TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/29 W240 2231182-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.06.2020
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Entscheidungsdatum

29.06.2020

Norm

AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §57
B-VG Art133 Abs4
FPG §61 Abs1 Z1
FPG §61 Abs2

Spruch

W240 2225190-2/3E
W240 2231182-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerden von XXXX , beide StA. Somalia, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.05.2020, Zlen 1.). 1245754910/190935257, und
2.) 1254931910/191260762, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des Zweitbeschwerdeführers, beide sind Staatsangehörige von Somalia. Die Erstbeschwerdeführerin stellte am 12.09.2019 für sich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Betreffend die Erstbeschwerdeführerin liegt ein EURODAC-Treffer der Kategorie 1 (Asylantragstellung) vom 23.03.2017 hinsichtlich Italien vor.

Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 13.09.2019 brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, ihr namentlich genannter Mann würde sich in Österreich aufhalten. Sein Alter sowie der genaue Aufenthaltsort ihres Mannes sei ihr unbekannt. Sie sei im Dezember 2016 mit einem Minibus aus ihrem Wohnort nach Äthiopien gereist, habe sich dort etwa acht Monate aufgehalten, sei über den Sudan, wo sie sich vier Monate aufgehalten habe, nach Libyen gelangt, dort habe sie sechs Monate verbracht, und sei weiter nach Italien gereist. In Italien habe sie ein Jahr gelebt. Das Leben sei dort sehr schwierig gewesen. Man habe nirgends schlafen können, sie habe auf der Straße geschlafen, auch Essen würde es keines geben. In einem anderen Land habe sie nicht um Asyl angesucht. Ihr Reiseziel sei Österreich, da sie hier den Vater ihres noch ungeborenen Kindes finden wolle. Sie hätten sich in Italien kennen gelernt und er habe ihr gesagt, dass er in Österreich lebe. Sie wisse aber nicht wo genau. Ihr Heimatland habe sie verlassen, da es Probleme gegeben habe und sie um ihr Leben fürchte.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 17.09.2019 ein auf Art.°18°Abs.°1°lit.°b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien.

Da Italien das Wiederaufnahmegesuch unbeantwortet lies, teilte das BFA mit Schreiben vom 09.10.2019 der italienischen Dublin-Behörde mit, dass aufgrund der nicht fristgerecht erfolgten Antwort gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO eine Verfristung eingetreten und Italien nunmehr für die Durchführung der gegenständlichen Asylverfahren zuständig sei.

Am selben Tag, somit am 09.10.2019, teilte Italien den österreichischen Behörden mit, dass die Erstbeschwerdeführerin unter einer anderen Identität ( XXXX ) in Italien um Asyl angesucht habe. Ihr sei in Italien internationaler Schutz zuerkannt worden und ihr eine Aufenthaltserlaubnis bis zum XXXX 2023 ausgestellt worden („…was granted the international protection in Italy and a residence permit for Asylum expiring on XXXX 2023…“).

Nach durchgeführter Rechtsberatung und in Anwesenheit eines Rechtsberaters erfolgte am 11.10.2019 die niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA. Die Erstbeschwerdeführerin gab hierbei an, dass sie sich körperlich und geistig in der Lage sehe die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. In Italien habe sie Behördenkontakt gehabt, ihr seien die Fingerabdrücke abgenommen worden und sie habe Unterlagen ausgehändigt bekommen. Sie sei rund ein Jahr in Italien gewesen, habe aber nicht um Asyl angesucht. In Italien habe sie einen Ausweis bekommen, damit sie etwas vorweisen könne. Die Karte und die ganze Handtasche habe sie verloren, sie sei krank geworden und dadurch habe sie die Sachen verloren. Schwerwiegende Krankheiten habe sie nicht, sie sei in der Betreuungsstelle in Österreich beim Arzt gewesen und habe Tabletten verschrieben bekommen, die sei zweimal täglich nehme. Sie wisse nicht, wie die Tabletten heißen würden, sie müsse sie wegen ihrer Schwangerschaft nehmen. Eine Tablette habe sie wegen Schmerzen im Unterleib bekommen, die andere zusätzlich. Sie sei jetzt im achten Monat schwanger. Manchmal werde ihr schwindelig. In Italien sei sie in einer Schlafstelle krank geworden. Ihre ganze Tasche mit den Unterlagen sei ihr dort gestohlen worden. Wenn man keine Karte habe, dürfe man in der Schlafstelle nicht schlafen, deshalb habe sie die Schlafstelle verlassen müssen. Dann habe eine Dame sie bei sich zu Hause angenommen, habe der Dame geholfen und bei ihr geputzt. Sie habe nicht gewusst, dass sie schwanger sei und als sie das bemerkt habe, habe die Dame zu ihr gesagt, dass sie sie nicht weiter unterstützen könne. Dann sei sie auf der Straße gewesen und habe um Hilfe gebeten; somalische Leute hätten ihr geholfen und sie gefragt, wo der Vater dieses Kindes sei. Sie habe geantwortet, er sei in Österreich und sie hätten ihr ein Zugticket besorgt und ihr gesagt, sie müsse nach Österreich.

Sie sei in Italien bei der Polizei gewesen und habe die Verlustanzeige gemacht. Sie sei gefragt worden, wo sie wohne, sie habe aber keine Adresse gehabt und habe nichts vorweisen können. Dann habe ihr die Polizei gesagt, sie solle nächstes Mal wiederkommen. Es sei ihr nicht so gut gegangen und sie habe auch keine Hilfe bekommen. Daher habe sie beschlossen das Land zu verlassen. Der Grund, warum die Dame sie hinausgeworfen habe, sei, dass sie keine Unterlagen mehr gehabt habe und sie schwanger gewesen sei. Sie glaube die Dame habe sie im Mai nach ca. fünf Monaten hinausgeworfen.

