TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/24 W200 2226850-2

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Veröffentlicht am 24.06.2020
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Entscheidungsdatum

24.06.2020

Norm

AVG §69
B-VG Art133 Abs4
VOG §1

Spruch

W200 2226850-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Svoboda als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (SMS) vom 20.04.2020, Zl. 114-614568-005,

mit dem der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens 114-614568-005 zurückgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 13.06.2016 bewilligte das Sozialministeriumservice den Antrag des Beschwerdeführers vom 26.11.2013 auf Ersatz des Verdienstganges nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG). Laut Bescheid konnte mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer Opfer eines Verbrechens wurden. Er leide an einer anhaltenden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung und einer degenerativen Veränderung der Wirbelsäule. Ein Kausalzusammenhang mit dem Verbrechen konnte jedoch lediglich hinsichtlich des psychischen Leidens ausgemacht werden. Ohne Gewalterlebnisse in seiner Kindheit und Jugend hätte er einen anderen, günstigeren Beschäftigungsverlauf gehabt, aber auch seine akausale Gesundheitsschädigung habe eine zusätzliche Einschränkung seiner Arbeitsfähigkeit bewirkt.

Spätestens seit dem Jahr 2008 sei er aufgrund der akausalen physischen Gesundheitsschädigung nur mehr „im Teilzeitausmaß arbeits- und halbtags kursfähig" gewesen, und konnte im fiktiven schadensfreien Verlauf nur mehr eine Beschäftigung im Halbtagsausmaß von 20 Stunden in der Woche angenommen werden.

Der Bescheid wurde am 15.06.2016 zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit Schreiben vom 18.12.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, mit dem er die Neuberechnung der Ersatzleistung infolge Verdienstentganges begehrte - unter Anschluss eines Gutachtens vom 04.11.2019, eines Dienstzettels vom 01.11.1984, sowie von Befunden und Gutachten aus den Jahren 1973 bzw. 1978. Der Beschwerdeführer hatte die Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. die Neufestsetzung des Grades der Behinderung begehrt und im Zuge dieses Verfahrens sei ein Sachverständigengutachten eingeholt worden. Laut dem Gutachten beruhe der Grad der Behinderung in der Höhe von 50% rein auf psychischen Faktoren (anhaltende Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung) und es seien keine körperlichen, akausalen Gesundheitsschädigungen festgestellt worden.

Das dem Antrag angeschlossene Gutachten vom 04.11.2019 wurde dem Beschwerdeführer im Verfahren nach dem BBG im Parteiengehör mit Schreiben vom 05.11.2019 übermittelt und laut Auskunft der zuständigen Sachbearbeiterin am 07.11.2019 abgefertigt (Zustellung ohne Zustellnachweis).

Mit Bescheid vom 20.04.2020, Zl. 114-614568-005 wurde der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 2 AVG wegen Fristversäumnis zurückgewiesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde inhaltlich auf psychiatrische Krankheitsbilder eingegangen und es wurde geltend gemacht, dass die zweiwöchige Frist sehr wohl eingehalten worden sei. Der Fristenlauf hätte nämlich erst ab dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Verfahren nach dem BBG begonnen, da sonst noch keine Rechtssicherheit bestanden hätte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid vom 13.06.2016 bewilligte das Sozialministeriumservice den Antrag des Beschwerdeführers vom 26.11.2013 auf Ersatz des Verdienstganges nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG). Die Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen.

Der Beschwerdeführer stellte am 18.12.2019 einen Antrag auf Wiederaufnahme dieses Verfahrens.

Das dem Antrag als Wiederaufnahmegrund angeschlossene Gutachten wurde dem Beschwerdeführer am 12.11.2019 zugestellt.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 69 Abs. 1 AVG: Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
1.         der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2.         neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3.         der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;
4.         nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

Gemäß Abs. 2. leg. cit ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

Das dem Antrag angeschlossene Gutachten vom 04.11.2019 wurde dem Beschwerdeführer im Verfahren nach dem BBG im Parteiengehör mit Schreiben vom 05.11.2019 übermittelt und laut Auskunft der zuständigen Sachbearbeiterin am 07.11.2019 abgefertigt (Zustellung ohne Zustellnachweis).

Gemäß § 26 Abs. 2 Zustellgesetz gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Das Gutachten gilt somit am Dienstag, 12.11.2019 als zugestellt und hatte der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem neuen Beweismittel erlangt.

Die zweiwöchige Frist gemäß § 68 Abs. 2 AVG begann somit am 12.11.2019 zu laufen und endete somit am 26.11.2019.

Wenn der Beschwerdeführer nunmehr meint, dass der Fristenlauf erst mit Erlassung des Bescheides nach dem BBG begonnen hätte, so ist diesem Argument die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Ra 2019/10/0154 vom 22.10.2019 entgegenzuhalten:

„Die in § 69 Abs 2 AVG vorgesehene subjektive Frist beginnt bereits mit der Kenntnis des Antragstellers von dem Sachverhalt, der den Wiederaufnahmegrund bilden soll; entscheidend ist die Kenntnis von einem Sachverhalt, nicht aber die rechtliche Wertung dieses Sachverhalts. Für den Fristenlauf ist daher nicht maßgebend, ob dem Antragsteller die mögliche Qualifizierung eines Sachverhalts als Wiederaufnahmegrund bewusst ist.“

Unter Zugrundelegung dieser jüngsten VwGH-Entscheidung war spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG)

Im konkreten Fall wurde der verfahrenseinleitende Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 2 AVG zu recht zurückgewiesen, weshalb eine Verhandlung unterbleiben konnte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fristversäumung Wiederaufnahmeantrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W200.2226850.2.00

Im RIS seit

29.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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