TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/2 W278 2222964-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.07.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.07.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W278 2222964-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, alias StA. Marokko; alias XXXX , geb. XXXX , alias geb. XXXX , alias geb. XXXX , alias geb. XXXX , StA. Algerien; XXXX , geb. XXXX ; alias XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2019, Zl. XXXX und die Anhaltung in Schubhaft von 30.07.2019 bis 28.08.2019 zu Recht:

A)       

I.       Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG als unbegründet abgewiesen.

II.      Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

III.    Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF)

reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 05.01.2015, unter der Vorgabe algerischer Staatsangehöriger zu sein, einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Aktenvermerk vom 22.02.2016 wurde das Asylverfahren des BF gemäß § 24 Abs. 2 AsylG eingestellt, weil der Aufenthaltsort des BF nicht bekannt war. Laut Melderegister erfolgte eine Abmeldung von der bisherigen Meldeanschrift und bestand keine neue aufrechte Meldung.

Mit Bescheid vom

29.03.2016 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, ausgesprochen, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist, keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt, einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt und ein 10-jähriges Einreiseverbot erlassen.

Dieser Bescheid wurde dem BF nie ausgehändigt. Dieser wurde zwar in der Justizanstalt angenommen, aber nie an den BF ausgehändigt, weil er bereits aus der Haft entlassen wurde. Aufgrund dessen erging am 06.04.2018, ZI. XXXX , ein erneuter Bescheid mit inhaltlich identen Spruchpunkten. Die Beschwerde dagegen wurde mit Erkenntnis vom 18.05.2018, XXXX , mit der Maßgabe abgewiesen, dass der BF sein Aufenthaltsrecht ab dem 14.01.2016 verloren hat.

Der BF wurde am 23.05.2018 der algerischen Vertretungsbehörde in Wien vorgeführt, wobei es sich demnach bei ihm vermutlich um einen Algerier oder Marokkaner handle, weshalb Heimreisezertifikatsverfahren mit Algerien und Marokko eingeleitet wurden. Am 07.01.2019 erfolgte eine Ablehnung der algerischen Botschaft aufgrund unbekannter Daten des BF. Am 27.06.2019 gab die marokkanische Botschaft bekannt, dass der BF nicht identifiziert werden konnte.

Weitere Heimreisezertifikatverfahren wurden am 05.07.2019 mit Libyen und Tunesien eingeleitet.

Mit gegenständlichem Mandatsbescheid vom 30.07.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG Fluchtgefahr vorliege. Der BF sei untergetaucht und habe sich durch Verschleierung seiner Identität dem Verfahren entzogen. Der BF sei nicht vertrauenswürdig. Ein gelinderes Mittel könne aufgrund des Vorverhaltens des BF nicht angeordnet werden. Auf Grund seiner persönlichen Lebenssituation und auf Grund seines bisherigen Verhaltens bestehe ein beträchtliches Risiko des Untertauchens.

Der BF wurde am 28.08.2019 aus der Schubhaft aufgrund der Ungewissheit der Erlangung einer HRZ-Ausstellung entlassen.

Am 29.08.2019 erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 30.07.2019 und brachte im Wesentlichen vor, dass im gegenständlichen Fall der Sicherungszweck der Schubhaft nicht erreichbar sei. Die belangte Behörde habe HRZ-Verfahren mit verschiedenen Vertretungsbehörden eingeleitet, wobei es nach wie vor zu keiner Ausstellung eines HRZ gekommen sei. Obwohl der BF behaupte Algerier zu sein, habe die Behörde Verfahren zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes mit verschiedenen Vertretungsbehörden eingeleitet. Es müsse die Aussicht bestehen, dass die Erlangung eines HRZ innerhalb der Schubhafthöchstdauer möglich sei. Diese Perspektive sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Es sei Aufgabe der Behörde im Schubhaftbescheid darzulegen, aufgrund welcher Umstände die Erlangung eines HRZ aussichtsreich erscheine. Fragwürdig sei, warum die Behörde bei der tunesischen und libyschen Botschaft Verfahren zur Erlangung eines HRZ eingeleitet habe. Gerade der Umstand, dass mehrere Versuche der Ausstellung eines HRZ erfolglos gewesen seien, indiziere die Aussichtlosigkeit der Erlangung eines HRZ. Im Übrigen beherrsche der BF die deutsche Sprache sehr gut und habe zahlreiche Kontakte in Innsbruck geknüpft. Die strafrechtliche Verurteilung des BF stelle keinen Grund für die Annahme von Fluchtgefahr dar. Die belangte Behörde lege darüber hinaus nicht ausreichend dar, warum von der Verhängung eines gelinderen Mittels Abstand genommen wurde, dies wäre zur Erfüllung des angenommenen Sicherungszwecks ausreichend gewesen.

