TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/22 I403 2123191-2

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Veröffentlicht am 22.06.2020
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Entscheidungsdatum

22.06.2020

Norm

AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I403 2123191-2/2Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX (alias XXXX bzw. XXXX ), StA. Serbien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.04.2020, Zl. XXXX ,

zu Recht:

A)

Der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.01.2020, Zl. XXXX kommt gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG aufschiebende Wirkung zu.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 14. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 15. Jänner 2016 gab der Beschwerdeführer unter der Rubrik „Fluchtgrund“ Folgendes an: „Ich will meine Eltern finanziell unterstützen, weil ich einen behinderten Bruder habe. Ich bin ein Boxer und war 2012 Boxmeister in Marokko. Das sind alle meine Fluchtgründe.“ Weiters erklärte er, sich bei einer Rückkehr in seine Heimat nicht zu fürchten.

Am 29. Jänner 2016 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen, wobei er im Wesentlichen erklärte, dass er nach Europa gekommen sei, um hier als Boxer seine Sportkarriere weiterzuführen. Im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland würden ihn seine Freunde zu einem „Looser“ erklären. Die Nachbarn seien auch sehr schlecht. Die Gesellschaft sei schlecht zu mir gewesen. Sie hätten ihn nicht akzeptieren wollen. Sie würden ihn auslachen. Sie hätten ihn nicht akzeptiert, so wie er sei, obwohl er Sportler gewesen sei und große Leistungen erbracht habe.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2016 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt und wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist. Gegen die Spruchpunkte I bis III dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 7. März 2016 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Der Beschwerdeführer erklärt darin, dass er bei der Schilderung seiner Probleme angewiesen worden sei, keine weiteren Ausführungen dazu zu machen. Er sei nach seinen sportlichen Erfolgen von einer kriminellen Organisation aufgesucht worden und man habe versucht, ihn dazu zu nötigen, sich ihnen anzuschließen. Dabei handle es sich um die landesweit tätige kriminelle Gruppierung rund um XXXX . Vom Beschwerdeführer habe man nun verlangt, dass er seine Fähigkeiten im Boxen dazu nutze, Geld bei Schuldnern einzutreiben und ähnliche Machenschaften des kriminellen Milieus. Als er dies verweigert habe, sei er kurze Zeit später von etwa einem halben Dutzend Personen der gleichen Gruppe abgepasst und körperlich angegriffen worden. Von diesem Angriff habe der Beschwerdeführer eine bleibende Wunde am Kopf davon getragen. Der Angriff sei lediglich als Vorwarnung zu verstehen gewesen, was mit ihm sein werde, wenn er sich nicht ihnen anschließe. Wohl im Wissen, dass die staatlichen Institutionen machtlos sein würden, ihn vor etwas zu beschützen, was der Staat vergeblich zu unterbinden versuche, habe er die Flucht ergriffen.

Mit Erkenntnis des BVwG I409 2123191-1 vom 23.02.2016 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 1. Februar 2016 als unbegründet abgewiesen.

Im Juni 2016 wurde zum Zweck der Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) die Botschaft von Marokko kontaktiert. Nach zwei Urgenzen wurde im Dezember 2017 der Ausstellung eines HRZ zugestimmt.

Der Beschwerdeführer wurde im Oktober 2017 wegen Raubes zu einer 14monatigen Haftstrafe verurteilt. Nach Ende der Strafhaft wurde die Abschiebung nicht durchgeführt, da seine Lebensgefährtin bei der marokkanischen Botschaft erwirkte, dass wegen bevorstehender Heirat kein HRZ ausgestellt wurde. Im Jänner 2018 wurde er wegen der Vergehen der Körperverletzung, der Freiheitsentziehung und des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung zu einer weiteren Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.

Nachdem der Beschwerdeführer am 23.11.2018 bedingt aus der Haft entlassen wurde und nach Eheschließung im Dezember 2018 brachte er am 14.11.2019 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 2 AsylG und zugleich auf Heilung des Mangels der Vorlage eines Reisepasses ein. Im Dezember 2019 wurde gegen den Beschwerdeführer ein einjähriges Betretungsverbot ausgesprochen und war er im Anschluss nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet. Am 27.01.2020 erging ein Verbesserungsauftrag an den Beschwerdeführer, der durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt wurde.

Mit im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.04.2020 wurde der Antrag auf Mängelheilung gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 iVm § 8 AsylG-DV 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.); entsprechend wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 2 AsylG gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt IV.). Mit Spruchpunkt V. wurde gegen ihn ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz erlassen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Am 26.05.2020 wurde ihm der Bescheid persönlich übergeben und der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen.

Die gegen die Schubhaft erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.06.2020, GZ. W279 2231774-1/7E als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft für rechtmäßig erklärt.

Am 10.06.2020 wurde gegen den im Spruch genannten Bescheid Beschwerde erhoben; Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 19.06.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Marokko und hält sich seit vier Jahren im Bundesgebiet auf. Nach Abweisung seines Asylantrages im März 2016 verblieb er unrechtmäßig im Bundesgebiet. Er wurde in diesem Zeitraum zweimal strafrechtlich verurteilt, insgesamt zu 21 Monaten Freiheitsstrafe (teilbedingt).

Der Beschwerdeführer ist seit Dezember 2018 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, mit der er zwei Töchter hat. Aktuell besteht aufgrund eines im Dezember 2019 verhängten Betretungsverbotes nur telefonischer Kontakt.

Der Beschwerdeführer wurde ebenso wie seine Ehefrau (u.a. aufgrund der Covid-19-Pandemie) nicht persönlich von der belangten Behörde einvernommen. Aus der Stellungnahme seiner Ehefrau ergibt sich, dass diese die Beziehung aufrechterhalten möchte.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Einer Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Hinsichtlich der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde normiert § 18 Abs. 5 BFA – VG: Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die zur Verfügung stehende Aktenlage ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht ausreichend, um dies zu beurteilen. So erscheint eine Befragung des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau, insbesondere auch in Bezug auf das Kindeswohl der beiden gemeinsamen Töchter, notwendig. Das Kindeswohl fand im angefochtenen Bescheid keine ausreichende Berücksichtigung. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang auf die besondere Bedeutung der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen hinzuweisen (siehe dazu etwa VwGH, 20.10.2016, Ra 2016/21/0289, Rz 12, mwN). Es ist daher die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung notwendig.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Menschenrechtsverletzungen real risk reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2123191.2.00

Im RIS seit

28.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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