Die Erstbeschwerdeführerin führte sodann aus, dass sie nun wisse, wo sich ihr Mann befinde. Seinen Aufenthaltsstatus kenne sie allerdings nicht. Er sei legal in Österreich und arbeite auch hier. Sie hätten sich im Dezember 2018 in Italien kennen gelernt. Er sei zufällig in Italien gewesen, sie hätten sich auf dem Markt getroffen und Nummern ausgetauscht. Sie hätten sich dann mehrmals getroffen. Nach einem Monat habe er zu ihrer Familie Kontakt aufgenommen und sie hätten sich entschlossen zu heiraten. Die Verlobung habe in Somalia stattgefunden durch die Eltern. Somit sei nach islamischen Recht die Verlobung und Heirat zustande gekommen. Nachgefragt, ob sie nun verlobt oder auch verheiratet sei, erklärte die Erstbeschwerdeführerin auch verheiratet zu sein. Die Verlobung und Heirat habe im Jänner 2019 stattgefunden. Ihr Ehemann habe sie nicht mit nach Österreich genommen, da sie damals auf die Unterlagen gewartet habe. Sie habe einen Schlafplatz gehabt, wo sie Essen bekommen habe. Sie habe ihre Karte bekommen und dann sei sie schwanger geworden, habe alles verloren und habe die Unterkunft verlassen müssen. Auch diese Dame habe sie dann rausgeschmissen. Sie glaube, dass ihr Mann eine Heiratsurkunde besitze. Ihr Telefon sei nicht auffindbar gewesen, deshalb habe sie ihren Mann nicht anrufen können. Als sie in Österreich in der Unterkunft gewesen sei, habe sie somalischen Asylwerbern in diesem Quartier mitgeteilt, wie der Name ihres Mannes laute und wie lange er schon in Österreich lebe. Diese hätten ihr bei der Suche geholfen und sie habe die Telefonnummer ihres Mannes ausfindig machen können. Das Handy habe sie in Österreich gekauft. Ihren Mann habe sie nicht gesehen seit sie in Österreich sei, da er ja arbeite und sie nicht reisen dürfen.

Nachgefragt, ob sie von ihrem Mann unterstützt werde, bejahte dies die Erstbeschwerdeführerin. Er habe keine Zeit gehabt, aber er habe ihr einen Freund geschickt, der ihr eine finanzielle Unterstützung gebracht habe. Sie habe einmal Kleidung bekommen und EUR 150,-. In Österreich befinde sie sich in Grundversorgung und habe einmal EUR 40,- Taschengeld erhalten. Außer ihrem Mann habe sie niemanden in Österreich.

Sie wolle nicht zurück nach Italien, da sie da niemanden habe. Sie habe auch keine Unterkunft. Die Polizei in Italien habe ihr nur einen Termin gegeben, wann sie wiederkommen solle, aber Unterlagen seien ihre keine ausgefolgt worden.

Die Erstbeschwerdeführerin legte ihren Mutter-Kind-Pass vor.

Mit Schreiben vom 15.10.2019 langte beim BFA eine Passkopie, Lohnzettel sowie eine Kopie des Meldezettels und des Bescheides des in Österreich subsidiär schutzberechtigten Mannes der Erstbeschwerdeführerin ein. Ausgeführt wurde zudem, dass auch der Mann nicht im Besitz einer Heiratsurkunde sei.

Mit Bescheid vom 25.10.2019 wurde der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die Erstbeschwerdeführerin nach Italien zurückzubegeben habe (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde der Erstbeschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der Erstbeschwerdeführerin nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Festgestellt wurde, dass die Erstbeschwerdeführerin in Italien bereits einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht habe und ihr in Italien internationaler Schutz gewährt worden sei und ihr eine Aufenthaltsgenehmigung bis XXXX 2023 ausgestellt worden sei.

Mit Schriftstück vom 05.11.2019 wurde gegen den Bescheid Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin hochschwanger sei und sie mit ihrem Ehemann ihr erstes gemeinsames Kind erwarte. Als Schwangere gehöre die Erstbeschwerdeführerin zu den besonders schutzbedürftigen Personen im Sinne des Art. 21 Aufnahmerichtlinie. Es bestehe nach summarischer Prüfung erhebliche Zweifel daran, dass Schwangere und Familien mit Kleinstkindern in Italien eine gesicherte Unterkunft erhalten würden, die die erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren für sie und das ungeborene Kind ausschließen würden und dass sichergestellt sei, dass die Familieneinheit nicht auseinandergerissen werde. Es drohe daher mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung.

Der Beschwerde beigelegt waren ein Lageplan eines Krankenhauses, eine Überweisung und eine Heiratsurkunde (in Englisch und Somalisch).

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.11.2019 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.12.2019 wurde der Beschwerde gem. §°21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben, da die belangte Behörde keine abschließende Beurteilung der behaupteten Beziehung der Erstbeschwerdeführerin zum in Österreich lebenden somalischen Staatsbürger, der angeblich der Vater ihres Kindes ist, vorgenommen und somit das Privat- und Familienleben der Erstbeschwerdeführerin nicht abschließend beurteilt hat, um eine Grundlage für ihre Entscheidung zu schaffen.

Am XXXX wurde der Zweitbeschwerdeführer in Österreich geboren.

Im Akt des Zweitbeschwerdeführers befindet sich ein Neugeborenenbericht und ein Entlassungsschein vom XXXX 2019 sowie ein Immunhämatologischer Mutter-Kind-Befund, datiert mit XXXX 2019 , eine Meldebestätigung und eine Kopie des Mutter-Kind-Passes.

Mit Schreiben vom 09.12.2019 stellte die Erstbeschwerdeführerin einen Asylantrag für den Zweitbeschwerdeführer.

Mit Schriftstück vom 15.01.2020 wurde vorgebracht, dass die Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführer und der Kindsvater im gemeinsamen Haushalt leben würden. Dem Zeitbeschwerdeführer würde aufgrund der Tatsache, dass der Kindesvater subsidiär Schutzberechtigt sei, der gleiche Status zukommen. Die Kindesmutter, die in Italien nach den erstinstanzlichen Ausführungen eine italienische Aufenthaltsberechtigung zustehe, auszuweisen, wäre im Hinblick auf den Status des gemeinsamen Kindes unzulässig. Beigelegt waren die Meldezettel der Beschwerdeführer und die Geburtsurkunde des Zweitbeschwerdeführers.

Die österreichische Dublinbehörde leitete am 16.01.2020 mit Informationsersuchen gem. Art.°34 Dublin III-VO der italienischen Dublinbehörde die Geburtsurkunde des Zweitbeschwerdeführers weiter.

Im Antwortschreiben der italienischen Dublinbehörde vom 11.02.2020 wurde mitgeteilt, dass dem Zweitbeschwerdeführer in Italien derselbe Schutzstatus wie der Erstbeschwerdeführerin zukommt (…“the new born child has the same international protection as the mother“…).

Am 03.03.2020 wurde die Erstbeschwerdeführerin erneut vor dem BFA niederschriftlich einvernommen und gab hierbei an, dass der Zweitbeschwerdeführer ihr Sohn sei und dass ihre Angaben auch für ihn gelten würden. Sie sei gesund, die Geburt sei eine Spontangeburt gewesen. Ebenso sei ihr Sohn gesund und habe keine Erkrankungen. Sie wolle nicht nach Italien, sondern bei ihrem Mann in Österreich bleiben und ihr gemeinsames Familienleben hier fortführen. Ihr Mann arbeite und unterstütze sie. Sie lebe bei ihrem Mann und bekomme keine Hilfe von der Behörde. Sie hätten sich in Italien kennen gelernt. Die Heirat habe in Somalia durch Vertretung stattgefunden. Wann genau sie sich kennen gelernt hätten, wisse sie nicht, geheiratet hätten sie im XXXX 2018. Sie habe sowohl Unterlagen als auch Videos diesbezüglich. Auf dem Video sehe man, wie die Hochzeit, in Vertretung der Eltern, da sie ja nicht dort gewesen wären, stattgefunden habe. Am Tag der Hochzeit sei sie in Italien gewesen und ihr Mann in Österreich.

Zu Italien führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass die Behörde in Italien sage, dass alle Asylsuchende die gleichen Rechte wie die Italiener bekommen würden, in der Praxis sei das aber anders. Sie habe schon Unterstützung von der italienischen Behörde bekommen, ihr sei diese Karte aber gestohlen worden. In Italien bekomme man keine Hilfe, wenn man zu der Behörde gehe. Alleine habe sie dort nicht mehr richtig leben können, wie solle sie mit einem Säugling dort leben können. Die Leute würden auf der Straße schlafen, sie hätte Italien nicht verlassen, wenn sie dort Hilfe bekommen hätte.

Die Erstbeschwerdeführerin legte folgende Unterlagen vor:

-        Meldebestätigung

-        Vaterschaftsanerkennung vom XXXX 2019

-        Mietvertrag

Mit E-Mail vom 26.03.2020 wurde eine Kopie der bereits vorgelegten „Heiratsurkunde“ vorgelegt.

2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des BFA vom 05.05.2020 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die Beschwerdeführer nach Italien zurückzubegeben hätten (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zur Lage in Italien traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert durch das Bundesverwaltungsgericht):

Versorgung

Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) gibt es auch weitgehende Änderungen im Unterbringungssystem. Das bisherige System (CARA als Erstaufnahme, SPRAR als kommunal organisierte Unterbringung und Integration für Asylwerber und Schutzberechtigte, CAS als Notmaßnahme für Bootsflüchtlinge) wird völlig neu organisiert und nur noch zwischen einer Erstaufnahme und einer sekundären Versorgungsschiene unterschieden (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019).

Erstaufnahmeeinrichtungen („prima accoglienza“) werden CAS und CARA ersetzen. Zielgruppe dieser Einrichtungen sind Asylwerber (auch in einem Beschwerdeverfahren oder in Dublin-out-Verfahren bis zur Überstellung), ausdrücklich auch Dublin-Rückkehrer (VB 19.2.2019) und Vulnerable (mit Ausnahme von UMA) (SFH 8.5.2019). Fremde, die in Italien bereits einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, werden in jener Region untergebracht, in welcher der Antrag ursprünglich eingebracht wurde. In allen anderen Fällen ist jene Region zuständig, in der sich der Flughafen befindet, an dem der Fremde ankommt. Für diese Erstaufnahmeeinrichtungen wurden seitens des italienischen Innenministeriums neue Ausschreibungsspezifikationen ausgearbeitet, die bereits durch den italienischen Rechnungshof genehmigt und an die Präfekturen übermittelt wurden. Die Ausschreibung und staatliche Verwaltung/Kontrolle der Einrichtungen obliegt nach wie vor den Präfekturen. Seitens des italienischen Innenministers wurde betont, dass die Einhaltung sämtlicher europarechtlicher Bestimmungen (hier insbesondere die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU) unter Wahrung der menschlichen Würde jedenfalls sichergestellt ist. Herkunft, religiöse Überzeugung, Gesundheitszustand, Vulnerabilität sowie die Familieneinheit finden Berücksichtigung. Bei den Kernleistungen (Sozialbetreuung, Information, soziokulturelle Mediation, sanitäre Einrichtungen sowie Startpaket, Taschengeld und Telefonkarte) soll es zu keiner Kürzung oder Streichung kommen. Integrationsmaßnahmen werden im neuen System nur noch Schutzberechtigten zukommen. Bei den Ausschreibungsspezifikationen wird zwischen kollektiven und individuellen (z.B. Selbstversorger) Unterbringungsplätzen unterschieden. Die Versorgung sieht unter anderem folgende Leistungen vor:

- Unterbringung, Verpflegung

- Sozialbetreuung, Information, linguistisch-kulturelle Mediation

- notwendige Transporte

- medizinische Betreuung: Erstuntersuchung, ärztliche Betreuung in den Zentren zusätzlich zum allgemeinen Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst

- Hygieneprodukte

- Wäschedienst oder Waschprodukte

- Erstpaket (Kleidung, Bettzeug, Telefonkarte)

- Taschengeld (€ 2,50/Tag/Person bis zu € 7,50/Tag für eine Kernfamilie)

- Schulbedarf

- usw.

Nach Auskunft des italienischen Innenministeriums sind Plätze für Familien sowie allein reisende Frauen (mit Kindern) vorgesehen. In den Spezifikationen sind Personalschlüssel, Reinigungsintervalle, Melde- und Aufzeichnungsverpflichtungen des Betreibers in Bezug auf Leistungen an die Bewohner, An-/Abwesenheiten etc. festgelegt. Die Präfekturen sind zu regelmäßigen, unangekündigten Kontrollen berechtigt und verpflichtet (VB 19.2.2019).

Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für die Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (Italienisch-Kurse, Orientierungskurse, Berufsausbildungen oder Freizeitaktivitäten). Ebenso eingespart wird psychologische Betreuung, welche nur noch in Hotspots und Schubhaftzentren verfügbar ist. Rechtsberatung und kulturelle Mediation werden reduziert (AIDA 4.2019; vgl. SFH 8.5.2019).

Die sekundären Aufnahmeeinrichtungen (früher SPRAR) heißen ab sofort SIPROIMI („Sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e per minori stranieri non accompagnati“ – Schutzsystem für international Schutzberechtigte und unbegleitete minderjährige Fremde). Asylwerber, mit Ausnahme unbegleiteter Minderjähriger, haben dort keinen Zugang mehr (AIDA 4.2019). SIPROIMI stehen nur noch Personen mit internationalem Schutz, unbegleiteten Minderjährigen, sowie Personen zur Verfügung, die nach der neuen Rechtslage einen Aufenthaltstitel wegen besonders berücksichtigungswürdiger Umstände haben („neue“ humanitäre Titel; siehe dazu mehr in Abschnitt 7. „Schutzberechtigte“, Anm.). In diesen Einrichtungen werden zusätzlich zu den oben beschrieben Leistungen auch Maßnahmen mit dem Ziel einer umfassenden Integration (Gesellschaft, Arbeitsmarkt, Sprache, etc.) geboten (VB 19.2.2019).