Die BF beantragte eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des BF durchzuführen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgte, im Rahmen einer Habeas Corpus Prüfung auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen, den Ersatz der Aufwendungen des BF gemäß VwG-Aufwandersatzverordnung und der Kommissionsgebühren und Barauslagen für die der BF aufzukommen hat, aufzuerlegen.

Das gegenständliche Verfahren wurde der Gerichtsabteilung W278 aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.04.2020 mit Wirksamkeit vom 24.04.2020 zugewiesen.

II. Feststellungen:

1. Zur Person der BF und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1.1. Der BF ist volljährig und kein österreichischer Staatsbürger. Seine Identität und Staatsangehörigkeit stehen nicht fest. Er ist weder in Österreich Asylberechtigter, Asylwerber noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.2. Zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung sowie während der gesamten Anhaltung in Schubhaft war der BF haftfähig und litt nicht an schwerwiegenden Krankheiten.

1.3. Der BF wurde von 30.07.2019 bis 28.08.2019 in Schubhaft angehalten. Am 06.08.2019 wurde der BF der Libyschen Botschaft vorgeführt, wo der BF nicht als libyscher Staatangehöriger identifiziert wurde. Am 07.08.2019 wurde betreffend einer weiteren Alias -Identität des BF bei der algerischen Botschaft erneut ein HRZ beantragt. Der BF wurde am 28.08.2019 aufgrund der Ungewissheit der Erlangung eines HRZ amtswegig aus der Schubhaft entlassen.

Die Anordnung der Schubhaft erfolgte mit Mandatsbescheid des BFA vom 30.07.2019 (nach vorhergehender Einvernahme des BF am selben Tag). Damit ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an.

1.4. Der BF verfügt über kein gültiges Reisedokument. Betreffend den BF wurden bei der algerischen, marokkanischen, libyschen und tunesischen Botschaft Heimreisezertifikate beantragt.

2. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr:

2.1. Der Beschwerdeführer reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein und stellte am 05.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des BFA vom 06.04.2018, gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 abgewiesen und mit dem gegen den BF eine Rückkehrentscheidung sowie ein 10-jähriges Einreiseverbot erlassen wurde. Mit Erkenntnis vom 18.05.2018, XXXX , wurde die gegen die Entscheidung des BFA erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen und erwuchs die Entscheidung sohin in Rechtskraft.

2.2. Zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft liegen mehrere rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen gegen den BF wegen §§ 127, 128 (1) Z. 5, 129 (1) Z. 1 und 2, 130 (2) StGB; § 83 (1), §§ 127, 128 (1) Z. 5, 129 (1) Z. 1, 15 StGB sowie §§ 15, 127 StGB und zahlreiche Verwaltungsübertretungen vor.

2.3. Der BF hat sich während seines Verfahrens als unkooperativ und nicht vertrauenswürdig erwiesen. Er verfügt über zahlreiche Alias-Identitäten, weshalb seine Identität und Staatsangehörigkeit nicht festgestellt werden können. Während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet kam der BF seiner Meldeverpflichtung nicht nach, lebte im Verborgenen und ist nicht ausreisewillig.

3. Familiäre und soziale Komponente:

Der BF war in Österreich nicht relevant integriert und konnte keine beruflichen und familiären Anknüpfungspunkte in Österreich darlegen oder gar nachweisen. Er ging im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, war daher nicht selbsterhaltungsfähig und verfügte über einen Bargeldbetrag von 397€. Er verfügte zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung über keine aufrechte Wohnsitzmeldung. Der BF verfügt über Freunde im Bundesgebiet. Der BF verfügt über keine ausreichende soziale Verankerung in Österreich, die ihn vom Untertauchen abhalten würden.

III. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes. Auch wurde Beweis durch Anfragen im Zentralen Melderegister, der Anhaltedatei des BMI, im Strafregister und in der GVS Datenbank genommen.

