Entscheidungsdatum
08.07.2020Norm
BFA-VG §22aSpruch
W272 2204526-1/22E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen den Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 14.08.2018, Zahl XXXX zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird abgewiesen. Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft vom 14.08.2018 bis 30.08.2018 für rechtmäßig erklärt.
II. Die beschwerdeführende Partei hat gem. § 35 Abs. 1 VwGVG iVm § 1 Z 1 VwG-AufwErsV dem Bund den Verfahrensaufwand in der Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste spätestens am 15.07.2014 illegal in das Bundesgebiet ein. Er stellte am 17.07.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde am 31.05.2016 abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen, welche am 11.07.2017 rechtskräftig wurde. Am 15.12.2017 stellte der BF einen Asylfolgeantrag. Mit Bescheid vom 25.01.2018 wurde der faktische Abschiebeschutz gem. § 12 a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben und mit Erkenntnis W182 2129294-2 vom 31.01.2018, durch das BVwG festgestellt, dass die Aufhebung rechtmäßig war. Das Erkenntnis wurde rechtskräftig.
2. Am 12.08.2018 wurde der BF mit gültigem Festnahmeauftrag von den Beamten der LPD Wien festgenommen. Der BF sollte am 14.08.2018 auf dem Flugweg in die Russische Föderation überstellt werden. Aufgrund seines aggressiven Verhaltens am Flugterminal wurde die Abschiebung vereitelt.
3. Am 14.08.2018 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des BF durch das BFA. Er gab an, dass er nichts gegen die Abschiebung unternommen hätte, aber er das Land nicht verlassen wolle. Bei der Festnahme am 12.08.2018 sei er auch nicht aggressiv geworden, sondern habe nur „Heil Hitler“ gerufen. Man habe ihm gesagt er hätte 30 Minuten Zeit, um seine Sachen zu packen, tatsächlich seien es aber nur 10 Minuten gewesen, daher habe er sich aufgeregt. Die Polizei habe versucht ihn auf den Boden zu werfen, dies habe er jedoch versucht nicht zuzulassen. Er sei ledig, nicht berufstätig und habe einen Onkel und dessen Familie in Österreich. Es wurde ihm mitgeteilt, dass beabsichtigt ist ihn in Schubhaft zu nehmen und er diesmal mit Begleitung, aufgrund seines aggressiven Auftretens, abgeschoben werde.
4. Mit gegenständlichen Mandatsbescheid wurde über ihn gem. § 76 Abs. 2 Z 1 FPG BGBl I Nr. 100/2005 idgF, iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründet wurde die Fluchtgefahr damit, dass der BF die Abschiebung am 14.08.2018 behindert bzw. verhindert habe, der faktische Abschiebeschutz aufgehoben wurde und er weder familiäre noch berufliche Bindungen im Bundesgebiet habe. Es bestehe zwar ein gesicherter Wohnsitz, der BF habe jedoch keinen Nachweis über ausreichende Unterhaltsmittel. Aufgrund seines bisherigen Verhaltens bei der Festnahme und Abschiebung, sei klar zum Ausdruck gekommen, dass der BF nicht vertrauenswürdig sei und nicht gewillt die Rechtsvorschriften einzuhalten. Der BF wird versuchen unterzutauchen. Daher sei auch die Anwendung gelinderer Mittel nicht möglich. Es liege eine ultima- ratio Situation vor. Der BF sei gesund und haftfähig. Die Abschiebung werde nunmehr mit Begleitung erfolgen.