Nur diejenigen asylsuchenden Personen und Inhaber eines humanitären Status, denen vor dem 4. Oktober 2018 ein Platz in einem SPRAR-Zentrum zugesagt wurde, werden noch in einem SPRAR-Zentrum untergebracht (SFH 8.5.2019). Personen mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich mit Stichtag 05.10.2018 noch in einem SPRAR/SIPROIMI befanden, können dort für den vorgesehenen Zeitraum bzw. bis zum Ende des Projektzeitraumes weiterhin bleiben. Jene Fremde mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich noch in einer Erstaufnahmeeinrichtung befinden, verbleiben dort so lange, bis ihnen von der Quästur der Aufenthaltstitel („permesso di soggiorno“) übergeben wurde und werden danach aus dem Aufnahmesystem entlassen (VB 19.2.2019).

In den letzten Jahren war das italienische Aufnahmesystem angesichts der zahlreichen Anlandungen von Migranten von Überforderung und dem Versuch geprägt, möglichst viele Unterbringungsplätze in möglichst kurzer Zeit zu schaffen. Dabei entstanden verschiedene Arten von Unterbringungszentren auf Projektbasis in Gemeinden, Regionen und zentraler Ebene mit nur grob festgelegt Zielgruppen. Mit der Neustrukturierung wurde ein differenziertes Aufnahmesystem geschaffen, das auch der Kritik des italienischen Rechnungshofes Rechnung trägt, der die undifferenzierte Unterbringung bzw. Erbringung insbesondere von kostspieligen Integrationsmaßnahmen an Migranten ohne dauerhaften Aufenthaltstitel bemängelt hat. So werden Asylwerber zukünftig in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Personen mit Schutzstatus bzw. einer der neuen Formen des humanitären Schutzes sowie allein reisende Minderjährige erhalten Zugang zu den sekundären Aufnahmeeinrichtungen, in denen zusätzlich integrative Leistungen angeboten werden (VB 19.2.2019). Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Durch die neuen Vergabekriterien wurde auch auf den Vorwurf reagiert, dass die Aufnahmeeinrichtungen außerhalb des SPRAR keine einheitlichen Standards sicherstellen. Durch die Staffelung der Strukturen nach Unterbringungsplätzen mit entsprechend angepasstem Personalstand und Serviceleistungen kann seitens der Präfekturen im Rahmen der Vergabeverfahren auf den Bedarf und die Gegebenheiten vor Ort im jeweiligen Fall eingegangen werden, wodurch sich die Kosten von € 35/Person/Tag auf € 21/Person/Tag senken sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019). Dass eine solche Restrukturierung ohne Einbußen bei der Qualität oder dem Leistungsangebot (so der Vorwurf bzw. die Befürchtung der Kritiker) machbar ist, scheint angesichts der vorliegenden Unterlagen aus Sicht des VB nachvollziehbar (VB 19.2.2019). Kritiker meinen hingegen, die neuen Vorgaben würden zu einem Abbau von Personal in den Unterbringungseinrichtungen und zur Reduzierung der gebotenen Leistungen führen. Kleinere Zentren würden unwirtschaftlich und zur Schließung gezwungen, stattdessen würden größere, kostensenkende Kollektivzentren geschaffen (SFH 8.5.2019).

Asylwerber dürfen zwei Monate nach Antragstellung legal arbeiten (AIDA 4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). In der Praxis haben Asylwerber jedoch Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt, etwa durch Verzögerungen bei der Registrierung ihrer Asylanträge (die damit einhergehende Aufenthaltserlaubnis ist für den Zugang zum Arbeitsmarkt wichtig), oder durch die anhaltende Wirtschaftskrise, die Sprachbarriere, oder die geografische Abgelegenheit der Unterbringungszentren usw. (AIDA 4.2019).

Es gibt Berichte über Diskriminierung und Ausbeutung von Migranten durch Arbeitgeber. Die hohe Arbeitslosigkeit schmälert die Chancen von Migranten auf legale Anstellung (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 19.9.2019

- SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff 25.9.2019

- USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004308.html, Zugriff 23.9.2019

- VB des BM.I Italien (19.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail

Schutzberechtigte

Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung für fünf Jahre. Um die Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, brauchen die Schutzberechtigten eine Meldeadresse, was manchmal ein Problem sein kann. Manche, aber nicht alle Questuras akzeptieren bei wohnungslosen Schutzberechtigten die Adresse einer Hilfsorganisation als Meldeadresse. Verlängerungen des Aufenthalts müssen postalisch beantragt werden. Dies kann mehrere Monate in Anspruch nehmen (AIDA 4.2019).

Mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018; auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt), wurde der humanitäre Schutz weitgehen umgestaltet. Letzterer wurde zuvor für die Dauer von zwei Jahren gewährt, wenn „besondere Gründe“, insbesondere „humanitären Charakters“, vorlagen. Zwischen 2014 und 2018 war der humanitäre Schutz die häufigste in Italien zuerkannte Schutzform. Nach der neuen Rechtslage ist der Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen an eine restriktive und vor allem taxative Liste von Gründen gebunden, aus denen eine befristete Aufenthaltserlaubnis (unterschiedlicher Dauer) erteilt werden kann:

1.       für medizinische Behandlung („cure mediche“) (1 Jahr gültig; verlängerbar);

2.       Spezialfälle („casi speciali“ ):

a)       für Opfer von Gewalt oder schwerer Ausbeutung

b)       Für Opfer häuslicher Gewalt (1 Jahr gültig);

c)       bei außergewöhnlichen Katastrophen im Herkunftsland (6 Monate gültig; verlängerbar);

d)       in Fällen besonderer Ausbeutung eines ausländischen Arbeitnehmers, der eine Beschwerde eingereicht hat und an einem Strafverfahren gegen den Arbeitgeber mitwirkt;

e)       bei Handlungen von besonderem zivilem Wert (zu genehmigen vom Innenminister auf Vorschlag des zuständigen Präfekten) (2 Jahre gültig; verlängerbar);

f)       wenn zwar kein Schutz gewährt wurde, der Antragsteller aber faktisch nicht außer Landes gebracht werden kann („protezione speciale“ = non-refoulement).

Die Territorialkommissionen der nationalen Asylbehörde sind nach der neuen Rechtslage nicht mehr für die Prüfung der humanitären Gründe zuständig. Wenn kein Asylstatus oder subsidiärer Schutz zuerkannt wird, prüfen sie nur noch, ob Gründe gegen eine Ausweisung vorliegen. Ist das der Fall, leiten sie dies an die Quästuren weiter, welche für die Prüfung der humanitären Gründe zuständig sind. Begründet wurde dieser Schritt damit, dass ein zu weiter Ermessensspielraum in der Vergangenheit zu einem Ausufern der humanitären Aufenthaltstitel geführt hat (rund 40.000 in den letzten drei Jahren), jedoch zumeist ohne dass eine soziale und berufliche Eingliederung der Betroffenen stattgefunden hätte (VB 22.2.2019).

Es kommt jedoch zu keiner Aberkennung bestehender humanitärer Titel. Diejenigen, die bereits einen (alten) Titel aus humanitären Gründen zuerkannt bekommen haben, können weiterhin alle damit verbundenen Ansprüche geltend machen. Abgelaufene (alte) Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen, werden jedoch nicht erneuert (VB 22.2.2019) und können auch durch rechtzeitigen Antrag nicht mehr verlängert werden. Sie können jedoch bei rechtzeitiger Antragstellung und Erfüllung der Voraussetzungen, in einen anderen Titel umgewandelt werden, etwa Aufenthaltstitel für Arbeit, Familienzusammenführung, etc. oder in einen humanitären Titel neuer Rechtslage (VB 25.2.2019; vgl. AIDA 4.2019). Ansonsten läuft der Titel ab und der Aufenthalt in Italien ist nicht mehr rechtmäßig (VB 22.2.2019).

Nach frühestens fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts besteht für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, einen langfristigen Aufenthalt zu erhalten. Anträge auf Familienzusammenführung sind für Schutzberechtigte ohne Zeitlimit möglich. Schutzberechtigte dürfen sich frei im Land niederlassen, wenn sie sich selbst erhalten können. Asylwerber haben nach Zuerkennung von internationalem Schutz Zugang zu den Unterbringungseinrichtungen der 2. Stufe (SIPROIMI). Nähere Bestimmungen für diesen Übergang fehlen allerdings. Ein Verbleib in einer Erstaufnahmeeinrichtung oder im CAS ist für Schutzberechtigte nicht vorgesehenen, kann aber je nach Zentrum für einen Tag bis hin zu mehreren Monaten gewährt werden. Die diesbezügliche Praxis ist entsprechend unterschiedlich (AIDA 4.2019).

SIPROIMI (Sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e minori stranieri non accompagnati)

Diese Einrichtungen zur Unterbringung von Schutzberechtigten (und unbegleiteten Minderjährigen) sind der Nachfolger des vormaligen SPRAR-Systems. Es besteht mehr oder weniger aus denselben öffentlich finanzierten, kleinteiligen, dezentral organisierten und von lokalen Behörden und NGOs betriebenen Unterbringungseinrichtungen, welche auch Unterstützung und Integrationsmaßnahmen bieten. Es gibt mit Stand Jänner 2019 875 Einzelprojekte mit insgesamt 35.650 Plätzen (davon 3.730 Plätze in 155 Projekten für unbegleitete Minderjährige und 704 Plätze in 49 Projekten für psychisch beeinträchtigte Personen). International Schutzberechtigte können dort für sechs Monate ab Statuszuerkennung bleiben (AIDA 4.2019; vgl. SFH 8.5.2019). In diesen Einrichtungen werden zusätzlich zu den Leistungen der Erstaufnahme auch Maßnahmen mit dem Ziel einer umfassenden Integration (Gesellschaft, Arbeitsmarkt, Sprache, etc.) geboten (VB 19.2.2019).

Rechtlich haben anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte Zugang zu Sozialwohnungen, zum Arbeitsmarkt und zu Sozialleistungen im selben Ausmaß wie italienische Staatsbürger. In manchen Regionen ist dieser Zugang an eine bestimmte ununterbrochene Mindestmeldezeit in der Region gebunden (z.B. fünf Jahre in Friaul) (AIDA 4.2019).

Manchmal ist es Asylwerbern und Flüchtlingen, die illegaler Arbeit nachgehen, besonders in großen Städten nicht möglich Wohnungen zu mieten. Oft leben sie unter schlechten Bedingungen in besetzten Gebäuden. Die Regierung unternimmt begrenzte Versuche, Flüchtlinge in die Gesellschaft zu integrieren (USDOS 13.3.2019).

Im Feber 2018 waren in ganz Italien geschätzt mindestens 10.000 Personen von der Unterbringung faktisch ausgeschlossen, darunter Asylwerber und Schutzberechtigte. Sie leben nicht selten in besetzen Gebäuden, von denen mittlerweile durch Involvierung von Regionen oder Gemeinden aber auch viele legalisiert wurden. Die NGO Baobab Experience betreibt in Rom ein informelles Migrantencamp und betreut nach eigenen Angaben eine steigende Zahl von Inhabern eines Schutztitels (MSF 8.2.2018).

Wie Asylwerber, müssen sich Personen mit einem Schutzstatus in Italien beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. Die Registrierung gilt für die Dauer der Aufenthaltsberechtigung und erlischt auch nicht in der Verlängerungsphase. Probleme beim Zugang zu medizinischer Versorgung für Schutzberechtigte können durch das Fehlen einer Meldeadresse entstehen. In einigen Regionen Italiens sind Schutzberechtigte nicht mehr von der Praxisgebühr („Ticket“) ausgenommen, während in anderen Regionen die Befreiung weiter gilt, bis die Schutzberechtigten einen Arbeitsplatz finden (AIDA 4.2019).

Schutzberechtigte müssen ihren Wohnsitz anmelden, um Zugang zu medizinischer Versorgung zu erhalten. Um dieses Recht auch in der Praxis durchzusetzen, brauchen sie aber oft die Hilfe von NGOs oder Rechtsbeiständen, da in den Ämtern die diesbezügliche Rechtslage oft nicht bekannt ist (SFH 8.5.2019).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 23.9.2019

- MSF – Médecins Sans Frontières (8.2.2018): “Out of sight” – Second edition, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424506.html, Zugriff 8.10.2019

- SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff 25.9.2019

- USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017: Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430262.html, Zugriff 24.9.2018

- VB des BM.I Italien (25.2.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

- VB des BM.I Italien (22.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail

- VB des BM.I Italien (19.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail

Begründend wurde ausgeführt, eine aufrechte Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und ihrem angeblichen Ehegatten habe nicht festgestellt werden können. Auch hätten keine existentiellen Abhängigkeiten festgestellt werden können. Eine Überstellung nach Italien stelle keinen unzulässigen Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Die Angaben der Erstbeschwerdeführerin zu Italien seien widersprüchlich und würden teilweise auch nicht den Tatsachen entsprechen. Wie den Länderinformationen zu Italien zu entnehmen sei, gebe es Einrichtungen zur Unterbringung von Schutzberechtigten in Italien.

