Entscheidungsdatum
03.07.2020Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W137 2218884-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. Astrid WAGNER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.04.2019, Zl. 410250610/190342841, und die Anhaltung bis 21.05.2019 (Fortsetzungsentscheidung) zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
II. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.
III. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei. Er wurde in Österreich geboren und ist im Bundesgebiet aufgewachsen. Nach 14 strafrechtlichen Verurteilungen – gipfelnd in einer Verurteilung wegen Vergewaltigung im Oktober 2008 – reiste der Beschwerdeführer unter Anwendung des § 133a StVG in die Türkei aus, wo er die folgenden Jahre in Istanbul verbrachte. In Reaktion auf die letzte Verurteilung war über den Beschwerdeführer zudem ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden. Dieses ist zwischenzeitlich durch eine Änderung der Rechtslage außer Kraft getreten.
2. Der Beschwerdeführer kehrte um den Jahreswechsel 2017/2018 nach Österreich zurück, wobei er sich im Bundesgebiet mit einem gefälschten Ausweis auswies. Am 14.06.2018 wurde er in Österreich neuerlich strafrechtlich verurteilt.
3. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) am 04.04.2019 gab er an, von 2011 bis 2016 in der Türkei gelebt und gearbeitet zu haben. Aufgrund der Rechtsunwirksamkeit des Aufenthaltsverbots und der politischen Situation in der Türkei habe er sich zur Rückkehr nach Österreich entschlossen. Er sei dann über Griechenland, Italien und die Schweiz zu seiner in Vorarlberg lebenden Familie zurückgekehrt, die ihn auch vorher schon finanziell unterstützt habe.
4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) vom 05.04.2019 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend verwies das Bundesamt zunächst auf den Aufenthalt im Verborgenen nach der Wiedereinreise sowie das Fehlen von Personaldokumenten. Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft wurde insbesondere auf die ausgeprägte Straffälligkeit des Beschwerdeführers und die damit verbundene fehlende Vertrauenswürdigkeit verwiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag zusammen mit der Verfahrensanordnung betreffend die Beigabe eines Verfahrenshelfers ausgefolgt.
5. Mit Bescheid vom 10.04.2019 hat das Bundesamt den Bescheid betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes vom 26.02.2009 aufgehoben. Unter einem wurde gegen den Beschwerdeführer allerdings eine Rückkehrentscheidung, verbunden mit einem auf 10 Jahre befristeten Einreiseverbot, erlassen. Eine Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde überdies die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsanwalt mit Schriftsatz vom 10.05.2019 eine Beschwerde eingebracht. Das Bundesamt hat diese Beschwerde am 13.05.2019 dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt, bei diesem ist sie am 20.05.2019 eingelangt und wurde der Gerichtsabteilung L526 zur Zahl 2219028 zugewiesen.
6. Mit Schriftsatz vom 14.05.2019 übermittelte der damalige Parteienvertreter (WEH Rechtsanwalt GmbH) am 15.05.2019 eine Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Bescheid und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft. Begründend wurde zunächst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer entgegen der Annahme des Bundesamtes rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist sei und auch sein Aufenthalt rechtmäßig sei. Zudem sei der angefochtene Bescheid aufgrund einer Vielzahl formeller Mängel mit Rechtswidrigkeit behaftet.
Unabhängig davon sei der Beschwerdeführer „unbeschränkt und unwiderruflich in Österreich aufenthaltsberechtigt“. Schubhaft sei aber nur zulässig, falls eine Aufenthaltsbeendigung zumindest in Betracht komme. Schließlich seien auch seine ausgeprägten persönlichen und familiären Anknüpfungspunkte an das Bundesgebiet nicht hinreichend gewürdigt worden.
Beantragt werde daher a) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung; b) den angefochtenen Bescheid zu beheben und festzustellen, dass die bisherige Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgte; c) die „unverzügliche Enthaftung“ des Beschwerdeführers anzuordnen; d) die Behörde zum Ersatz der Aufwendungen zu verpflichten.
