TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/19 W109 2120762-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

19.06.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
UVP-G 2000 Anh1 Z16
UVP-G 2000 Anh1 Z46 lita
UVP-G 2000 §17 Abs2
UVP-G 2000 §19 Abs1 Z1
UVP-G 2000 §24f
UVP-G 2000 §40 Abs1
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §32
VwGVG §32 Abs1 Z1
VwGVG §32 Abs1 Z2
VwGVG §32 Abs2

Spruch

W109 2120762-2/10E
W109 2120762-3/5E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. BÜCHELE als Vorsitzenden und die Richter Dr. ANDRÄ und Dr. GRASSL als Beisitzer über die Anträge von:

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

alle vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH,

XXXX

vertreten durch die Braun Königstorfer Rechtsanwälte OG,

auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2019, W155 2120762-1/478E, abgeschlossenen Verfahrens betreffend Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der „380 kV-Salzburgleitung“ nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000:

A)       

I.       Die Anträge auf Wiederaufnahme der 16.- und 17.-Antragstellerinnen werden gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG mangels Parteistellung im Verfahren zum Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2019, GZ W155 2120762-1/478E, abgeschlossenen Verfahren zurückgewiesen.

II.      Die Anträge auf Wiederaufnahme des 14.-Antragstellers, der 15.-Antragstellerin, der 18.- bis 35.-Antragsteller und Antragstellerinnen und des 37.- und 38.-Antragstellers werden mangels Parteistellung gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG iVm § 17 Abs. 2 lit. a und c, § 19 Abs. 1 Z 1 UVP-G 2000 zurückgewiesen.

und erkennt zu Recht:

III.    Die Anträge auf Wiederaufnahme der 1.- bis 13.-Antragstellerinnen und der 36.-Antragstellerin werden gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 und Z 2 VwGVG abgewiesen.

B)       

Die Revision ist nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

:

I.       Verfahrensgang:

1.       Mit Schreiben vom 28.09.2012 beantragten die XXXX AG als Erstprojektwerberin bei der Salzburger Landesregierung die Erteilung der Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer 380 kV-Starkstromfreileitung zwischen dem Netzknoten St. Peter am Hart (Oberösterreich) und dem Netzknoten Tauern (Salzburg) und die XXXX GmbH als Zweitprojektwerberin die Erteilung der Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb sämtlicher im Rahmen dieses Vorhabens vorgesehenen Anlagen auf der Spannungsebene 110 kV jeweils auf den projektgegenständlichen Grundstücken gemäß § 17 iVm Anhang 1 Spalte 1 Z 16 lit. a, Spalte 2 Z 46 lit. a Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 BGBl Nr. 697/1993 idgF (UVP-G 2000).

Mit Bescheid vom 14.12.2015 erteilte die Salzburger Landesregierung für das Gesamtvorhaben „Errichtung und Betrieb einer 380 kV-Starkstromfreileitung“ vom Netzknoten St. Peter am Hart (Oberösterreich) bis zum Umspannwerk Kaprun in der Gemeinde Kaprun (Salzburg), soweit sich das Vorhaben auf das Bundesland Salzburg erstreckt, und für den Vorhabensteil 110 kV unter Vorschreibung näher bestimmter Auflagen (Nebenbestimmungen) die Genehmigung gem. § 17 Abs. 1, 2, 3, 4 und 6 UVP-G 2000, § 17 Abs. 3 iVm § 24 f Abs. 1 UVP-G 2000 in Mitanwendung materieller Genehmigungsbestimmungen.

Gegen diesen Bescheid wurden mehrere Beschwerden erhoben, darunter – mit Ausnahme der 16.- und 17.-Antragstellerinnen – auch die nun verfahrensgegenständlichen Antragsteller und Antragstellerinnen. Eingewandt wurde unter anderem, das Projekt liege nicht im öffentlichen Interesse, sei nicht erforderlich, diene nicht der Versorgungssicherheit im Land Salzburg und Österreich insgesamt, sondern lediglich der Gewinnmaximierung. Die Leitung diene als Stromautobahn zum Transport des Überstromes aus deutschen Atom-, Wind- und Solarkraftwerken, teils zum Speicherkraftwerk in Kaprun, teils zur Weiterleitung nach Italien.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2019, W155 2120762-1/478E, wurden (auch) die Beschwerden der nun verfahrensgegenständlichen Antragsteller und Antragstellerinnen (mit Ausnahme der 16.- und 17.-Antragstellerinnnen) mit der Maßgabe abgewiesen, dass der angefochtene Bescheid mit Spruchteil VI. in Bezug auf verschiedene Auflagen abgeändert wurde.

