Entscheidungsdatum
22.06.2020Norm
AVG §13 Abs3Spruch
W147 2231358-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX , gegen den Bescheid der GIS Gebühren Info Service GmbH vom 5. Mai 2020, GZ 0002032525, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1, 2 und Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz –VwGVG, BGBl. I Nr.33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr.122/2013, behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 164/2013, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Mit am 7. Januar 2020 bei der belangten Behörde per E-Mail eingelangten Unterlagen beantragte die Beschwerdeführerin die Befreiung von der Rundfunkgebühr für Fernseh- und Radioempfangseinrichtungen sowie die Befreiung von der Entrichtung der Ökostrompauschale und gab einen Einpersonenhaushalt an. Unter Punkt 4. des Antragsformulars kreuzte die Beschwerdeführerin den Bezug von Leistungen und Unterstützungen aus der Sozialhilfe oder der freien Wohlfahrtspflege oder aus sonstigen öffentlichen Mitteln wegen sozialer Hilfsbedürftigkeit an. Dem Antragsformular wurden folgende Unterlagen beigeschlossen:
? eine monatliche Mietzinsvorschreibung ab Mai 2019 für antragsgegenständliche Wohnanschrift
? einen Bescheid der zuständigen Bezirkshauptmannschaft über die Bewilligung der Mindestsicherung „November 2019 Wohnbedarf Aufstockung“ ab dem 1. November 2019 bis vorerst 30.Novemver 2019
? die erste Seite der Kopie eines Beschlusses eines Bezirksgerichtes betreffend die Unterhaltsverpflichtung der Beschwerdeführerin für zwei Kinder
? die Kopie eines Kontoauszuges
? Mitteilung über die Gewährung von Wohnbeihilfe für antragsgegenständliche Wohnanschrift ab November 2019, sowie
? eine Lohn/Gehaltsabrechnung der Beschwerdeführerin für September 2019.
2. Mit Schreiben vom 23. Januar 2020 wurde die Beschwerdeführerin seitens der belangten Behörde aufgefordert, folgende Unterlagen in Kopie binnen einer Frist von zwei Wochen bei sonstiger Zurückweisung des Antrages nachzureichen:
? Kopie des Nachweises über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage (soziale Transferleistung der öffentlichen Hand)
? Nachweise über das Einkommen Beschwerdeführerin.
Dezidiert wurde die aktuelle Anspruchsgrundlage der Beschwerdeführerin unter Nennung von konkreten Beispielen gefordert („Bitte den Bescheid über den Weiterbezug einer Mindestsicherung ab 01.01.2020 oder die aktuelle Rezeptgebührenbefreiung nachweisen.“).
3. In der Folge langte ein Bescheid der zuständigen Bezirkshauptmannschaft vom 13. Januar 2020 über die Bewilligung der Mindestsicherung ab dem 1. Januar 2020 bis vorerst 31. Januar 2020 und eine Lohn-/Gehaltsabrechnung der Beschwerdeführerin für Dezember 2019 bei der belangten Behörde ein.
4. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin zurück. Begründend führte sie aus, dass die Beschwerdeführerin schriftlich dazu aufgefordert worden sei, fehlende Angaben bzw. Unterlagen nachzureichen (arg: „Der Bescheid über den Weiterbezug einer Mindestsicherung ab 01.03.2020 oder die aktuelle Rezeptgebührenbefreiung fehlen.“). Die Beschwerdeführerin sei darauf hingewiesen worden, dass der Antrag zurückgewiesen werden müsse, falls die benötigten Unterlagen und Angaben nicht innerhalb von 14 Tagen nachgereicht würden.
5. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin unter Beischluss von Unterlagen fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerde.
6. Die Beschwerdevorlage der belangten Behörde vom 27. Mai 2020 und der Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht am 28. Mai 2020 ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus den Ausführungen unter I., welche hiermit festgestellt werden.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:
Gegen von der GIS Gebühren Info Service GmbH erlassene Bescheide ist nach § 6 Abs. 1 Rundfunkgebührengesetz – RGG, BGBl. I Nr. 159/1999 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2013, die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.
