Index
19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der H in Wien, vertreten durch Dr. Manfred Pilgerstorfer, Rechtsanwalt in Wien I, Krugerstraße 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. August 1997, Zl. SD 699/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 29. August 1997 wurde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Laut Aktenlage sei die Beschwerdeführerin am 5. September 1995 mit einem Touristensichtvermerk, gültig bis 30. November 1995, in das Bundesgebiet eingereist. Da sie anschließend in Österreich geblieben sei, sei sie wegen unerlaubten Aufenthaltes rechtskräftig bestraft worden. Noch vor Ablauf des Touristensichtvermerkes habe die Beschwerdeführerin bei der österreichischen Botschaft in Budapest einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Da die Beschwerdeführerin über die Gültigkeitsdauer des Touristensichtvermerkes hinaus illegal in Österreich aufhältig sei und mit der Antragstellung nach dem Aufenthaltsgesetz für sie keine behördliche Bewilligung verbunden gewesen sei, sei die Voraussetzung des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG von der Erstbehörde zu Recht als gegeben angenommen worden. Weder in ihrer Stellungnahme vom 29. April 1997 noch in ihrer Berufung habe die Beschwerdeführerin dargetan, auf welche Grundlage sie die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes stützen könnte. Sie könne sich auch nicht mit Erfolg auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum berufen, wäre es doch in ihrer Verantwortung gelegen gewesen, sich die notwendige Kenntnis über die für sie maßgebenden fremdenrechtlichen Bestimmungen ihres Gastlandes zu verschaffen.
Was die Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG betreffe, so liege im Hinblick darauf, daß die Beschwerdeführerin mit einem in Österreich lebenden und arbeitenden türkischen Staatsangehörigen verheiratet sei, ein mit dieser Maßnahme verbundener Eingriff in ihr Privat- und Familienleben vor. Ungeachtet dessen sei die Ausweisung zulässig, komme doch den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen seien von der Beschwerdeführerin in gravierender Weise mißachtet worden. Ihr Aufenthalt in Österreich sei seit Ablauf des Touristensichtvermerkes, somit seit 1. Dezember 1995, unrechtmäßig. Im Wege eines Touristensichtvermerkes könne eine Familiengemeinschaft nicht zulässigerweise hergestellt werden. Dazu sei vor der Einreise vom Ausland aus um Erteilung einer "Erstaufenthaltsbewilligung" anzusuchen. Die Beschwerdeführerin habe demnach den Touristensichtvermerk mißbraucht, um bei ihrem Ehegatten zu leben. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, daß die gegenläufigen privaten und familiären Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise der Beschwerdeführerin. Bekräftigt werde dieses Abwägungsergebnis durch den Umstand, daß die Beschwerdeführerin rechtens nicht in der Lage sei, ihren Aufenthalt in Österreich von hier aus zu legalisieren.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde vor, sie sei in "unrichtiger rechtlicher Beurteilung des Sachverhaltes zu Unrecht zu der Auffassung gelangt, daß ich mich nicht rechtmäßig im Sinne des Fremdengesetzes in Österreich aufhalte". Als Verfahrensmangel macht die Beschwerde überdies geltend, die Behörde hätte ausführlich zu prüfen gehabt, ob sich die Beschwerdeführerin "tatsächlich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte". Sie habe der Behörde bekanntgegeben, daß sie am 27. Oktober 1995 bei der österreichischen Botschaft in Budapest einen Antrag auf Aufenthaltsbewilligung eingebracht hätte, über den noch nicht entschieden worden sei. Aufgrund dieses Umstandes sei ihr auch ein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet nicht bewußt gewesen. Daran vermöge die rechtskräftige Bestrafung durch die Verwaltungsstrafbehörde nichts zu ändern, weil die Beschwerdeführerin "in Unkenntnis der genauen Rechtslage diese Strafverfügung bezahlt habe, aber nach wie vor auf eine positive Erledigung meines Antrages gehofft habe".
1.2.1. Die Beschwerdeführerin hat die Feststellungen der belangten Behörde, daß sie mit einem bis 30. November 1995 gültig gewesenen Touristensichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist, im Anschluß daran hier geblieben und mit (am 19. September 1996) in Rechtskraft erwachsener Strafverfügung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes bestraft worden sei, nicht bestritten. Weiters steht außer Streit, daß sie am 27. Oktober 1995 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung eingebracht hat, über den bisher nicht entschieden worden ist. Schließlich stellt die Beschwerdeführerin nicht in Abrede, daß sie sich auch im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides in Österreich aufgehalten hat.
