TE Bvwg Beschluss 2020/6/19 W273 2231776-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.2020
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Entscheidungsdatum

19.06.2020

Norm

BVergG 2006 §2 Z49
BVergG 2018 §12 Abs1
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §342 Abs2
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §4 Abs1 Z2
BVergG 2018 §6
B-VG Art133 Abs4
BVwGG §19
GO-BVwG §20
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W273 2231776-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Isabel FUNK-LEISCH als Einzelrichterin über den Antrag der XXXX , vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH, Schottenring 12, 1010 Wien, vom 08.06.2020 betreffend das Vergabeverfahren „Hybrid OP Ausstattung für die Medizinische Universität Wien“ der Medizinischen Universität Wien, Spitalgasse 23, 1090 Wien, vertreten durch die vergebende Stelle Universität Wien, Raum und Ressourcenmanagement, Universitätsring 1, 1010 Wien, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH, Gauermanngasse 2, 1010 Wien:

A)

Der Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge „für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens der Auftraggeberin im gegenständlichen Vergabeverfahren ‚Hybrid OP Ausstattung für die Medizinische Universität Wien‘ (AZ: 19-016.062) untersagen, das Vergabeverfahren fortzusetzen, insbesondere den Zuschlag zu erteilen“, wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Vorbringen der Parteien

1. Mit Schriftsatz vom 08.06.2020, beim Bundesverwaltungsgericht per Web-ERV eingebracht am 08.06.2020 um 15:18 Uhr, stellte XXXX , vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH, Schottenring 12, 1010 Wien (im Folgenden „die Antragstellerin“) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 29.05.2020 im Vergabeverfahren „Hybrid OP Ausstattung für die Medizinische Universität Wien“ (im Folgenden auch „das Vergabeverfahren“) der Medizinischen Universität Wien, Spitalgasse 23, 1090 Wien (im Folgenden auch „die Auftraggeberin“). Die Antragstellerin beantragte, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und der Auftraggeberin den Ersatz der von der Antragstellerin entrichteten Pauschalgebühren aufzutragen.

2. Die Antragstellerin verband ihre Anträge mit dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens wie im Spruch ersichtlich. Die Antragstellerin erhob ihr Vorbringen betreffend den Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung zum Inhalt ihres Vorbringens zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Auftraggeberin könne mit der Erteilung des Zuschlags unumkehrbare Tatsachen schaffen, die von der Antragstellerin mit den Mitteln des BVergG nicht mehr beseitigt werden könnten. Es seien keine besonderen Interessen der Auftraggeberin ersichtlich, die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechen würden.

3. Am 09.06.2020 verständigte das Bundesverwaltungsgericht die Auftraggeberin und die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin, die XXXX zu von der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens. Die Verständigung ging der Auftraggeberin am 09.06.2020 um 10:50 Uhr zu.

4. Mit Schriftsatz vom 12.06.2020 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren und übermittelte die Unterlagen des Vergabeverfahrens. Die Auftraggeberin gab bekannt, dass der Zuschlag am 09.06.2020 um 08:51 elektronisch über die Vergabeplattform der Zuschlagsempfängerin erteilt worden sei. Die Auftraggeberin führte aus, dass der Zuschlag zum Zeitpunkt der Verständigung der Auftraggeberin durch das Bundesverwaltungsgericht bereits erteilt gewesen worden sei. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über den Nachprüfungsantrag und den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei daher nicht gegeben. Mangels entsprechender Zuständigkeit seien diese Anträge zurückzuweisen.

5. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte der Antragstellerin den Schriftsatz der Auftraggeberin vom 12.06.2020 mit Schreiben vom 15.06.2020 zur Stellungnahme.

6. Mit Stellungnahme vom 16.06.2020 bezeichnete die Auftraggeberin die von der Akteneinsicht auszunehmenden Bestandteile des Vergabeaktes und erstattete ergänzendes Vorbringen zur Unzulässigkeit der Anträge.

7. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte der Antragstellerin den Schriftsatz der Auftraggeberin vom 16.06.2020 mit Schreiben vom 16.06.2020 zur allfälligen Stellungnahme.