1.1. Die Identität des BF steht nicht fest, da er im Verfahren keine diesbezüglichen Dokumente vorgelegt hat. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Da der Antrag des BF auf internationalen Schutz rechtskräftig vollinhaltlich abgewiesen wurde, ist er auch nicht Asylberechtigter, Asylwerber oder subsidiär Schutzberechtigter.

1.2. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus seinen eigenen Angaben am 30.07.2019 vor dem BFA, wonach er Medikamente nehme, jedoch nicht vorbrachte an einer Erkrankung zu leiden (S. 2 des BFA-Prot.). Den Feststellungen zum Gesundheitszustand wurde in der Beschwerde im Übrigen nicht substantiiert entgegengetreten, sondern unterlässt der BF es, sich zu diesem Befund zu äußern.

1.3. Dass sich der BF von 30.07.2019 bis 28.08.2019 durchgehend in Schubhaft befand, ergibt sich aus der Anhaltedatei des BMI sowie dem Entlassungsbericht des BF vom 28.08.2019. Die Feststellungen zu den vom BFA durchgeführten HRZ Verfahren ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, siehe insbesondere AS 1721 ff.

1.4. Dass der BF über kein Reisedokument verfügt, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Dass Heimreisezertifikate für den BF bei verschiedenen Vertretungsbehörden beantragt wurden, ergibt sich aus ebenso aus dem Verwaltungsakt (insbesondere einem IFA-Auszug).

2.1. Dass der Beschwerdeführer in das österreichische Bundesgebiet einreiste und am 05.01.2015 Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt (insbesondere dem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister). Die Feststellungen zu dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.04.2018 und der bestätigenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.05.2018, ergeben sich aus den zitierten Entscheidungen.

2.2. Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF beruhen auf einem Strafregisterauszug der Republik Österreich. Die zahlreichen Verwaltungsübertretungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

2.3. Die mangelnde Vertrauenswürdigkeit und Kooperationsbereitschaft ergibt sich aus dem Vorverhalten des BF. Dass der BF über zahlreiche Alias-Identitäten verfügt, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Zuletzt gab er während seiner Einvernahme vor dem BFA am 30.07.2019 eine weitere Identität an (S. 2 des BFA-Prot.). Auf Nachfrage behauptete er, dass er seinen richtigen Namen angegeben habe, dieser sei lediglich falsch geschrieben worden. Dass der BF nicht aufrecht gemeldet war und daher im Verborgenen lebte, beruht auf einem ZMR-Auszug. Lediglich der Vollständigkeit halber darf angemerkt werden, dass sich die mangelnde Kooperationsbereitschaft und ein Untertauchen des BF auch aus einem Aktenvermerk vom 22.02.2016 ergibt, wonach das Asylverfahren des BF aufgrund unbekannten Aufenthaltsorts und Verletzung der Mitwirkungspflicht des BF eingestellt wurde. Seine Ausreiseunwilligkeit ergibt sich in Zusammenschau seines gesamten Verhaltens mit seiner Einvernahme am 30.07.2019, bei der er gegenüber dem BFA sagte: „Wohin soll ich denn gehen? Ich bin hier aufgewachsen. Ich habe die deutsche Sprache gelernt und ich spreche diese Sprache“ (S. 2 des BFA-Prot.). Damit bringt der BF erneut seine Ausreiseunwilligkeit zum Ausdruck.

3. Hinweise für das Bestehen von relevanten Bindungen auf beruflicher, sozialer oder familiärer Ebene in Österreich waren dem Verfahren nicht zu entnehmen. Ein darüberhinausgehendes Vorbringen findet sich auch in der Beschwerdeschrift nicht. Der Bargeldbetrag im Besitz des BF ist aus dem Eintrag in der Anhaltedatei ersichtlich. Dem wurde in der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegengetreten.

Die Ausführungen in der Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer die deutsche Sprache bereits sehr gut beherrsche und zahlreiche Kontakte in Innsbruck geknüpft habe, werden durch seine eigenen Angaben im Zuge der Einvernahme relativiert: Der BF bediente sich bei sämtlichen Einvernahmen, insbesondere zuletzt am 30.07.2019, eines Dolmetschers und gab selbst an er spreche „ein wenig Deutsch“ (S. 1 des BFA-Prot.). Es wurde mit der Beschwerde kein Nachweis über seine Deutschkenntnisse erbracht. Die sozialen Kontakte des BF haben ihn zuvor nicht vom Untertauchen abgehalten.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu Spruchteil A) - Spruchpunkt I. –Schubhaftbescheid und Anhaltung in Schubhaft:

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 FPG - Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, 2008/21/0647; 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301; 23.09.2010, 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, 2007/21/0512 und 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

3.1.3. Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und in Österreich weder Asylwerber, Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft über den Beschwerdeführer grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist.