Die dagegen eingebrachten Revisionen sind beim Verwaltungsgerichtshof noch anhängig.

2.1.    Mit Schriftsatz vom 17.01.2020, beim Bundesverwaltungsgericht am 20.01.2020 eingelangt, beantragten die 1.- bis 36.-Antragsteller und Antragstellerinnen, das Bundesverwaltungsgericht möge als zuständiges Gericht gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG das mit seinem Erkenntnis vom 26.02.2019, W155 2120762-1/478E, zugestellt am 05.03.2019, abgeschlossene Verfahren gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG wiederaufnehmen.

Begründend wird in Bezug auf den Wiederaufnahmegrund nach § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG ausgeführt, der weitaus größte Teil der Kapazitäten des gegenständlichen Projekts werde nicht für die Versorgung der österreichischen Öffentlichkeit verwendet, sondern sei „vielmehr ein Mindestwert der Übertragungskapazität für den Transport von elektrischer Energie durch Österreich“. Das „Erschleichen" eines Bescheides bzw. Erkenntnisses liege dann vor, wenn beim Zustandekommen der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht worden seien, diese dann der Entscheidung zugrunde gelegt wurden (sofern die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht auf die Angaben der Partei angewiesen ist) und der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere Erhebungen durchzuführen (unter Hinweis auf VwGH 08.06.2006, 2004/01/0470 und 09.08.2018, Ra 2018/22/0076). Die Erhöhung der Übertragungskapazität liege ganz eindeutig im überwiegenden Interesse des Stromhandels. Im Bewilligungsverfahren sei davon ausgegangen worden, dass das gegenständliche Projekt zur Versorgung der österreichischen Öffentlichkeit mit elektrischer Energie erforderlich sei; tatsächlich sei diese auch ohne das Projekt gewährleistet.

In Bezug auf den Wiederaufnahmegrund nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG wird ausgeführt, der weitaus größte Teil der Kapazitäten des Projektes, nämlich ein Mindestwert der Übertragungskapazität, sei für den Transport der von elektrischer Energie durch Österreich vorgesehen. Dieser Umstand sei im gegenständlichen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes nicht berücksichtigt worden. Diesem Erkenntnis sei erkennbar zugrunde gelegt worden, dass die 380-kV Salzburgleitung zur Versorgung österreichischer Abnehmer erforderlich sei. Richtigerweise hätte die Beurteilung des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung der „reservierten“ Übertragungskapazitäten erfolgen müssen.

Zur Rechtzeitigkeit des Antrages auf Wiederaufnahme wird ausgeführt, die Antragsteller und Antragstellerinnen hätten durch die Berichterstattung österreichischer Medien am 08.01.2020 davon erfahren, dass das gegenständliche Projekt zum Großteil dem internationalen Stromtransit diene und damit erfahren, dass ein öffentliches Interesse an der gegenständlichen Starkstromleitung wohl nicht vorliege.

Zur Begründung wurde ein Zeitungsartikel der „Kronen Zeitung“ vom 08.01.2020 vorgelegt. In diesem wird über 380-kV-Salzburgleitung berichtet, wonach diese hauptsächlich für den Transitstrom benötigt werde. Den nach der „EU-Verordnung müssen seit Jahresbeginn 2020 die europäischen Netzbetreiber 70 Prozent ihrer technischen Kapazität für internationale Stromtransite zur Verfügung stellen.“ In der Fachzeitschrift der Österreichischen Energiewirtschaft habe ein Abteilungsleiter für Betriebsmanagement beim Leitungsbetreiber XXXX (APG), die internationale Versorgungsnot genau geschildert. Im vergangenen Jahr habe der Westen Europas einen massiven Überschuss erzeugt und gleichzeitig habe es hohen Bedarf in den Balkanstaaten gegeben, was wiederum Auswirkungen auf das österreichische Übertragungsnetz gehabt habe. So habe die APG fast ihre ganzen Reserven abrufen müssen. Demnach sei der Ausbau des Netzes notwendig und damit auch die „Salzburger Leitung“, die der Meinung des Abteilungsleiters der APG nach 2024 oder 2025 in Betrieb gehen soll. Verschärft werde die Situation durch eine neue Regelung in der EU, welche seit 2020 gelte. Demnach müssten Netzbetreiber 70 % der technischen Kapazität für internationale Stromflüsse bereitstellen.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.01.2020 erfolgte die Übermittlung des Schriftsatzes vom 17.01.2020 an die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens.

