TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/22 W226 1251176-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.06.2020
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Entscheidungsdatum

22.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5

Spruch

W226 1251176-5/3E

Im Namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.04.2020, Zl. 277026708-200168567, zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, Angehöriger der Volksgruppe der Tschetschenen und der muslimischen Glaubensrichtung zugehörig, stellte erstmals am 16.03.2004 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

1.2. Mit Bescheid des damaligen Bundesasylamtes vom 22.06.2004 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers betreffend Spruchpunkt I. gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen. Gleichzeitig wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für nicht zulässig erklärt und dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt III. eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 leg. cit. bis zum 22.06.2005 erteilt.

Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig sei. Angesichts der gegenwärtigen Lage in der Russischen Föderation sei ein „Abschiebungshindernis“ für die Person des Beschwerdeführers gegeben. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr einer Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG in Verbindung mit Art. 3 EMRK und „resultierend aus der gegenwärtigen allgemeinen Lage in der Russischen Föderation (wirtschaftliche Lage, fehlende Anknüpfungspunkte außerhalb von Tschetschenien, allgemeine Versorgungslage)“ ausgesetzt sein könnte.

1.3. In Erledigung der gegen Spruchpunkt I. erhobenen Berufung wurde Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 22.12.2004 behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

1.4. Nach Abhaltung einer Befragung des Beschwerdeführers im fortgesetzten Verfahren am 08.06.2005 in Anwesenheit einer Dolmetscherin der Sprache Russisch wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.09.2005 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen.

Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers sich als nicht nachvollziehbar erwiesen habe. Der Beschwerdeführer habe sich in der Darstellung seiner Fluchtgeschichte auf „leere Floskeln“ beschränkt und seine Befürchtungen wenig detailreich vorgetragen. Er habe keinen konkreten Zeitpunkt seiner angeblichen Festnahme angeben können und sich zudem in gravierende Widersprüche verstrickt, welche nicht aufgeklärt worden seien. Der Beschwerdeführer habe unterschiedliche Orte angegeben, wo er sich nach seiner Freilassung melden hätte sollen und auch Divergierendes ausgeführt, was den Zeitraum und die Art und Weise seine angebliche Unterstützung tschetschenischer Kämpfer betreffe. Dass der Beschwerdeführer legal und offiziell unter Verwendung seines Inlandspasses ausgereist sei, spreche gegen ein Interesse an der Person des Beschwerdeführers.

1.5. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 05.10.2005 im Grunde des § 7 AsylG abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Gefährdung, die zur Gewährung von Asyl berechtigen würden, hervorgekommen seien.

1.6. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.11.2005 wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 22.06.2006 erteilt.

1.7. Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten, Probezeit drei Jahre, verurteilt.

1.8. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.06.2006 wurde dem Beschwerdeführer eine (weitere) befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 22.06.2008 erteilt.

1.9. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Hausfriedensbruchs, des Vergehens der Sachbeschädigung, des Vergehens der gefährlichen Drohung und des Verbrechens des Raubes zu einer vierundzwanzigmonatigen Freiheitsstrafe, davon achtzehn Monate bedingt, verurteilt.

1.10. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom XXXX wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.

1.11. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.06.2008 wurde dem Beschwerdeführer eine (weitere) befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 22.06.2009 erteilt.

1.12. Mit Schriftsatz vom 18.05.2009 beantragte der Beschwerdeführer die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung und führte dazu aus, dass ihm eine Rückkehr in seine Heimat weiterhin nicht zugemutet werden könne und sich seine Situation nicht verändert habe. Er sei in Österreich gut integriert, habe zwei Deutschkurse besucht und habe sich schon Kenntnisse der deutschen Sprache angeeignet. Der Antragsteller habe in Österreich auch gearbeitet.

1.13. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.06.2009 wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.06.2004 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Die mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.06.2008 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 2 leg. cit. entzogen (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

In der Begründung führte das Bundesasylamt unter Zugrundelegung (damals) aktueller Länderfeststellungen zur Lage in der Russischen Föderation aus, dass die Zuerkennung subsidiären Schutzes ausschließlich auf der damaligen allgemeinen Lage in der Russischen Föderation beruht habe, das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig beurteilt worden sei und gegenwärtig keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation einer Gefahr im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt sei. Rechtlich folgerte das Bundesasylamt, dass nach einer längeren Beobachtungsphase eine kontinuierliche Verbesserung der Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers festgestellt worden sei. Die allgemeine Situation in Tschetschenien habe sich nachhaltig geändert und es sei davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer gegenwärtig keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Der Beschwerdeführer sei auch nicht krank, weshalb kein in seiner Person begründeter Umstand einer Rückführung entgegenstehe. In der Russischen Föderation sei eine medizinische Versorgung vorhanden und die Grundversorgung gewährleistet. Der Beschwerdeführer verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte und werde der Beschwerdeführer in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Ausweisung des Beschwerdeführers sei nach Interessenabwägung zulässig.

1.14. Mit Urteil des Bezirksgericht XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung als Mittäter gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 90 Tagessätzen a 5,- Euro, im Nichteinbringungsfall 45 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

1.15. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.09.2010 wurde dem Beschwerdeführer der ihm zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigter entzogen und ihm die Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen. Gleichzeitig wurde er aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass sich keine Anhaltspunkte dafür finden würden, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefährdungssituation im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ausgesetzt sein würde, noch, dass „außergewöhnliche Umstände“ der Rückkehr des Beschwerdeführers in die Russische Föderation entgegenstünden. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers könne vor dem Hintergrund der aktuellen Lage in der Russischen Föderation keine Relevanz für eine Verlängerung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommen. Die maßgeblichen Umstände hätten sich insofern geändert, als eine Existenzgefährdung des Beschwerdeführers in Tschetschenien nun nicht mehr angenommen werden müsse. Trotz nach wie vor schwieriger Verhältnisse bestehe im Herkunftsstaat keine Situation, wonach zu befürchten wäre, dass der Beschwerdeführer in eine seine Existenz gefährdende Notlage geraten würde. Nahe Angehörige des Beschwerdeführers würden nach wie vor in Tschetschenien leben und sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer über eine Unterkunft bei seinen Angehörigen verfügt.