3.2. Anzuwendendes Recht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg cit). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 und des IV. Teiles, sowie im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG lauten wortwörtlich:
„(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“
§ 13 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl Nr. 51 in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 lautet:
„(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.“
Die §§ 2, 3, 4 und 6 Rundfunkgebührengesetz – RGG lauten:
„Gebührenpflicht, Meldepflicht
§ 2. (1) Wer eine Rundfunkempfangseinrichtung im Sinne des § 1 Abs. 1 in Gebäuden betreibt (Rundfunkteilnehmer), hat Gebühren nach § 3 zu entrichten. Dem Betrieb einer Rundfunkempfangseinrichtung ist deren Betriebsbereitschaft gleichzuhalten.
(2) Die Gebührenpflicht nach § 1 besteht nicht, wenn
1. dem Rundfunkteilnehmer eine Befreiung (§ 3 Abs. 5) erteilt wurde oder
2. für den Standort bereits die Gebühren nach § 3 entrichtet werden.
Standort ist die Wohnung oder eine sonstige Räumlichkeit bzw. ein geschlossener Verband von Räumlichkeiten mit einheitlichem Nutzungszweck, wo eine Rundfunkempfangseinrichtung betrieben wird.
(3) (…)
Rundfunkgebühren
§ 3. (1) Die Gebühren sind für jeden Standort (§ 2 Abs. 2) zu entrichten und betragen (…)
(2) (…)
(5) Von den Gebühren nach Abs. 1 sind auf Antrag jene Rundfunkteilnehmer zu befreien, bei denen die in §§ 47 bis 49 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl Nr 170/1970, genannten Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebühr vorliegen.
(6) (…)
Einbringung der Gebühren
§ 4. (1) Die Einbringung der Gebühren und sonstiger damit verbundener Abgaben und Entgelte einschließlich der Entscheidung über Befreiungsanträge (§ 3 Abs. 5) obliegt der “GIS Gebühren Info Service GmbH” (Gesellschaft).
(2) bis (5) (…)
Verfahren
§ 6. (1) Die Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben nach § 4 Abs. 1 obliegt der Gesellschaft; gegen von der Gesellschaft erlassene Bescheide ist Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Das AVG ist anzuwenden.
(2) Im Verfahren über Befreiungen sind die §§ 50, 51 und 53 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970, anzuwenden.
(3) bis (5) (…).“
Die Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. I Nr. 170/1970 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2016, lautet (auszugsweise):
„ABSCHNITT XI
Befreiungsbestimmungen
§ 47. (1) Über Antrag sind von der Entrichtung
- der Rundfunkgebühr für Radio-Empfangseinrichtungen (§ 3 Abs. 1 1. Untersatz RGG),
- der Rundfunkgebühr für Fernseh-Empfangseinrichtungen (§ 3 Abs. 1 2. Untersatz RGG) zu befreien:
1. Bezieher von Pflegegeld oder einer vergleichbaren Leistung;
2. Bezieher von Beihilfen nach dem Arbeitsmarktservicegesetz, BGBl. Nr. 313/1994;
3. Bezieher von Leistungen nach pensionsrechtlichen Bestimmungen oder diesen Zuwendungen vergleichbare sonstige wiederkehrende Leistungen versorgungsrechtlicher Art der öffentlichen Hand,
4. Bezieher von Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977,
5. Bezieher von Beihilfen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz,
6. Bezieher von Beihilfen nach dem Studienförderungsgesetz 1992,
7. Bezieher von Leistungen und Unterstützungen aus der Sozialhilfe oder der freien Wohlfahrtspflege oder aus sonstigen öffentlichen Mitteln wegen sozialer Hilfsbedürftigkeit.
(2) Über Antrag sind ferner zu befreien:
1. Von der Rundfunkgebühr für Radio- und Fernseh-Empfangseinrichtungen
a) Blindenheime, Blindenvereine,
b) Pflegeheime für hilflose Personen, wenn der Rundfunk- oder Fernsehempfang diesen Personen zugute kommt.