2.2.    Mit Schriftsatz vom 03.02.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 06.02.2020, schloss sich der 38.-Antragsteller dem Wiederaufnahmeantrag an.

2.3.    Mit Schriftsatz vom 11.02.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 12.02.2020, beantragte der 37.-Antragsteller, das Bundesverwaltungsgericht möge das Verfahren zum Erkenntnis vom 26.02.2019, W155 2120762-1/478E, zugestellt am 05.03.2019, gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG wieder aufnehmen.

Begründend wird ausgeführt, der 37.-Antragsteller habe die Europäische Kommission mit Schreiben vom 17.12.2019 über den Status des Bewilligungsverfahrens informiert und eine Beschwerde eingebracht. Er habe diese Beschwerde damit begründet, dass die dem Projekt zugrundeliegenden Pläne keiner strategischen Umweltprüfung nach der SUP-RL 2001/42/EG unterzogen worden wären. Mit Schreiben vom 20.01.2020 habe die Europäische Kommission dem 37.-Antragsteller mitgeteilt, dass gegen Österreich (protokolliert unter der Zl. 2017/7042) bereits ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der fehlenden Umsetzung der SUP-RL im Energiesektor in Bezug auf Stromnetze und Gasleitungen eingeleitet worden sei. Weder der Netzentwicklungsplan (NEP) 2011, noch der Trassenplan seien einer strategischen Umweltprüfung nach der SUP-RL unterzogen worden. Der EuGH habe mit Urteil vom 28.02.2012, C-41/11, Inter-Environment Wallonie ASBL, ausgesprochen, die zuständigen nationalen Gerichte seien verpflichtet, alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu ergreifen, um dem Unterbleiben einer SUP abzuhelfen, wenn ein „Plan“ oder „Programm“ einer strategischen Umweltprüfung gemäß SUP-RL 2001/42/EG zu unterziehen gewesen wäre. Die nationalen Gerichte müssten auf Grundlage ihres nationalen Rechts Maßnahmen zur Aussetzung oder Aufhebung des unter Verstoß gegen die Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung erlassenen „Plans“ oder „Programms“ ergreifen. Zur Abhilfe der Unterlassung der unionsrechtlich gebotenen SUP hätte das BVwG den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben müssen oder zumindest bis zum Vorliegen der SUP das Verfahren aussetzen müssen.

Das Bundesverwaltungsgericht habe im zugrundeliegenden Erkenntnis ausgeführt, die SUP-Pflicht sei nicht vom Kanon der Genehmigungsvoraussetzungen des § 17 UVP-G 2000 erfasst. Dadurch werde der SUP-RL im Ergebnis die praktische Wirksamkeit entzogen. Dass die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts nicht zutreffend sei, zeige die Stellungnahme der Europäischen Kommission bezüglich des Zusammenhanges zwischen dem Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich und der Genehmigung der 380 kV-Salzburgleitung. Den 37.-Antragsteller habe das Schreiben der Europäischen Kommission am 30.01.2020 erreicht. Er habe somit erst an diesem Tag Kenntnis über den Umstand erfahren, dass ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen einer mangelhaften Umsetzung der SUP-RL im Energiesektor, explizit in Bezug auf die 380-kV Salzburgleitung, eingeleitet worden sei. Aus dieser neuen Tatsache ergebe sich, dass für den Netzentwicklungsplan und der Trassenplan zwingend eine SUP durchzuführen wäre. Das Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich sei erst nach dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts eingeleitet worden. Dazu wurde die Beschwerde des 37.-Antragstellers an die Europäische Kommission, sowie ein Antwortschreiben der Europäischen Kommission vorgelegt.

2.4.    Mit Schriftsätzen vom 18.02.2020 und 25.02.2020 nahmen die Projektwerberinnen zu den Anträgen auf Wideraufnahme Stellung und beantragte, diese als verspätet zurück- bzw. als unbegründet abzuweisen.