1.16. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom XXXX wurde über den Beschwerdeführer Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer seit 17.09.2010 nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, weil gegen ihn eine rechtskräftige und durchsetzbare Ausweisungsentscheidung bestehe.

2.1. Am 18.12.2010 brachte der Beschwerdeführer einen zweiten Asylantrag ein.

2.2. Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung am 21.12.2010 brachte der Beschwerdeführer zu den Gründen für die Antragstellung befragt vor, er könne nicht zurück nach Tschetschenien. Auch seine Verwandten seien aus Tschetschenien „verjagt“ worden. Zwei seiner Cousins seien Teilnehmer am Krieg in Tschetschenien gewesen und seien beide vor wenigen Monaten getötet worden; er habe nunmehr nur mehr weit entfernte Verwandtschaft in Tschetschenien an verschiedenen Orten. Solange sich die Politik in seiner Heimat nicht verändere, könne er nicht zurück.

2.3. Am 30.12.2010 wurde der Beschwerdeführer dazu niederschriftlich einvernommen, wobei er im Wesentlichen angab, dass seine Mutter im Februar XXXX verstorben sei und seine beiden Schwestern vor ungefähr einem Jahr nach Frankreich gezogen seien. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer bei einer vorangegangenen Einvernahme davon gesprochen habe, dass seine Mutter nach wie vor in Tschetschenien lebe und er mit ihr in ständigem Kontakt stehe, brachte er vor, zuletzt im Jänner 2009 mit ihr telefoniert zu haben. Er habe noch einen Bruder. Eine Tante und ein Cousin von ihm würden in Belgien leben.

2.4. Am 29.12.2010 wurde eine Schubhaftbeschwerde durch den Unabhängigen Verwaltungssenat XXXX als unbegründet abgewiesen.

2.5. Der Antrag vom 18.12.2010 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.01.2011 aufgrund entschiedener Sache zurückgewiesen. Das neue Vorbringen wurde für unglaubwürdig befunden. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

2.6. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Verstrickungsbruches nach § 271 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Er hatte einen PKW der Marke XXXX , der gepfändet worden war, von der Verwahrstelle der XXXX durch Fortfahren entfernt und somit der Verstrickung entzogen.

2.7. In einer fremdenpolizeilichen Einvernahme vom 11.09.2011 erklärte der Beschwerdeführer (damals neuerlich in Schubhaft), freiwillig ausreisen zu wollen.

Die russische Botschaft hatte am XXXX ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer ausgestellt.

2.8. Am XXXX reiste der Beschwerdeführer unter der Gewährung von Rückkehrhilfe aus.

3.1. Am 12.02.2016 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.

3.2. Im Zuge der niederschriftlichen Erstbefragung an demselben Tag brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, nicht nach Hause zurück zu können, weil er aus der Armee desertiert sei. Er habe in der Ukraine keine Probleme; in der Slowakei würden auch keine Flüchtlinge genommen. Von seiner Schwester, die in Tschetschenien aufhältig sei, habe er per Telefon erfahren, dass er von der Armee gesucht werde. Diese habe ihm auch erzählt, dass ein Cousin des Beschwerdeführers verhaftet und dazu befragt worden sei, wo sich der Beschwerdeführer aufhalte. Dieser sei dann von der Familie für Geld freigekauft worden.

Im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation befürchte er, dass er bestraft werde, weil er von der Armee desertiert sei. Sollte er von den Leuten der Armee gefangen genommen werden, würde er sofort erschossen.

Er habe vor drei Jahren sein Heimatland verlassen und anschließend in der Ukraine gelebt. Zuletzt sei er im Jahr 2011 aus Österreich ausgereist und sei seither nicht mehr im Bundesgebiet gewesen. Er plane eventuell, nach Deutschland weiterzureisen, weil sein Cousin dort wohne; er habe ihn mit dem Auto abholen und nach Deutschland bringen wollen.

Anfang 2012 sei er freiwillig in die russische Armee eingetreten und zwar zu den XXXX , wo er zuletzt im Range eines Unteroffiziers gedient habe. Bis 2014 habe er dort gedient und habe währenddessen eine umfassende Ausbildung der Spezialkräfte erhalten. Anfang 2014 sei seine Einheit in die Ukraine nach Donezk und Lugansk verlegt worden. Als sie die Ukraine betreten hätten, seien alle Hoheitsabzeichen von der Uniform entfernt und die Waffen unkenntlich gemacht worden. Sie seien als russische Soldaten ohne Abzeichen und Kennung in einem fremden Land gewesen. Solange Soldaten gegen Soldaten gekämpft hätten, habe der Beschwerdeführer seinen Auftrag erfüllt und an Kampfhandlungen in der Ukraine teilgenommen. 2014 sei die Einheit des Beschwerdeführers einmal dazu abgestellt worden, einen Weg von Donezk nach Osten zu bewachen. Es habe sich dann ein Fahrzeug mit Zivilisten genähert, des von Kameraden sofort beschossen worden sei, wobei die Insassen ums Leben gekommen seien. Dieser Vorfall sei für den Beschwerdeführer Auslöser dafür gewesen, dass er mit fünf weiteren Soldaten desertiert sei. Anschließend sei der Beschwerdeführer für zwei bis drei Monate auf Seiten der ukrainischen Tschetschenischen Kämpfer gewesen und habe auch an Kampfhandlungen teilgenommen. Danach hätten die Kämpfe nachgelassen und sei der Beschwerdeführer mit anderen Deserteuren von seinem neuen Kommandanten nach XXXX gesendet worden, um dort Fuß zu fassen. Dort habe der Beschwerdeführer aber ständig Angst, von der russischen Armee gefunden und bestraft zu werden. Nach einem halben Jahr sei er nach XXXX gekommen und sei dort 1,5 Jahre mit einer Freundin aufhältig gewesen.

3.3. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall und 2. Fall, Abs. 2 SMG und § 50 Abs. 1 Z 3 WaffG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten, Probezeit drei Jahre, verurteilt, da er vorschriftswidrig Kokain und Heroin sowie Exstasy für den persönlichen Gebrauch erworben und besessen und darüber hinaus eine Waffe, konkret ein Springmesser, trotz aufrechtem Waffenverbot besessen hat.