2. Von der Rundfunkgebühr für Fernseh-Empfangseinrichtungen
a) Gehörlose und schwer hörbehinderte Personen;
b) Heime für solche Personen, wenn der Fernsehempfang diesen Personen zugute kommt.
3.(Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 71/2003)
§ 48. (1) Die Zuerkennung einer Gebührenbefreiung an Personen nach § 47 ist jedoch dann unzulässig, wenn das Haushalts-Nettoeinkommen den für die Gewährung einer Ausgleichszulage für einen Ein- oder Mehrpersonenhaushalt festgesetzten Richtsatz um mehr als 12% übersteigt.
(2) Die Bestimmungen des Abs. 1 finden auf die nach § 47 Abs. 2 Z 1 und Z 2 lit. b anspruchsberechtigte Personengruppe keine Anwendung.
(3) Nettoeinkommen im Sinne des Abs. 1 ist die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge.
(4) Bei Ermittlung des Nettoeinkommens sind Leistungen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, Kriegsopferrenten, Heeresversorgungsrenten, Opferfürsorgerenten, Verbrechensopferrenten sowie Unfallrenten und das Pflegegeld nicht anzurechnen. Nicht anzurechnen sind außerdem die Einkünfte der am Standort einer zu pflegenden Person lebenden Pflegeperson, die aus den Einkünften anderer im Haushalt lebender Personen bestritten werden.
(5) Übersteigt das Nettoeinkommen die für eine Gebührenbefreiung maßgebliche Betragsgrenze nach Abs. 1, kann der Befreiungswerber als abzugsfähige Ausgaben geltend machen:
1. den Hauptmietzins einschließlich der Betriebskosten im Sinne des Mietrechtsgesetzes, des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes und anderer vergleichbarer mieterschützender Gesetze, wobei eine gewährte Mietzinsbeihilfe anzurechnen ist; besteht kein Rechtsverhältnis nach dem Mietrechtsgesetz, dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz oder anderen vergleichbaren mieterschützenden Gesetzen, so ist ein monatlicher Pauschalbetrag in der Höhe von 140,00 Euro als Wohnaufwand anzurechnen,
2. anerkannte außergewöhnliche Belastungen im Sinne der §§ 34 und 35 des Einkommensteuergesetzes 1988, Ausgaben im Zusammenhang mit einer 24-Stunden-Betreuung können auch geltend gemacht werden, wenn der Bezug eines Zuschusses des Sozialministeriumservice zur Unterstützung der 24-Stunden Betreuung nachgewiesen wird.
§ 49. Eine Gebührenbefreiung setzt ferner voraus:
1. Der Antragsteller muss an dem Standort, für welchen er die Befreiung von der Rundfunkgebühr beantragt, seinen Hauptwohnsitz haben,
2. der Antragsteller muss volljährig sein,
3. der Antragsteller darf nicht von anderen Personen zur Erlangung der Gebührenbefreiung vorgeschoben sein,
4. eine Befreiung darf nur für die Wohnung des Antragstellers ausgesprochen werden. In Heimen oder Vereinen gemäß § 47 Abs. 2 eingerichtete Gemeinschaftsräume gelten für Zwecke der Befreiung als Wohnung.
§ 50. (1) Das Vorliegen des Befreiungsgrundes ist vom Antragsteller nachzuweisen, und zwar:
1. in den Fällen des § 47 Abs. 1 durch den Bezug einer der dort genannten Leistungen,
2. im Falle der Gehörlosigkeit oder schweren Hörbehinderung durch eine ärztliche Bescheinigung oder durch einen vergleichbaren Nachweis über den Verlust des Gehörvermögens.
(2) Der Antragsteller hat anlässlich seines Antrages Angaben zum Namen, Vornamen und Geburtsdatum aller in seinem Haushalt lebenden Personen zu machen. Die GIS Gebühren Info Service GmbH ist, sofern der Antragsteller und alle in seinem Haushalt lebenden Personen dem schriftlich zugestimmt haben, berechtigt, diese Angaben im Wege des ZMR auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen, wobei die Anschrift als Auswahlkriterium vorgesehen werden kann.