8. Mit Stellungnahme vom 17.06.2020 führte die Antragstellerin aus, die Auftraggeberin habe die Zuschlagsentscheidung zugunsten der XXXX bekannt gegegeben, die jedoch nicht existieren würde. Die Zuschlagsentscheidung entfalte aus diesem Grund keine Wirkung bzw. sei unwirksam. Eine Umdeutung der als Zuschlagempfängerin angeführten XXXX in die bestehende und im Firmenbuch eingetragene XXXX komme nicht in Betracht, zumal diesfalls der in der Zuschlagsentscheidung genannte Unternehmer nicht mit dem tatsächlichen Zuschlagsemfänger übereinstimmen würde. Die Auftraggeberin habe somit auch keinen Zuschlag erteilt. Mit der nicht existenten XXXX könne ein zivilrechtlicher Vertrag nicht abgeschlossen werden. Da die Zuschlagserteilung nicht durch die Mitteilung der Auftraggeberin erfolgt sei, sei das Bundesverwaltungsgericht weiterhin zur Entscheidung über die einstweilige Verfügung zuständig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

1. Mit Bekanntmachung vom 07.02.2020 schrieb die Medizinischen Universität Wien als Auftraggeberin den Auftrag „Hybrid OP Ausstattung für die Medizinische Universität Wien“, (AZ: 19-016.062) aus. Es handelt sich um einen Lieferauftrag im Oberschwellenbereich. Das Vergabeverfahren wurde als offenes Verfahren geführt. Der geschätzte Auftragswert betrug EUR XXXX . Das Vergabeverfahren wurde über die elektronische Vergabeplattform XXXX (im Folgenden „Vergabeportal“) geführt. Es wurden zwei Angebote abgegeben, unter anderem von der Antragstellerin (Allgemeine Auskünfte der Auftraggeberin= OZ 7). Neben der Antragstellerin gab die XXXX , eingetragen im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter FN XXXX , ein Angebot ab (Vergabeakt). Am 27.03.2020 fand die Angebotsöffnung statt (Vergabeakt).

3. Am 29.05.2020 wurde über die elektronische Plattform die Zuschlagsentscheidung an alle Bieter bekannt gegeben. Unter dem Feld „Zuschlagsempfänger“ führte die Auftraggeberin in der Zuschlagsentscheidung an: „ XXXX “ (Zuschlagsentscheidung, Beilage ./1 zum Antrag auf Nichtigerklärung).

4. Der Antrag auf Nichtigerklärung der Antragstellerin wurde per Web-ERV beim Bundesverwaltungsgericht am 08.06.2020 um 15.18 Uhr eingebracht (Vergabeakt). Die Verständigung des Bundesverwaltungsgerichtes vom Einlagen des Antrages auf Nichtigerklärung und des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung erfolgten durch das Bundesverwaltungsgericht am 09.06.2020 und gingen der Auftraggeberin am 09.06.2020 um 10:50 Uhr zu.

5. Die Auftraggeberin versandte die Zuschlagserteilung am 09.06.2020 um 08:51 über die elektronische Vergabeplattform an die XXXX , bezeichnet als „ XXXX “. Die XXXX bestätigte den Erhalt der Zuschlagserteilung am 09.06.2020 um 09:12 Uhr (Allgemeine Auskünfte der Auftraggeberin, Vergabeakt).

6. Die Antragstellerin entrichtete Pauschalgebühren in Höhe von EUR 3.240,-- (Vergabeakt).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich jeweils aus den in Klammer genannten Beweismitteln. Diese wurden von den Verfahrensparteien vorgelegt und von der jeweils anderen Seite weder bestritten noch angezweifelt. Sie sind daher als echt und richtig anzusehen. Widersprüche traten nicht auf.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung als Einzelrichter

Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 328 Abs 1 Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327 BVergG 2018, soweit es sich nicht um die um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über den oben wiedergegebenen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Somit liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.2. Zur Zurückweisung des Antrages

3.2.1. Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Medizinischen Universität Wien. Sie ist öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018. Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 6 BVergG 2018 um einen Lieferauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 BVergG 2018, sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt. Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018.

3.2.2. Die im gegenständlichen Fall relevanten Bestimmungen des BVergG 2018 lauten auszugsweise:

„Zuständigkeit

§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.

(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig
1.         zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie
2.         zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.

2. Abschnitt

Nachprüfungsverfahren

Einleitung des Verfahrens

§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern
1.         er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
2.         ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(2) Ist die zwischen dem Zugang der Verständigung über das Ausscheiden und der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung bzw. der Widerrufsentscheidung liegende Zeitspanne kürzer als die in § 343 vorgesehene Frist, ist ein Bieter berechtigt, das Ausscheiden gemeinsam mit der Zuschlagsentscheidung oder der Widerrufsentscheidung in einem Antrag innerhalb der für die Anfechtung der Zuschlagsentscheidung bzw. der Widerrufsentscheidung eingeräumten Frist anzufechten.

(3) Dem Antrag auf Nachprüfung kommt keine aufschiebende Wirkung für das betreffende Vergabeverfahren zu.

(4) Wird dieselbe gesondert anfechtbare Entscheidung von mehreren Unternehmern angefochten, hat das Bundesverwaltungsgericht die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden. Eine getrennte Verfahrensführung ist zulässig, wenn diese im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist.

Fristen für Nachprüfungsanträge

§ 343. (1) Anträge auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung sind bei einer Übermittlung bzw. Bereitstellung der Entscheidung auf elektronischem Weg sowie bei einer Bekanntmachung der Entscheidung binnen 10 Tagen einzubringen, bei einer Übermittlung über den Postweg oder einen anderen geeigneten Weg binnen 15 Tagen. Die Frist beginnt mit der Übermittlung bzw. Bereitstellung der Entscheidung bzw. der erstmaligen Verfügbarkeit der Bekanntmachung.

(2) Bei der Durchführung einer Direktvergabe beträgt die Frist 10 Tage ab dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von der gesondert anfechtbaren Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder erlangen hätte können.

(3) Anträge auf Nachprüfung der Ausschreibung – mit Ausnahme der Bekanntmachung bei einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung – können über den in Abs. 1 genannten Zeitraum hinaus bis spätestens 7 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist, der Frist zur Vorlage der Wettbewerbsarbeiten oder der Teilnahmeantragsfrist eingebracht werden, sofern diese Frist mehr als 17 Tage beträgt. Wenn die Ausschreibungs- oder Wettbewerbsunterlagen nicht auf elektronischem Weg zur Verfügung gestellt, übermittelt bzw. bereitgestellt werden, tritt die Verlängerung der Nachprüfungsfrist erst ein, wenn die Angebotsfrist, die Frist zur Vorlage der Wettbewerbsarbeiten oder die Teilnahmeantragsfrist mehr als 22 Tage beträgt.

3. Abschnitt

Einstweilige Verfügungen

Antragstellung

§ 350. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:
1.         die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,
2.         eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 342 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,
3.         die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,
4.         die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,
5.         die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und
6.         die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

(3) Wenn noch kein Nachprüfungsantrag zur Bekämpfung der geltend gemachten Rechtswidrigkeit gestellt wurde, ist der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur zulässig, wenn er vor Ablauf der in § 343 genannten Fristen für die Geltendmachung der betreffenden Rechtswidrigkeit eingebracht wird.

(4) Wird ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zwar rechtzeitig gestellt, in weiterer Folge aber bis zum Ablauf der in § 343 genannten Fristen kein Nachprüfungsantrag zur Bekämpfung der im Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bezeichneten Rechtswidrigkeit gestellt oder ein bereits gestellter Nachprüfungsantrag nach Ablauf der Antragsfrist wieder zurückgezogen, ist das Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung formlos einzustellen. Eine allenfalls erlassene einstweilige Verfügung tritt in diesem Fall mit Ablauf der in § 343 genannten Fristen bzw. mit dem Zeitpunkt der Zurückziehung des Nachprüfungsantrages außer Kraft. Der Antragsteller und der Auftraggeber sind vom Außerkrafttreten der einstweiligen Verfügung zu verständigen.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat den Auftraggeber und gegebenenfalls die vergebende Stelle vom Einlangen eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit dem die Untersagung der Erteilung des Zuschlages, die Untersagung des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung, die Untersagung der Erklärung des Widerrufes oder die Unterlassung der Angebotsöffnung begehrt wird, unverzüglich zu verständigen. Anträgen auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die die Untersagung der Erteilung des Zuschlages, die Untersagung des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung, die Untersagung der Erklärung des Widerrufes oder die Unterlassung der Angebotsöffnung begehren, kommt ab Zugang der Verständigung vom Einlangen des Antrages bis zur Entscheidung über den Antrag aufschiebende Wirkung zu. Der Auftraggeber bzw. die vergebende Stelle darf bis zur Entscheidung über den Antrag
1.         den Zuschlag nicht erteilen oder die Rahmenvereinbarung nicht abschließen, bzw.
2.         das Vergabeverfahren nicht widerrufen, bzw.
3.         die Angebote nicht öffnen.

(6) Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Verständigung an den Auftraggeber und gegebenenfalls an die vergebende Stelle vom Einlangen eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung auf die Rechtsfolgen der Antragstellung gemäß § 351 Abs. 2 hinzuweisen.

(7) Ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist unzulässig, wenn trotz Aufforderung zur Verbesserung der Antrag nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde.“

3.2.3. Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BGBl. I Nr. 10/2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018) sowie der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes (GO-BVwG idgF) lauten auszugsweise:

§ 19 BVwGG:

„Geschäftsordnung

§ 19. (1) Die näheren Regelungen über die Geschäftsführung und den Geschäftsgang des Bundesverwaltungsgerichtes sind in der Geschäftsordnung vorzusehen. Die Geschäftsordnung ist von der Vollversammlung auf Vorschlag des Geschäftsverteilungsausschusses zu beschließen und vom Präsidenten zur allgemeinen Einsicht aufzulegen; diese kann auch auf andere Weise öffentlich zugänglich gemacht werden.

(2) In der Geschäftsordnung kann insbesondere festgelegt werden, wann (Amtsstunden) und wo (Dienststelle am Sitz, Außenstelle) Schriftsätze beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht werden können. Schriftsätze, die im elektronischen Verkehr übermittelt oder im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht worden sind, gelten mit dem Tag ihrer Einbringung als eingebracht, und zwar auch dann, wenn sie nach dem Ende der Amtsstunden eingebracht wurden; allfällige Pflichten des Bundesverwaltungsgerichtes zur Vornahme bestimmter Handlungen werden diesfalls jedoch frühestens mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden ausgelöst.“

§ 20 GO-BVwG:

㤠20. Amtsstunden

(1) Die Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichtes sind an jedem Arbeitstag, mit Ausnahme des Karfreitages, des 24. und des 31. Dezember, von 08:00 Uhr bis 15:00 Uhr.

(2) Schriftliche Anbringen (Schriftsätze) können nur innerhalb der Amtsstunden physisch (postalisch, persönlich oder mit Boten) oder elektronisch am Sitz des Bundesverwaltungsgerichtes in Wien eingebracht werden.

(3) Schriftliche Anbringen (Schriftsätze) betreffend Rechtssachen, die in einer Gerichtsabteilung einer Außenstelle anhängig sind, können unbeschadet des Abs. 2 innerhalb der Amtsstunden physisch oder elektronisch bei der betreffenden Außenstelle eingebracht werden.

(4) Aktenvorlagen betreffend Rechtssachen, die in einer Gerichtsabteilung einer Außenstelle anhängig sind, haben nach Maßgabe der entsprechenden richterlichen Verfügung unmittelbar an die betreffende Außenstelle zu erfolgen.

(5) Elektronische Eingaben mit Telefax oder E-Mail sind an die dafür allgemein vorgesehene Telefax-Nummer oder E-Mail-Adresse des Bundesverwaltungsgerichtes zu übermitteln.

(6) Schriftliche Anbringen (Schriftsätze), die nach Ablauf der Amtsstunden eingebracht werden, gelten erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht.

(7) Für die Einbringung von Eingaben (Schriftsätzen) im elektronischen Rechtsverkehr nach § 21 BVwGG gelten die Bestimmungen der BVwG-elektronischer-Verkehr-Verordnung (BVwG-EVV), BGBl. II Nr. 515/2013.“

3.2.4. Soweit die Antragstellerin vorbringt, die Zuschlagsentscheidung sei nicht existent bzw. unwirksam und der Zuschlag sei nicht erteilt worden, ist dazu folgendes auszuführen:

Die Zuschlagsentscheidung erging zu Gunsten der Bieterin XXXX , im Vergabeportal bezeichnet als „ XXXX “. Aus dem Vergabeakt ergibt sich, dass die XXXX , eingetragen im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter FN XXXX neben der Antragstellerin die einzige Bieterin im Vergabeverfahren war.

Die Auftraggeberin hat in der Zuschlagsentscheidung und im Rahmen der Zuschlagserteilung mit der Bezeichnung der Zuschlagsempfängerin als „AG“ statt als „GmbH“ den falschen Rechtsformzusatz verwendet. Dies führt entgegen den Ausführungen der Antragstellerin aber nicht dazu, dass keine Zuschlagsentscheidung und keine Zuschlagserteilung vorliegen.

Nach der Begriffsbestimmung des § 2 Z 49 BVergG 2018 (vormals § 2 Z 49 BVerG 2006) ist eine Zuschlagsentscheidung die an die Bieter abgegebene bzw. für diese bereitgestellte, nicht verbindliche Absichtserklärung, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll. Dies stellt den Mindestinhalt der Zuschlagsentscheidung im Sinne des BVergG 2006 dar (vgl. Walther in Heid/Presslmayr (Hrsg.), Handbuch Vergaberecht4 (2015) Rz. 2132). Gemäß § 143 Abs 1 BVergG 2018 (vormals § 131 Abs. 1 zweiter Satz BVergG 2006) sind in dieser Mitteilung den verbliebenen Bietern das jeweilige Ende der Stillhaltefrist, die Gründe für die Ablehnung ihres Angebotes, der Gesamtpreis sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots bekannt zu geben, sofern nicht die Bekanntmachung dieser Informationen öffentliche Interessen oder den berechtigten Geschäftsinteressen von Unternehmern widersprechen oder dem freien und lauteren Wettbewerb schaden würde. Sind diese weiteren Bekanntgaben nicht oder nicht ausreichend in der Zuschlagsentscheidung enthalten, kann dies zur Anfechtbarkeit der (somit rechtswidrigen) Zuschlagsentscheidung führen. Es ändert aber nichts daran, dass eine wirksame Zuschlagsentscheidung vorliegt (vgl. RV 327 BlgNR 24. GP 27 sowie Aicher in Schramm/Aicher/Fruhmann (Hrsg.), Bundesvergabegesetz 2006, § 131 Rz. 35). Für das Vorliegen einer gültigen Zuschlagsentscheidung reicht es nach der Intention des Gesetzgebers somit aus, wenn eine nach außen ergangene Erklärung des Auftraggebers vorliegt, aus der ersichtlich ist, an welchen Bieter der Zuschlag beabsichtigt ist (VwGH, 08.08.2018, Ra 2015/04/0102 mit Verweis auf Thienel in Schramm/Aicher/Fruhmann (Hrsg.), Bundesvergabegesetz 2006, § 312 Rz. 270/4).

Bei "Entscheidungen" des Auftraggebers handelt es sich nach der Rechtsprechung nicht um Vorgänge interner Willensbildung, sondern um Willenserklärungen, die nach außen in Erscheinung treten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Auslegung von Willenserklärungen des Auftraggebers der objektive Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt maßgebend (vgl. VwGH 17.9.2014, 2013/04/0149, mwN, VwGH 18.05.2016, Ra 2016/04/0001).

Die Auftraggeberin hat die Zuschlagsentscheidung nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Antragstellerin und der Auftraggeberin am 29.05.2020 über das elektronische Vergabeportal bekannt gegeben. Damit ist die Erklärung der Auftraggeberin, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll, nach außen getreten.

Relevant ist der objektive Erklärungswert der Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin, bekannt gegeben zu Gunsten der „ XXXX “. Dieser entspricht der Entscheidung der Auftraggeberin, den Zuschlag einem Unternehmen mit dem Firmenwortlaut „ XXXX “ und der Adresse „ XXXX “ zu erteilen, das im durchgeführten Vergabeverfahren Bieterin war. Dass das Unternehmen von der Auftraggeberin mit dem Rechtsformzusatz „AG“ statt „GmbH“ bezeichnet wurde, schadet dabei nicht, zumal im Vergabeverfahren kein anderes Unternehmen mit einem auch nur ähnlichen Firmenwortlaut als Bieter aufgetreten ist. Ein durchschnittlich fachkundiger Bieter darf bei Anwendung der üblichen Sorgfalt davon ausgehen, dass die Auftraggeberin eine Zuschlagsentscheidung zu Gunsten eines Unternehmens bekannt gibt, das am Vergabeverfahren teilgenommen hat. Der objektive Erklärungswert der Zuschlagsentscheidung vom 29.05.2020 bestand somit in der Erklärung der Auftraggeberin, den Zuschlag der Bieterin XXXX erteilen zu wollen, wenn diese auch als „AG“ statt als „GmbH“ bezeichnet wurde.

Die Auftraggeberin hat in weiterer Folge am 09.06.2020 die Zuschlagserteilung an die „ XXXX “ im Vergabeportal versandt. Die Zuschlagserteilung (Zuschlag) ist gemäß § 2 Z 50 BVergG 2018 die an den Bieter abgegebene Erklärung, sein Angebot anzunehmen. Für die Auslegung der Zuschlagserteilung ist ebenfalls der objektiven Erklärungswert maßgeblich. Der objektive Erklärungswert der Zuschlagserteilung entspricht dem Abschluss des Vertrages mit dem Unternehmen mit dem Firmenwortlaut „ XXXX “ und der Adresse „ XXXX “, das im Vergabeverfahren Bieterin und Adressatin der Zuschlagsentscheidung war. Der objektive Erklärungswert der Zuschlagserteilung vom 09.06.2020 bestand somit in der Erklärung der Auftraggeberin, den Zuschlag der XXXX zu erteilen, wenn diese auch als „AG“ statt als „GmbH“ bezeichnet wurde. Die Versendung einer „Zuschlagserteilung“ durch die Auftraggeberin im Vergabeportal war durch einen fachkundigen Bieter in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Begriffen des Vergaberechtes als Erklärung der Auftraggeberin zu verstehen, das Angebot anzunehmen.

3.2.5. Der Antrag der Antragstellerin auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung, verbunden mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde beim Bundesverwaltungsgericht am 08.06.2020 um 15:18 Uhr per Web-ERV und somit außerhalb der Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichtes eingebracht. Gemäß § 19 Abs 2 BVwGG wurden daher allfällige Pflichten des Bundesverwaltungsgerichtes zur Vornahme bestimmter Handlungen frühestens mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden ausgelöst. Die Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichtes endeten am 08.06.2020 um 15.00 Uhr und begannen wieder am 09.06.2020 um 08:00 Uhr gemäß § 20 Abs 1 GO-BVwG. Mit Wiederbeginn der Amtsstunden am 09.06.2020 um 08:00 Uhr langte der Antrag auf Nichtigerklärung beim Bundesverwaltungsgericht ein und löste die Verständigungspflichten des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß § 345 Abs 3 und § 350 Abs 5 BVergG 2018 aus.

Die Verständigung des Bundesverwaltungsgerichtes vom Einlagen des Antrages auf Nichtigerklärung und des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch das Bundesverwaltungsgericht gingen der Auftraggeberin am 09.06.2020 um 10:50 Uhr zu. Dem Antrag auf Nachprüfung kommt gemäß § 342 Abs 3 BVergG 2018 keine aufschiebende Wirkung zu. Die 10tägige Stillhaltefrist war am 08.06.2020 um 14:00 Uhr abgelaufen.

Die Auftraggeberin erteilte somit nach Ablauf der Stillhaltefrist von 10 Tagen gemäß § 144 Abs 1 BVergG und mangels Zugang einer Verständigung gemäß § 345 Abs 3 und § 350 Abs 5 BVergG 2018 den Zuschlag am 09.06.2020 um 08:51 Uhr.

Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß § 334 Abs 2 Z 1 BVergG 2018 nur bis zur Zuschlagserteilung zur Erlassung von einstweiligen Verfügungen zuständig. Da der Zuschlag am 09.06.2020 erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht mehr zuständig.

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Untersagung der Fortsetzung des Vergabeverfahrens und der Zuschlagserteilung ist daher gemäß § 334 Abs 2 Z 1 BVergG 2018 wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der unter Punkt. 3 zu Spruchpunk A) zitierten bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Amtsstunden einstweilige Verfügung Fortsetzung des Vergabeverfahrens Lieferauftrag Mitteilung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren objektiver Erklärungswert offenkundige Unrichtigkeit Offensichtlichkeit öffentlicher Auftraggeber Provisorialverfahren Schreibfehler Stillhaltefrist Untersagung Untersagung der Zuschlagserteilung Unzuständigkeit BVwG Vergabeverfahren Versehen Willenserklärung Zurückweisung Zuschlagserteilung Zuschlagsverbot für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W273.2231776.1.00

Im RIS seit

28.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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