3.4. Im Verwaltungsakt findet sich eine Strafverfügung der Landespolizeidirektion XXXX vom XXXX , derzufolge der Beschwerdeführer im Dezember 2017 ein Kraftfahrzeug gelenkt habe, obwohl er nicht im Besitze einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung gewesen sei. Er habe dadurch § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG verletzt und wurde zu einer Geldstrafe von 500,- Euro, im Nichteinbringungsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von neun Tagen und 15 Stunden, verurteilt.

3.5. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer festgenommen und über ihn die Untersuchungshaft verhängt.

3.6. Am 26.07.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Zunächst auf seinen Gesundheitszustand angesprochen, führte der Beschwerdeführer aus, gesund zu sein und keinerlei Beschwerden zu haben.

Auf entsprechende Nachfrage gab er an, keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen zu können; seinen Reisepass habe er verloren.

Zu seinen Lebensverhältnissen im Bundesgebiet gab er an, seit sechs bis sieben Jahren geschieden zu sein; seine Ex-Ehefrau lebe in Österreich im XXXX . Er habe keinen Kontakt zu dieser. Er habe nunmehr seit sechs Monaten eine Freundin, eine österreichische Staatsangehörige, die von ihm schwanger sei. Diese lebe bei ihren Eltern, er selbst habe sie zuletzt vor zwei Wochen gesehen. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen in Österreich; in Belgien würden sein Cousin und eine Tante leben.

Der Beschwerdeführer führte weiter aus, im Jahr 2004 mit XXXX Jahren nach Österreich gekommen zu sein; im Jahr 2011 sei er freiwillig aus Österreich nach Tschetschenien zurückgekehrt. Im Jahr 2014 sei er zum Militär in Tschetschenien gegangen, zuvor habe ihn seine Familie unterstützt.

Er habe in einem Dorf im Bezirk XXXX im Haus seiner Eltern gewohnt; dieses gehöre, seit seine Eltern verstorben seien, dem Beschwerdeführer.

Zuletzt sei er im Jänner oder Februar 2016 illegal in Österreich eingereist; seitdem sei er in Belgien und Frankreich gewesen und habe dort ebenfalls um Asyl angesucht, die Ergebnisse jedoch nicht abgewartet. Er habe dort dieselben Gründe wie in Österreich geltend gemacht.

Er habe in seinem Heimatland elf Jahre lang eine Gesamtschule absolviert, danach habe er eine Berufsausbildung als Baumeister gemacht, diese jedoch nicht abgeschlossen. Als er im Jahr 2011 freiwillig aus Österreich nach Tschetschenien zurückgekehrt sei, habe er beim Militär und als Soldat gearbeitet.

Ein Bruder des Beschwerdeführers lebe mit seiner Familie in der Türkei, ein weiterer Bruder sei im Jahr 2000 im Krieg verstorben. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer noch zwei Schwestern, die verheiratet und in Tschetschenien wohnhaft seien.

Der Beschwerdeführer habe derzeit zu niemandem Kontakt in der Russischen Föderation. Es sei richtig, dass er im Jahr 2011 von vielen Verwandten unterstützt worden sei; nunmehr habe er aber aufgrund seiner Probleme keinen Kontakt mehr.

Zu den Gründen für die neuerliche Antragstellung befragt, brachte der Beschwerdeführer vor, „neue Gründe“ zu haben. Konkret sei er aus der Ukraine nach Österreich geflüchtet, weil er nach Befehl des Staatsoberhauptes Kadyrow mit anderen Soldaten in die Ukraine geschickt worden sei und dort nicht den Militärdienst habe leisten und auf unschuldige Leute habe schießen wollen. Daher sei der Beschwerdeführer auf ukrainische Seite gewechselt und dann geflüchtet. Er habe natürlich auch am Kriegsgeschehen teilgenommen, sei aber mit „der Gesetzeslosigkeit und den Schießereien“ nicht einverstanden gewesen, weshalb er nach ungefähr einem Jahr gemeinsam mit vier anderen Männern geflüchtet und über die Slowakei nach Österreich illegal gereist sei.

Die Frage, ob er noch weitere Fluchtgründe habe, verneinte der Beschwerdeführer.

Dazu aufgefordert, konkretere Angaben zu machen, führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er in einer Gruppe von etwa 280 Männern, die aus Tschetschenen und Russen bestanden habe, in die Ukraine geschickt worden sei und diese dort wahllos geschossen und Zivilisten ohne Grund getötet hätten. Auf den Beschwerdeführer sei dann Druck dahingehend ausgeübt worden, dass auch er Leute erschieße, was er aber abgelehnt habe. Er habe ein paar Monate ausgehalten und sei dann auf die ukrainische Seite gewechselt, konkret habe er sich auf ukrainischer Seite einer tschetschenischen Gruppe, die gegen Russen gekämpft habe, angeschlossen und sei dort zwei bis drei Monate geblieben, bevor er nach XXXX und dann weiter nach XXXX gefahren sei, wo er gelebt habe. Da es für ihn dort zu gefährlich gewesen sei, 70 % der Bevölkerung seien Russen, habe er schließlich beschlossen, nach Österreich zu fahren. Er sei dann, ohne das Verfahrensergebnis abzuwarten, weiter nach Frankreich (zu einem Reporter namens Jose, den er in der Ukraine kennengelernt habe) und nach Belgien (zu Verwandten) gereist und habe auch dort jeweils um Asyl angesucht und sei dann schließlich wieder nach Österreich gekommen.

Die Frage, ob er noch etwas zu seinen Fluchtgründen angeben wolle, verneinte der Beschwerdeführer.

Über weiteres Befragen führte er aus, im Februar oder Mai 2014 in die russische Armee eingetreten zu sein. Der Beschwerdeführer habe, weil sein Bruder am Krieg teilgenommen habe, Probleme im Heimatland gehabt, weshalb er im Jahr 2012 für einen Monat im Gefängnis in XXXX gewesen sei. Er sei dann schließlich gegen 50.000 USD entlassen worden. Zur Armee habe er sich freiwillig gemeldet. Die Ausbildung habe acht Monate gedauert, dann sei der Beschwerdeführer in die Ukraine geschickt worden. Es sei wie beim Militär gewesen; sie hätten trainiert. Der Kommandant sei ein etwa 45jähriger Tschetschene gewesen; mehr könne der Beschwerdeführer nicht angeben. Der Beschwerdeführer sei in der XXXX , einer ganz normalen Kompanie, gewesen.