7. Das Bundesamt legte am 16.05.2019 den Verfahrensakt vor. Ausgeführt wird, dass derzeit ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme laufe; dieses sei auch erstinstanzlich im Sinne einer Rückkehrentscheidung entschieden worden. Diese sei auch mit einem Einreiseverbot verbunden worden. Verwiesen wurde überdies auf die zahlreichen strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers.
Beantragt werde die Abweisung der Beschwerde; sowie die Verpflichtung des Beschwerdeführers zum Kostenersatz.
8. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 21.05.2019, W137 2218884-1/6E, festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft gemäß § 22a Abs. 3 FPG weiterhin vorliegen. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft; ein Rechtsmittel wurde vom Beschwerdeführer diesbezüglich nicht eingebracht.
Das Bundesamt hat mit Bescheiden vom 31.05.2019 und 28.06.2019 im Zuge amtswegiger Prüfungen gemäß § 80 Abs. 6 FPG die Aufrechterhaltung der Schubhaft als verhältnismäßig festgestellt.
9. Mit Erkenntnis vom 05.06.2019, L526 2219028-1/7Z, hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 10.04.2019 (siehe oben Punkt 5.) festgestellt, dass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung des Bescheides zu Recht erfolgt sei und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt werde.
Die Behandlung einer diesbezüglichen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 11.06.2019, E 2160/2019-5, abgelehnt.
Der Beschwerdeführer hat daraufhin mit Schriftsatz vom 08.08.2019 eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Das diesbezügliche Verfahren wurde vom Verwaltungsgerichtshof eingestellt.
10. Am 06.06.2019 brachte der Beschwerdeführer aus dem Stand der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Das Bundesamt hat mit Aktenvermerk vom 07.06.2019 festgehalten, dass die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufrechterhalten werde. Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag nachweislich persönlich ausgefolgt. Eine damals bereits terminisierte Abschiebung (samt vorhandenem türkischen „Temporary Passport“) musste deswegen entfallen.
Nach Durchführung einer mündlichen Einvernahme hat das Bundesamt diesen Antrag mit Bescheid vom 02.07.2019 gemäß §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei verbunden. Unter einem wurde ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen. Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 31.07.2019 eine Beschwerde eingebracht.
Eine Beschwerde gegen die Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft (auf Basis des Aktenvermerks gemäß § 76 Abs. 6 FPG) wurde vom Beschwerdeführer nicht eingebracht.
11. Mit Erkenntnis vom 08.11.2019, L514 2219028-3/26E, hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde im Asylverfahren des Beschwerdeführers vollinhaltlich abgewiesen. Diese Entscheidung wurde dem (damaligen) Rechtsanwalt des Beschwerdeführers am selben Tag per ERV übermittelt.
In diesem Zusammenhang wurden eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof sowie eine (außerordentliche) Revision beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht, respektive diesbezügliche Anträge auf Verfahrenshilfe gestellt. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist in diesen Verfahren bisher nicht erfolgt.
12. Mit Schriftsatz vom 02.03.2020 gab der bis dahin bevollmächtigte Rechtsanwalt die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt.
Mit Schreiben vom 30.03.2020 gab die im Spruch angeführte Rechtsanwältin ihre Bevollmächtigung durch den Beschwerdeführer bekannt. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.04.2020 (OZ 13) wurde ihr unter Setzung einer Frist ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, allfällige Ergänzungen/Modifikationen im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vorzunehmen.
Von dieser Möglichkeit wurde nicht Gebrauch gemacht; es wurde auch keine Stellungnahme übermittelt.
13. Mit Erkenntnis vom 09.06.2020, W137 2218884-15/3E, hat das Bundesverwaltungsgericht eine weitere Beschwerde – eingebracht von einem zusätzlich bevollmächtigten Rechtsanwalt - vom 03.06.2020 gegen die (weitere) Anhaltung in Schubhaft abgewiesen (sowie Anträge teilweise zurückgewiesen).