Der Wiederaufnahmeantrag werde mit einem Artikel in der Tageszeitung „Kronen Zeitung“ vom 08.01.2020 gestützt. Tatsächlich sei die Verordnung (EU) 2019/943 vom 05.06.2019 über den Elektrizitätsbinnenmarkt mit der Kundmachung im Amtsblatt L 158/54 vom 14.06.2019 „ans Tageslicht gekommen“. Von den anwaltlich vertretenen Antragstellern und Antragstellerinnen dürfe erwartet werden, dass sie bezüglich Änderungen im Unionsrecht nicht auf Artikel in Tageszeitungen angewiesen seien bzw. sich nicht auf solche berufen könnten. Die Verfolgung der Unionsrechtslage sei daher den Antragstellern und Antragstellerinnen zumutbar, der Wiederaufnahmeantrag sei verfristet, da der behauptete Wiederaufnahmegrund mit Kundmachungsdatum im Amtsblatt der EU am 14.06.2019 anzusetzen sei. Rechtsänderungen würden niemals einen Wiederaufnahmegrund darstellen, sie könnten nicht Gegenstand einer strafbaren Handlung oder Erschleichung sein und seien auch keine Tatsachen oder Beweismittel, welche als „novum repertum“ hervorkommen könnte. Zudem stelle die Verordnung 2019/943 den rechtskräftigen UVP-Konsens für die 380-kV-Salzburgleitung in keiner Weise in Frage. Entgegen der Behauptung der Antragsteller werde durch die „europäische Komponente“ der 380-kV-Salzburgleitung nicht im rechtskräftigen Konsens größenordnungsbezogen festgesetzt; alle drei Ebenen – die regionale, nationale und die europäische – würden ineinandergreifen. Der Europäische Strombinnenmarkt diene allen Mitgliedstaaten, so auch den österreichischen Stromkonsumenten. Es liege ein massives öffentliches Interesse in der Form vor, weil auch der internationale Stromaustausch die Versorgungssicherheit für Österreich erhöhe bzw. unterstütze.

Auch die Behauptung, dass nach der Verordnung über den Elektrizitätsbinnenmarkt 70 % der Übertragungskapazitäten für den internationalen Stromtransit freizuhalten seien, sei verfehlt. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes sei nicht erschlichen worden, sondern es sei im Rahmen des UVP-Genehmigungsverfahrens dargelegt worden, dass das Vorhaben den regionalen, nationalen und europäischen Interessen diene. Insbesondere sei offengelegt worden, dass das Vorhaben zur Realisierung der Liberalisierung des europäischen Strombinnenmarktes erforderlich sei. Sachverständige hätten diese Erforderlichkeit bestätigt.

Weiters sei von der Europäischen Kommission bereits am 25.07.2019 in einer Aussendung mitgeteilt worden, dass gegen Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren hinsichtlich der mangelnden Umsetzung der SUP-RL im Energiesektor eingeleitet worden sei. Auch vom anwaltlich vertretenen 37.-Antragsteller könne erwartet werden, dass er über eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren informiert sei. Zudem sei das Vertragsverletzungsverfahren nach Abschluss des UVP-Genehmigungsverfahrens eingeleitet worden und stelle daher ein „novum productum“ dar. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung, die nachträglich hervorkomme, stelle keine Tatsache im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG dar. Zur Korrektur unrichtiger rechtlicher Beurteilungen der Verwaltungsgerichte seien ausschließlich die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts berufen. Aus heutiger Sicht sei auch nicht absehbar, ob die Europäische Kommission tatsächlich Klage gegen Österreich erhebe; bis dato sei lediglich das Aufforderungsschreiben der Europäischen Kommission an Österreich ergangen. Ein nicht abgeschlossenes Vertragsverletzungsverfahren könne keine Tatsache im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG darstellen. Der 37.-Antragsteller versuche lediglich, bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geltend gemachte Tatsachen zu wiederholen und diese zu einem Wiederaufnahmegrund zu stilisieren.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Dem 14.-Antragsteller, der 15.-Antragstellerin, den 18.- bis 35.-Antragstellern und Antragstellerinnen und dem 37.- und 38.-Antragsteller kam im durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2019, W155 2120762-1/478E, abgeschlossenen Verfahren als Nachbarn gemäß § 19 Abs. 1 Z 1 UVP-G 2000 Parteistellung zu.

Den 1.- bis 11.-Antragstellerinnen sowie der 36.-Antragstellerin kam im durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2019, W155 2120762-1/478E, abgeschlossenen Verfahren als Bürgerinitiativen gemäß § 19 Abs. 1 Z 6 UVP-G 2000 Parteistellung zu.

Den 12.- und 13.-Antragstellerinnen kam im durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2019, W155 2120762-1/478E, abgeschlossenen Verfahren als Standortgemeinden im Sinne des § 19 Abs. 1 Z 5 UVP-G 2000 Parteistellung zu.

Die 16.- und 17.-Antragstellerinnen waren nicht Parteien des Beschwerdeverfahrens des Bundesverwaltungsgerichtes, das mit Erkenntnis vom 26.02.2019, W155 2120762-1/478E, abgeschlossen worden ist; sie haben keine Beschwerden gegen den angefochtenen Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 14.12.2015 erhoben; eine Zustellung der Entscheidung an diese Antragstellerinnen erfolgte nicht.

Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2019, W155 2120762-1/478E, wurde den 1.- bis 14. Antragsteller und Antragstellerinnen, der 15.-Antragstellerin und den 18.- bis 37.-Antragsteller und Antragstellerinnen am 05.03.2019 im Wege ihres rechtsfreundlichen Vertreters zugestellt.

Die Zustellung an den 38.-Antragsteller erfolgte am 05.03.2019 im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung.

Am 08.01.2020 wurde in der „Kronen Zeitung“ ein Artikel unter der Überschrift „380er-Leitung dient vorwiegend dem Stromhandel“ veröffentlich, in dem u.a. ausgeführt wird:

„Viele haben es vermutet, jetzt ist es bestätigt: Die umstrittene 380-kV-Freileitung wird hauptsächlich für den Transitstrom benötigt. Laut EU-Verordnung müssen seit Jahresbeginn 2020 die europäischen Netzbetreiber 70 Prozent ihrer technischen Kapazität für internationale Stromtransite zur Verfügung stellen.

[…]

In der Fachzeitschrift der Österreichischen Energiewirtschaft hat XXXX , Abteilungsleiter für Betriebsmanagement beim Leitungsbetreiber XXXX (APG), die internationale Versorgungsnot genau geschildert. Im vergangenen Jahr erzeugte der Westen Europas einen massiven Überschuss und gleichzeitig gab es hohen Bedarf in den Balkanstaaten, was wiederum Auswirkungen auf das österreichische Übertragungsnetz hatte. So musste die APG fast ihre ganzen Reserven abrufen.

Für XXXX ist der Ausbau des Netzes notwendig und damit auch die Salzburger Leitung, die seiner Meinung nach 2024 oder 2025 in Betrieb gehen soll. Verschärft wird die Situation durch eine neue Regelung in der EU, welche seit 2020 gilt: Netzbetreiber müssen 70 Prozent der technischen Kapazität für internationale Stromflüsse bereitstellen.

Der Stromtransport innerhalb von Österreich muss mit den restlichen 30 Prozent der Kapazität auskommen - und das auch nur, wenn es zu keinen weiteren internationalen Engpässen kommt.

[…]“

Der Zeitungsartikel gelangte den 1.- bis 37.-Antragstellern und Antragstellerinnen am 08.01.2020 zur Kenntnis.

Die Verordnung (EU) 2019/943 vom 05.06.2019 über den Elektrizitätsbinnenmarkt wurde im Amtsblatt der Europäischen Union L 158/54 vom 14.06.2019 kundgemacht.

Dass von den Projektwerberinnen im Verfahren zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.02.2019, W155 2120762-1/478E, in der Absicht zur Irreführung objektiv unrichtige Angaben gemacht worden sind, kann nicht festgestellt werden.

2.       Beweiswürdigung:

Die Feststellung zur Parteistellung der 1.- bis 11.-Antragstellerinnen sowie der 36.-Antragstellerin beruht auf dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2019, W155 2120762-1/478E, (Spruch; S. 60 und S. 12 bis 15) und ist unstrittig.

Die Beschwerde der 12.-Antragstellerin wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2019, W155 2120762-1/478E, abgewiesen; die 12.-Antragstellerin ist in der „Übersicht aller Beschwerdeführer“ S. 14 angeführt und hat mit Schriftsatz vom 25.01.2015 Beschwerde erhoben. Eine Feststellung zu ihrer Parteistellung findet sich allerdings nicht (S. 59), jedoch ergibt sich aus dem Zusammenhang, dass ihr ebenso Parteistellung als Standortgemeinde gemäß § 19 Abs. 1 Z 5 UVP-G 2000 zukommt. Auch das ist unstrittig.

Die Feststellung zur Parteistellung der 13.-Antragstellerin beruht auch auf dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2019, W155 2120762-1/478E, (Spruch; S. 12 bis 15 und S. 59), wobei offenkundig ist, dass es sich bei der angeführten Bestimmung (§ 19 Abs. 5 UVP-G 2000) um einen Schreibfehler handelt. Die Parteistellung der 13.-Antragstellerin ist auch unstrittig.

Die Feststellung zur Parteistellung des 14.-Antragstellers, der 15.-Antragstellerin, der 18.- bis 35.-Antragsteller und Antragstellerinnen und des 37.- und 38.-Antragstellers als Nachbarn beruht auf dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2019, W155 2120762-1/478E, (Spruch; S. 59 und S. 12 bis 15) und ist unstrittig.