Auf Vorhalt seiner Angaben in der Erstbefragung, wonach der Beschwerdeführer 2012 freiwillig in die russische Armee eingetreten wäre, gab er an, am Anfang für ein paar Monate bei „einem anderen Militär“ gewesen zu sein. Dort sei es Aufgabe gewesen, Ölbetriebe zu schützen. Nach zehn Monaten habe der Beschwerdeführer aber nicht beim Militär bleiben wollen und sei in der zweiten Jahreshälfte 2013 nach XXXX zu seinem Cousin geflüchtet, wo er drei bis vier Monate aufhältig gewesen sei. In dieser Zeit hätten seine Verwandten Probleme bekommen, konkret seine Onkel, Tanten sowie seine Schwester. Konkret sei seine Schwester verhaftet und zum Aufenthaltsort des Beschwerdeführers befragt worden.

Anfang 2014 habe sich der Beschwerdeführer dazu entschlossen, nach Tschetschenien zurückzugehen und habe sich dort freiwillig bei der Polizei gemeldet und versucht zu erklären, weshalb er weggelaufen sei. Er habe ihnen auch angeboten, dass er freiwillig wieder zum Militär gehe. Der Beschwerdeführer sei zuletzt Fähnrich gewesen und habe 20 Leute unter sich gehabt.

Nachgefragt, ob er jemals einer konkreten Bedrohungssituation in der Russischen Föderation ausgesetzt gewesen sei, gab der Beschwerdeführer an, er sei zweimal aus dieser Spezialeinheit geflüchtet und müsse mit Konsequenzen rechnen; Deserteure würden erschossen. In seinem Fall sei das Ganze noch gefährlicher, weil er ins Ausland geflüchtet sei.

Dazu aufgefordert, die genauen Umstände der Desertion zu schildern, brachte der Beschwerdeführer vor, es sei im September oder November 2014 gewesen. Ein Kollege, der auch in dieser Gruppe gewesen sei, habe einen Onkel in der Türkei gehabt, welcher Kontakt zu einer tschetschenischen Gruppe, die auf der Seite der Ukraine gekämpft habe, gehabt habe. Sie hätten dann telefonisch ausgemacht, dass sie zu dieser Gruppe gehen, wo sie schließlich zunächst zu fünf, dann zu dritt, hingekommen seien. In der Nacht seien sie von vier Tschetschenen mit dem Auto abgeholt worden.

Die russische Armee habe der Beschwerdeführer deshalb verlassen, da er gesehen habe, dass diese Spezialeinheit eigentlich wahllos auf Menschen schieße und Gesetzeslosigkeit herrsche. Der Beschwerdeführer habe nicht auf Unschuldige schießen wollen.

Auf die Frage, ob er offiziell von den russischen Behörden oder anderen Ländern gesucht werde bzw. ob es einen Haftbefehl gebe, führte der Beschwerdeführer aus, dies nicht zu wissen. Alle Leute, die in die Ukraine zum Kämpfen geschickt worden seien, seien aus dem Militärverzeichnis gelöscht worden. Es sei behauptet worden, dass die Leute gesetzeswidrig in die Ukraine gegangen seien. Die Russen hätten zwar die Leute hingeschickt, dann aber behauptet, dass diese freiwillig hingegangen seien.

Dazu aufgefordert, nähere Angaben zu der von ihm erwähnten Spezialeinheit zu machen, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass es sich dabei um eine Einheit gehandelt habe, die zu Hotspots geschickt worden sei, um Russland zu verteidigen.

Der Beschwerdeführer habe zu keinem Zeitpunkt Befehle zum Töten von Menschen erteilt, was ihm dann schließlich auch zur Last gelegt worden sei. Der Beschwerdeführer habe mit den Tschetschenen und den Ukrainern gegen Russland gekämpft, habe aber nicht geschossen, sondern Informationen weitergeleitet. Die Frage, ob er jemals Menschen getötet oder von einer Waffe Gebrauch gemacht habe, verneinte der Beschwerdeführer. Auf Vorhalt, dass dies angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer in einer Spezialeinheit gewesen sei, nicht glaubwürdig sei, brachte er vor, dass es ihre Aufgabe gewesen sei, das Gebiet Donezk zu beschützen. Zunächst habe er die Ukrainer nicht durchlassen dürfen, dann habe er aber die Seite gewechselt, sodass es dann seine Aufgabe gewesen sei, Russen nicht durchzulassen.

Auf Vorhalt, dass es nicht sehr glaubhaft sei, dass der Beschwerdeführer einfach so habe Seite wechseln können, führte er aus, innerlich immer gegen die Russen gewesen zu sein. Er habe sich für den Militärdienst entschieden, damit seine Familie Ruhe habe.

Die Frage, ob er Dokumente habe, die seine militärischen Angaben bestätigen, verneinte der Beschwerdeführer; er habe nur in der Ukraine einen Wehrpass beim Kommandanten. Nachgefragt, ob er sich diese Dokumente übermitteln lassen könne, gab der Beschwerdeführer an, Ladungen von Tschetschenien zu Hause zu haben. Seine Schwester könnte in sein Haus gehen und ihm die Dokumente übermitteln; er werde dies versuchen und entsprechende Dokumente spätestens in einem Monat vorlegen.

Zu seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt, gab der Beschwerdeführer an, den A2 Deutschkurs besucht zu haben und Deutsch auf dem Niveau A2 zu sprechen. Hier in Österreich sei er keiner Arbeit nachgegangen, er habe nur zeitweise an Wochenenden als Security gearbeitet. Darüber hinaus habe er im XXXX trainiert, abgesehen davon habe er aber keine Integrationsschritte unternommen. Er habe hier ungefähr 2.000,- Euro verdient, er sei keiner legalen Beschäftigung nachgegangen, sondern habe illegal gearbeitet. Er würde zukünftig gerne einer Arbeit nachgehen.

Im Falle einer Rückkehr würde er ins Gefängnis kommen, da er desertiert sei; welche Strafe ihm dafür drohe, wisse er nicht.

3.7. Mit Bescheid vom 24.08.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 12.02.2016 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung „besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Gleichzeitig wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Es wurde in Spruchpunkt VI. ausgesprochen, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht; gleichzeitig wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 und 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). In Spruchpunkt VIII. wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG ab dem 30.10.2007 verloren hat. Es wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von neun Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IX.).

Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass der Beschwerdeführer ein höchst vages, nicht nachvollziehbares und abstraktes Vorbringen erstattet habe und darüber hinaus eine Steigerung seiner Angaben im Verfahren festgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer habe es verabsäumt, Dokumente oder Bescheinigungen vorzulegen, obwohl ihm eine Frist dafür eingeräumt worden sei. Insgesamt seien die behaupteten Fluchtgründe als unwahr einzustufen und könnten nicht der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden.

Eine extreme Gefahrenlage im Sinne von Art. 2 oder 3 EMRK sei in der Russischen Föderation nicht gegeben, die Versorgung dort sei grundsätzlich gewährleistet und es handle sich beim Beschwerdeführer um einen gesunden, arbeitsfähigen und arbeitswilligen jungen Mann.

Der Beschwerdeführer halte sich nunmehr wieder seit Februar 2016 im Bundesgebiet auf. Er sei aber zu keinem Zeitpunkt familiär oder wirtschaftlich gefestigt gewesen. Er habe seinen Aufenthalt bislang durch Schwarzarbeit mitfinanziert und sei nicht davon auszugehen, dass er über ein umfangreiches Privatleben in Österreich verfüge. Die Gleichgültigkeit gegenüber der österreichischen Rechtsordnung sei aufgrund der rechtskräftigen Verurteilungen klar zu erkennen und hervorzuheben.

Es seien die Ziffern 2 und 6 des § 18 Abs. 1 BFA-VG erfüllt. Der Beschwerdeführer stelle insbesondere aufgrund seiner Straffälligkeit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar, darüber hinaus sei er als mittellos anzusehen.

Da der Beschwerdeführer mit XXXX straffällig geworden sei, habe er gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG sein Aufenthaltsrecht ex lege verloren.

Betreffend das Einreiseverbot wurde festgehalten, dass im Falle des Beschwerdeführers jedenfalls Ziffer 1 erfüllt sei, insbesondere die rasche und wiederholte Rückfälligkeit habe zur Erlassung eines Einreiseverbotes von neun Jahren geführt. Auch die Schwarzarbeit und der Umstand der Mittellosigkeit würden dem öffentlichen Interesse an Ordnung und Sicherheit zuwiderlaufen.

3.8. Gegen den Bescheid der belangten Behörde richtete sich eine fristgerechte, im Wege seiner Rechtsvertretung eingebrachte, Beschwerde vom 26.09.2018, mit der die Entscheidung des Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im vollen Umfang angefochten wurde.

Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass die belangte Behörde das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht mit der gebotenen Tiefe ermittelt habe. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers stamme aus Serbien und sei aktuell im 7. Monat schwanger. Das Bundesamt hätte die Pflicht getroffen, Ermittlungen dazu durchzuführen, dies sei jedoch unterlassen worden.

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien zwar umfassend, würden sich aber nur am Rande mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers befassen und seien dadurch als Begründung zur Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz unzureichend. Die belangte Behörde habe teilweise veraltete Länderberichte herangezogen, obwohl aktuellere Berichte öffentlich zugänglich und leicht recherchierbar seien.

Hingewiesen wurde insbesondere auf einen Bericht von USDOS vom 20.04.2018, in dem festgehalten worden sei, dass nach einem Terror-Angriff in Grozny die tschetschenischen Sicherheitskräfte nach eigenen Angaben hunderte Verdächtige festgehalten hätten. Auch in den Länderfeststellungen der belangten Behörde werde darauf Bezug genommen, dass insbesondere Rückkehrern in den Nordkaukasus besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden gewidmet werde und die Miliz gegen Kaukasier häufig willkürlich vorgehe. Insbesondere abgeschobene Tschetschenen, die sich gegen die gegenwärtige Machthaben engagiert hätten bzw. denen ein derartiges Engagement unterstellt werde, liefen Gefahr, in das Visier der Behörden zu geraten. Hätte die belangte Behörde die Länderberichte herangezogen bzw. ihre eigenen Länderberichte entsprechend gewürdigt, hätte sie zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Abschiebung die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung droht.

Wenn die Behörde behaupte, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass sich eine vernunftbegabte Person freiwillig dem militärischen Dienst stelle, jedoch Kampfhandlungen verweigere, dann seien dem die Angaben des Beschwerdeführers, wonach er nur so gehandelt habe, um die Freilassung von Verwandten zu bewirken, entgegenzuhalten.

Was den Vorwurf betreffe, der Beschwerdeführer habe nicht ausreichend Informationen über die Spezialeinheit XXXX geben können, übersehe die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer auf alle Fragen geantwortet habe und seitens des Organwalters keine konkreteren Fragen gestellt worden seien.

Der Beschwerdeführer sei aktuell in Haft und könne daher derzeit keine Beweismittel organisieren. Er werde, sobald er auf freiem Fuß sei, versuchen, diese nachzureichen.

Dem Beschwerdeführer drohe in der Russischen Föderation asylrelevante Verfolgung und könne ihm alles in allem nicht zugemutet werden, zurückzukehren.

Was das Einreiseverbot betreffe, so bestehe beim Beschwerdeführer keine weitere Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung kein Einreiseverbot erlassen werden müssen. Das verhängte Einreiseverbot von neun Jahren stehe in keiner Relation zu den begangenen Straftaten des Beschwerdeführers.

3.9. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 08.10.2018 wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

3.10. Am 29.11.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung zur Ermittlung des entscheidungsmaßgeblichen Sachverhaltes statt, an welcher der Beschwerdeführer, der Beschwerdeführervertreter sowie eine gerichtlich beeidete Dolmetscherin für die russische Sprache teilnahmen. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers wurde als Zeugin einvernommen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war ordnungsgemäß geladen worden, erschien jedoch nicht.

Bei dieser Gelegenheit gab der Beschwerdeführer an sich um Zusendung von Unterlagen aus der Ukraine bzw. aus Russland zu bemühen.