3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Das erkennende Gericht geht ebenfalls von erheblicher Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

3.1.5. Das Bundesamt geht auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG vom Vorliegen einer Fluchtgefahr aus.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der Beschwerdeführer behindert durch die Verschleierung seiner Identität bzw. durch die Angabe mehrerer Alias-Identitäten das Verfahren zur Erlangung eines HRZ und erschwert damit zumindest seine Abschiebung wesentlich. Damit hat er den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe, der aufgrund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG, grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Da gegen den Beschwerdeführer eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt, ist in Zusammenschau mit seinem Vorverhalten der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG jedenfalls erfüllt.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. In Österreich befinden sich keine Familienangehörigen des BF, ein dichtes soziales Netz, das den BF vom abermaligen Untertauchen abhalten würde, liegt ebenfalls nicht vor. Der BF war behördlich nicht angemeldet und ist er in Österreich keiner Beschäftigung nachgegangen. Es liegen daher in einer Gesamtbetrachtung keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdeführer aufgrund des Grades seiner familiären, sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich einen so verfestigten Aufenthalt hat, um sich seiner Abschiebung nicht zu entziehen, weshalb der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 9 FPG ebenfalls erfüllt ist.

Dass beim Beschwerdeführer - wie in der Beschwerde behauptet – die Fluchtgefahr mangelhaft begründet ist, kann das Bundesverwaltungsgericht aufgrund obiger Erwägungen nicht erkennen. Auch den Ausführungen in der Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer die deutsche Sprache bereits sehr gut beherrsche und zahlreiche Kontakte in Innsbruck geknüpft habe, kann die hohe Fluchtgefahr nicht relativieren. Darüber hinaus wird in der Beschwerde kein weiteres Vorbringen für das Nichtvorliegen von Fluchtgefahr erstattet, weshalb den Feststellungen im Ergebnis nicht substantiiert entgegengetreten wurde.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist daher zu Recht vom Vorliegen einer Fluchtgefahr ausgegangen.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten und die Tatsache, dass der Beschwerdeführer in Österreich weder beruflich, noch familiär oder sozial verankert ist, als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des Beschwerdeführers ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben war.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid vom 06.04.2018 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung sowie ein 10-jähriges Einreiseverbot erlassen. Die Beschwerde dagegen wurde mit Erkenntnis vom 18.05.2018 abgewiesen, weshalb die Entscheidung in Rechtskraft erwachsen ist. Der BF lebte ohne aufrechte Meldung im Bundesgebiet im Verborgenen. Der BF verhielt sich durchgehend unkooperativ (s. dazu 2.3. in der Beweiswürdigung), indem er laufend falsche Angaben zu seiner Identität machte und über zahlreiche Alias-Identitäten verfügt. Beweismittel, die seine Identität bescheinigen und die Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes erleichtern, hat der BF nicht vorgelegt. Im Gegenteil, durch die Angabe verschiedenster Identitäten war es bisher nicht möglich für den BF ein HRZ zu erlangen. Wenn beschwerdeseitig vorgebracht wird, dass es Aufgabe der Behörde gewesen wäre im Schubhaftbescheid darzulegen, aufgrund welcher Umstände die Erlangung eines HRZ aussichtsreich erscheint und fragwürdig ist, warum die Behörde ein Verfahren zur Erlangung eines HRZ bei der tunesischen und libyschen Botschaft eingeleitet hat, ist dem entgegen zu halten, dass es alleine dem BF aufgrund seines Vorverhaltens zuzurechnen ist, dass einerseits mehrere HRZ Verfahren geführt werden müssen und andererseits, dass diese bis dato zu keinem Erfolg geführt haben. Zutreffend ist, dass nach Vorführung des BF vor die algerische Vertretungsbehörde, mitgeteilt wurde, dass es sich beim BF vermutlich um einen Algerier oder Marokkaner handelt, weshalb HRZ-Verfahren mit beiden Vertretungsbehörden eingeleitet wurden. Am 07.01.2019 erfolgte jedoch eine Ablehnung der algerischen Botschaft, weil die Daten des BF dort gänzlich unbekannt waren. Am 27.06.2019 erfolgte die Mitteilung der marokkanischen Botschaft, wonach der BF nicht identifiziert werden