Die Feststellungen zur Zustellung ergeben sich aus den Zustellnachweisen im Akt zu W155 2120762-1, OZ 478. Die Zeitpunkte der Zustellung sind zudem unstrittig.

Die 16.- und 17.-Antragstellerinnnen sind nicht im Spruch des Erkenntnisses angeführt; zu ihnen finden sich keine Zustellnachweise; auch sind von diesen Antragstellerinnen eingebrachte Beschwerden gegen den (damals) angefochtenen Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 14.12.2015, Zl. 20701-1/43.270/3152-2015, nicht aktenkundig. So wurde die unter dem Namen der 15.-Antragstellerin eingebrachte Beschwerde nur in deren Namen eingebracht und auch nur von dieser unterschrieben. Es wurden solche dem Spruch zufolge auch nicht abgewiesen. Auch in der „Übersicht aller Beschwerdeführer“ im Verfahrensgang des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2019, W155 2120762-1/478E, scheinen die Namen der 16.- und 17.-Antragstellerinnen nicht auf.

Der betreffende Zeitungsartikel wurde von den 1.- bis 36.-Antragsteller und Antragstellerinnen mit Schriftsatz vom 17.01.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 20.01.2020, in Vorlage gebracht. Er ist zudem im Internet unter www.krone.at/2073641 (Zugriff durch das BVwG am 12.06.2020) abrufbar.

Die Feststellung zur Kenntnisnahme vom Inhalt des Zeitungsartikels am 08.01.2020 beruht auf den Angaben der 1.- bis 36.-Antragsteller und Antragstellerinnen in ihrem Schriftsatz vom 17.01.2020, diese wurde von den Projektwerberinnen nicht bestritten.

Die Kundmachung der Verordnung (EU) 2019/943 vom 05.06.2019 über den Elektrizitätsbinnenmarkt ergibt sich aus dem Amtsblatt der Europäischen Union L 158/54 vom 14.06.2019.

Dass von den Projektwerberinnen im Verfahren zum Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zl. W155 2120762-1/478E in Irreführungsabsicht objektiv unrichtige Angaben gemacht worden sind, kann nicht festgestellt werden, weil diesbezüglich lediglich unbelegte Behauptungen in den Raum gestellt und keine tauglichen Beweismittel vorgelegt wurden.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zu den Anträgen auf Wiederaufnahme:

Gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn

–        nach der Ziffer 1 dieser Bestimmung das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

–        nach der Ziffer 2 neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

–        nach der Ziffer 3 das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

–        nach der Ziffer 4 nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

Nach § 32 Abs. 2 VwGVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

Gegenständlich wurde das Verfahren, hinsichtlich dem die Wiederaufnahme begehrt wird, mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2019, W155 2120762-1/478E, allen Antragsteller und Antragstellerinnen – bis auf die 16.- und 17.-Antragstellerinnen – zugestellt, rechtskräftig abgeschlossen (vgl. VwGH 28.04.2015, Ro 2015/18/0001). Die Voraussetzungen eines abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG liegt damit vor.

3.1.1.  Zur Zurückweisung der Anträge der 16.- und 17.-Antragstellerinnen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmeantrages die Parteistellung im wiederaufzunehmenden Verfahren (VwGH 27.02.2019, Ra 2018/10/0095).

Die 16.- und 17.-Antragstellerinnen haben gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 14.12.2015, Zl. 20701-1/43.270/3152-2015, keine Beschwerden erhoben, Beschwerden ihrerseits wurden nicht behandelt, das Erkenntnis wurde ihnen auch nicht zugestellt.

Ihre Anträge waren daher mangels Parteistellung im wiederaufzunehmenden Verfahren zurückzuweisen.

3.1.2.  Zur Zurückweisung der Anträge des 14.-Antragstellers, der 15.-Antragstellerin, der 18.- bis 35.-Antragsteller und Antragstellerinnen und des 37.- und 38.-Antragstellers:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bleibt der Wiederaufnahmeantrag Parteien des wiederaufzunehmenden Verfahrens versagt, wenn der Antrag nicht der Verfolgung der der betreffenden Partei zustehenden materiellen Rechte zu dienen geeignet ist (VwGH 27.02.2019, Ra 2018/10/0095).

Dem 14.-Antragsteller, der 15.-Antragstellerin, den 18.- bis 35.-Antragsteller und Antragstellerinnen und dem 37.- und 38.-Antragsteller kamen im wiederaufzunehmenden Verfahren als Nachbarn gemäß § 19 Abs. 1 Z 1 UVP-G 2000 Parteistellung zu.

Nachbarn im Sinne des § 19 Abs. 1 Z 1 UVP-G 2000 kommt die Geltendmachung jener subjektiven Rechte zu, die entweder durch das UVP-G 2000 selbst oder durch eine der im Verfahren mitanzuwendenden Normen eingeräumt wird (VwGH 19.12.2013, 2011/03/0160).

Das Vorbringen des 14.-Antragstellers, der 15.-Antragstellerin, der 18.- bis 35.-Antragsteller und Antragstellerinnen, dem sich der 38.-Antragsteller vollinhaltlich angeschlossen hat, stellt lediglich das öffentliche Interesse – infolge einer hervorgekommenen „Erschleichung“ bzw. hervorgekommener „neuer Tatsachen oder Beweismittel“ – am Projekt in Frage.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gewähren Vorschriften, die lediglich eine objektive Umweltvorsorge normieren, keine subjektiv-öffentlichen Rechte (VwGH 19.12.2013, 2011/03/0160).

Der 37.-Antragsteller moniert, dass – infolge hervorgekommener „neuer Tatsachen oder Beweismittel“ – eine strategische Umweltprüfung im Sinne der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.06.2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, ABl. L 2001/197, 30 – 37, durchzuführen gewesen wäre. Die in der Richtlinie 2001/42/EG vorgesehene strategische Umweltprüfung dient klar der objektiven Umweltvorsorge und stellt der 37.-Antragsteller insbesondere auch keinen Bezug zu einem allenfalls verletzten subjektiv-öffentlichen Recht her.

Die Anträge waren daher mangels Parteistellung spruchgemäß zurückzuweisen.

3.1.3.  Zur Abweisung der Anträge der 1.- bis 13.-Antragstellerinnen sowie der 36.-Antragstellerin:

Die 1.- bis 11.-Antragstellerinnen sowie die 36.-Antragstellerin als Bürgerinitiativen und die 12.- und 13.-Antragstellerinnen als Standortgemeinden sind dagegen als Parteien im UVP-Verfahren zur Geltendmachung des objektiven Umweltrechts berufen (N. Raschauer in Ennöckl/Raschauer/Bergthaler [Hrsg], UVP-G: Kommentar3 [2013] § 19. UVP-G 2000, Rz 69 und Rz 94). Die Prozessvoraussetzung der Parteistellung gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG hinsichtlich der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe im Sinne der bereits zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 27.02.2019, Ra 2018/10/0095) ist damit erfüllt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beginnt die in § 32 Abs. 2 VwGVG geregelte subjektive Frist mit Kenntnis des Antragstellers von dem Sachverhalt, der den Wiederaufnahmegrund bilden soll, zu laufen (VwGH 06.11.2019, Ra 2018/12/0020). Ein Verschuldenselement im Sinne von Erwägungen hinsichtlich der Frage, ob vom konkreten Antragsteller allenfalls eine frühere Kenntnisnahme hätte erwartet werden können, ist – anders als die Projektwerberinnen vermeinen – dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen.

Der Zeitungsartikel wurde am 08.01.2020 veröffentlicht und die 1.- bis 13.-Antragstellerinnen sowie die 36.-Antragstellerin haben am selben Tag von seinem Inhalt Kenntnis erlangt. Die am 20.01.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Anträge sind daher fristgerecht eingebracht.

Das „Erschleichen“ eines Erkenntnisses liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wenn dieses in einer Art zustande kam, dass beim Verwaltungsgericht objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht und diese Angaben dann der Entscheidung zugrunde gelegt wurden, sofern das Verwaltungsgericht auf die Angaben der Partei angewiesen ist und ihr bzw. ihm nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere Erhebungen durchzuführen (VwGH 09.08.2018, Ra 2018/22/0076).

Im vorliegenden Fall kann nicht festgestellt werden, dass von den Projektwerberinnen im Verfahren zu W155 2120762-1/478E in Irreführungsabsicht objektiv unrichtige Angaben gemacht worden sind; dies wird von den 1.- bis 13.-Antragstellerinnen sowie der 36.-Antragstellerin weder konkret dargelegt, noch mit tauglichen Beweismitteln untermauert. Der Wiederaufnahmetatbestand des § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG ist damit nicht erfüllt.

Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG können nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens bereits vorhanden waren und deren Verwertung der Partei ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde, nicht jedoch, wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt (VwGH 30.04.2019, Ra 2018/10/0064). Die Antragsteller haben auch nicht nur ansatzweise dargelegt, dass die Tatsachen und Beweismittel nur unverschuldet nicht vorgebracht bzw. vorgelegt werden konnten.