Zu seiner Zeit beim Militär befragt, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an erstmals im September/Oktober 2012 vor der Armee in Tschetschenien geflohen zu sein. Er sei dann jedoch zurückkehrte, weil seine Schwester und ein Cousin wegen ihm inhaftiert worden seien. Als Strafe sei er in eine Einheit versetzt worden, welche in Dombas gekämpft habe. Ihm sei dort aufgetragen worden auch auf Zivilfahrzeuge und LKWs zu schießen. Er habe aber nie auf zivile Ziele geschossen. Durch den Onkel eines Freundes in seiner Einheit sei dann der Überlauf auf die ukrainische Seite organisiert worden. Er sei zwei Monate bei der ukrainisch-tschetschenischen Gruppe gewesen und habe ihnen die Positionen der russischen Seite angezeigt, selbst gekämpft habe er nicht. Danach sei der Beschwerdeführer nach XXXX gegangen, weil er Angst gehabt habe von erkannt zu werden und Schwierigkeiten für seine Familie in Tschetschenien zu bereiten. Nach ca. einem halben Jahr in XXXX sei er für zehn bis zwölf Monate in XXXX gewesen. Dort seien aber sehr viele Russen gewesen. Überhaupt gebe es in der Ukraine "abertausende von russischen Spionen" und sei es deswegen dort letztlich zu unsicher.

Mit seiner Lebensgefährtin habe er bis zu seiner Inhaftierung im gemeinsamen Haushalt gelebt. Ende Dezember würde das gemeinsame Kind geboren werden. Er sei geschieden und habe keine weiteren Kinder.

Danach gefragt, gab er an bei einer Rückkehr nach Tschetschenien getötet zu werden. Bezüglich Moskau wisse er es nicht, weil er in seinem Asylverfahren von militärischen Aktivitäten der russischen Armee in der Ukraine erzählt habe. Dies würde Russland jedoch abstreiten.

Zu seiner Familie in Russland habe er überhaupt keinen Kontakt, weil diese sonst Probleme bekommen würden. Eine Trennung von seiner Lebensgefährtin und seinem neugeborenen Kind sei nicht akzeptabel. In der Russischen Föderation sei sein Leben bedroht.

Anschließend wurde die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers als Zeugin befragt. Sie gab an den Beschwerdeführer vor einem Jahr kennengelernt zu haben. Sie und der Beschwerdeführer hätten ein paar Mal in der Wohnung eines Freundes gemeinsam übernachtet, seien aber nie gemeinsam gemeldet gewesen. Vor kurzem habe sie eine Wiener Gemeindewohnung bekommen und habe vor dort gemeinsam mit dem Beschwerdeführer zu wohnen. Die Lebensgefährten würden nur Deutsch miteinander sprechen, weil sie kein Russisch/Tschetschenisch spreche. Geburtstermin des Kindes sei der XXXX . Eine Vaterschaftsanerkennung durch den Beschwerdeführer sei noch nicht erfolgt, weil er aufgrund der Haft nicht beim zuständigen Magistrat erscheinen könne. Zurzeit lebe sie von der Mindestsicherung und habe vor eine Lehre zu machen, wenn das Kind im Kindergarten sei. Zuletzt habe sie den Beschwerdeführer vor eineinhalb Monaten in der Justizanstalt besucht, weil er nur einmal am Tag Besuch bekommen dürfe und immer schon jemand dort gewesen sei. Davor habe sie ihn fast wöchentlich besucht. Die Lebensgefährtin gab an auch bei einer Verurteilung mit dem Beschwerdeführer zusammenleben zu wollen. Für sie sei es auch eher nicht vorstellbar nach Russland zu ziehen, da sie in Österreich bei ihrer Familie bleiben wolle. Sie hätten vor in Österreich zu heiraten und der Beschwerdeführer solle dann auch wegen des Kindes ständig hier sein. Warum der Beschwerdeführer sein Heimatland verlassen habe wisse sie nicht, sie habe ihn nie danach gefragt.

3.11. Am 18.12.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers im Wege seines Rechtsvertreters am Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde insbesondere ausgeführt, dass Kadyrow nach wie vor an der Macht sei und sich sein autoritäres Herrschaftssystem, das für Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bekannt sei, den aktuellen Länderfeststellungen zufolge verfestigt habe. Bei einer Rückkehr in die Russische Föderation, beziehungsweise nach Tschetschenien, befürchte der Beschwerdeführer als Deserteur staatliche Verfolgungshandlungen durch "Kadyrowzy" aber auch durch die russischen Sicherheitsbehörden. Es sei notorisch, dass Russland hart und mit teilweise fragwürdigen Mitteln gegen Deserteure vorgehe. Zitiert wurde in der Stellungnahme insbesondere der EASO-Bericht zur Situation von Tschetschenen in der Russischen Föderation aus August 2018. Außerdem wurde zum Beweis, dass tatsächlich, zum Zeitpunkt als der Beschwerdeführer in der Ukraine war, tschetschenische Soldaten zum Kampf eingesetzt wurden, ein Artikel des amerikanisch-schwedischen Forschungs- und Policy Zentrums in das Verfahren eingebracht. Die Tatsache, dass Wehrdienstverweigerung unter Strafe stehe und vor allem in Bezug auf Tschetschenen ein erhebliches Ausmaß erreiche, zeige der Bericht der unabhängigen Schweizer Flüchtlingshilfe. Der Beschwerdeführer habe sich zum einen mehrfach dem Militär entzogen, zum anderen sei er ins Ausland geflohen, außerdem sei er auch noch auf die andere Seite übergelaufen und habe Informationen preisgegeben. Aufgrund des derzeitigen Informationsstandes, beziehungsweise der Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Beschwerdeführer, könne nicht ausgeschlossen werden, dass diesem aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung in Österreich in der Russischen Föderation Verfolgung drohe. Dass der Beschwerdeführer zumindest verhört werde und dabei mit Misshandlungen und Folter zu rechnen habe, gehe eindeutig aus den zugrundeliegenden Länderberichten hervor.

Etwaige „Unschärfen“ im Vorbringen des Beschwerdeführers würden nicht gegen dessen Glaubwürdigkeit sprechen, da sich dieser mit Zeitangaben schwertue und die Ereignisse schon einige Jahre zurückliegen würden.

Der Beschwerdeführer werde in der Russischen Föderation aufgrund seiner (unterstellten) politischen Gesinnung als Oppositioneller/Deserteur und als Rückkehrer aus dem Ausland verfolgt. Da die Verfolgung von staatlicher Seite ausgehe, könne er naturgemäß auch keinen staatlichen Schutz in Anspruch nehmen.