konnte, weshalb ebenso HRZ-Verfahren mit Tunesien und Libyen eingeleitet wurden. Im Rahmen gegenständlicher Anhaltung in Schubhaft wurde der BF der libyschen Vertretungsbehörde vorgeführt. Nach deren Bericht vom 06.08.2019 handelt es sich beim BF um keinen libyschen, sondern vermutlich um einen algerischen Staatsangehörigen, weshalb am 07.08.2019 unter der im gegenständlichen Verfahren neuen Alias-Identität des BF ein erneutes Verfahren zu Erlangung eines HRZ mit den algerischen Vertretungsbehörden eingeleitet wurde. Die belangte Behörde hat ihr Möglichstes unternommen, um schnellstmöglich ein HRZ für den BF zu erlangen. Das ist insbesondere daraus ersichtlich, dass es den BF sowohl mehreren Vertretungsbehörden vorgeführt hat, als auch HRZ bei mehreren Vertretungsbehörden beantragt hat. Demnach ist sehr wohl auch nachvollziehbar, dass die belangte Behörde HRZ-Verfahren mit Tunesien und Libyen eingeleitet hat, weil durch Algerien bereits eine Ablehnung erfolgte und weder die Staatsangehörigkeit, noch die Identität des BF feststeht. Der BF hat durch die Angabe zahlreicher verschiedener Identitäten das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats immer wieder selbstverschuldet verzögert und dadurch bis dato auch seine Abschiebung zumindest wesentlich erschwert. Dass HRZ Verfahren geführt werden müssen, ist ausschließlich der Sphäre des BF zuzurechnen. Aus seinem gesamten bisherigen Verhalten ist die fehlende Kooperationsbereitschaft und Ausreiseunwilligkeit zu ersehen. Dem Vorbringen in der Beschwerde, wonach mangels Aussicht eines HRZ davon auszugehen sei, dass der Sicherungszweck nicht erreichbar und die Schubhaft daher rechtswidrig sei, war nicht zu folgen. Zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft bis zum Zeitpunkt der amtswegigen Entlassung des BF, bestand die realistische Möglichkeit den BF nach positiver Identifizierung durch eine Vertretungsbehörde den BF – innerhalb der zulässigen Schubhafthöchstdauer – abzuschieben. Wie bereits oben aufgezeigt, liegen im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte für eine tiefgreifende Verankerung des Beschwerdeführers im Inland vor. Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, dass nach dem Judikat des VwGH vom 11.05.2017, 2016/21/0144, gerade der Umstand, dass bereits mehrere Versuche ein HRZ zu erlangen erfolglos waren, typischerweise die Aussichtlosigkeit der Erlangung eines HRZ indiziere, muss dem entgegengehalten werden, dass zitiertes Judikat Fälle betrifft in denen mehrfach erfolglos versucht wurde bei derselben Vertretungsbehörde ein HRZ zu beantragen, welches trotz Urgenzen zu keinem Erfolg bzw. zu keiner Reaktion führte. Die Aussichtlosigkeit gelte danach ebenso in vergleichbaren Fällen in denen standardgemäß die Ausstellung eines Heimreisezertifikates verweigert wird. Gegenständlich ist dazu auszuführen, dass die Zusammenarbeit mit der algerischen Vertretungsbehörde einwandfrei funktioniert hat und der BF dieser bereits im Mai 2018 vorgeführt wurde, wobei anschließend eine Ablehnung erfolgte. Auch von der marokkanischen Botschaft konnte der BF nicht identifiziert werden. Die Erfolglosigkeit der HRZ Ausstellung ist demnach nicht den Vertretungsbehörden zuzuschreiben, sondern alleine dem BF, der durch die Falschangabe seiner Identität die Ausstellung selbstverschuldet vereitelt hat. In einer Gesamtschau war daher vom Zeitpunkt der Schubhaftanordnung bis zur Entlassung des BF nicht von der Aussichtlosigkeit der Erlangung eines HRZ auszugehen, sondern mit der Erlassung eines HRZ und damit der Abschiebung des BF innerhalb der Schubhafthöchstdauer zu rechnen, zumal die belangte Behörde in jenem Zeitraum den BF sowohl der libyschen Vertretungsbehörde vorführte, als auch erneut aufgrund neuer Alias-Identitäten die Ausstellung eines HRZ bei der algerischen Vertretungsbehörde beantragte. Nach dem zitierten Judikat kommt es nämlich nicht darauf an, ob die tatsächliche Erlangbarkeit eines Heimreisezertifikates schon feststand; dem BFA muss vielmehr grundsätzlich zugestanden werden, Versuche in diese Richtung zu starten, soweit diese eben nicht von vornherein aussichtslos erscheinen, etwa weil für die betreffende Person bereits mehrfach erfolglos ein Heimreisezertifikat beantragt wurde und die Vertretungsbehörde auch auf aktuelle Urgenzen nicht reagiert. Gerade das liegt im gegenständlichen Fall, wie oben ausführlich dargelegt, nicht vor.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist daher im Ergebnis zu Recht vom Bestehen sowohl eines Sicherungsbedarfes als auch von Fluchtgefahr ausgegangen.

