrengasse 12/l, 9020 Klagenfurt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2019, Zl. 770939307/190390552, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 09.10.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.12.2018 in Verbindung mit einer Rückkehrentscheidung vollinhaltlich abgewiesen wurde.

Der Beschwerdeführer kam in der Folge seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, sondern verblieb in Österreich.

Mit Schreiben vom 12.04.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 1 AsylG. Zugleich beantragte der Beschwerdeführer die Heilung eines Mangels nach § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG, da ihm die Vorlage eines durch seinen Herkunftsstaat Nigeria ausgestellten Reisedokuments bzw. einer Geburtsurkunde nicht möglich sei.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 17.06.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Mängelheilung ab (Spruchpunkt I.). Zugleich wies die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen als unzulässig zurück (Spruchpunkt II.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt IV.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt V.). Ferner erließ die belangte Behörde über den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel einer Beschwerde, welche das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 26.07.2019, I422 1317049-3, als unbegründet abwies.

Gegen jenen Spruchpunkt, mit welchem die Beschwerde gegen die Erlassung des Einreiseverbotes abgewiesen wurde, erhob der Beschwerdeführer in der Folge eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

Mit Erkenntnis vom 27.04.2020, Ra 2019/21/0277-7 hob der Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis im bekämpften Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Zunächst wurde festgehalten, dass der vorliegende Fall dadurch gekennzeichnet sei, dass das Asylverfahren bis zu seiner rechtskräftigen negativen Erledigung mit Erkenntnis vom 04.12.2018 mehr als elf Jahre gedauert habe, ohne dass dies dem Beschwerdeführer erkennbar anzulasten sei. Danach sei der Beschwerdeführer zwar – trotz Stellung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG – grundsätzlich zur Ausreise verpflichtet gewesen. Die Verzögerung seiner Ausreise um – zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts – etwas mehr als ein halbes Jahr falle angesichts der elfjährigen Dauer des Asylverfahrens aber nicht entscheidend ins Gewicht. Auch aus der einmaligen Versäumung eines Ladungstermins, der die Befolgung einer weiteren Ladung mit ordnungsgemäßer Mitwirkung an der Erlangung von Heimreisedokumenten gegenüberstehe, sei in dieser Konstellation noch keine so qualifizierte Verletzung der Ausreiseverpflichtung abzuleiten, dass darin eine die Erlassung eines Einreiseverbots rechtfertigende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit läge. Hinsichtlich der von dem Bundesverwaltungsgericht festgestellten Mittellosigkeit des Beschwerdeführers, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag sich grundsätzlich als Nachweis der Unterhaltsmittel für den (zukünftigen) Aufenthalt im Bundesgebiet eigne. Wenn sich das Bundesverwaltungsgericht außerdem darauf stütze, dass das im Arbeitsvorvertrag vorgesehene Entgelt von brutto € 1.100 (netto € 933,68) unter der aktuellen Armutsgefährdungsschwelle liege, sei ihm zu entgegnen, dass hinsichtlich der Höhe der Einkünfte, bei deren Vorliegen nicht von Mittellosigkeit im Sinne des § 53 Abs. 2 Z. 6 FPG auszugehen sei, eine Orientierung an § 11 Abs. 5 NAG und demnach an den Ausgleichszulagenrichtsätzen des § 293 ASVG zu erfolgen habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe in Verkennung der Rechtlage jedoch die von der Armutskonferenz aufgestellten höheren Zahlen herangezogen. Da das im Arbeitsvorvertrag vorgesehene Entgelt den Ausgleichszulagenrichtsatz, welcher für das Jahr 2019 gemäß § 293 Abs. 1 lit. sublit.bb ASVG € 933,06 betrage, erreiche, erweise sich die rechtliche Fehleinschätzung des Bundesverwaltungsgerichts auch als ergebnisrelevant. Warum dennoch Mittellosigkeit das verhängte Einreiseverbot rechtfertigen könne, sei vom Bundesverwaltungsgericht nicht überzeugend dargelegt worden. Weder die im Arbeitsvorvertrag vereinbarte Flexibilität hinsichtlich Arbeitszeit und –ort in ganz Kärnten noch die nicht näher begründeten Zweifel, ob der Beschwerdeführer die Beschäftigung wirklich antreten würde, würden dafür ausreichen. Da im Ergebnis weder eine (qualifizierte) Verletzung der Ausreiseverpflichtung noch Mittellosigkeit das verhängte Einreiseverbot in der Höhe von drei Jahren zu tragen vermögen würden, sei das angefochtene Erkenntnis wegen (prävalierender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Darüber hinaus wird auf die im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.07.2019 ausführlich getroffenen Feststellungen verwiesen.

Ergänzend wird festgestellt, dass das in dem von dem Beschwerdeführer vorgelegten Arbeitsvorvertrag vorgesehene Entgelt den Ausgleichszulagenrichtsatz, welcher für das Jahr 2019 € 933,06 beträgt, erreicht und somit eine Mittellosigkeit nicht festgestellt werden kann.

2. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie sämtlichen Unterlagen im Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu I422 1317049-3.

Hinsichtlich des Verweises auf die getroffenen Feststellungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.07.2019 wird die dortige Beweiswürdigung als maßgeblich erachtet. Die Feststellung, dass eine Mittellosigkeit des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden kann, ergibt sich jedoch aus der Argumentationslinie des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.04.2020, Ra 2019/21/0277-7.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung des angefochtenen Bescheides:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 27.04.2020, Ra 2019/21/0277-7, mit näherer Begründung insbesondere dargestellt, dass hinsichtlich der Höhe der Einkünfte, bei deren Vorliegen nicht von Mittellosigkeit im Sinne des § 53 Abs. 2 Z. 6 FPG auszugehen ist, eine Orientierung an § 11 Abs. 5 NAG und demnach an den Ausgleichszulagenrichtsätzen des § 293 ASVG zu erfolgen hat. Ebenso stellte der Verwaltungsgerichtshof klar, dass sich ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag grundsätzlich als Nachweis der Unterhaltsmittel für den (zukünftigen) Aufenthalt im Bundesgebiet eignet.

Aufgrund dessen kann im gegenständlichen Fall eine Mittellosigkeit des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, sondern lässt der von dem Beschwerdeführer vorgelegte Arbeitsvorvertrag vielmehr darauf schließen, dass der Beschwerdeführer künftig dazu in der Lage sein wird seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeitsleistung sicherzustellen.

Des Weiteren stellte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.04.2020, Ra 2019/21/0277-7, klar, dass der Beschwerdeführer zwar grundsätzlich zur Ausreise verpflichtet gewesen wäre, die Verzögerung seiner Ausreise um – zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts – etwas mehr als ein halbes Jahr angesichts der elfjährigen Dauer des Beschwerdeführers – welche diesem nicht anzulasten sei – jedoch nicht ins Gewicht falle.

Eine qualifizierte Verletzung der Ausreiseverpflichtung durch den Beschwerdeführer kann daher nicht festgestellt werden.

Der Beschwerde war daher teilweise stattzugeben und Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides zu beheben.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der Sachverhalt zur finanziellen Situation des Beschwerdeführers sowie zur Dauer des Asylverfahrens ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und wurde auch im Revisionsvorbringen entsprechend wiederholt. Nach § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine mündliche Verhandlung entfallen, wenn - wie hier - bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid zu beheben ist.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im gegenständlichen Fall wurde unter anderem insbesondere die Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung von Unterhaltsmitteln thematisiert. Dabei weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Menschenrechtsverletzungen Mittellosigkeit real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I422.1317049.3.00

Im RIS seit

28.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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