14. Am 27.06.2020 wurde der Beschwerdeführer auf dem Luftweg in seinen Herkunftsstaat abgeschoben.
Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:
Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger der Türkei. Er wurde in Österreich geboren und ist im Bundesgebiet aufgewachsen. Erstmalig strafrechtlich verurteilt (zu Geldstrafen) wurde er im Alter von 15 Jahren wegen Vermögens- und Suchtmitteldelikten. Bis 2010 wurde der Beschwerdeführer insgesamt 15-mal strafrechtlich verurteilt, wobei nunmehr auch Körperverletzung und Gefährliche Drohung hinzukamen. Die jüngsten Verurteilungen bewirkten Freiheitsstrafen von 10 Monaten (Nötigung - 2006), 5 Jahren (Vergewaltigung – 2008) und 3 Monaten (Suchtmittel – 2010). Von August 2007 bis April 2011 war der Beschwerdeführer fast ausschließlich in Justizanstalten haupt- oder nebengemeldet.
Am 26.02.2009 wurde über den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt. Am 11.04.2011 reiste der Beschwerdeführer unter Anwendung des § 133a StVG (in der damals geltenden Fassung) freiwillig aus dem Bundesgebiet in die Türkei aus. Das unbefristete Aufenthaltsverbot verlor in weiterer Folge seine rechtliche Gültigkeit.
Um den Jahreswechsel 2017/2018 kehrte der Beschwerdeführer unterstützt von Familienangehörigen wieder in das Bundesgebiet zurück. In Österreich gab er keine Wohnsitzmeldung ab, sondern wohnte in einer Pension unter Nutzung eines gefälschten Ausweises. Bei diesem Aufenthalt wurde er von seinen Familienangehörigen aktiv (insbesondere auch finanziell) unterstützt.
Er wurde am 14.06.2018 wegen mehrerer Strafdelikte - versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt, Beleidigung und Verleumdung sowie Urkundendelikte – zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft; der Beschwerdeführer befand sich ab 26.02.2018 bis zur Anordnung der Schubhaft durchgehend in Justizhaft.
In Vorarlberg leben die engsten Familienangehörigen des Beschwerdeführers, insbesondere seine Eltern und Geschwister. Dem Beschwerdeführer steht bei seinen Familienangehörigen eine gesicherte Unterkunft zur Verfügung. Der Beschwerdeführer ist in besonders ausgeprägtem Maß nicht vertrauenswürdig.
In Österreich war bei Einbringung der Beschwerde ein Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei und die Erlassung eines Einreiseverbots anhängig. Dieses Verfahren wurde erstinstanzlich – im Sinne der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem befristeten Einreiseverbot samt Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde - abgeschlossen. Das diesbezügliche Beschwerdeverfahren war ab 20.05.2019 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.
Der Beschwerdeführer verfügte bei Beschwerdeeinbringung über Barmittel in Höhe von 80 €, seine Familie kann ihn allerdings in größerem Umfang finanziell unterstützen. Er war zu diesem Zeitpunkt (und auch bei der verwaltungsgerichtlichen Fortsetzungsentscheidung im gegenständlichen Verfahren) grundsätzlich gesund und arbeitsfähig, sowie jedenfalls haftfähig. Die vom Amtsarzt festgestellte Haftfähigkeit wurde in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen.
Der Beschwerdeführer wird unverändert (auch) von RA Dr. Astrid WAGNER vertreten. Diese Vollmacht wurde gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht weder von ihr, noch vom Beschwerdeführer, noch vom zuletzt zusätzlich bevollmächtigten Rechtsanwalt für aufgelöst erklärt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweiswürdigung:
1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 410250610/190342841 (Schubhaft) und 410250610/190214428 (Rückkehrentscheidung). An der türkischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers bestanden nie Zweifel und ist diese auch unstrittig. Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers und seinen Meldeadressen ergeben sich aus Einsichten in das Strafregister und das Zentrale Melderegister.