3.1.6. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer über keine familiären oder substanziellen sozialen Kontakte im Bundesgebiet verfügt. Der BF war zu keinem Zeitpunkt im Bundesgebiet legal erwerbstätig und hält sich ohne aufrechte Meldung in Österreich auf. Der BF vereitelt durch sein Verhalten aufgrund der Angabe zahlreicher Alias-Identitäten die Erlangung eines HRZ und demnach seine Abschiebung. Aufgrund seines unbekannten Aufenthaltsortes war er für die Behörden nicht greifbar und hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das im Inland bestehende Rechtssystem beabsichtigt. Auch im gegenständlichen Verfahren vereitelte der BF erneut seine Abschiebung, weil aufgrund falscher Angaben zu seiner Identität die Ausstellung eines HRZ ungewiss ist und er daher aus Verhältnismäßigkeitserwägungen aus der Schubhaft entlassen wurde. Darüber hinaus ist der BF im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung strafgerichtlich mehrmals rechtskräftig verurteilt worden. Nach § 76 Abs 2a FPG ist strafrechtlich relevantes Fehlverhalten im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung in Betracht zu ziehen, insbesondere, ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt. Auch mit seinen strafgerichtlichen Verurteilungen sowie der Vielzahl an Verwaltungsübertretungen bringt der BF deutlich die Negierung der österreichischen Gesetze und Rechtsordnung zum Ausdruck.

Der BF hat in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wobei dieser rechtskräftig abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung und ein 10-jähriges Einreiseverbot erlassen wurde. Die Republik Österreich hat damit nach Ansicht des Gerichts ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib des BF im Inland nicht wahrscheinlich war und sohin auch ein erhöhtes Interesse an einer Abschiebung des BF kundgetan.

Der BF hat damit eindeutig seine Unwilligkeit zur Abschiebung zum Ausdruck gebracht, weshalb erneut damit zu rechnen war, dass er sich seiner Abschiebung entzogen hätte. Der BF ist darüber hinaus weder familiär noch beruflich integriert. Das Gericht geht von der Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus, zumal sich das Bundesamt um eine ehebaldige Abschiebung und um eine möglichst kurze Anhaltung des BF in Schubhaft im Rahmen des Verfahrens bemüht hat. Das Bundesamt hat regelmäßig das Verfahren zur Erlangung eines HRZ durch dessen Beantragung bei mehreren Vertretungsbehörden sowie Vorführung des BF vor diesen Vertretungsbehörden zu beschleunigen versucht, sodass ein HRZ ehestmöglich ausgestellt werden kann. Demgegenüber hat der BF die Verfahren zur Erlangung eines HRZ aufgrund seiner mangelnden Kooperationsbereitschaft mit der Behörde und seinen falschen, divergierenden Angaben selbstverschuldet in die Länge gezogen. Dass ein HRZ Verfahren geführt werden muss, ist ausschließlich der Sphäre des BF zuzurechnen. Dass BFA hat hingegen die notwendigen Schritte für die Führung der HRZ Verfahren ohne unnötige Verzögerungen geführt. Bereits am 06.08.2019 wurde die bereits vorab organisierte Vorführung zur Libyschen Botschaft durchgeführt, unmittelbar nach der nicht erfolgten Identifizierung durch den BF durch die Libysche Vertretungsbehörde leitete das BFA bereits mit 07.08.2019 ein weiteres HRZ Verfahren mit Algerien - mit der neu hervorgekommenen Verfahrensidentität des BF - ein.

Der BF hat sich auch in der Vergangenheit nicht ausreisewillig gezeigt, ist stattdessen untergetaucht und war für die Behörden nicht greifbar. Dies war bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft ebenso als evidentes Interesse der Allgemeinheit und der Europäischen Gemeinschaft an einem geordneten Fremdenwesen, den BF Außerlandes zu bringen, zu berücksichtigen. Das Bundesamt hat, wie bereits ausgeführt, darauf hingewirkt, dass die Schubhaft so kurz wie möglich andauert und den BF, nach Ungewissheit wann ein HRZ erlangt werden kann, schließlich aus Verhältnismäßigkeitserwägungen amtswegig aus der Schubhaft entlassen. In einer Gesamtschau des Vorverhaltens des BF und unter Berücksichtigung der Verschleierung seiner Identität und Staatsangehörigkeit geht das Gericht davon aus, dass die Anhaltung in Schubhaft für 30 Tage verhältnismäßig war. Als für das BFA erkennbar war, dass eine HRZ nicht in absehbarer Zeit zu erlangen war, erfolgte die amtswegige Entlassung aus der Schubhaft.

Insgesamt kommt daher den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit, auch unter Berücksichtigung seines strafrechtlichen Fehlverhaltens erfüllt.

3.1.6. Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam.

Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt "Sicherungsbedarf" erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass der BF in keiner Weise vertrauenswürdig ist und über keine nennenswerten familiären oder sozialen Kontakte im Inland verfügt, die ihn im Rahmen eines gelinderen Mittels tatkräftig unterstützen könnten. Aufgrund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gesetzten Verhaltens - insbesondere der Tatsache, dass er im Wissen um die rechtskräftige Rückkehrentscheidung und des 10-jährigen Einreiseverbots untergetaucht ist, für die Behörden nicht greifbar war sowie mehrere Alias-Identitäten verwendete und so seine Abschiebung bis dato zumindest wesentlich erschwerte bzw. verunmöglichte - konnte ein gelinderes Mittel nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen. Im Übrigen musste bereits das Asylverfahren des BF aufgrund seines unbekannten Aufenthaltsortes eingestellt werden. Es war somit nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer bei Entlassung aus der Schubhaft seinen fremdenrechtlichen Verpflichtungen nachkommen werde. Er hat darüber hinaus keine familiären, oder ausreichend soziale Bindungen an Österreich, die ihm Halt bieten könnten und verfügte im Festnahmezeitpunkt über keine aufrechte behördliche Wohnsitzmeldung. Es ist in diesem Zusammenhang nicht zu sehen, dass ihn die Anordnung einer Wohnsitznahme, einer Meldeverpflichtung oder einer Kaution dazu gebracht hätte, nicht wieder unterzutauchen und sich den Behörden zu entziehen. Es ist daher nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer in Freiheit belassen, seine Abschiebung abgewartet hätte, sondern Handlungen gesetzt hätte, um seinen Aufenthalt in Österreich fortzusetzen.

Im Lichte dessen hat die belangte Behörde vollkommen zu Recht angenommen, dass der BF auch einer periodischen Meldepflicht nach § 77 Abs. 3 Z 2 FPG nicht nachkommen würde. Die Verhängung eines gelinderen Mittels wurde daher zu Recht ausgeschlossen.

Lediglich der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass die Anordnung eines gelinderen Mittels nach der Entlassung des BF durch das BFA erfolgt ist. Trotz Hinterlegung eines Geldbetrages von 1200 € kam der BF seiner Meldeverpflichtung kein einziges Mal nach. Derzeit verbüßt der BF eine viereinhalbjährige unbedingte Haftstrafe aufgrund von weiteren Verurteilungen wegen Suchtmittelkriminalität.

3.1.7. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt eine "ultima ratio" dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.

Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie gegen die Anhaltung in Schubhaft war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt III u. IV. (Kostenanträge):

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Sowohl der BF, als auch das BFA haben einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt. Da die Beschwerde abgewiesen wurde, ist das BFA die obsiegende Partei. Ihm gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV Kostenersatz in der Höhe von EUR 426,20. Der beschwerdeführenden Partei gebührt kein Kostenersatz.

3.3 Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Dies insbesondere deshalb, weil den Feststellungen der belangten Behörde im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert entgegengetreten werden konnte.

Zu Spruchpunkt B.) Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Einreiseverbot falsche Angaben Fluchtgefahr Identität öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W278.2222964.1.00

Im RIS seit

29.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten