TE Bvwg Beschluss 2020/6/29 W198 2200658-1

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Veröffentlicht am 29.06.2020
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Entscheidungsdatum

29.06.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
RATG §23
VwGVG §8a
ZPO §64

Spruch

W198 2200658-1/54Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über den Antrag vom 09.12.2019 von Rechtsanwalt XXXX auf Erstattung von Barauslagen und Fahrtkosten aus Amtsgeldern im Rahmen der im Verfahren Zl. W198 XXXX geleisteten Verfahrenshilfe:

A)              Dem Antrag wird stattgegeben und dem Rechtsanwalt XXXX antragsgemäß der Ersatz von Barauslagen und Fahrtkosten in Höhe von € 89,72 zugesprochen.

A)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Mit Beschluss vom 18.07.2019, Zl. W198 XXXX , gab das Bundesverwaltungsgericht einem Antrag von XXXX vom 02.06.2019 auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur weiteren Führung des Verfahrens im Rahmen der Beschwerde gegen den Bescheid des AMS, Mistelbach vom 30.03.2018, nach Beschwerdevorentscheidung vom 12.06.2018,
GZ: XXXX statt und bewilligte die Verfahrenshilfe.

Mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 19.07.2019 wurde der nunmehrige Antragsteller gemäß §§ 63, 64 ZPO iVm § 27 GeORAKNÖ in der Beschwerdesache von XXXX zum Vertreter bestellt.

Mit Erkenntnis vom 07.11.2019, Zl. W198 XXXX , sprach das Bundesverwaltungsgericht – nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 11.10.2020 und 30.10.2020, bei der der nunmehrige Antragsteller als Vertreter des Beschwerdeführers anwesend war – aus, dass der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung vom 12.06.2018 behoben wird.

Mit E-Mail vom 20.01.2020 stellte der Antragsteller den Antrag, näher bezeichnete Barauslagen und Fahrtkosten gemäß § 393 Abs. 2 StPO bzw. § 64 Abs. 1 Z 1 lit f ZPO vorläufig aus Amtsgeldern zu berichtigen und ihm auf sein angeführtes Konto zu überweisen. Konkret führte er zwei Fahrtkosten in Höhe von insgesamt € 89,72 (€ 44,86 für eine Strecke von seiner Kanzlei zum Bundesverwaltungsgericht; hin und retour) an.

Dieser Antrag wurde im Wege der Hauspost zur weiteren Veranlassung zurückgestellt. Nach vorgenommener Prüfung ergab sich keine Zuständigkeit des Geschäftsbereichs Verrechnungsstelle (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 30.01.2006, Zl. 2004/09/0136).

Am 24.06.2020 legte der Antragsteller neuerlich den Antrag vom 09.12.2019 vor, da dieser keinen Betragseingang vorgefunden hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Zuspruch der Barauslagen und Fahrtkosten

§ 8a VwGVG lautet auszugsweise:

Verfahrenshilfe

§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

[…]

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.

§ 64 ZPO lautet auszugsweise:

(1) Die Verfahrenshilfe kann für einen bestimmten Rechtsstreit und ein nach Abschluß des Rechtsstreits eingeleitetes Vollstreckungsverfahren die folgenden Begünstigungen umfassen:

1. die einstweilige Befreiung von der Entrichtung

[…]

f) der notwendigen Barauslagen, die von dem vom Gericht bestellten gesetzlichen Vertreter oder von dem der Partei beigegebenen Rechtsanwalt oder Vertreter gemacht worden sind;

diese umfassen jedenfalls auch notwendige Übersetzungs- und Dolmetschkosten; die unter den Buchstaben b bis e und die unter diesem Buchstaben genannten Kosten, Gebühren und Auslagen werden vorläufig aus Amtsgeldern berichtigt;

[…]

§ 23 RATG lautet auszugsweise:

Einheitssatz für Nebenleistungen

(1) Bei Entlohnung von Leistungen, die unter die Tarifposten 1, 2, 3, 4 oder 7 fallen, gebührt an Stelle aller unter die Tarifposten 5, 6 und 8 fallenden Nebenleistungen und an Stelle des Ersatzes für die Postgebühren im Inland ein Einheitssatz.