1.2. Die Feststellungen zum Aufenthaltsverbot von 2009 und der Ausreise in die Türkei 2011 ergeben sich aus der Aktenlage. Die Ausreise erfolgte auf Basis der damaligen Rechtslage freiwillig, weil die Anwendung des § 133a StVG nach dem eindeutigen Wortlaut eine Abschiebung ausschließt. Der Beschwerdeführer hätte alternativ auch seine Freiheitsstrafe zur Gänze in Österreich verbüßen können.
1.3. Die Feststellungen zur Rückkehr nach Österreich und seiner zwischenzeitlichen Unterkunft ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme am 04.04.2019 vor dem Bundesamt. Sie sind damit auch faktisch unstrittig. Aus diesen ergibt sich auch, dass ihn der Vater aus der Schweiz nach Österreich chauffiert und ihn die in Österreich lebenden Familienangehörigen in den letzten Jahren durchgehend finanziell unterstützt haben. Die Feststellungen zur strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers 2018 und seiner damit verbundenen Anhaltung in Justizhaft ergeben sich ebenfalls aus Einsichten in das Strafregister und das Zentrale Melderegister.
1.4. Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben und den Einträgen im Zentralen Melderegister. Die fehlende Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinem bisherigen Verhalten - insbesondere der Vielzahl an strafrechtlichen Verurteilungen und der jüngsten Unterkunftname unter Verwendung eines gefälschten Ausweises.
1.5. Die Feststellungen betreffend das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ergeben sich aus der Aktenlage. Hinsichtlich der Abschiebung in den Herkunftsstaat liegt der Abschiebebericht vor.
1.6. Ebenfalls aus der Aktenlage ergeben sich die Feststellungen zur finanziellen und gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers sowie seiner Haftfähigkeit im Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung im gegenständlichen Verfahren.
1.7. Die Feststellungen zur rechtsanwaltlichen Vertretung des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Aktenlage.
2. Rechtliche Beurteilung
2.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“
2.2. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:
„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“
Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.
2.3. Hinsichtlich der Vertretung entspricht es der ständigen Judikatur, dass die Bevollmächtigung eines zusätzlichen/weiteren Rechtsanwalts für sich allein keine Aufkündigung eines bisher bestehenden Vertretungsverhältnisses bewirkt. Der Beschwerdeführer hat demnach gegenwärtig zwei Rechtsanwälte zu seiner Vertretung bevollmächtigt. Die Vereinbarungen im Innenverhältnis wurden dem Bundesverwaltungsgericht nicht zur Kenntnis gebracht und haben insofern im Außenverhältnis keine Bedeutung.
Zu Spruchteil A)
2.4. Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
2.5. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft
3.1. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).
Die „Fluchtgefahr“ ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert. Über den Beschwerdeführer wurde nach seiner Strafhaft und nach Durchführung einer niederschriftlichen Einvernahme die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.
3.2. Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit der illegalen Einreise ins Bundesgebiet, dem anschließenden Aufenthalt im Verborgenen (auch unter Nutzung einer falschen Identität) sowie dem Fehlen substanzieller sozialer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Das Bundesamt stützte sich dabei erkennbar (aber auch explizit) auf die Ziffern 1 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG. Dem Vorliegen der Kriterien der Ziffer 1 wurde in der Beschwerde nicht substanziell entgegengetreten; vielmehr erweist sich deren Vorliegen auch im Zusammenhang mit der Beschwerde, als unstrittig.
Zunächst ergibt sich aus dem ZMR-Auszug zweifelsfrei, dass zwischen April 2011 (Justizanstalt) und Jänner 2019 (Justizvollzugsanstalt) keine amtliche Meldung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet registriert ist. Zudem erklärte der Beschwerdeführer am 04.04.2019 ausdrücklich, er habe unter Nutzung eines gefälschten Ausweises in einer Pension gewohnt. Damit steht zweifelsfrei fest, dass er seine neuerliche (zumindest formal rechtswidrige) Einreise in das Bundesgebiet bewusst vor den Behörden verborgen halten wollte. Keinem dieser beiden Fakten wird in der Beschwerde auch nur ansatzweise widersprochen; noch weniger werden sie widerlegt.
3.3. Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid auch auf § 76 Abs. 3 Z 9 FPG, wonach der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen sind und kommt zutreffend zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer weder eine legale Erwerbstätigkeit ausübt, noch über substanzielle soziale oder berufliche Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt. Die familiären Anknüpfungspunkte seien nur sehr eingeschränkt vorhanden. Auch eine gesicherte Unterkunft liege nicht vor, zumal der Beschwerdeführer sich vor Anordnung der Schubhaft im Verborgenen aufgehalten habe.
Hinsichtlich der Integration des Beschwerdeführers stellt das Bundesamt zwar einerseits den langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet und entsprechend gute Deutschkenntnisse fest, verweist aber andererseits auf eine nahezu serielle Straffälligkeit des Beschwerdeführers ab dem 20. Lebensjahr und die weitgehende Trennung von den Familienangehörigen in Österreich zwischen 2011 und 2018. Auch hier wird in der Beschwerde kein anderer Sachverhalt behauptet. Soweit sich die Beschwerde gegen die Formulierung „in keiner Weise integriert“ wendet, ist sie zumindest insoweit im Recht, als diese Wertung jedenfalls als überschießend/missverständlich anzusehen ist. Allerdings ist im Gesamtkontext der einschlägigen Passage (durch die Wortfolge „… in keiner Weise integriert, da Sie sich nicht ansatzweise an geltende Rechtsnormen halten…“) erkennbar, dass das Bundesamt dem Beschwerdeführer ohnehin nicht jegliche (somit etwa auch rein sprachliche) Integration im Bundesgebiet absprechen wollte, sondern lediglich jene in Bezug auf eine Verbundenheit mit dem Gesetzes- und Rechtsstaat.
3.4. Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt im Ergebnis zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anhaltung in Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.
Die in der Beschwerde vorgebrachte Unterkunftsmöglichkeit bei Familienangehörigen wurde vom Beschwerdeführer nachweislich und unstrittig nur teilweise – und jedenfalls unter Verletzung der Meldepflicht - genutzt. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang letztendlich aber nur, ob eine hinreichende Sicherheit besteht, dass sich der Beschwerdeführer zukünftig dem Zugriff der Behörden nicht entziehen würde. Davon kann angesichts seines Vorverhaltens und der daraus resultierenden reduzierten Vertrauenswürdigkeit jedoch nicht ausgegangen werden – was vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid auch nachvollziehbar dargelegt worden ist.
3.5. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden: Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des Beschwerdeführers weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, da sich der Beschwerdeführer insbesondere durch sein vor Anordnung der Schubhaft gezeigtes Verhalten – einen zweimonatigen Aufenthalt im Verborgenen nach Wiedereinreise ins Bundesgebiet unter Begehung von Urkundendelikten sowie weiteren Straftaten in unmittelbarer Folge des behördlichen Aufgriffs - als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat. Auf Grund dieser Umstände und der bestehenden Fluchtgefahr, überwogen daher – wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt - die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und eines geordneten Fremdenwesens die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Anordnung der Schubhaft und ist diese als ultima-ratio-Maßnahme notwendig.
3.6. Das Bundesamt konnte aus den oben dargelegten Gründen zudem davon ausgehen, dass die Überstellung des Beschwerdeführers in die Türkei nicht nur in zumutbarer, sondern sogar binnen relativ kurzer Frist möglich ist. Auch die absehbare Dauer der Schubhaft war nicht unverhältnismäßig: Mit der Durchführung der Überstellung war tatsächlich und innerhalb der gesetzlichen Fristen – realistisch sogar binnen weniger Monate - zu rechnen. Die Stellung eines (unberechtigten) Asylantrages kurz vor dem fixierten Überstellungstermin konnte das Bundesamt bei Bescheiderlassung naturgemäß nicht berücksichtigen.
Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers und wurde sie auch im Beschwerdeverfahren nicht behauptet.
3.7. Soweit der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter schwerwiegende formale Mängel des angefochtenen Bescheides moniert, sind diese aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht nachvollziehbar. Allfällige dislozierte Ausführungen belasten einen Bescheid nicht schon grundsätzlich mit Rechtswidrigkeit. Ein Zusammenhang zwischen Assoziationsrecht und Schubhaft wird zudem zwar behauptet, aber nicht nachvollziehbar dargelegt.
Für die Beantragung einzelner (geänderter) Sachverhaltsfeststellungen zeigt die Beschwerde keine Rechtsgrundlage auf. Unabhängig davon werden wiederholt offenkundig tatsachenwidrige Feststellungen oder Streichungen beantragt – etwa zum gemeldeten Wohnsitz (siehe oben Punkt 3.2.) oder, dass er 2011 „unter Androhung von Zwang des Bundesgebiets verwiesen worden wäre“. Vielmehr hat der Beschwerdeführer am 04.04.2019 aber selbst in diesem Zusammenhang ausgeführt, er „habe den § 133 [gemeint §133a StVG; Anm.] beantragt, weil ich nicht mehr länger im Gefängnis sein wollte. Ich bin im Jahr 2011 mit § 133 aus Österreich ausgereist, das heißt mit der Hälfte der Strafe kann sich ein Ausländer abschieben lassen…“ – was zweifelsfrei für eine damals freiwillige Ausreise (zur Vermeidung einer weiteren Strafhaft) darstellt. Die (alternative) Vollziehung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe kann in diesem Kontext jedenfalls keinen „Zwang“ darstellen.
Auch die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer „bedingungslos aufenthaltsverfestigt“ oder „unwiderruflich aufenthaltsberechtigt“ wäre, stützt sich auf kein nachvollziehbares Sachverhaltssubstrat. Der Beschwerdeführer hat im Übrigen nach seiner Rückkehr ins Bundesgebiet auch keinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eingebracht. Allerdings wird in der Beschwerde von seinem rechtsfreundlichen Vertreter auch ausgeführt, dass der Beschwerdeführer „gelegentlich am Strafrecht mittelschwer aneckt“ – wobei nicht im Detail dargelegt wird, ob etwa eine (einmalige) Freiheitsstrafe von 5 Jahren wegen Vergewaltigung angesichts des Strafrahmens (bis 10 Jahre) als „mittelschwer“ oder (neben 15 anderen Verurteilungen) als „gelegentlich“ zu klassifizieren ist. Ähnliches gilt für Freiheitsstrafen von 15 Monaten (unbedingt) für qualifizierte Suchtmitteldelikte oder 10 Monaten (unbedingt) für schwere Nötigung.
Aus der seitenlangen Inkorporierung von Beschwerdeausführungen bezüglich eines Aufenthaltsverbotes lässt sich im gegenständlich relevanten Beschwerdezusammenhang im Übrigen nichts gewinnen. Auch der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers hat nicht dargelegt, wie dies im Zusammenhang mit der Beschwerde in einem Schubhaftverfahren relevant sein könnte.
3.8. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft abzuweisen.
3. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt.
Dies betrifft insbesondere etwa den Aufenthalt im Bundesgebiet ohne amtliche Meldung und unter Nutzung von gefälschten Dokumenten. Auch hier ist ausdrücklich festzuhalten, dass nicht jeder unvollständig ermittelte Sachverhalt auch entscheidungsrelevant ist und (allein) deshalb eine Verhandlung geboten wäre.
Ein bereits rechtskräftig gerichtlich geklärter Sachverhalt gilt im Übrigen auch dann als „geklärt“, wenn der Betroffene oder sein Rechtsvertreter unverändert eine gegenteilige Ansicht vertreten sollten.
4. Kostenersatz
4.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
4.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei – unter Einbeziehung der Entscheidung des Bundesveraltungsgerichts vom 21.05.2019, W137 2218884-1/6E (rechtskräftiges Erkenntnis betreffend die Fortsetzung der Schubhaft), daher Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang. Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei hingegen kein Kostenersatz.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Einreiseverbot Fluchtgefahr öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Verhältnismäßigkeit WiedereinreiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2218884.1.00Im RIS seit
01.10.2020Zuletzt aktualisiert am
01.10.2020