3. Der BF trat am 13.08.2018 bis 14.08.2018 in den Hungerstreik, sowie am 29.08.2018.
4. Mit Schreiben vom 29.08.2018 erhob der BF Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid, wegen mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründet wurde dies, dass der BF seit 2014 in Österreich einen Asylantrag gestellt habe, dieser abgewiesen und mit 06.07.2017 in Rechtskraft erwachsen sei. Die Schubhaft stelle nun jedoch ein unverhältnismäßiges Mittel dar, da der Zweck durch ein gelinderes Mittel (Meldeverpflichtung) erreicht werden könne. Der BF verfüge über eine aufrechte Meldeadresse, ausreichend Barmittel und habe in Wien Verwandte (Onkel, Tante, zwei Cousins und Cousinen). Der BF habe einen zentralen Bezugspunkt und werde sich dem Verfahren nicht entziehen. Eine Fluchtgefahr ist daher nicht ersichtlich und ein Untertauchen nicht zu befürchten. Die Behörde habe den Bescheid nicht ausreichend begründet und die Anknüpfungspunkte mangelhaft erforscht. Es hätte keine Schubhaft verhängt werden dürfen und der bekämpfte Bescheid wäre aufzuheben und auszusprechen, dass die Anordnung in Schubhaft und die bisherige Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgt sei, in eventu ein gelinderes Mittel anzuordnen sei. Zur Klärung des Sachverhaltes sei eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
5. Durch Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom 23.04.2020 wurde mit Wirksamkeit vom 24.04.2020 das gegenständliche Verfahren der Gerichtsabteilung W 272 zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unbescholtene Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger der Russischen Föderation und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.
Der BF reiste spätestens am 15.07.2014 in das österreichische Bundesgebiet ein.
Sein Erstantrag auf internationalen Schutz wurde am 31.05.2016 abgewiesen, dagegen brachte der BF kein weiteres Rechtsmittel ein.
Am 15.12.2017 stellte der BF einen Asylfolgeantrag. Mit Bescheid vom 05.02.2018 wurde rechtskräftig der faktische Abschiebeschutz aufgehoben.
Der BF wurde am 12.08.2018 festgenommen und verhielt sich aggressiv gegenüber den Beamten und stellte klar, dass er Österreich nicht verlassen will.
Ein Abschiebeversuch erfolgte am 14.08.2018, dieser wurde durch den BF, aufgrund seines aggressiven Verhaltens im Bereich des Flugterminals Schwechat, verhindert.
Der BF will nicht Österreich verlassen.
Gegen den BF wurde mit angefochtenen Bescheid vom 14.08.2018 die Schubhaft verhängt.
Während der Schubhaft versuchte der BF durch zwei Hungerstreiks aus der Haft entlassen zu werden.
Der BF verfügt über kein Aufenthaltsrecht in Österreich.
Der BF ist gesund und bedarf keiner medizinischen Versorgung. Der BF verfügt über keine existenzsichernden Barmittel, er finanziert sein Leben durch die Caritas. Er hat einen Wohnsitz bei seinem Onkel.
Der BF geht keiner regelmäßigen Beschäftigung nach.
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
Der BF ist bei der Abschiebung unkooperativ und wird bei Möglichkeit versuchen unterzutauchen.
Die Abschiebung ist innerhalb der Höchstdauer der Schubhaft effektuierbar.
Die Abschiebung erfolgte am 30.08.2018, wobei der BF versuchte wiederum diese Abschiebung zu verhindern.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person des BF und zum Verfahrensgang:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes, inklusive Befragung des BF am 14.08.2018 vor dem BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Dass der BF zweimal versuchte durch Hungerstreik aus der Haft entlassen zu werden ergibt sich aus dem Bericht der Anhaltedatei.
Der Abschiebeversuch am 14.08.2018 wurde durch das aggressive Verhalten des BF verhindert. Seine Aussage in der niederschriftlichen Befragung am 14.08.2018 zum Vorfall, dass er nichts dagegen gemacht habe, erscheinen dem Gericht unglaubwürdig, zumal die polizeilichen Protokolle, darlegen, dass der BF aggressiv war (Bericht versuchte Abschiebung AS 142). Es besteht kein Grund der Polizei, bei Mitwirkung des BF, bei der Abschiebung, die Abschiebung abzubrechen. Es ist lebensnah und nachvollziehbar, dass die Beamten den geplanten und unmittelbar bevorstehenden Abschiebeversuch nur dann abbrechen, wenn es zu Komplikationen durch den BF kommt. Ein Ausfall des Fluges wurde weder durch den BF vorgebracht, noch ist ein solcher in den Akten ersichtlich. Der BF bestärkte jedoch in seiner Aussage, „ich wollte das Land nicht verlassen“, dass er nicht gewillt ist, seine Ausreise freiwillig durchzuführen oder mitzuwirken (Seite 3 der Niederschrift).