[…]

Tarifpost 9 des RATG lautet auszugsweise:

Bei Vornahme von Geschäften in gerichtlichen Verfahren außerhalb des Ortes, an dem sich die Kanzlei des Rechtsanwaltes befindet, gebühren außer der Entlohnung für die Vornahme des Geschäftes folgende Reisekosten und Entschädigung für Zeitversäumnis, wenn der Ort der Geschäftsvornahme vom Ort, an dem sich die Kanzlei des Rechtsanwaltes befindet, mehr als zwei Kilometer entfernt ist:

1. als Reisekosten

a) die Kosten der Beförderung mit einem Massenbeförderungsmittel (Eisenbahn, Straßenbahn, Autobus, Schiff, Flugzeug u. dgl.); einem Rechtsanwalt oder einem Rechtsanwaltsanwärter gebührt für Strecken, die er mit der Eisenbahn, mit einem Schiff oder mit einem Flugzeug zurücklegt, die Vergütung für die höchste, einem anderen Bediensteten des Rechtsanwaltes für die nächstniedrigere tatsächlich geführte Klasse;

b) sofern ein Massenbeförderungsmittel überhaupt oder ohne bedeutenden Zeitverlust nicht benützt werden kann, die Vergütung für ein Kraftfahrzeug (Wagen);

[…]

Im konkreten Fall bedeutet dies:

Gemäß § 8a Abs. 2 VwGVG sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe grundsätzlich nach den Vorschriften der ZPO zu beurteilen.

Der Verfahrenshelfer hat nur dann Anspruch auf Ersatz der Barauslagen, wenn der Partei die Begünstigung nach § 64 Abs. 1 Z 1 lit. f ZPO gewährt wurde (s. Klauser/Kodek, JN-ZPO18 §64 ZPO (Stand 1.9.2018, rdb.at) E 31., mwN).

Mit bundesverwaltungsgerichtlichem Beschluss vom 18.07.2019, Zl. W198 XXXX , wurde dem Beschwerdeführer XXXX Verfahrenshilfe zur weiteren Führung des Verfahrens im Rahmen seiner Beschwerde gegen den Bescheid des AMS, Mistelbach vom 30.03.2018, nach Beschwerdevorentscheidung vom 12.06.2018, GZ: XXXX , im vollem Umfang, welcher auch die Befreiung von der Entrichtung von notwendigen Barauslagen enthielt, bewilligt.

Klar erkennbarer Zweck von § 64 Abs. 1 Z 1 lit. f ZPO ist, dass sowohl die Partei, als auch insbesondere der ihr zur Verfahrenshilfe beigegebene Rechtsanwalt von der Tragung dieser Kosten (die Partei im Zivilverfahren jedenfalls einstweilen) befreit sein sollen (vgl. etwa AnwBl 1997/7307 mit Hinweisen auf die diesbezüglich ständige Rechtsprechung der Zivilgerichte). Der Verfahrenshelfer hat somit Anspruch auf Zuspruch der ihm erwachsenen Barauslagen einschließlich der Fahrtkosten (vgl. etwa explizit das OLG Wien vom 21.5.2002, Zl. 15R49/02i).

Diese – ständige – Rechtsprechung der Zivilgerichte zu § 64 Abs. 1 Z 1 lit f ZPO hat nach Auffassung des BVwG auch gegenständlich zur Anwendung zu gelangen, da § 8a Abs. 2 VwGVG hinsichtlich der Voraussetzungen und Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe explizit auf die ZPO verweist.

Nicht verkannt wird, dass der VwGH mit (einem einzigen) Erkenntnis vom 30.1.2006 – in Zusammenhang mit einer Verfahrenshilfe in Verwaltungsstrafsachen – ausgesprochen hat, dass der Verfahrenshelfer keinen Anspruch auf Ersatz von Barauslagen bzw. Fahrtkosten hat, zumal diese bereits mit dem Einheitssatz nach § 23 RATG abgegolten seien, sodass ein entsprechender Entlohnungsanspruch entfalle (VwGH vom 30.1.2006, Zl. 2004/09/0136). Allerdings erklären die Zivilgerichte eine derartige Auffassung in ständiger Rechtsprechung explizit für unzutreffend, vgl. etwa das OLG Wien vom 21.5.2002, Zl. 15R49/02i: „Gemäß § 23 Abs. 1 RATG gebührt dem Rechtsanwalt bei Entlohnung von Leistungen, die unter die TP 1, 2, 3, 4 oder 7 fallen, anstelle aller unter die TP 5, 6 und 8 fallenden Nebenleistungen und anstelle des Ersatzes für die Postgebühren im Inland ein Einheitssatz. Diese Vorschrift gilt jedoch, was das Erstgericht übersehen hat, im Verhältnis zwischen dem Mandanten und dem vereinbart wird) sowie bei der Bestimmung der vom Prozessgegner zu ersetzenden Kosten (§ 1 Abs. 2 RATG). Sie hat jedoch nichts mit der Frage der notwendigen Barauslagen des Verfahrenshelfers zu tun, welche nach § 64 Abs 1 Z 1 lit f ZPO vorläufig aus Amtsgeldern zu berichtigen sind. Als solche kommen auch solche Auslagen in Betracht, die nach § 23 Abs 1 RATG durch den Einheitssatz abgedeckt wären (AnwBl 1997/7307).“

Hält man sich vor Augen, dass der seinerzeit vom VwGH zu beurteilende § 51a VStG betreffend die Verfahrenshilfe keinerlei Verweis auf die ZPO enthielt, während hingegen nunmehr § 8a Abs. 2 VwGVG hinsichtlich der Voraussetzungen und Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe explizit auf die ZPO verweist, so kann hier nach Auffassung des BVwG nur die ständige Rechtsprechung der Zivilgerichte zu § 64 Abs. 1 Z 1 lit f ZPO maßgeblich sein.

Der Antragsteller hat somit dem Grunde nach Anspruch auf Ersatz seiner Barauslagen einschließlich Fahrtkosten.

Die von dem Antragsteller in seinem Antrag aufgelisteten Posten stellen Barauslagen dar.

Folglich ist dem Antrag des Antragstellers spruchgemäß stattzugeben und ihm der Ersatz von Barauslagen bzw. Fahrtkosten in Höhe von € 89,72 zuzusprechen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gem. Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist zulässig, da – wie dargestellt – zwar eine einheitliche Rechtsprechung der Zivilgerichte besteht, wonach aus § 64 Abs 1 Z 1 lit f ZPO abzuleiten ist, dass der Verfahrenshelfer den Ersatz der ihm erwachsenen Barauslagen einschließlich Fahrtkosten geltend machen kann, auch wenn diese nach § 23 Abs. 1 RATG durch den Einheitssatz abgedeckt wären. Allerdings hat der VwGH mit (einem einzigen) Erkenntnis vom 30.1.2006 – in Zusammenhang mit einer Verfahrenshilfe in Verwaltungsstrafsachen – ausgesprochen, dass der Verfahrenshelfer keinen Anspruch auf Ersatz von Barauslagen bzw. Fahrtkosten hat, zumal diese bereits mit dem Einheitssatz nach § 23 RATG abgegolten sind (VwGH vom 30.1.2006, Zl. 2004/09/0136). Durch den nunmehrigen ausdrücklichen Verweis des § 8a Abs. 2 VwGVG hinsichtlich der Voraussetzungen und Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe auf die ZPO ist nach Auffassung des BVwG zwar die Heranziehung der Rechtsprechung der Zivilgerichte naheliegend, allerdings fehlt diesbezüglich eine Rechtsprechung des VwGH.

Schlagworte

Barauslagen Fahrtkosten Verfahrenshelfer Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W198.2200658.1.00

Im RIS seit

30.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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