TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/24 W182 1265117-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.06.2020
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Entscheidungsdatum

24.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3

Spruch

W182 1265117-4/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Spruchpunkte I. – V. und VII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.04.2019, Zl. 751319909/161602305, gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBI. I. Nr 33/2013 idgF, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 7 Abs. 1 und Abs. 4, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl I. Nr. 87/2012 idgF, §§ 46, 52 Abs. 2 und Abs. 9, 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf fünf Jahre herabgesetzt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an, ist Muslim, stammte aus der Stadt XXXX , reiste im August 2005 im Alter von XXXX Jahren mit seinen Eltern und drei Geschwistern illegal in das Bundesgebiet ein und wurde für ihn am 23.08.2005 ein Asylantrag gestellt.

Für den BF wurden keine eigenen Fluchtgründe dargetan, sondern die Antragstellung ausschließlich mit den Fluchtgründen des Vaters begründet.

Dem Vater des BF wurde mit mündlich verkündeten Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 24.10.2007, schriftlich ausgefertigt am 05.11.2007, Zl. 265.111/2/8E-VIII/22/06, gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG), BGBl I 1997/76 idF BGBl I 101/2003, Asyl gewährt und gemäß § 12 leg.cit. festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Der Entscheidung lag im Wesentlichen die Feststellung zugrunde, dass der Vater des BF wegen seiner Teilnahme als Kämpfer am ersten Tschetschenienkrieg und wegen seiner Unterstützungstätigkeit für die Rebellen im zweiten Tschetschenienkrieg ins Blickfeld russischer Sicherheitsorgane gelangt und mehrmals angehalten, jedoch immer wieder durch Intervention von Bekannten, allenfalls auch durch Lösegeldzahlungen, freigelassen worden sei. Weiters sei der BF nach Ende des ersten Tschetschenienkrieges bis etwa zum Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges in Grosny für ein internationales Komitee für Menschenrechte tätig gewesen.

In weiterer Folge wurde dem BF aufgrund seiner Eigenschaft als Familienangehöriger seines asylberechtigten Vaters mit mündlich verkündeten Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 24.10.2007, schriftlich ausgefertigt am 05.11.2007, Zl. 265.117/1/5E-VIII/22/06, gemäß §§ 7, 10 AsylG Asyl gewährt und gemäß § 12 leg.cit. festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

1.2. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2014, Zl. XXXX , u.a. wegen des Vergehens des schweren Diebstahles, Einbruchsdiebstahles und gewerbsmäßigen Diebstahles nach § 127 StGB, §128 Abs. 1 Z 2 StGB, §129 Z 1 und 2 StGB, §130 erster Fall und § 130 vierter Fall StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, wobei die Vollstreckung bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren nachgesehen wurde.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2016, Zl. XXXX , wurde der BF rechtskräftig wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, 16 Monate davon bedingt, verurteilt.

Mit Beschluss des Landesgerichtes vom selben Tag wurde die Probezeit hinsichtlich seiner Verurteilung vom August 2014 auf fünf Jahre verlängert.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF im Oktober 2015 mit einem anderem zusammen als Mittäter zwei Personen XXXX bedroht hat, wobei der eine die Waffe auf sie gerichtet und der BF sie nach Geld und Wertsachen durchsucht und ihnen € XXXX sowie XXXX abgenommen hat. Als mildernd wurde das reumütige Geständnis, der geringe Wert der Beute, als erschwerend die einschlägige Vorstrafe und die Tatbegehung in offener Probezeit bewertet.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2016, Zl. XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB, des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB und des Vergehens der Erschleichung einer Leistung nach § 149 Abs. 1 StGB zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt. Mit Beschluss des Landesgerichtes vom selben Tag wurde die Probezeit hinsichtlich seiner Verurteilung vom Jänner 2016 auf fünf Jahre verlängert.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF im Mai 2016 einer Person mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzte und diese zu Boden stieß, wodurch diese XXXX erlitten hat. Im Anschluss an die Tathandlung hat der BF versucht, einen Polizeibeamten durch gefährliche Drohung zumindest mit einer Verletzung am Körper an der Durchsuchung seiner Person zu hindern, indem er versucht hat, die ihm abgenommene Jacke zu entreißen, die Hand zur Faust geballt und drohend gegen den Polizeibeamten erhoben hat, wobei es nur deshalb beim Versuch geblieben ist, weil der BF die Jacke wieder losgelassen und die Flucht ergriffen hat. Weiters hat der BF im Mai 2016 einen manipulierten, auf eine andere Person aber mit seinem Foto versehenen Lehrlingsausweis durch Vorweisen gegenüber Zugbegleitern der ÖBB in mehreren Angriffen zum Beweis seiner Identität und seiner Berechtigung auf Benützung eines Top-Jugendtickets gebraucht. Er hat sich dadurch in mehreren Angriffen die Beförderung durch eine dem öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt erschlichen, ohne das festgesetzte Entgelt zu entrichten.

Als mildernd wurde das überwiegende Geständnis, sowie der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, als erschwerend die zwei einschlägigen Vorstrafen, die Tatbegehung in offener Probezeit, der rasche Rückfall sowie das Zusammentreffen mehrerer Vergehen gewertet.

2.1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 22.03.2019 wurde dem BF mitgeteilt, dass aufgrund seiner rechtskräftigen Verurteilungen ein Aberkennungsverfahren gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 eingeleitet werde.

In einer Einvernahme beim Bundesamt am 08.04.2019 erklärte der BF, dazu befragt, welche Befürchtungen er aktuell bei einer Rückkehr ins Herkunftsland hege: „Angst habe ich nicht, aber ich könnte dort nicht leben. Ich kann kein Russisch und das muss man dort können. Ich bin dort nicht aufgewachsen, bin dort nur geboren. Die Frage, ob er noch etwas hinzufügen wolle, verneinte der BF. Er sei in XXXX geboren. In seiner Heimatstadt würden drei Onkel und drei Tanten leben. Er habe Kontakt zu diesen, aber nicht so häufig. Zuletzt habe er vor ungefähr einem Jahr mit ihnen gesprochen. Seine Muttersprache sei Tschetschenisch, außerdem spreche er Deutsch. Nachgefragt, gab er an, dass Tschetschenisch nicht ausreichen würde, da XXXX , wo man Russisch spreche. Auf die Frage, ob er nicht in Tschetschenien leben könne, gab er an: „Ich weiß es nicht. Wenn ich dort Arbeit finden könnte und eine Wohnung, dann könnte ich dort arbeiten. Einfach so geht das nicht, ich wäre dort verloren.“ In einen anderen Teil seines Heimatlandes könne er nicht zurückkehren, weil er bei seiner Familie bleiben wolle. Der BF sei gesund und arbeitsfähig. Heute hätte er seinen ersten Arbeitstag bei einer überbetrieblichen Maurerlehre. Er habe in Österreich neun Jahre die Schule besucht. Danach habe er immer wieder gearbeitet bzw. war zwischendurch auch arbeitslos. Zurzeit sei er obdachlos. Seine Familie sei nach XXXX umgezogen und hätte erst jetzt eine richtige Wohnung gefunden, in die er auch einziehen, werde. Sonst habe er keine Bindungen. Er lebe vom AMS bzw. seiner Familie, die ihn unterstütze. Der BF sei einmal wegen schweren Raubes und einmal wegen Körperverletzung verurteilt worden.

Dem BF wurden in der Einvernahme das Informationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes zur Russischen Föderation vom 31.08.2018 (letzte Kurzinformation vom 28.02.2019) zu Kenntnis gebracht.

2.2. Mit dem im Spruch genannten, angefochtenen Bescheid vom 08.04.2019 erkannte das Bundesamt dem BF den mit Bescheid vom 16.02.2007, Zl. 04 17.688-BAS, zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Weiters erkannte das Bundesamt dem BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 3 Z 5 FPG idgF wurde gegen den BF ein auf acht Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF wegen seiner wiederholten Verurteilungen u.a. wegen schweren Raubes und Körperverletzung eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Er habe im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland keine Gefährdungs- bzw. Bedrohungslage eben dort zu befürchten. Eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung in der Russischen Föderation habe er nicht glaubhaft machen können. Er könne seinen Lebensunterhalt in der Russischen Föderation bestreiten und würde ebendort Arbeitsmöglichkeiten vorfinden. Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung habe in einer Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK insbesondere angesichts der zahlreichen Verurteilungen des BF das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Straftaten die privaten bzw. familiären Interessen des BF überwogen. Zudem sei die Erlassung eines Einreiseverbotes die einzige adäquate Maßnahme gewesen, um auf die vom BF ausgehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu reagieren.

Mit Verfahrensanordnung vom 04.02.2019 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

2.3. Gegen die Spruchpunkte I.-V. und VII. des Bescheides wurde binnen offener Frist Beschwerde erhoben. Darin wurde geltend gemacht, dass der BF nicht nach seinen Fluchtgründen, sondern lediglich befragt worden sei, welche Befürchtungen er aktuell für den Fall seiner Rückkehr in sein Heimatland hätte. Es handle sich hierbei um einen Verfahrensfehler. Der BF wolle dazu angeben, dass sehr wohl eine Gefahr bestehe und die Flucht vor Verfolgung weiterhin bestehe. Hinsichtlich der gerichtlichen Verurteilungen wurde ausgeführt, dass der BF jung sei und an falsche Freunde geraten sei. Der BF sei bei allen Delikten minderjährig gewesen und sei seit seiner Entlassung im Juli 2017 straffrei. Es sei ihm wichtig, für seine Zukunft gesetzestreu zu handeln. Im Hinblick auf die kurzen Haftstrafen bzw. Jugendstraftaten erscheine eine Sanktion der amtswegigen Aberkennung des Asylberechtigten als unverhältnismäßige Härte. Der BF stelle keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Hinsichtlich einer Rückkehr nach Tschetschenien wurde auf eine Anfragebeantwortung von Accord vom 31.05.2016, [a-9589-4 (9592)] (https://www.ecoi.net/local_link/324970/464683-de.html), verwiesen. Aus der Anfragebeantwortung wurde ein Bericht der österreichischen Botschaft in Moskau vom Oktober 2014 zitiert, wonach Rückkehrer nach Tschetschenien mit verschiedenen Problemen konfrontiert sein könnten. Dazu wurden im Wesentlichen Probleme aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und in Hinblick auf erschwinglichen Wohnraum angeführt sowie angemerkt, dass Rückkehrer eine besonders verwundbare Gruppe darstellen, dass sie leichte Opfer im Antiterrorkampf darstellen würden. Um die Statistiken zur Verbrechensbekämpfung aufzubessern, würden zum Teil Strafverfahren fabriziert und ehemaligen Flüchtlingen angelastet. Andererseits können Rückkehrer auch ins Visier staatlicher Behörden kommen, weil vermutet werde, dass sie tatsächlich einen Grund zur Flucht aus Tschetschenien hatten, d.h. Widerstandskämpfer waren oder welche kennen. Dazu geht aus dem Bericht aber auch ausdrücklich hervor, dass eine allgemein gültige Aussage über die Gefährdung von Personen nach ihrer Rückkehr nach Tschetschenien nicht getroffen werden könne, da dies stark vom Einzelfall und von der individuellen Situation des Rückkehrers abhänge (https://www.ecoi.net/en/document/1394806.html). Weiters wurde aus der Anfragebeantwortung ein Artikel von Caucasian Knot vom April 2016 angeführt, wonach 2015 in Russland vier Fälle bekannt gewesen seien, in denen Tschetschenen, denen im Ausland kein Asyl gewährt worden sei, nach ihrer Abschiebung ermordet und entführt worden seien. Zudem wurde ein Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe vom Mai 2016 über Fälle von tschetschenischen Rückkehrenden, die verhaftet, gefoltert und teilweise verschwunden oder getötet worden seien, zitiert. Zur Rückkehrentscheidung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF seit seinem XXXX Lebensjahr in Österreich aufhältig sei, hier seine Kindheit, Schulzeit sowie Jugend verbracht habe und sozialisiert worden sei. Zu seinen entfernten Verwandten (Tante, Onkel), die noch in der Russischen Föderation seien, habe er keinen Kontakt. Er kenne sie nicht persönlich. Ferner spreche er kein Russisch und verfüge über keinen guten Tschetschenisch-Sprach-Kenntnisse. Im vorliegenden Fall würden zweifellos die privaten Interessen des BF an seinem Verbleib in Österreich überwiegen. Hinsichtlich des Einreiseverbotes erscheine die Verurteilung des BF nicht ausreichend für die Annahme, dass er bei einer zukünftigen Wiedereinreise eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Die Entscheidung der Behörde gegen den BF ein Einreiseverbot für die Dauer von acht Jahren zu verhängen, erscheine aus seiner Sicht überzogen und nicht gerechtfertigt.

Der Beschwerde wurden eine Stellungnahme der Bewährungshilfe, ein Abschlussbericht sowie eine Bestätigung der TrainerInnen über die erfolgreiche Teilnahme des BF an einem Anti-Gewalt-Training vom Oktober 2018 bis April 2019, eine Teilnahmebestätigung einer Volkshochschule über die Teilnahme des BF an einem Jugendcoaching sowie eine Stellungnahme des BF an das Bundesamt zu dem Länderbericht des Bundesamtes sowie seiner Situation.

2.4. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2019, Zl. XXXX ,wurde der BF wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten sowie einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 4,- € rechtskräftig verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF im August 2016 wiederholt versucht hat, sich unter Anwendung seiner Körperkraft aus dem Festhaltegriff bzw. der Armwinkelsperre von Justizwachebeamte loszureißen, um sich nach einem Raufhandel im Spazierhof einer Justizanstalt seiner Absonderung und Verbringung in den Absonderungshaftraum zu entziehen. Als mildernd wurde das abgelegte Geständnis, dass es beim Versuch geblieben ist und die lange Verfahrensdauer, als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, die Begehung innerhalb offener Probezeit und dass sich der Vorfall während der Strafhaft ereignet hat, gewertet.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2019, Zl. XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a und Abs. 3 SMG und § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall Abs. 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt. Weiters wurde der Beschluss gefasst, die bedingte Strafnachsicht zum Urteil vom August 2014 zu widerrufen und die Probezeit hinsichtlich der bedingten Strafnachsicht zum Urteil vom Mai 2019 auf fünf Jahr zu verlängern. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF im Mai 2019 gewerbsmäßig ein Suchtgiftgeschäft angebahnt und zwei verdeckte Ermittler zu einer weiteren Person, mit der er bewusst und gewollt als Mittäter zusammengewirkt hat, geführt hat, die diesen gegen Entgelt jeweils 1,6 Gramm Marihuana in durchschnittlicher Straßenqualität übergeben hat, während der BF die Umgebung beobachtete. Weiters hat der BF alleine an einem öffentlichen Ort im Mai 2019 2,5 Gramm einem verdeckten Ermittler gegen Entgelt überlassen, wobei die Tat für zumindest 15 Personen unmittelbar wahrnehmbar gewesen ist, und weitere 1,3 Gramm zum unmittelbar bevorstehenden Verkauf an weitere Abnehmer bereitgehalten. Zusätzlich hat der BF im April 2019 im Nahebereich eines Lokals vor zumindest 40 Personen eine Person angesprochen, um dieser entgeltlich Suchtgift („Hasch oder Gras“) zu überlassen, wobei der BF an Suchtmittel, nämlich XXXX , gewöhnt ist und die Straftat vorwiegend deshalb begangen hat, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel zu verschaffen. Der BF hat seit September 2018 bis Ende Mai 2019 XXXX zum ausschließlich persönlichen Gebrauch erworben und besessen. Als mildernd wurden „geständige Verantwortung, das Alter unter 21 bei Tatbegehung, teilweise Sicherstellung des Suchtgiftes“, als erschwerend „vier einschlägige Vorstrafen, Tatbegehung innerhalb offener Probezeiten, Zusammentreffen von zwei Vergehen, doppelte Deliktsqualifikation im § 27 SMG (öffentlich und gewerbsmäßig), und die Tatbegehung in Kenntnis laufender Ermittlungsverfahren“ gewertet.

Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2019 wurde dem BF gemäß § 39 Abs. 1 SMG Strafaufschub gewährt und dazu die Weisung erteilt, sich einer gesundheitsbezogenen Maßnahme bei Suchtgiftmißbrauch einschließlich einer sechs Monate dauernden stationären Aufnahme in einer anerkannten Einrichtung zu unterziehen sowie dem Gericht eine Bestätigung über den Beginn der Therapie binnen einen Monat nach Entlassung sowie über den Verlauf der Therapie unaufgefordert alle drei Monate vorzulegen.

Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2019, Zl. XXXX , wurde der gewährte Strafaufschub widerrufen. Dem Widerruf lag zugrunde, dass der BF neuerlich in einem Suchtmittelmissbrauch-Vorfall verwickelt gewesen ist, seine stationäre Therapie nach etwa zwei Wochen abgebrochen hat und es trotz förmlicher Mahnung und wiederholter Belehrung durch das Gericht unterlassen hat, sich der angeordneten stationären Therapie weiter zu unterziehen. Einer dagegen vom BF erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichtes XXXX vom XXXX 2020, Zl. XXXX , nicht Folge gegeben.

Der BF befindet sich (zuletzt) seit Mitte Februar 2020 wieder in Justizhaft.

2.5. Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.06.2020 wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme des BF und seines Vaters als Zeugen in Anwesenheit des Vertreters des BF sowie weiters durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten des Bundesamtes sowie in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der BF brachte dabei im Wesentlichen vor, dass er bei einer Rückkehr ins Herkunftsland auf der Straße landen würde. Ob seine dort ansässigen Onkel ihm helfen würden, wisse er nicht. Der Vater des BF gab als Zeuge im Wesentlichen an, dass sich im Herkunftsstaat seit seiner Ausreise nicht geändert habe und dort alles gesetzlos sei. Wiederholt nach persönlichen Befürchtungen bei einer Rückkehr befragt, gab er an, von 1995 bis Ende 2004 in einer nicht leitendenden Funktion für ein internationales Komitee für den Schutz von Menschenrechten tätig gewesen zu sein und für dieses Personen aus Tschetschenien nach XXXX evakuiert zu haben. Er habe keine Angst um sich, sondern nur um seine Familie. Im Herkunftsland würden sich ein Bruder in XXXX und zwei weitere Brüder und eine Schwester in XXXX aufhalten. Ein Bruder seiner Frau wohne in Tschetschenien.

In der Beschwerdeverhandlung wurden den Parteien aktuelle Feststellungen zur Situation in der Russischen Föderation zu Kenntnis gebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig und Moslem. Er reiste im August 2005 im Alter von XXXX Jahren mit seinen Eltern und drei Geschwistern illegal in das Bundesgebiet ein und wurde für ihn am 23.08.2005 ein Asylantrag gestellt.

Für den BF wurden keine eigenen Fluchtgründe dargetan, sondern die Antragstellung ausschließlich mit den Fluchtgründen des Vaters begründet.

Dem Vater des BF wurde mit mündlich verkündeten Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 24.10.2007, schriftlich ausgefertigt am 05.11.2007, Zl. 265.111/2/8E-VIII/22/06, gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG), BGBl I 1997/76 idF BGBl I 101/2003, Asyl gewährt und gemäß § 12 leg.cit. festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

Der BF spricht Deutsch und Tschetschenisch. Er leidet an keiner schweren Erkrankung und ist arbeitsfähig. Er hat in Österreich den polytechnischen Lehrgang abgeschlossen. Er hat eine Lehrausbildung frühzeitig abgebrochen.

Der BF ist unverheiratet und kinderlos. Er hat auch keine Lebensgefährtin. In Österreich halten sich seine Eltern sowie drei Schwestern und ein Bruder auf. Im Herkunftsland wohnen drei Onkel und eine Schwester väterlicherseits sowie zumindest ein Onkel mütterlicherseits. Es besteht Kontakt.

Der BF wurde im Bundesgebiet in der Zeit von 2014 bis 2019 teilweise als Minderjähriger teilweise als junger Erwachsener fünf Mal rechtskräftig wegen diverser Vergehen und Verbrechen wie etwa schwerer Raub, Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, und Drogendelikten zu zusammengerechnet insgesamt 58 Monaten Freiheitsstrafe, wovon bislang 22 unter einer noch laufenden Probezeit bedingt nachgesehen wurden, rechtskräftig verurteil. Die letzte Verurteilung erfolgte wegen Drogendelikten im XXXX 2019.

Der BF befindet sich aktuell in Justizhaft.

1.2. Die Umstände, auf Grund deren der Vater des BF als Flüchtling anerkannt worden ist, bestehen nicht mehr. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF oder sein Vater nach einer Rückkehr ins Herkunftsland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevanten Übergriffe ausgesetzt sind. Weiters liegen keine stichhaltigen Gründe vor, dass sie konkret Gefahr liefen, im Herkunftsstaat aktuell der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle seiner Rückkehr in die Russische Föderation in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Die Verwandten des BF in der Russischen Föderation könnten ihm nach einer Rückkehr im Bedarfsfall anfänglich unterstützen.

Es ist dem BF zudem grundsätzlich möglich und zumutbar, sich in der Russischen Föderation auch außerhalb der Teilrepublik XXXX oder Tschetschenien niederzulassen und sich dort anzumelden.

Der BF hat Zugang zu Sozialbeihilfen, Krankenversicherung und medizinischer Versorgung.

1.3. Zur Situation im Herkunftsland wird von den vom Bundesverwaltungsgericht ins Verfahren eingeführten Länderinformationen zur Russischen Föderation bzw. Tschetschenien ausgegangen:

Politische Lage

(Letzte Änderung: 27.03.2020)

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (GIZ 2.2020c, vgl. CIA 28.2.2020). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 2.2020a, vgl. EASO 3.2017). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister, und entlässt sie (GIZ 2.2020a). Wladimir Putin ist im März 2018 bei der Präsidentschaftswahl mit 76,7% im Amt bestätigt worden (Standard.at 19.3.2018, vgl. FH 4.2.2019). Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl stärkster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motiviert eingestuften Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018, vgl. FH 4.2.2019). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018, vgl. FH 1.2018). Putin kann dem Ergebnis zufolge nach vielen Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen. Gemäß der [derzeitigen] Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da es eine Beschränkung auf zwei aufeinander folgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018, vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzesentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Zweikammerparlament, bestehend aus Staatsduma und Föderationsrat, ist in seinem Einfluss stark beschränkt (GIZ 2.2020a). Der Föderationsrat ist als „obere Parlamentskammer“ das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten: Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für fünf Jahre gewählt. Es gibt eine Fünfprozentklausel (GIZ 2.2020a, vgl. AA 2.3.2020c).

Im Jänner 2020 kündigte Präsident Putin bei seiner Neujahrsrede Verfassungsänderungen an. Daraufhin trat die Regierung unter Ministerpräsident Medwedew zurück (Spiegel Online 15.1.2020). Kurz darauf wurde Putins Kandidat Michail Mischustin, der zehn Jahre lang Leiter der russischen Steuerbehörde war, von der Duma zum neuen Ministerpräsident gewählt (Spiegel Online 16.1.2020). Dmitrij Medwedew wird Vizevorsitzender im Sicherheitsrat. Die angestrebte Verfassungsänderung ist ein umfangreicher Maßnahmenkatalog, bei dem es sich laut Putin um von der Gesellschaft geforderte Veränderungen handelt (Spiegel Online 15.1.2020). Das Volk wird über die Verfassungsänderungen abstimmen, um diese zu legitimieren (NZZ 19.3.2020), jedoch wird die Abstimmung aufgrund der Corona-Pandemie vom geplanten Termin im April nach hinten verschoben (ORF.at 25.3.2020). Vorgesehen ist nicht nur eine Ausweitung der Machtbefugnisse des Präsidenten. Putin soll nach einem Votum der Abgeordneten auch die Möglichkeit haben, sich noch einmal für maximal zwei Amtszeiten zu bewerben – er könnte also bei Wiederwahl bis 2036 im Amt bleiben. Nach bisheriger Verfassung könnte er 2024 nicht mehr antreten. Kritiker und Oppositionelle werfen Putin einen Staatsstreich vor. Das Verfassungsgericht hat den Änderungen bereits zugestimmt (NZZ 19.3.2020).

Zu den wichtigen Parteien der Russischen Föderation gehören: die Regierungspartei Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern; Gerechtes Russland (Sprawedliwaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern; die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, die die Nachfolgepartei der früheren KP ist; die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist; die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern; die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), links-zentristisch mit 85.000 Mitgliedern; die Partei der Volksfreiheit (PARNAS) und die demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 2.2020a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (343 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (39 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (RIA Nowosti 23.9.2016, vgl. Global Security 21.9.2016). Die sogenannte Systemopposition stellt die etablierten Machtverhältnisse nicht infrage und übt nur moderate Kritik am Kreml (SWP 11.2018).

Russland ist eine Föderation, die (einschließlich der international nicht anerkannten Annexion der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges Sewastopol) aus 85 Föderationssubjekten mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 2.2020a, vgl. AA 2.3.2020c). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 2.2020a).

Es gibt acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten), denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum („exekutive Machtvertikale“) deutlich (GIZ 2.2020a).

Bei den in einigen Regionen stattgefundenen Regionalwahlen am 8.9.2019 hat die Regierungspartei Einiges Russland laut Angaben der Wahlleitung in den meisten Regionen ihre Mehrheit verteidigt. Im umkämpften Moskauer Stadtrat verlor sie allerdings viele Mandate (Zeit Online 9.9.2019). Hier stellt die Partei künftig nur noch 25 von 45 Vertretern, zuvor waren es 38. Die Kommunisten, die bisher fünf Stadträte stellten, bekommen 13 Sitze. Die liberale Jabloko-Partei bekommt vier und die linksgerichtete Partei Gerechtes Russland drei Sitze (ORF 18.9.2019). Die beiden letzten waren bisher nicht im Moskauer Stadtrat vertreten. Zuvor sind zahlreiche Oppositionskandidaten von der Wahl ausgeschlossen worden, was zu den größten Protesten seit Jahren geführt hat (Zeit Online 9.9.2019), bei denen mehr als 1.000 Demonstranten festgenommen wurden (Kleine Zeitung 28.7.2019). Viele von den Oppositionskandidaten haben zu einer "smarten Abstimmung" aufgerufen. Die Bürgerinnen sollten jeden wählen – nur nicht die Kandidaten der Regierungspartei. Bei den für die russische Regierung besonders wichtigen Gouverneurswahlen gewannen die Kandidaten der Regierungspartei überall (Zeit Online 9.9.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (2.3.2020c): Russische Föderation – Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/politisches-portrait/201710, Zugriff 10.3.2020