1.2.2. Auf dem Boden dieses maßgeblichen Sachverhaltes aber hegt der Gerichtshof gegen die Rechtsrichtigkeit der behördlichen Beurteilung, daß sich die Beschwerdeführerin nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und sich hier überdies auch in der Vergangenheit (nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihres Touristensichtvermerkes mit 30. November 1995) unrechtmäßig aufgehalten habe, keine Bedenken. Daran vermag die von der Beschwerde in der Sachverhaltsdarstellung aufgestellte, nicht näher spezifizierte Behauptung, daß sich die Beschwerdeführerin "seit 27. Oktober 1995 keineswegs ständig in Österreich (aufhalte)", nichts Wesentliches zu ändern, weil damit offensichtlich angesprochene kurzzeitige Auslandsaufenthalte weder zu einem Wegfall der für eine Ausweisung entscheidenden Voraussetzung des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG führen noch die aus dem Blickwinkel der nach § 19 FrG gebotenen Abwägung bedeutsame lange Dauer des unrechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in relevantem Ausmaß verkürzen würden. Was im übrigen die für ihren Standpunkt ins Treffen geführte Einbringung eines Aufenthaltsbewilligungsantrages und die angebliche Unkenntnis der Rechtslage in Ansehung des unerlaubten Aufenthaltes anlangt, so genügt der Hinweis darauf, daß einerseits die bloße Stellung eines solchen Antrages die fehlende Aufenthaltsberechtigung nicht zu ersetzen vermochte und es andererseits für die Qualifikation eines Aufenthaltes als unrechtmäßig als Voraussetzung für die administrativrechtliche Maßnahme der Ausweisung nicht darauf ankommt, ob dem Fremden die Unrechtmäßigkeit bewußt ist. Abgesehen davon mußte der Beschwerdeführerin aus der diesbezüglichen Strafverfügung - aus welchen Gründen sie diese in Rechtskraft hat erwachsen lassen, ist im gegebenen Zusammenhang unerheblich - die Rechtslage sehr wohl bewußt geworden sein; ungeachtet dessen hat sie ihren unerlaubten Aufenthalt (allenfalls mit kurfristigen Unterbrechungen) bis zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung fortgesetzt.
Vor diesem Hintergrund geht die Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte "entsprechende Erhebungen im Hinblick auf diese Umstände" pflegen müssen, ins Leere.
2.1. Die Beschwerde ist der Ansicht, daß die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele nicht dringend geboten sei. Die belangte Behörde habe völlig zu Unrecht die öffentlichen Interessen höher bewertet als die privaten Interessen der Beschwerdeführerin. Überdies sei der angefochtene Bescheid in dieser Hinsicht mangelhaft begründet.
2.2. Dieses Vorbringen ist verfehlt. Die belangte Behörde hat aufgrund des Aufenthaltes des Gatten der Beschwerdeführerin in Österreich - zutreffend - einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin i.S. des § 19 FrG angenommen. Sie hat aber - gleichfalls zutreffend - auf den hohen Stellenwert hingewiesen, welcher aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen durch die Normadressaten zukommt (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 97/18/0373, mwN), und weiters darauf, daß dieses maßgebliche öffentliche Interesse durch das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin gravierend beeinträchtigt worden ist. Wenn sie in Abwägung dieser einander gegenüberstehenden Interessen zu dem Ergebnis gelangt ist, daß dem maßgeblichen Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens der Vorrang einzuräumen sei, so kann dies angesichts der beachtlichen Dauer des unrechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin und der Fortsetzung des unerlaubten Aufenthaltes trotz rechtskräftiger Bestrafung (vgl. die Ausführungen oben II.1.2.2.) sowie des Fehlens der Möglichkeit, ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, nicht als rechtswidrig erkannt werden, zumal die gesamte Dauer ihres Aufenthaltes von lediglich zwei Jahren und eine daraus allenfalls ableitbare Integration nicht ein Ausmaß erreicht haben, das den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich erhebliches Gewicht verleihen könnte. Diese Gesichtspunkte sowie der Aufenthalt des Ehegatten der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet und die durch die Ausweisung bewirkte (vorübergehende) Unmöglichkeit eines Zusammenlebens in Österreich vermögen jedenfalls das gegenläufige öffentliche Interesse nicht in den Hintergrund zu drängen.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß der der belangten Behörde gemachte Beschwerdevorwurf mangelhafter Begründung des Abwägungsergebnisses nicht gerechtfertigt ist.
3. Da bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997180519.X00Im RIS seit
20.11.2000