Die Rückkehrentscheidung würde massiv in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreifen. Der Beschwerdeführer habe keinen Kontakt zu seinen Verwandten in der Russischen Föderation und wolle hier in Österreich für seine Lebensgefährtin und seine Tochter da sein. Eine Trennung wäre weder für den Beschwerdeführer noch dessen Lebensgefährtin denkbar.

Weder die Rückkehrentscheidung noch das Einreiseverbot würden sich im konkreten Fall als erforderlich, verhältnismäßig oder nachvollziehbar erweisen.

3.12. Mit Eingabe vom 11.04.2019 wurde durch den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Geburtsurkunde der am XXXX im Bundesgebiet geborenen Tochter des Beschwerdeführers übermittelt.

3.13. In der Hauptverhandlung des Landesgerichts XXXX am XXXX , zur GZ XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen versuchten Mordes gemäß §§ 15, 75 StGB schuldig gesprochen und eine unbedingte 15-jährigen Haftstrafe verhängt. Der Berufung des Beschwerdeführers gab das Oberlandesgericht XXXX (GZ XXXX ) nicht Folge. Das Urteil ist seit XXXX rechtskräftig.

3.14. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.05.2019 wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Spruchpunkte I. bis V. als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer ab dem XXXX sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren hat. Weiters wurde das Einreiseverbot auf 5 Jahre herabgesetzt (Spruchpunkt III.) und eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen gesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, dass die Fluchtgründe des Beschwerdeführers nicht glaubhaft seien. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers sei vage und widersprüchlich. Auch habe er trotz mehrmaliger Ankündigung nie Beweismittel zur Untermauerung seines Vorbringens vorgelegt. Es habe daher keine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers im Heimatland festgestellt werden können. Auch habe nicht festgestellt werden können, dass er im Falle einer Rückkehr nach Russland in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei gegeben und dem Beschwerdeführer auch zumutbar.

Eine Beziehung zu seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter könne der Beschwerdeführer auch aus der Russischen Föderation über elektronische Medien bzw. durch Besuche aufrecht halten. Eine besondere Beziehungsintensität bestehe jedenfalls nicht, insbesondere da ein Familienleben mit seinem Kind aufgrund der bestehenden Untersuchungshaft nicht festgestellt werden könne.

Aufgrund der wiederholten Verurteilungen des Beschwerdeführers, insb. wegen Delikten gegen Leib und Leben, stelle die Fortsetzung des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Besondere Integrationsbemühungen habe der Beschwerdeführer nicht dargetan.

Das Einreiseverbot setzte das BVwG in der Entscheidung vom 27.05.2019 auf fünf Jahre herab, da zwar eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bestehe, doch auch der Umstand der österreichischen Staatsangehörigkeit der Lebensgefährtin und Tochter des Beschwerdeführers berücksichtigt werden müsse. Die letzte Verurteilung des Beschwerdeführers fand noch keine Berücksichtigung in der rechtlichen Beurteilung des BVwG, weil sie zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht rechtskräftig war und weil eine – im übrigen unrichtige – telefonische Auskunft vorlag, der BF zudem Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet hatte.

4.1. Mit Schreiben vom 13.02.2020 verständigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer vom Ergebnis einer Beweisaufnahme bzgl. der Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung iVm mit einem unbefristeten Einreiseverbot und Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung. Die belangte Behörde führte im Wesentlichen den bisherigen Verfahrensgang und insbesondere die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers an. Weiters sei die Haftentlassung des Beschwerdeführers für den XXXX in Aussicht gestellt. Aufgrund der neuerlichen Verurteilung sei das gegenständliche Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem unbefristeten Einreiseverbot eröffnet worden. Die Behörde zitierte anschließend die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen und forderte den Beschwerdeführer auf, Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen zu beantworten und entsprechende Belege vorzulegen. Zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme wurde dem Beschwerdeführer eine Frist von 2 Wochen gewährt. Das Schreiben wurde dem Beschwerdeführer nachweislich am 18.02.2020 in der Justizanstalt XXXX zugestellt. Eine solche Stellungnahme wurde nicht erstattet.

4.2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 01.04.2020, Zl. 277026708-200168567, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist. Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG erlassen (Spruchpunkt III.). Abschließende wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

Das Bundesamt stellte im Wesentlichen den bisherigen Verfahrensgang fest und, dass der Beschwerdeführer nicht über einen Aufenthaltstitel verfüge und sich daher illegal im Bundesgebiet aufhalte. Er habe ein Verhalten gesetzt, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Zum Einreiseverbot stellte die belangte Behörde die rechtskräftige Verurteilung wegen Mordes fest. Eine positive Zukunftsprognose sei aufgrund des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers "vehement" zu verneinen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem unbefristeten Einreiseverbot sei "somit zur Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen dringendst geboten".

Zur Lage im Herkunftsstaat stellte das Bundesamt das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl zur Russischen Föderation fest.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass sich in den Vorverurteilungen des Beschwerdeführers schon eine hohe kriminelle Energie abgezeichnet habe. Er sei teils außerordentlich brutal vorgegangen und habe nie Besserungschancen ergriffen. Aus der letzten Verurteilung sei ersichtlich, dass bereits ein nichtiger Anlass ausreiche um seine offenkundig niedrige Hemmschwelle der Gewaltbereitschaft zu übertreten und dass seine unkontrollierte Aggression in einem Mordversuch gemündet sei. Sein langjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet ergebe sich nur durch missbräuchliche Anträge um internationalen Schutz, die Verbüßung diverser Haftstrafen und die wiederholte illegale Einreise. In einer Gesamtbetrachtung ergeben sich ein sehr negatives Persönlichkeitsbild und sei die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbots zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dringend notwendig. Sein Verhalten stelle eine akute, tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung dar, welche ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Sein rein privates Interesse am Verbleib sei dem eines geordneten Fremdenwesen unterzuordnen.