Der in Vorlage gebrachte Zeitungsartikel wurde am 08.01.2020 veröffentlicht und ist damit erst nach Abschluss des Verfahrens entstanden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Wiederaufnahme des Verfahrens unter anderem die Eignung der neuen Tatsachen oder Beweismittel voraus, dass diese allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Ergebnis herbeigeführt hätte. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist (VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0510).

Ein Beweismittel ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit) nur dann tauglich, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf die das Bundesverwaltungsgericht entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0510).

Diese abstrakte Eignung kommt dem vorgelegten Zeitungsartikel – unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit – nicht zu. Auch vermag er mangels seiner diesbezüglichen abstrakten Eignung Tatsachen, die bereits vor Abschluss des Verfahrens vorgelegen haben könnten, nicht zu belegen.

Hinsichtlich der im Artikel angeführte „EU-Verordnung“ – mag es sich nun um die von den Projektwerberinnen ins Treffen geführte Verordnung (EU) 2019/943 vom 05.06.2019 handeln, oder nicht – ist anzumerken, dass es sich bei einer Rechtsänderung nicht um einen Wiederaufnahmegrund handelt. So ermöglicht der Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG nicht die neuerliche Aufrollung eines abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens in Fragen, die im früheren Verfahren hätten vorgebracht werden können. Der Wiederaufnahmegrund des Hervorkommens neuer Tatsachen oder Beweismittel kann von vornherein nur ein Umstand sein, der den Sachverhalt betrifft, der dem das wiederaufzunehmende Verfahren abschließenden Erkenntnis zugrunde gelegt wurde. Eine in einem anderen Verfahren geäußerte Rechtsansicht kann niemals einen solchen Wiederaufnahmegrund darstellen. Auch das nachträgliche Erkennen, dass im abgeschlossenen Verwaltungsverfahren Verfahrensmängel oder eine unrichtige rechtliche Beurteilung seitens der Behörde vorgelegen seien, bildet keinen Wiederaufnahmegrund nach dieser Bestimmung (VwGH 30.04.2019, Ra 2018/10/0064).

Das Vorliegen der Wiederaufnahmegründe nach den Z 3 und 4 des § 32 Abs. 1 VwGVG wurde im Verfahren weder behauptet noch sind diese ersichtlich.

Gegenständlich wiederholen die 1.- bis 13.-Antragstellerinnen sowie die 36.-Antragstellerin im Wesentlichen lediglich das bereits im abgeschlossenen Verfahren erstattete Vorbringen und legen dazu ein untaugliches Beweismittel vor.

Die Anträge waren daher abzuweisen.

3.2.    Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Eine mündliche Verhandlung kann gemäß § 24 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 und Abs. 4 VwGVG entfallen. So wurde ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Zudem waren die Anträge der 14.- bis 35.-Antragsteller und Antragstellerinnen, sowie der 37.- und 38.-Antragsteller mangels Parteistellung zurückzuweisen. Hinsichtlich der übrigen Antragstellerinnen war dagegen eine weitere Klärung der Rechtssache durch deren mündliche Erörterung nicht zu erwarten. Zudem fällt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Verfahren über die Wiederaufnahme eines Verfahrens zudem grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 GRC (VwGH 29.05.2017, Ra 2017/16/0070).

4.       Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt. So hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klar ausgesprochen, dass der Wiederaufnahmeantrag Parteien des wiederaufzunehmenden Verfahrens versagt bleibt, wenn der Antrag nicht der Verfolgung der der betreffenden Partei zustehenden materiellen Rechte zu dienen geeignet ist (VwGH 27.02.2019, Ra 2018/10/0095). Im Hinblick auf die Tatbestände des § 32 Abs. 1 Z 1 und 2 VwGVG gibt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung klare Leitlinien vor (VwGH 09.08.2018, Ra 2018/22/0076; (VwGH 30.04.2019, Ra 2018/10/0064; (VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0510), denen das Bundesverwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung folgt.

Schlagworte

Beweismittel Erschleichen Genehmigung Genehmigungsverfahren Irreführung Nachbarrechte neu entstandene Tatsache öffentliche Interessen Parteistellung subjektive Rechte Umweltauswirkung Umweltverträglichkeitsprüfung unrichtige Angaben UVP-Pflicht Wiederaufnahme Wiederaufnahmeantrag Zurückweisung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W109.2120762.3.00

Im RIS seit

28.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten