TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/26 W154 2227983-5

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Veröffentlicht am 26.06.2020
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Entscheidungsdatum

26.06.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W154 2227983-5/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 830695010 / 200004408, über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (in Folge auch BF), ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 27.05.2013 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid vom 18.07.2014 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge auch BFA, Bundesamt oder Behörde genannt) den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria ab (Spruchpunkt II.) und erteilte dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß den §§ 57 und 55 AsylG nicht, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG iVm. § 9 BFA-Verfahrensgesetz gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.) und setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Die Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen dahingehend, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft zu machen.

3. Die dagegen erhobene Beschwerde vom 29.07.2014 wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.12.2015, mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.12.2015 als unbegründet abgewiesen.

4. Am 15.03.2016 stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf internationalen Schutz und begründete dies mit psychischen Problemen.

5. Der Beschwerdeführer blieb unentschuldigt der Ladung für eine Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.04.2016 fern. Er wurde neuerlich geladen, nunmehr für eine Einvernahme am 10.05.2016. Der Beschwerdeführer erschien ebenfalls unentschuldigt nicht. Um 22:31 wurde nachträglich per Fax von Seiten des rechtsfreundlichen Vertreters erklärt, dass es dem Beschwerdeführer aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme nicht möglich gewesen sei, der Ladung Folge zu leisten.

6. Einer Mitteilung der LPD vom 12.05.2016 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls bis Ende April 2016 Zeitungen verkauft habe.

7. Der Beschwerdeführer wurde vom Bundesamt neuerlich geladen, nunmehr mit Ladungsbescheid, für eine Einvernahme am 18.05.2016. Wiederum erschien der Beschwerdeführer nicht, sondern wurde am nächsten Tag von Seiten der rechtsfreundlichen Vertretung erklärt, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner psychischen Erkrankung die Einvernahme nicht möglich gewesen sei.

8. Dem Bundesamt wurde am 23.05.2016 vom rechtsfreundlichen Vertreter mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer das Medikament Olanzapin einnehme.

9. Mit Ladungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2016 wurde der Beschwerdeführer für den 14.06.2016 geladen. Zugleich wurde die rechtsfreundliche Vertretung aufgefordert, den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers bekanntzugeben und etwaige medizinische Unterlagen binnen einer Woche vorzulegen.

10. Am 12.06.2016 wurde von Seiten des rechtsfreundlichen Vertreters erklärt, dass die medizinischen Unterlagen nachgereicht würden. Zum Aufenthaltsort des Beschwerdeführers wurde nur ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer bemühen würde, außerhalb Klagenfurts medizinische Hilfe zu finden.

11. Am 13.06.2016 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Ladungsbescheid vom 01.06.2016. Im Wesentlichen wurde in der Beschwerde ausgeführt, dass eine Einvernahme zum derzeitigen Zeitpunkt „nicht möglich, zumutbar und daher rechtswidrig“ wäre. Das Bundesamt wisse um den schlechten Gesundheitszustand des Beschwerdeführers. Der Bitte, mit der Einvernahme bis zu einer Besserung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers zuzuwarten, sei man nicht nachgekommen. Der Beschwerdeführer nehme aktuell Olanzapin, ein Generika, das wie Zyprexia wirke. Es werde daher beantragt, festzustellen, dass eine Einvernahme derzeit nicht möglich sei und die belangte Behörde den Termin am 14.06.2016 nicht hätte festlegen dürfen, sowie der belangten Behörde aufzutragen, auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers Rücksicht zu nehmen.

12. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.08.2016 wurde die Beschwerde gegen den Ladungsbescheid vom 01.06.2016 als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass der Beschwerdeführer einen Hinderungsgrund für das Erscheinen zu der Einvernahme nicht glaubhaft dargelegt bzw. bescheinigt hat. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer seinen Mitwirkungswirkungspflichten im Asylverfahren nicht nachgekommen war.

13. Am 08.11.2016 kam der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers der Aufforderung des Bundesamtes (vom Juni 2016) nach, medizinische Unterlagen vorzulegen; eingebracht wurden Ambulanzberichte des Klinikums Klagenfurt vom 28.04.2016, 03.06.2016 und 29.07.2016 sowie eine „Bestätigung der ärztlichen Untersuchung bei Inanspruchnahme einer psychotherapeutischen Behandlung“ eines Allgemeinmediziners vom 03.05.2016 sowie ein Artikel der Kleinen Zeitung vom 02.01.2015 über einen Brand in einem Flüchtlingsquartier. In der beiliegenden Stellungnahme wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer diese Brandkatastrophe miterlebt und diese seine psychische Belastungsstörung ausgelöst habe.

14. Mit Bescheid des BFA vom 16.08.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 15.03.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FBG festgestellt, dass eine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III). Unter Spruchpunkt IV wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht. Der Beschwerde gegen den Bescheid wurde mit Spruchpunkt V gemäß § 18 Abs. 1 Ziffer 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI).

15. Dagegen wurde fristgerecht am 05.09.2017 durch den Rechtsvertreter Beschwerde erhoben und auf schwere psychische Probleme des Beschwerdeführers verwiesen. Der Beschwerdeführer sei vom Bundesamt zu einer Einvernahme geladen worden, als er dazu nicht in der Lage gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe regelmäßig Olanzapin, ein Psychopharmaka, genommen. Auch aktuell sei er in „psychologischer Therapiebetreuung und unter Medikation“. Wenn es ihm sein Zustand erlaube, verkaufe er Zeitungen. Aufgrund der psychischen Gründe sei ein Abschiebungshindernis gegeben; der Beschwerdeführer sei Augenzeuge einer Brandkatastrophe geworden, bei der er seine Unterkunft und seine persönlichen Sachen verloren habe; diese Ereignisse seien geeignet ein Trauma hervorzurufen. In Nigeria würde es keine ausreichende psychiatrische Behandlung geben. Der Beschwerdeführer habe sich trotz gesundheitlicher Schwierigkeiten in Österreich gut integriert und sei Mitglied der Zeugen Jehovas. Die Rechtsmittelbelehrung sei rechtswidrig, da die Verkürzung der Beschwerdefrist im § 16 BFA-VG auf zwei Wochen verfassungswidrig sei.

16. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.09.2017 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.08.2017 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des Einreiseverbotes in Spruchpunkt VI mit zwölf Monaten befristet wurde.

17. Am 28.12.2017 wurde ein weiterer Folgeantrag gestellt, den der Beschwerdeführer damit begründete, dass er an einer psychischen Krankheit leide und dass sich sein Gesundheitszustand seit August 2017 verschlechtert habe.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2018, wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz vom 28.12.2017 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache zurück.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.05.2018 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2018 als unbegründet abgewiesen.

18. Am 03.08.2019 wurde der BF als nigerianischer Staatsangehöriger durch die Botschaft identifiziert. Der BF wurde am 30.10.2019 durch ein Organ des BFA einvernommen und gab im Wesentlichen an, seit September 2015 an seiner Meldeadresse zu wohnen. Wenn er jedoch zum Beispiel krank sei, so bleibe er nicht zuhause, sondern gehe zu Freunden. Er verkaufe eine Straßenzeitung. Dabei würden die Leute oft wesentlich mehr als den Preis für die Straßenzeitung bezahlen. Sohin könne er sich seine Wohnung noch leisten. Ihm sei bewusst, dass gegen ihn eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliege, jedoch könne er Österreich nicht verlassen. Er habe psychische Probleme und bekomme Hilfe von einem Arzt. Er bekomme auch Medikamente. Dies alles würde er verlieren, wenn er Österreich verlassen müsste. Er könne nicht nach Nigeria, da er dort niemanden habe. Dort sei er auf sich alleine gestellt. Er wolle eigentlich nicht nach Nigeria, er werde sich jedoch einmal über eine Rückkehr informieren.

19. Am 03.01.2020 wurde der BF im Rahmen von Suchtgiftermittlungen in seinem Wohnhaus nach Erlassung eines Festnahmeauftrages festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum überstellt.

Im Rahmen einer Einvernahme durch das BFA gab der BF im Wesentlichen an, er habe eine Wohnsitzauflage im Jahre 2018 nicht beachtet, da er seinen Arzt in Klagenfurt habe und nicht weggehen habe wollen. Er habe keine Dokumente und sei illegal im Lande. Er habe mentale Probleme sowie eine Erkältung und nehme das Medikament Trittico Retart 75 gegen seine Depressionen. Er wollte in Österreich bleiben und nicht nach Nigeria zurückgehen. Er habe hier eine Arbeit, er verkaufe Zeitungen. Aufgrund seiner Krankheit habe er bisher nicht in Erwägung gezogen, nach Nigeria zurückzukehren. In Nigeria habe er niemanden. Er wolle nicht nach Nigeria zurück, er werde in Österreich bleiben, was immer auch passiere. Er werde unter keinen Umständen nach Nigeria zurückgehen.

20. Sohin wurde über den BF die gegenständliche Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass der BF durch sein Vorverhalten die Tatbestände des § 76 Abs. 2 Z 1, 3, 8 und 9 FPG erfüllt habe und sohin Sicherungsbedarf bestehe. Da der BF nicht freiwillig ausreisen wolle und er eine Ausreisewilligkeit bisher nur vorgetäuscht habe, um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu verzögern, zeige sich ebenso, dass der BF zur Ausreise aus Österreich verhalten werde müsse.

21. Am 04.01.2020 begann der BF mit einem Hungerstreik und stellte einen weiteren Asylfolgeantrag (nunmehr vierter Asylantrag). Zu seinem Folgeantrag befragt gab der Beschwerdeführer an, er sei bedroht worden und habe man sein Geschäft zerstört. Er habe psychische Probleme und in seinem Herkunftsland niemanden, der sich um ihn kümmere. Er wolle in Österreich bleiben, da er hier jede Menge Freunde habe, die ihn unterstützen. Er habe Angst, umgebracht zu werden.

Am selben Tage wurde seitens des BFA ein Aktenvermerk zur Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufgenommen und umfassend begründet, dass davon auszugehen sei, dass der nunmehrige Folgeantrag mit Verzögerungsabsicht gestellt worden sei.

22. Für 16.01.2020 wurde eine Einvernahme des BFA im laufenden Asylverfahren festgesetzt. Zum fraglichen Termin erschien der Beschwerdeführer nicht pünktlich. Als der Beschwerdeführer verspätet eintraf, wurde dieser seitens des Organs des BFA nicht mehr einvernommen. Mit Bescheid des BFA vom 17.01.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 04.01.2020 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und auch sonst kein Aufenthaltstitel gewährt. Gegen den Beschwerdeführer wurde neuerlich eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung wurde keine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht.

23. Am 24.01.2020 brachte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertreterin eine Beschwerde gegen die Anordnung der Schubhaft und Anhaltung in Schubhaft ein, wobei er insbesondere auf seine psychischen Probleme verwies.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 30.01.2020, W171 2227983-1/9E – nach amtsärztlicher Begutachtung des Beschwerdeführers – diese Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft gegeben sind. In dieser Entscheidung wurde (insbesondere auch unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit) umfassend auf die gesundheitlichen/psychsichen Probleme des Beschwerdeführers Bezug genommen.

24. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.02.2020, W154 2227983-2/6E, vom 29.04.2020, W115 2227983-3/3E, und vom 27.05.2020, W137 2227983-4/2E, wurde jeweils die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft festgestellt.

25. Am 14.06.2020 legte das Bundesamt ein weiteres Mal den Verwaltungsakt zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. In einer Stellungnahme wurde darauf verwiesen, dass die Charterabschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria für den 25./26.06.2020 bereits organisiert sei. Hinsichtlich der Haftfähigkeit und der Flugtauglichkeit des Beschwerdeführers führte das Bundesamt aus, dass diese erneut überprüft worden seien, und dass diesbezüglich keine medizinisch relevanten Gründe eingetreten seien, die diese ausschließen würden.

Am 24.06.2020 teilte das Bundesamt mit, dass der Charterflug aufgrund der momentanen Gegebenheiten in Zusammenhang mit der Covid-19 Situation storniert und verschoben werden musste. Ein neuerer Termin für einen Charterflug nach Nigeria sei gegenwärtig noch nicht bekannt, solche Flüge würden individuell organisiert. Eine Abschiebung werde auch mit Wiederaufnahme der Linienflüge möglich werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die Entscheidungsgründe der genannten Vorentscheidungen werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihren Stellungnahmen anlässlich der Aktenvorlage getätigten Ausführungen zur Planung einer (zeitnahen) Abschiebung des Beschwerdeführers.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Mit der Erlangung eines Heimreisezertifikates sowie einer zeitnahen Abschiebung des Beschwerdeführers innerhalb der Schubhafthöchstdauer ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu rechnen.

Der Beschwerdeführer ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere der zitierten Vorentscheidungen.

Die Feststellungen zur Erlangung des Heimreisezertifikates sowie einer zeitnahen Abschiebung des Beschwerdeführers ergeben sich darüber hinaus aus den ergänzenden Stellungnahmen des Bundesamtes vom 14.06.2020 und 24.06.2020. Das Bundesamt hat dargelegt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach wie vor zügig geführt wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A. – Fortsetzung der Schubhaft

3.1. Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.2. Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Hinsichtlich der Fluchtgefahrtatbestände des §76 Abs. 3 FPG hat sich in Hinblick auf die Vorerkenntnisse zur gegenständlich zu überprüfenden Schubhaft keine Änderung ergeben, sodass aufgrund unveränderter Lage auf die dortigen Ausführungen verwiesen und diese auch zur gegenständlichen rechtlichen Beurteilung erhoben werden.

Die Schubhaft ist also weiterhin jedenfalls wegen erheblicher Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers – siehe Darstellung im Rahmen des Verfahrensganges und der Feststellungen – mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt.

3.3. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

Zur Dauer der Schubhaft:

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck

der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht
vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13)

widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen
oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint.

Gegenständlich ist jedenfalls der Tatbestand der Z.1 verwirklicht. Somit erweist sich die bisherige Anhaltung am soeben angeführten Maßstab als verhältnismäßig, da sie sich immer noch im unteren Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegt.

Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist vor dem Hintergrund, dass sich die Behörde zügig um ein Heimreisezertifikat und die Abschiebung des Beschwerdeführers bemüht hat, auch verhältnismäßig. Der Flugverkehr kam zwar aufgrund der COVID-19-Krise im März 2020 beinahe gänzlich zum Erliegen. Zwar ist der Flugverkehr und die transnationale Bewegungsfreiheit weiterhin eingeschränkt. Anhaltspunkte, dass innerhalb der Schubhafthöchstdauer von 18 Monaten keine Abschiebung des Beschwerdeführers möglich wäre, sind nicht gegeben. Weiters wird festgehalten, dass eine Abschiebung nicht die Wiederaufnahme des regulären, touristischen Flugbetriebes voraussetzt.

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch weiterhin die Anordnung gelinderer Mittel aus. Es besteht ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts. In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren (immer noch) zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

3.4. Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihren Zukunftsbezug keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

Zu Spruchpunkt B. - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Da keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen sind, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, war die Revision daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Ausreisewilligkeit Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Kooperation öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2227983.5.00

Im RIS seit

01.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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