Rechtlich führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Aufenthaltsberechtigung gem. § 55 oder § 57 AsylG nicht vorliegen. Aufgrund seiner Verurteilung wegen Mordes zur 15 Jahren Haft erfülle der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 5 FPG und war daher ein unbefristetes Einreiseverbot zu erlassen. Der Eingriff der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbots in das Interesse an einem Privat- und Familienleben gem. Art. 8 EMRK sei aufgrund seiner wiederholten Straffälligkeit verhältnismäßig. Eine Beziehung zur Lebensgefährtin und Tochter könne durch elektronische Medien und Besuche dieser in der Russischen Föderation aufrechterhalten werden.

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nachweislich am 07.04.2020 zugestellt und enthielt auch eine ergänzende Rechtsmittelbelehrung bzgl. COVID-19.

4.3. Am 18.05.2020 erstattete der Beschwerdeführer, im Wege seiner Rechtsvertretung, fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften. Insbesondere bzgl. des Einreiseverbots habe die Behörde die starke familiäre Bindung des Beschwerdeführers in Österreich verkannt und habe auch die Gefährdungsprognose unrichtig durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der Betroffene ist Staatsbürger der Russischen Föderation, gehört der Volksgruppe der Tschetschenen an und bekennt sich zum Islam. Seine Identität steht fest.

Zwei Schwestern des Beschwerdeführers leben gemeinsam mit ihren Familien in Tschetschenien. Der Bruder des Beschwerdeführers lebt in der Türkei. Eine Tante und ein Cousin des Beschwerdeführers leben in Brüssel, Belgien.

Der bisherige Verfahrensgang wurde schon unter Punkt I. ausführlich dargestellt und gilt als festgestellt.

Der Beschwerdeführer ist in einer Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin und hat mit dieser eine gemeinsame Tochter, welche am XXXX zur Welt kam. Der Beschwerdeführer lebte nie mit seiner Lebensgefährtin und Tochter im gemeinsamen Haushalt.

Der Beschwerdeführer weist die unter Punkt I. angeführten sechs strafrechtlichen Verurteilungen auf (s. 1.7., 1.9., 1.14., 2.6., 3.3. und 3.13.).

Der Beschwerdeführer ist seit XXXX durchgehend inhaftiert. Am XXXX wurde über ihn die Untersuchungshaft verhängt und verbüßt er derzeit eine 15-jährige Haftstrafe aufgrund einer Verurteilung wegen versuchten Mordes vom XXXX . Der errechnete Termin für die Entlassung aus der Haft ist der XXXX .

2.       Beweiswürdigung:

Beweise wurden aufgenommen durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BAA/BFA betreffend den Beschwerdeführer und den Gerichtsakten des BVwG.

Die Feststellungen zur Person des Betroffenen gründen auf seinen persönlichen Angaben, insbesondere auf seine Einvernahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG. Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund einer im Fremdverfahren ergangenen Mitteilung der Konsularabteilung der russischen Botschaft sowie dem im Fremdenakt des Beschwerdeführers in Kopie vorliegenden Führerscheins fest.

Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Betroffenen in Österreich gründen ebenfalls auf dessen glaubwürdigen Angaben sowie der übereinstimmenden Aussage seiner Lebensgefährtin vor dem BVwG und der vorgelegten Geburtsurkunde der Tochter.

Die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vom Gericht eingeholten Auszug des Strafregisters der Republik Österreich und den vorliegenden Urteilen.

Die Feststellungen zu seiner Inhaftierung ergeben sich aus der Vollzugsinformation (AS 1ff), welche vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingeholt wurde.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu Spruchpunkt A)

Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

1.       Zum Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG

§ 57 Abs. 1 AsylG lautet:

"Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist."

Die belangte Behörde hatte gemäß § 58 Abs. 1 Z. 4 AsylG die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, dabei jedoch im Rahmen der Prüfung festgehalten, dass keine der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz vorgelegen sind. Auch aus den Beschwerdeausführungen kann nicht erkannt werden, dass die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 AsylG vorliegen würden.

Da somit die Voraussetzungen für eine Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nicht vorliegen und sich auch aus den Beschwerdeausführungen nicht gegenteiliges ableiten lässt, war diesbezüglich die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

2.       Zur Rückkehrentscheidung:

§ 10 Abs. 2 AsylG lautet:

"Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden."

In seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 27.05.2019 (GZ W125 1251176-4/38E) stellte das BVwG in Spruchpunkt II. fest, dass der Beschwerdeführer sein "Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 22.7.2018 verloren" hat.

§ 13 AsylG lautet:

"(1) Ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, ist bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Abs. 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt.

(2) Ein Asylwerber verliert sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn

1. dieser straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3),

2. gegen den Asylwerber wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht worden ist,

3. gegen den Asylwerber Untersuchungshaft verhängt wurde (§§ 173 ff StPO, BGBl. Nr. 631/1975) oder

4. der Asylwerber bei der Begehung eines Verbrechens (§ 17 StGB) auf frischer Tat betreten worden ist.

Der Verlust des Aufenthaltsrechtes ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Wird ein Asylwerber in den Fällen der Z 2 bis 4 freigesprochen, tritt die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat zurück (§§ 198 ff StPO) oder wird das Strafverfahren eingestellt, lebt sein Aufenthaltsrecht rückwirkend mit dem Tage des Verlustes wieder auf.

(3) Hat ein Asylwerber sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Abs. 2 verloren, kommt ihm faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.

(4) Das Bundesamt hat im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechtes eines Asylwerbers abzusprechen."

Das BVwG zitiert – wohl irrtümlich - § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG, setzt aber das Datum des Verlusts der Aufenthaltsberechtigung mit jenem der Verhängung der Untersuchungshaft gleich. Der Beschwerdeführer erfüllt jedenfalls die Voraussetzung der Abs. 2 Z 3 leg. cit., etwas anderes wurde auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Der Beschwerdeführer ist daher seit XXXX jedenfalls nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Das 6. Hauptstück des FPG befasst sich mit Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung. Es ist im gegenständlichen Fall nicht einschlägig.

Wie bereits oben unter Punkt II.3.A.1. ausgeführt war auch eine Aufenthaltsberechtigung gem. § 57 AsylG von Amts wegen nicht zu erteilen.

Mit dieser Entscheidung war daher eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG zu verbinden. Der Beschwerdeführer erfüllt die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 leg.cit., da er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Gemäß § 9 BFA-VG muss bei einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG überprüft werden, ob der Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Fremden zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

§ 9 BFA-VG lautet:

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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