(3) Die Finanzbehörden haben der GIS Gebühren Info Service GmbH bei Vorliegen der Zustimmung der Betroffenen über Anfrage die Einkommensverhältnisse des Antragstellers und aller mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen mitzuteilen; der Nachweis hat die Summe sämtlicher Einkünfte im Sinne von § 48 Abs. 3 zu umfassen. Unbeschadet des Vorliegens einer Zustimmung der Betroffenen dürfen Auskünfte über die Einkommensverhältnisse nur insoweit eingeholt und gegeben werden, als im Einzelfall berechtigte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit von Angaben des Antragstellers entstanden sind, die durch Befragung der Betroffenen voraussichtlich nicht ausgeräumt werden können.
(4) Die GIS Gebühren Info Service GmbH ist berechtigt, den Antragsteller zur Vorlage sämtlicher für die Berechnung des Haushalts-Nettoeinkommens erforderlichen Urkunden aufzufordern.
(5) Die GIS Gebühren Info Service GmbH kann die in Betracht kommenden Träger der Sozialversicherung um Auskunft über das Bestehen der für die Befreiung maßgeblichen Voraussetzungen ersuchen, wenn berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Antragstellers bestehen; diese sind ihrerseits zur kostenfreien Auskunft verpflichtet.
(6) (…)
§ 51. (1) Befreiungsanträge sind unter Verwendung des hiefür aufgelegten Formulars bei der GIS Gebühren Info Service GmbH einzubringen. Dem Antrag sind die gemäß § 50 erforderlichen Nachweise anzuschließen. (…)“
3.3. Zu Spruchteil A) Aufhebung des Bescheides:
3.3.1. Die belangte Behörde hat somit im zugrundeliegenden Antragsverfahren gemäß § 6 Abs. 1 RGG das AVG anzuwenden
Mit Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, weiterer Nachweise binnen einer Frist von zwei Wochen bei sonstiger Zurückweisung beizubringen.
Nach bisher ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs darf eine Berufungsbehörde auf Grund einer gegen eine Zurückweisung erhobenen Berufung nur über die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides (VwGH 3. 3. 2011, 2009/22/0080), nicht hingegen über den Antrag selbst entscheiden (VwGH 16. 12. 1996, 93/10/0165; 27. 1. 2010, 2008/03/0129; 29. 4. 2010, 2008/21/0302). Eben dieses sprach der Verwaltungsgerichtshof auch in seinem das RGG und die Fernmeldegebührenordnung betreffenden Erkenntnis vom 29. Mai 2006, 2005/17/0242, aus.
Die Behebung des zu der Zurückweisung des Anbringens führenden Mangels kann im Berufungsverfahren nicht mehr nachgeholt werden. Was ein Mangel ist, muss hierbei den in Betracht kommenden Verwaltungsvorschriften entnommen werden. (VwGH 21. 3. 2013, 2012/09/0120 mit Hinweis auf Erk 27. 6. 2002, 98/07/0147, oder 16. 9. 2009, 2008/05/0206.)
In seinem Erkenntnis vom 12. September 2007, 2005/03/0205, sprach der Verwaltungsgerichtshof zu den vergleichbaren Bestimmungen des Fernsprechentgeltzuschussgesetzes aus, dass die Bestätigung der Zurückweisung eines Befreiungsantrages dann nicht rechtswidrig ist, wenn die Beschwerdeführerin einen notwendigen Verbesserungsauftrag missachtet hat, was zunächst voraussetzt, dass dem Antrag der von der Behörde geltend gemachte Mangel angehaftet hat.
Die von der Behörde gesetzte Frist muss zur Vorlage bereits vorhandener Unterlagen angemessen sein, nicht aber zur Beschaffung dieser (noch fehlenden) Unterlagen. Dieser Grundsatz gilt allerdings nur in jenen Fällen, in denen der Gesetzgeber zweifelsfrei und für den Antragsteller eindeutig erkennbar festlegt, welche Unterlagen erforderlich sind (VwGH 25. 4. 1996, 95/07/0228; 12. 11. 1996, 96/04/0198; 17. 1. 1997, 96/07/0184; 27. 3. 2008, 2005/07/0070).
Zum nunmehrigen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erkannte der Verwaltungsgerichtshof, dass „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs – jedenfalls nur jene Angelegenheit ist, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (VwGH 17. 12. 2014, Ra 2014/03/0049). Wenngleich § 66 Abs. 4 AVG einerseits und § 28 Abs. 2 und Abs. 3 VwGVG andererseits unter jeweils verschiedenen Tatbestandsvoraussetzungen eine Pflicht zur Entscheidung „in der Sache selbst“ normiert, ist das Verständnis dessen, was unter „Sache des Verfahrens“ zu verstehen ist, unverändert geblieben. Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, dann ist „Sache“ sowohl eines Berufungsverfahrens vor einer im administrativen Instanzenzug übergeordneten Berufungsbehörde als auch eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die „Rechtmäßigkeit der Zurückweisung“ (VwGH 18. 12. 2014, Ra 2014/07/0002).
Es ist somit die Zulässigkeit des Zurückweisungsbescheides zu überprüfen, nicht jedoch das Begehren des zugrunde liegenden Antrages, über den nicht befunden wurde. (Hengstschläger/Leeb AVG I [2. Ausgabe 2014] § 13 Rz 30).
Sache im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist somit alleine die Frage, ob die Zurückweisung des Antrages durch die belangte Behörde wegen Nichterbringung der mit Verbesserungsauftrag aufgetragenen Nachweise zu Recht erfolgt ist:
3.3.2. Im vorliegenden Fall ist strittig, ob die Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde einen Nachweis über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage erbrachte oder ob der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde zu Recht "die sachliche Behandlung des Antrags [...] mangels Erfüllung des Mängelbehebungsauftrags der GIS zu Recht verweigert wurde" (siehe neuerlich VwGH 22. 8. 2018, Ra 2018/15/0004) und angesichts dessen den Antrag der Beschwerdeführerin zu Recht zurückwies.
Konkret ist folglich zu prüfen, ob, erstens der verfahrensgegenständliche Antrag in Hinblick auf die Geltendmachung eines Befreiungsgrundes mangelhaft und insoweit der erteilte Verbesserungsauftrag erforderlich war; zweitens, ob der Verbesserungsauftrag den Anforderungen des § 13 Abs. 3 AVG im Sinne der zitierten Judikatur entsprach; sowie drittens, ob der Verbesserungsauftrag von der Beschwerdeführerin nicht befolgt wurde. Erst wenn alle diese drei Prüfungsschritte zu bejahen sind, erweist sich die Zurückweisung als rechtsrichtig.
Schon vor dem Hintergrund, dass dem bei der belangten Behörde am 7. Januar eingelangten Antrag der Beschwerdeführerin lediglich die unter I.1. angeführten Unterlagen angeschlossen waren, welchen insbesondere der Nachweis eines aktuellen Bezuges einer Leistung gemäß § 47 Abs. 1 FGO nicht entnommen werden kann (Gewährung Mindestsicherung November 2019), steht für das Bundesverwaltungsgericht fest, dass sich der Verbesserungsauftrag der belangten Behörde als erforderlich erwies.
Mit dem von der belangten Behörde erteilten Verbesserungsauftrag vom 23. Januar 2020 wurde die Beschwerdeführerin zur Nachreichung folgender Unterlagen aufgefordert: "Kopie des Nachweises über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage (soziale Transferleistung der öffentlichen Hand)" sowie "Nachweis über alle Bezüge des/der Antragsteller/in bzw. gegebenenfalls aller Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben". Speziell wurde dazu am Ende des Auftrages angeführt: "(„Bitte den Bescheid über den Weiterbezug einer Mindestsicherung ab 01.01.2020 oder die aktuelle Rezeptgebührenbefreiung nachweisen.“).
Hierauf übermittelte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde den Bescheid über die Gewährung der Mindestsicherung ab 1. Januar 2020 bis vorerst 31. Januar 2020 und ihre Lohn-/Gehaltsabrechnung für Dezember 2019.
Ungeachtet dessen wies die belangte Behörde den verfahrensgegenständlichen Antrag der Beschwerdeführerin mit der Begründung zurück, „Der Bescheid über den Weiterbezug einer Mindestsicherung ab 01.03.2020 oder die aktuelle Rezeptgebührenbefreiung fehlen.“.
Vor dem Hintergrund, dass die belangte Behörde die Beschwerdeführerin mit dem Verbesserungsauftrag nur zur Vorlage des Nachweises über den Bezug der Mindestsicherung ab 1. Januar 2020 aufforderte und die belangte Behörde den verfahrenseinleitenden Antrag mit der Begründung zurückwies, dass kein aktueller Bescheid über die Gewährung von Mindestsicherung ab 1. März 2020 vorgelegt worden sei, wurde der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde zu Unrecht mit Erlassung des vorliegenden Zurückweisungsbescheides die Sachentscheidung verwehrt.
Sollte die Aufforderung der belangten Behörde, "Bitte den Bescheid über den Weiterbezug einer Mindestsicherung ab 01.01.2020 oder die aktuelle Rezeptgebührenbefreiung nachweisen.", auf die Vorlage eines Nachweises eines über den Zeitpunkt der Antragstellung weiter hinausgehenden Bezuges einer Transferleistung öffentlicher Hand gerichtet gewesen sein, hätte diese den Verbesserungsauftrag entsprechend konkretisieren und genau formulieren müssen. Insofern ist davon auszugehen, dass der verfahrensgegenständlich erteilte Verbesserungsauftrag der belangten Behörde den Anforderungen der zitierten Judikatur hinsichtlich der Konkretisierung und Verständlichkeit eines solchen Auftrages nicht genügt.
Zu einer sofortigen Zurückweisung des Antrags war die belangte Behörde im Lichte des § 13 Abs. 3 AVG somit nicht berechtigt. Die Zurückweisung des vorliegenden Antrags erfolgte insoweit nicht zu Recht.
Da die Zurückweisung des vorliegenden Antrags nicht zu Recht erfolgte, war der angefochtene Bescheid folglich spruchgemäß aufzuheben.
Als Folge der Aufhebung des verfahrensgegenständlichen Bescheides tritt das Verfahren einerseits in den Zustand vor Bescheiderlassung zurück, andererseits ist der verfahrenseinleitende Antrag der Beschwerdeführerin (wieder) unerledigt.
Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Die belangte Behörde wird sohin im weiteren Verfahren zu prüfen haben, ob in Hinblick auf die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Befreiung von der Entrichtung der Rundfunkgebühr vorliegen und wird in weiterer Folge über den Antrag neuerlich zu entscheiden haben.
3.4. Absehen vom Durchführen einer mündlichen Verhandlung:
Bei diesem Ergebnis konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
4. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren war die Rechtsfrage zu klären, ob die Zurückweisung des Antrages durch die belangte Behörde wegen Nichterbringung der mit Verbesserungsauftrag aufgetragenen Nachweise zu Recht erfolgte.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. In diesem Zusammenhang ist neuerlich auf die jüngsten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen (VwGH 17. 12. 2014, Ra 2014/03/0049, VwGH 18. 12. 2014, Ra 2014/07/0002). Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
Es war daher auch in diesem Punkt spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
angemessene Frist Behebung der Entscheidung Berechnung Einkommensnachweis ersatzlose Behebung Kassation konkrete Darlegung Konkretisierung Mängelbehebung mangelhafter Antrag Mangelhaftigkeit Nachreichung von Unterlagen Nachweismangel Nettoeinkommen Ökostrompauschale Rundfunkgebührenbefreiung Unzuständigkeit BVwG Verbesserungsauftrag Vorlagepflicht Zurückweisung ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W147.2231358.1.00Im RIS seit
28.09.2020Zuletzt aktualisiert am
28.09.2020