?        CIA – Central Intelligence Agency (28.2.2020): The World Factbook, Central Asia: Russia, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 10.3.2020

?        EASO – European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 10.3.2020

?        FH – Freedom House (4.2.2019): Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2018 - Russland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002603.html, Zugriff 10.3.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2020a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c17836, Zugriff 10.3.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2020c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 10.3.2020

?        Global Security (21.9.2016): Duma Election - 18 September 2016, https://www.globalsecurity.org/military/world/russia/politics-2016.htm, Zugriff 10.3.2020

?        Kleine Zeitung (28.7.2019): Mehr als 1.300 Festnahmen bei Kundgebung in Moskau, https://www.kleinezeitung.at/politik/5666169/Russland_Mehr-als-1300-Festnahmen-bei-Kundgebung-in-Moskau, Zugriff 10.3.2020

?        NZZ – Neue Zürcher Zeitung (19.3.2020): Putin hält trotz Coronavirus-Krise an der Verfassungsabstimmung fest, https://www.nzz.ch/international/coronavirus-in-russland-krise-ueberschattet-verfassungsabstimmung-ld.1547213, Zugriff 26.3.2020

?        ORF.at (25.3.2020): Putin verschiebt Abstimmung über Verfassungsänderung, https://orf.at/stories/3159340/, Zugriff 26.3.2020

?        ORF – Observer Research Foundation (18.9.2019): Managing democracy in Russia: Elections 2019, https://www.orfonline.org/expert-speak/managing-democracy-in-russia-elections-2019-55603/, Zugriff 10.3.2020

?        OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights (18.3.2018): Russian Federation Presidential Election Observation Mission Final Report, https://www.osce.org/odihr/elections/383577?download=true, Zugriff 10.3.2020

?        Presse.at (19.3.2018): Putin: "Das russische Volk schließt sich um Machtzentrum zusammen", https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5391213/Putin_Das-russische-Volk-schliesst-sich-um-Machtzentrum-zusammen, Zugriff 10.3.2020

?        RIA Nowosti (23.9.2016): ??? ???????? ?????????? ??????? ? ???????, https://ria.ru/20160923/1477668197.html, Zugriff 10.3.2020

?        Spiegel Online (15.1.2020): Putins Operation Machterhalt, https://www.spiegel.de/politik/ausland/russland-putins-operation-machterhalt-a-aafe31f8-54b2-4d38-9bf4-6e613e586b96, Zugriff 2.3.2020

?        Spiegel Online (16.1.2020): Michail Mischustin ist neuer Premierminister Russlands, https://www.spiegel.de/politik/ausland/russland-michail-mischustin-ist-neuer-premierminister-a-1b3bd2eb-bc42-43cf-9033-25c8221cc7ed, Zugriff 2.3.2020

?        Standard.at (19.3.2018): Putin sichert sich vierte Amtszeit als Russlands Präsident, https://derstandard.at/2000076383332/Putin-sichert-sich-vierte-Amtszeit-als-Praesident, Zugriff 10.3.2020

?        Tagesschau.de (19.3.2018): Klarer Sieg für Putin, https://www.tagesschau.de/ausland/russland-wahl-putin-101.html, Zugriff 10.3.2020

?        Zeit Online (9.9.2019): Russische Regierungspartei gewinnt Regionalwahlen, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-09/russland-kreml-partei-sieg-regionalwahlen-moskau, Zugriff 10.3.2020

Tschetschenien

Letzte Änderung: 27.03.2020

Die Einwohnerzahl Tschetscheniens liegt bei ca. 1,5 Millionen. Laut Aussagen des Republikoberhauptes Ramzan Kadyrow sollen rund 600.000 Tschetschenen außerhalb der Region leben – eine Hälfte davon in der Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat die Hälfte von ihnen Tschetschenien während der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, bei der anderen Hälfte handelt es sich um Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens. Diese entstanden bereits vor über einem Jahrhundert, teilweise durch Migration aus dem Russischen in das Osmanische Reich, und zwar über Anatolien bis in den arabischen Raum. Was die Anzahl von Tschetschenen in anderen russischen Landesteilen anbelangt, so ist es aufgrund der öffentlichen Datenlage schwierig, verlässliche Aussagen zu treffen (ÖB Moskau 12.2019).

In Tschetschenien gilt Ramzan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB Moskau 12.2019, vgl. AA 13.2.2019, FH 4.3.2020). Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen parallel zu den Wahlen zum Oberhaupt der Republik durchzuführen. Bei den russlandweiten Wahlen vom 18.9.2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Kadyrow wurde laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen. Auch im Vorfeld der Wahlen hatte Human Rights Watch über massive Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet. Das tschetschenische Oberhaupt bekundet immer wieder seine absolute Loyalität gegenüber dem Kreml. Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird rigoros vorgegangen (ÖB Moskau 12.2019, vgl. AA 13.2.2019). Um die Kontrolle über die Republik zu behalten, wendet Kadyrow unterschiedliche Formen der Gewalt an, wie z.B. Entführungen, Folter und außergerichtliche Tötungen (FH 4.3.2020, vgl. AA 13.2.2019). Dies kann manchmal auch außerhalb Russlands stattfinden. Kadyrow wird verdächtigt, die Ermordung von unliebsamen Personen, die ins Ausland geflohen sind, angeordnet zu haben (FH 4.3.2020).

Während der mittlerweile über zehn Jahre dauernden Herrschaft des amtierenden Republikführers Ramzan Kadyrow gestaltete sich Tschetscheniens Verhältnis zur Russischen Föderation ambivalent. Einerseits ist Kadyrow bemüht, die Zugehörigkeit der Republik zu Russland mit Nachdruck zu bekunden, tschetschenischen Nationalismus mit russischem Patriotismus zu verbinden, Russlands Präsidenten in der tschetschenischen Hauptstadt Grozny als Staatsikone auszustellen und sich als „Fußsoldat Putins“ zu präsentieren. Andererseits hat er das Föderationssubjekt Tschetschenien so weit in einen Privatstaat verwandelt, dass in der Umgebung des russischen Präsidenten die Frage gestellt wird, inwieweit sich die von Wladimir Putin ausgebaute „föderale Machtvertikale“ dorthin erstreckt. Zu Kadyrows Eigenmächtigkeit gehört auch eine Außenpolitik, die sich vor allem an den Mittleren Osten und die gesamte islamische Welt richtet. Kein anderer regionaler Führer beansprucht eine vergleichbare, über sein eigenes Verwaltungsgebiet und die Grenzen Russlands hinausreichende Rolle. Kadyrow inszeniert Tschetschenien als Anwalt eines russländischen Vielvölker-Zusammenhalts, ist aber längst zum „inneren Ausland“ Russlands geworden. Deutlichster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein eigener Rechtszustand, in dem islamische und gewohnheitsrechtliche Regelungssysteme sowie die Willkür

des Republikführers in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands geraten (SWP 3.2018).

Ein Abkommen von September 2018 über die Abtretung von umstrittenem Territorium von Inguschetien an Tschetschenien hatte politische Unruhen in Inguschetien zur Folge (ÖB Moskau 12.2019). Der Konflikt um die Grenzziehung flammt immer wieder auf. Im März 2019 wurden Proteste in Inguschetien gewaltsam aufgelöst, wobei manche Teilnehmer körperlich gegen die Polizei Widerstand leisteten. 33 Personen wurden festgenommen (HRW 14.1.2020). Die Proteste hatten außerdem den Rücktritt des inguschetischen Präsidenten Junus-bek Jewkurow im Juni 2019 zur Folge (ÖB Moskau 12.2019). Jewkurows Nachfolger ist Machmud-Ali Kalimatow (NZZ 29.6.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458482/4598_1551701623_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-russischen-foederation-stand-dezember-2018-13-02-2019.pdf, Zugriff 10.3.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2019 - Russland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025879.html, Zugriff 5.3.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2019 – Russland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022681.html, Zugriff 3.3.2020

?        NZZ – Neue Zürcher Zeitung (29.6.2019): Die Nordkaukasus-Republik Inguschetien ist innerlich zerrissen, https://www.nzz.ch/international/nordkaukasus-inguschetien-nach-protesten-innerlich-zerrissen-ld.1492435, Zugriff 11.3.2020

?        ÖB Moskau (12.2019): Asylländerbericht Russische Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025975/RUSS_%C3%96B_Bericht_2019_12.pdf, Zugriff 10.3.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (3.2018): Tschetscheniens Stellung in der Russischen Föderation. Ramsan Kadyrows Privatstaat und Wladimir Putins föderale Machtvertikale, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf, Zugriff 10.3.2020

Dagestan

Letzte Änderung: 27.03.2020

Dagestan ist mit ungefähr drei Millionen Einwohnern die größte kaukasische Teilrepublik und wegen seiner Lage am Kaspischen Meer für Russland strategisch wichtig. Dagestan ist das ethnisch vielfältigste Gebiet des Kaukasus (ACCORD 13.1.2020). Dagestan ist hinsichtlich persönlicher Freiheiten besser gestellt als Tschetschenien, bleibt allerdings eine der ärmsten Regionen Russlands (AA 13.2.2019, vgl. ÖB Moskau 12.2019).