3. Gegen die Bescheide des BFA erhoben die Beschwerdeführer durch ihre Vertretung rechtzeitig die vorliegende Beschwerde. Inhaltlich wurde auf das bereits erstattete Vorbringen verwiesen und abermals ausgeführt, die Behörde verkenne, dass der Zweitbeschwerdeführer der Sohn eines in Österreich subsidiär Schutzberechtigten sei. Da der unter einem Jahr alte Zweitbeschwerdeführer auf die Betreuung seiner Mutter und seines Vaters dringend angewiesen sei und der Vater in Österreich seinen Schutz genieße, sei die Ausweisung nach Italien unzulässig.

Mit Beschluss des BVwG vom 26.05.2020 wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers. Beide sind Staatsangehörige Somalias. Die Erstbeschwerdeführerin reiste über Äthiopien, Sudan und Libyen nach Italien. Hier stellte sie am 23.03.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Ihr wurde in Italien internationaler Schutz zuerkannt und eine Aufenthaltserlaubnis bis zum XXXX 2023 ausgestellt („…was granted the international protection in Italy and a residence permit for Asylum expiring on XXXX 2023…“).

Die Beschwerdeführerin hatte in Italien unter einer anderen Identität einen Asylantrag gestellt.

Nach einem über zweieinhalb Jahren dauernden Aufenthalt in Italien begab sich die Erstbeschwerdeführerin in das österreichische Bundesgebiet und stellte hier am 12.09.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am XXXX 2019 wurde der Zweitbeschwerdeführer in Österreich geboren. Ihm kommt in Italien derselbe Schutz zu wie der in Italien asylberechtigten Erstbeschwerdeführerin. Bei dem Vater des Zweitbeschwerdeführers handelt es sich um einen in Österreich subsidiär Schutzberechtigten somalischen Staatsangehörigen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin und der Vater des Zweitbeschwerdeführers eine in Österreich anerkannte Ehe eingegangen sind.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen der belangten Behörde zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Italien an. Festgestellt wird sohin, dass sich aus diesen Länderinformationen keine ausreichend begründeten Hinweise darauf ergeben, dass die Beschwerdeführer bei einer Überstellung nach Italien als Asylberechtigte in Italien in eine existenzielle Notlage geraten könnten und/oder ihnen der Zugang zu medizinischer Versorgung und/oder zum Arbeitsmarkt und/oder zu einer Sozialwohnung verwehrt werden würde. Daher ist aus Sicht der zuständigen Einzelrichterin betreffend die Lage von Asylberechtigten den Feststellungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid zu folgen.

Konkrete, in der Person der Beschwerdeführer gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Italien sprechen, liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Fall einer Überstellung nach Italien Gefahr liefen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Festgestellt wird, dass der italienische Staat für die Erstbeschwerdeführerin als in Italien Asylberechtigte hinreichende Versorgungsleistungen bietet und auch eine hinreichende Versorgung des Zweitbeschwerdeführer als ebenfalls in Italien Asylberechtigter gewährleistet ist.

Auch ist die medizinische Versorgung für Asylberechtigte in Italien gewährleistet. Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführer gesund sind und weder an körperlichen noch an psychischen Erkrankungen leiden, die einer Überstellung nach Italien aus gesundheitlichen Gründen entgegenstünden.

In Österreich befindet sich der Vater des Zweitbeschwerdeführers, dem in Österreich der subsidiäre Schutzstatus gewährt wurde. Die Beschwerdeführer leben mit diesem seit XXXX 2019 im gemeinsamen Haushalt. Festgestellt wird sohin, dass zwischen den Beschwerdeführern und dem Vater des Zweitbeschwerdeführers ein aufrechtes Familienleben besteht. Das Vorliegen eines finanziellen oder sonstigen intensiven Abhängigkeitsverhältnisses oder eine besondere Pflegebedürftigkeit der grundsätzlich gesunden Beschwerdeführer, die gemeinsam nach Italien überstellt werden, wird nicht festgestellt.

Im Antwortschreiben der italienischen Dublinbehörde vom 11.02.2020 wurde mitgeteilt, dass dem Zweitbeschwerdeführer in Italien derselbe Schutzstatus wie der Erstbeschwerdeführerin zukommt (…“the new born child has the same international protection as the mother“…).

Die Erstbeschwerdeführerin war in Österreich nie selbsterhaltungsfähig erwerbstätig. Sie bezieht Leistungen aus der Grundversorgung in Österreich. Sonstige Maßnahmen zur Integration können nicht festgestellt werden.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist notorisch:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gab es mit Stand 29.06.2020, 17.654 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 702 Todesfälle; in Italien wurden zu diesem Zeitpunkt 240.310 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen und wurden bisher 34.738 Todesfälle bestätigt, 188.891 werden als Genesene aufgelistet (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Abfrage vom 29.06.2020).

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf. Es liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, dass die grundsätzlich gesunden Beschwerdeführer einer Risikogruppe angehören.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich des Reisewegs der Erstbeschwerdeführerin sowie hinsichtlich der Asylantragstellung in Italien ergeben sich aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin und dem vorhandenen EURODAC-Treffer. Dass den Beschwerdeführern in Italien der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde und ihnen eine Aufenthaltsberechtigung ausgestellt wurde, ergibt sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der italienischen Dublin-Behörde, insbesondere aus dem Schreiben der italienischen Behörde vom 09.10.2019 und vom 11.02.2020; der diesbezügliche Schriftwechsel ist Teil der Verwaltungsakte.

Die Feststellungen zur Weiterreise nach Österreich und zu den gegenständlichen Anträgen ergeben sich aus dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin und dem Verwaltungsakt.

Die Gesamtsituation von Schutzberechtigten in Italien resultiert aus den Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Die belangte Behörde hat in ihrer Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgung von Schutzberechtigungen auch Feststellungen betreffend den Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Sozialleistungen und zur medizinischen Versorgung getroffen, die letztlich auch durch das im Verfahren erstattete Vorbringen hinsichtlich etwaiger negativ empfundener Vorerfahrungen in Italien nicht entkräftet werden konnten.

Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell, sie zeichnen allerdings - angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 - naturgemäß ein Bild der (medizinischen) Versorgung von Asylwerbern in Italien, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), die die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen sollen. Für den hier gegenständlichen Anwendungsbereich der Dublin III-VO bedeutet dies konkret, dass zahlreiche Mitgliedstaaten die Durchführung von Überstellungen temporär ausgesetzt haben bzw. keine sog. Dublin-Rückkehrer übernehmen, wobei die Mitgliedstaaten aufgrund der dynamischen Entwicklung der Situation im engen Austausch miteinander stehen, ebenso mit der Europäischen Kommission. Es ist davon auszugehen, dass Überstellungen erst dann wieder durchgeführt werden, wenn sich die Lage entspannt, sich die einzelnen Mitgliedstaaten wieder dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen und insofern insgesamt eine Situation eintritt, die mit jener vor Ausbruch der Pandemie vergleichbar ist.

Die skizzierten derzeit bestehenden Überstellungshindernisse sind aus jetziger Sicht - aller Wahrscheinlichkeit nach - zeitlich begrenzt; Zwar verkennt das Gericht nicht, dass Italien eines der Länder in Europa ist, das sehr stark von der COVID-19-Pandemie betroffen ist, bei Beobachtung der aktuellen Entwicklungen in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, zeichnet sich aber auch hier ein positiver Trend ab.

Die Feststellungen zu den derzeitigen Informationen betreffend COVID-19 sind amtsbekannt und der weltweiten Gesamtberichterstattung zu entnehmen. Die Feststellungen hinsichtlich der Anzahl der erkrankten und verstorbenen sowie genesenen Personen in Italien bzw. in Österreich stammen von der John Hopkins University & Medicine (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 29.06.2020).

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Heranziehung der Länderfeststellungen zu Italien nicht zu beanstanden; aufgrund der Annahme, dass dann - und nur dann - Überstellungen durchgeführt werden, wenn Italien für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards garantieren kann und die Länderfeststellungen insofern wieder volle Gültigkeit haben.

Dass der italienische Staat für die Erstbeschwerdeführerin nicht ausreichend gesorgt hat, lässt sich den teilweise widersprüchlichen Aussagen der Erstbeschwerdeführerin nicht entnehmen. Aus der Asylantragstellung in Italien im März 2017 und der Asylantragstellung in Österreich im September 2019 ergibt sich klar, dass die Erstbeschwerdeführerin zweieinhalb Jahre in Italien gewesen st, sie behauptete jedoch wiederholt lediglich ein Jahr in Italien gewesen zu sein. Sie behauptete, in Italien den Vater ihres Kindes im Dezember 2018 kennengelernt zu haben, diesen habe sie mehrmals getroffen und sie hätten, als er wieder in Österreich und sie in Italien gewesen sei über ihre in Somalia lebenden Eltern geheiratet. Im Widerspruch dazu, dass sie den Vater ihres Kindes im Dezember 2018 kennengelernt habe, steht die Behauptung der Erstbeschwerdeführerin, sie haben diesen im XXXX 2018 geheiratet. An anderer Stelle gab sie wiederum im Widerspruch dazu an, sie hätte den Vater ihres Kindes im Jänner 2019 geheiratet. Außerdem tätigte sie überaus widersprüchliche und unplausible Angaben, wonach sie ihren angeblichen Ehemann, dessen Aufenthaltsstatus und Alter ihr bei der Einreise nach Österreich auch nicht bekannt gewesen sei, suche, weil sie ihr Telefon und damit auch dessen Nummer verloren hätte. Aufgrund dieser zahlreichen Widersprüche und Ungereimtheiten werden die Angaben der Erstbeschwerdeführerin im höchsten Maße angezweifelt und können auch die vorgelegten Unterlagen über die behauptete Eheschließung keine brauchbaren Beweismittel darstellen.

Die Erstbeschwerdeführerin räumte selbst ein, dass sie während ihres Voraufenthalts in Italien in zwei unterschiedlichen Unterkünften untergebracht war. Den Angaben lässt sich auch entnehmen, dass die italienische Behörde auf den von der Erstbeschwerdeführerin gemeldeten Vorfall, wonach sie in der ersten Unterkunft krank wurde und ihr ihre Tasche sowie ihre Dokumente gestohlen wurden, sehr wohl reagiert hätten. Wie die Erstbeschwerdeführerin selbst angab (vgl. AS 143) hat sie eine Dame bei sich zu Hause aufgenommen. Daraus ergibt die Annahme, dass die Erstbeschwerdeführer - offensichtlich aus eigenem Willen - eine Privatunterkunft in Italien bezogen hat. Dass die Erstbeschwerdeführerin aufgrund ihrer Schwangerschaft ihre Unterkunft verlassen habe müssen bzw. sie keine Hilfe von der Behörde erhalten hätte, steht im Widerspruch zu den Länderberichten und ist mit ihren anderen Angaben nicht in Einklang zu bringen. So gab sie in der Einvernahme am 03.03.2020 an, dass sie sehr wohl Unterstützung von der italienischen Behörde bekommen habe (vgl. AS 413). Bezüglich des Diebstahls ihrer Tasche ist auszuführen, dass ihr die Anrufung von Sicherheitsbehörden und Gerichten auch in Italien offensteht. Es besteht kein Grund an der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des italienischen Staates zu zweifeln.

Die Erstbeschwerdeführerin gab zwar an, in Italien nie im Krankenhaus oder beim Arzt gewesen zu sein (vgl. AS 146), laut den Länderfeststellungen hat die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer in Italien, nach Registrierung beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst, dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. Auch sonst wurde nicht in glaubhafter substantiierter Weise vorgebracht, dass der Erstbeschwerdeführerin in Italien jemals medizinische Versorgung versagt worden wäre und ergeben sich dafür auch in den herangezogenen Länderberichten keinerlei Anhaltspunkte.

Auch sonst wurde von ihr kein Vorbringen erstattet, das geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die Feststellungen zu den familiären Anknüpfungspunkten der Beschwerdeführer im österreichischen Bundesgebiet ergeben sich insbesondere aus dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin und der vorgelegten Unterlagen, welche als „Heiratsurkunde“ getitelt werden. Wie die Erstbeschwerdeführerin selbst mehrmals angab, wurde sie in Abwesenheit durch ihre Eltern in Somalia verheiratet. Sie selbst befand sich zum Zeitpunkt der Eheschließung, wobei sie dazu wie bereits ausgeführt widersprüchliche Angaben tätigte, in Italien, ihr angegebener Ehemann hielt sich in Österreich auf (vgl. AS 145, 413). Unabhängig davon, dass eine Ehe in Abwesenheit beider Ehegatten in Österreich nicht anerkannt ist, widersprach sich die Erstbeschwerdeführerin zur „Ehe“ einige Male. So gab sie bei der niederschriftlichen Einvernahme am 11.10.2019 an, sich im Jänner 2019 verlobt und geheiratet zu haben (vgl. AS 145). Hingegen erklärte sie bei der Einvernahme am 03.03.2020 im XXXX 2018 geheiratet zu haben (vgl. AS 413). Nachgefragt, warum sie das so genau wisse, gab sie an, dass es in den Unterlagen stehe. Auch zum Kennenlernen tätigte die Erstbeschwerdeführerin widersprüchliche Angaben. In Summe kann durch die Behauptungen, welche überdies teilweise widersprüchlich sind, keine gültige Eheschließung der Erstbeschwerdeführerin und aufgrund der auch noch während der ersten Einvernahmen in Österreich hervorgekommenen Unkenntnis der Erstbeschwerdeführerin über den Aufenthaltsstatus und das Alter des Kindsvaters auch keine Beziehungsintensität vor Einreise der Erstbeschwerdeführerin nach Österreich festgestellt werden. Auch im Rahmen der Befragung vor dem BFA am 11. XXXX 2019 schilderte die Erstbeschwerdeführerin, welche bereits am 13. September 2019 in Österreich gegenständlichen Asylantrag gestellt hatte, dass sie ihren „Mann“ noch nicht gesehen habe seit sie in Österreich sei, dieser habe lediglich einen Freund zu ihre geschickt, um ihr Kleidung und Geld zu bringen. Ein gemeinsamer Haushalt mit dem Vater des am XXXX geborenen Zweitbeschwerdeführers scheint erst ab XXXX 2019 auf. Diese vorzitierten Punkte lassen jedenfalls an der Beziehungsintensität zwischen der Erstbeschwerdeführerin und dem Kindsvater – zumindest bevor der gemeinsame Haushalt im Dezember 2019 begründet wurde - hohe Zweifel aufkommen.

Nach dem österreichischen Ehegesetz ist eine nicht unter gleichzeitiger Anwesenheit beider Verlobten eingegangene Ehe gem. §§ 17 Abs. 1 und 21 Abs. 1 EheG nichtig, da die freie Zustimmung zur Eheschließung im Falle einer Stellvertretung nicht gewährleistet ist. Hieraus folgt aus § 6 IPRG, dass für den österreichischen Rechtsverkehr die von der Erstbeschwerdeführerin angeblich geschlossene Ehe in Abwesenheit ihres Lebensgefährten jedenfalls als ungültig zu qualifizieren ist.

Wenn in der Beschwerde behauptet wird, der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer hätte nicht gemäß § 4a AsylG zurückgewiesen werden dürfen, sondern hätte inhaltlich geprüft werden müssen, weil ein Familienverfahren mit dem in Österreich subsidiär Schutzberechtigten Vater des Zweitbeschwerdeführers zu führen sei, ist darauf zu verweisen, dass nach dem klaren Wortlaut des § 4a AsylG 2005 für die Beurteilung der Frage, ob ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß dieser Bestimmung als unzulässig zurückzuweisen ist, darauf abzustellen ist, ob dem Fremden in einem EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat (vgl. VwGH 24.1.2018, Ra 2016/01/0127 und 128, mwN). Der Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer in Italien über einen Asylstatus verfügen und damit in Italien Schutz vor Verfolgung gefunden haben, wird nicht in substantiierter Weise bestritten. Den Beschwerdeausführungen ist klar die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 04.03.2019, Ra 2019/14/0023, entgegenzuhalten, in welcher eindeutig festgestellt wurde, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4a AsylG 2005 - wie im gegenständlichen Fall - dieser Umstand ein Prozesshindernis für eine inhaltliche Behandlung des Antrages bzw. einer Sachentscheidung (auch) nach § 34 AsylG 2005 begründet. Das gilt auch, wenn bereits Familienangehörigen iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG in Österreich Schutz zuerkannt wurde. Weiters war in der vorzitierten Entscheidung des VwGH dargelegt worden, dass es sich bei der auf
§ 4a AsylG 2005 gestützten Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz um eine Entscheidung außerhalb des Anwendungsbereiches der Dublin III-Verordnung handelt (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0298 und 0299, mwN), weshalb die Übertragbarkeit der Judikatur zu Dublin-Verfahren auf "Fälle des § 4a AsylG 2005" nicht in Betracht komm

Dass der Zweitbeschwerdeführer das gemeinsame Kind der Erstbeschwerdeführerin und des in Österreich subsidiär Schutzberechtigten somalischen Lebensgefährten ist, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus der dazu vorgelegten Beurkundung der Vaterschaft vom XXXX 2019 und den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben der Erstbeschwerdeführerin.

Dass der Lebensgefährte der Erstbeschwerdeführerin in Österreich einen subsidiären Schutzstatus genießt, ergibt sich aus dem vorgelegten Bescheid vom 07.08.2019.

Das Vorliegen eines finanziellen oder sonstigen intensiven Abhängigkeitsverhältnisses oder eine besondere Pflegebedürftigkeit der grundsätzlich gesunden Beschwerdeführer, die gemeinsam nach Italien überstellt werden, wurde nicht dargelegt und ist nicht hervorgekommen. Dem aktuellen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem ist zu entnehmen, dass sich die Erstbeschwerdeführerin entgegen ihren Angaben, wonach sie behauptete, „nichts von den österreichischen Behörden zu erhalten“, sehr wohl Leistungen aus der Grundversorgung bezieht bzw. bezog und sie hat darauf jedenfalls Anspruch. Hinweise auf eine Integrationsverfestigung haben sich im Verfahren ebenso nicht ergeben.

Zur persönlichen Glaubwürdigkeit der Erstbeschwerdeführerin wird ausgeführt, dass bereits aufgrund des Umstandes, dass diese in Italien unter einer anderen Identität einen Asylantrag gestellt hatte, ihre Angaben – insbesondere auch zur behaupteten „Heirat“, zur Beziehung zum Kindesvater und zur Aufenthaltsdauer und den Verhältnissen in Italien - im höchsten Maße anzuzweifeln sind, weil die Erstbeschwerdeführerin durch ihr Verhalten zweifellos ihre Bereitschaft vor Behörden Falschangaben zu tätigen dargelegt hatte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:

"§ 4a Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat.

Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       …

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1.       wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.       zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.       wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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