Was das politische Klima betrifft, gilt die Republik Dagestan im Vergleich zu Tschetschenien noch als relativ liberal. Die Zivilgesellschaft ist hier stärker vertreten als in Tschetschenien (SWP 4.2015) und wird nicht ganz so ausgeprägt kontrolliert wie in Tschetschenien (AA 13.2.2019). Ebenso existiert – anders als in der Nachbarrepublik – zumindest eine begrenzte Pressefreiheit. Die ethnische Diversität stützt ein gewisses Maß an politischem Pluralismus und steht autokratischen Herrschaftsverhältnissen entgegen (SWP 4.2015). Die Bewohner Dagestans sind hinsichtlich persönlicher Freiheit besser gestellt, und auch die Menschenrechtslage ist grundsätzlich besser als im benachbarten Tschetschenien (AA 13.2.2019), obwohl auch in Dagestan mit der Bekämpfung des islamistischen Untergrunds zahlreiche Menschenrechtsverletzungen durch lokale und föderale Sicherheitsbehörden einhergehen (AA 13.2.2019, vgl. SWP 4.2015). Im Herbst 2017 setzte Präsident Putin ein neues Republiksoberhaupt ein. Mit dem Fraktionsvorsitzenden der Staatspartei Einiges Russland in der Staatsduma und ehemaligen hohen Polizeifunktionär Wladimir Wassiljew wurde das zuvor behutsam gepflegte Gleichgewicht der Ethnien ausgehebelt. Der Kreml hatte länger schon damit begonnen, ortsfremde Funktionäre in die Regionen zu entsenden; im Nordkaukasus hatte er davon jedoch Abstand genommen. Wassiljew ist ein altgedienter Funktionär und einer, der durch den Zugriff Moskaus auf Dagestan – und nicht in Abgrenzung von der Zentralmacht – Ordnung, Sicherheit und wirtschaftliche Prosperität herstellen soll (NZZ 12.2.2018).

Anfang 2018 wurden in der Hauptstadt Dagestans, Machatschkala, der damalige Regierungschef Abdussamad Gamidow, zwei seiner Stellvertreter und ein kurz vorher abgesetzter Minister von föderalen Kräften verhaftet und nach Moskau gebracht. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten eine organisierte kriminelle Gruppierung gebildet, um die wirtschaftlich abgeschlagene und am stärksten von allen russischen Regionen am Tropf des Zentralstaats hängende Nordkaukasus-Republik auszubeuten. Kurz vorher waren bereits der Bürgermeister von Machatschkala und der Stadtarchitekt festgenommen worden (NZZ 12.2.2018, vgl. Standard.at 5.2.2018).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458482/4598_1551701623_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-russischen-foederation-stand-dezember-2018-13-02-2019.pdf, Zugriff 10.3.2020

?        ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (13.1.2020): Themendossier Sicherheitslage in Dagestan & Zeitachse von Angriffen, https://www.ecoi.net/de/laender/russische-foederation/themendossiers/sicherheitslage-in-dagestan-zeitachse-von-angriffen/, Zugriff 10.3.2020

?        Dekoder (24.5.2016): Nicht-System-Opposition, https://www.dekoder.org/de/gnose/nicht-system-opposition, Zugriff 10.3.2020

?        NZZ – Neue Zürcher Zeitung (12.2.2018): Durchgreifen in Dagestan: Moskau räumt im Nordkaukasus auf, https://www.nzz.ch/international/moskau-raeumt-im-nordkaukasus-auf-ld.1356351, Zugriff 10.3.2020

?        ÖB Moskau – Österreichische Botschaft Moskau (12.2019): Asylländerbericht Russische Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025975/RUSS_%C3%96B_Bericht_2019_12.pdf, Zugriff 10.3.2020

?        Standard.at (5.2.2018): Regierungsspitze in russischer Teilrepublik Dagestan festgenommen, https://www.derstandard.at/story/2000073692298/regierungsspitze-in-russischer-teilrepublik-dagestan-festgenommen, Zugriff 10.3.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan: Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf, Zugriff 10.3.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 27.03.2020

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen (AA 19.3.2020a, vgl. BMeiA 19.3.2020, GIZ 2.2020d, EDA 19.3.2020). Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf (AA 19.3.2020a, vgl. BMeiA 19.3.2020, EDA 19.3.2020). Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko von Terrorakten nicht ausgeschlossen werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen etc.) (EDA 19.3.2020).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderten Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Die gewaltsamen Zwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der sogenannte Islamische Staat (IS) Russland den Dschihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem ägyptischen Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an die internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Eine weitere Tätergruppe rückt in Russland ins Zentrum der Medienaufmerksamkeit, nämlich Islamisten aus Zentralasien. Die Zahl der Zentralasiaten, die beim sog. IS (Islamischer Staat) kämpfen, wird auf einige tausend geschätzt (Deutschlandfunk 28.6.2017).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (19.3.2020a): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/russischefoederationsicherheit/201536#content_0, Zugriff 19.3.2020

?        BMeiA (19.3.2020): Reiseinformation Russische Föderation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation/, Zugriff 19.3.2020

?        Deutschlandfunk (28.6.2017): Anti-Terrorkampf in Dagestan. Russische Methoden, https://www.deutschlandfunk.de/anti-terrorkampf-in-dagestan-russische-methoden.724.de.html?dram:article_id=389824, Zugriff 19.3.2020

?        EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (19.3.2020): Reisehinweise für Russland, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/russland/reisehinweise-fuerrussland.html, Zugriff 19.3.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2020d): Russland, Alltag, https://www.liportal.de/russland/alltag/#c18170, Zugriff 19.3.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 19.3.2020

Nordkaukasus

Letzte Änderung: 27.03.2020

Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits, weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind (AA 13.2.2019). In internationalen sicherheitspolitischen Quellen wird die Lage im Nordkaukasus mit dem Begriff „low level insurgency“ umschrieben (SWP 4.2017).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum sog. IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt (SWP 10.2015, vgl. ÖB Moskau 12.2019). Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Nowaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein „Wilajat Kavkaz“, eine „Provinz Kaukasus“, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus-Emirats dem „

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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