Sein Gesundheitszustand ergibt sich aus dem polizeiärztlichen Gutachten zur Flugabschiebung für den 12.08.2018. Hier wurde wiederum festgehalten, dass der BF bei der Untersuchung schlecht mitarbeitet (Polizeiamtsärztliches Gutachten). Im Anhalteprotokoll III ist wiederum vermerkt, dass der BF erregt und impulsiv ist. Weiters ist vermerkt, dass der BF die Untersuchung verweigert (Seite 3 des Anhalteprotokolls). Der gesundheitliche Zustand ergibt sich jedoch auch aufgrund der ärztlichen Kontrolle des BF während seines Hungerstreikes (Ärztliche Kontrollen Blatt I. 13.08.2018 und 29.08.2018). Am 29.08.2018 verweigerte der BF die weitere Untersuchung und Behandlungsmaßnahmen (Verweigerung Untersuchung unterschrieben am 29.08.2018, im Akt aufliegend).
Zudem ergeben sich auch aus den gesamten Verwaltungsakten keine Hinweise auf eine etwaige Krankheit des BF und finden sich auch in der Beschwerdeschrift keine gegenteiligen Ausführungen zu diesen Punkten, sodass von der Richtigkeit der Angaben im Akt ausgegangen werden konnte.
Das aggressive und unkooperative Verhalten des BF ergibt sich aus den Meldebericht der LPD Wien vom 12.08.2018 GZ PAD/18/01502945/001/VW. Auch gab er selbst bei der niederschriftlichen Befragung durch das BFA am 14.08.2018 an, dass er sich aufgeregt habe, „Heil Hitler“ schrie und er versucht habe sich gegen die Polizeimaßnahmen zu wehren (AS 145).
Dass der BF bei seinem Onkel wohnte ergibt sich aus seiner Aussage und dem ZMR-Auszug.
Dass der BF von den Zuwendungen der Caritas/Grundversorgung lebt und keine berufliche Tätigkeit wahrnimmt, ergibt sich aus seinen glaubhaften Aussagen bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA (Seite 3 der Niederschrift vom 14.08.2018).
Dass der BF ledig ist und keine Kinder hat ergibt sich aus den glaubhaften Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA (Seite 3 der Niederschrift vom 14.08.2018).
Dass der BF versuchte durch Widerstandshandlungen diese Abschiebung wiederum zu verhindern, ergibt sich aus dem Bericht über die Abschiebung des BMI/Einsatzkommando Cobra (AS 219 - 222).
Feststellungen zur Person des BF und seiner Staatsangehörigkeit ergeben sich aus seinen Angaben; seine Identität kann mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht festgestellt werden.
2.2. Zum Sicherungsbedarf und Effektuierbarkeit:
Die Feststellungen hinsichtlich des Wohnsitzes, der Barmittel und der familiären sowie sozialen Anknüpfungspunkte des BF in Österreich gründen sich auf dessen Angaben in der Einvernahme vom 14.08.2018 und die Angaben im Bescheid sowie der gegenständlichen Beschwerde und das Zentrale Melderegister.
Dass sich der BF beim Abschiebeversuch am 14.08.2018 aggressiv verhalten hat, ergibt sich aus der Meldung der LPD Niederösterreich, Stadtpolizeikommando Schwechat (AS 142).
Dass der BF einen Folgeantrag stellte und am 05.02.2018 der faktische Abschiebeschutz aufgehoben wurde, ergibt sich aus dem Verwaltungs- und Gerichtsakt (W182 2129294-2/2E).
Durch das BMI wurde mitgeteilt, dass der nächste Abschiebeversuch am 30.08.2018 mit Begleitung stattfinden wird (AS 183). Da bereits ein HRZ vorlag, war absehbar, dass die Abschiebung innerhalb der Schubhöchstdauer möglich sein wird, zumal es neben der Flugbuchung, nur der Organisation von zwei Beamten zur Begleitung bedurfte. Auch die familiären Verhältnisse zu seinem Onkel, bzw. wie in der Beschwerde vorgebracht zu seinen Tanten und Cousinen hätten nach Ansicht des Gerichtes den BF nicht davon abgehalten, bei Freilassung unterzutauchen. Er zeigte bis zum Ende der Schubhaft, dass er nicht gewillt war und aktiv versuchte die Ausreise zu verhindern.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.
3.2. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:
"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.
Zu Spruchteil A)
3.3. Spruchpunkt I. - Rechtswidrigkeit der Festnahme und der Anhaltung in Schubhaft:
3.3.1 Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."
Der mit "Gelinderes Mittel" betitelte § 77 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
"§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.
(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen."
3.3.3. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann.
Im gegenständlichen Fall wurde der BF am 12.08.2018 festgenommen und es wurde versucht ihn am 14.08.2018 auf dem Luftweg abzuschieben. Die Abschiebung wurde jedoch am Flughafen Wien abgebrochen, da der BF aggressiv wurde. Die entsprechenden Berichte liegen im Akt auf und sind wie in der Beweiswürdigung dargelegt auch glaubhaft. Es ist lebensfremd, dass die Behörde die gebuchte und vorbereitete Abschiebung ohne Grund abbrechen würde. Da der Flug nicht storniert wurde, waren die Angaben der Sicherheitsbehörde glaubhaft. Auch gab der BF des Öfteren an, dass er Österreich nicht verlassen will. Durch die Verhinderung der Abschiebung verwirklichte der BF den Tatbestand gem. § 76 Abs. 3 Z 1, wie auch von der Behörde vorgebracht. Der BF stellte auch einen Folgeantrag, hierbei wurde dem BF der faktische Abschiebeschutz aufgehoben und mit Beschluss des BVwG W 182 2129294-2/2E bestätigt und begründet dies die Fluchtgefahr gem. Z 4. Der BF verfügt zwar über einen aufrechten Wohnsitz bei seinem Onkel, er geht jedoch keiner Beschäftigung nach und hat keine entsprechenden Barmittel, um für sich selbst zu sorgen. Die Beziehung zu seinem Onkel ist nicht dermaßen, dass der BF nicht untertauchen würde. Sodass die Behörde zu Recht von einer Fluchtgefahr und damit von einem Sicherungsbedarf gem. § 76 Abs. 3, Z 1, 4 und 9 ausging.
Der BF verhinderte die Abschiebung am 14.08.2020 und es besteht das öffentliche Interesse an dem Vollzug der Abschiebung, zumal die Abschiebung unmittelbar bevorstand. Dem BF wird kein Vorwurf gemacht, dass er nicht selbständig ausreiste. Er versuchte jedoch weiterhin die Abschiebung zu verhindern. Auch während der Schubhaft versuchte der BF durch Hungerstreiks die Schubhaft zu beenden. Der BF zeigte sich auch bei den ärztlichen Untersuchungen nicht kooperativ. Sodass das Gericht davon ausgeht, dass der BF mit allen Mitteln versuchte sich der Abschiebung zu entziehen. Eine Abwägung zwischen den persönlichen Interessen des BF und den Interessen der Öffentlichkeit hinsichtlich eines geordneten Fremdenwesens (Verhältnismäßigkeit) hat ergeben, dass hier den öffentlichen Interessen der Vorzug zu gewähren war, zumal die Freiheitsentziehung kurz war und daher die Interessen geschont wurden. In einer Gesamtsicht dieser Faktoren geht daher das erkennende Gericht im vorliegenden Fall von Fluchtgefahr aus, erachtet den Sicherungsbedarf für gegeben und die Schubhaft für verhältnismäßig.
3.3.4. Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 leg. cit. genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246).
Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
Die Schubhaft darf daher stets nur "ultima ratio" sein (VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig".
3.3.5. Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes Sicherungsbedarf im Hinblick auf den im § 76 Abs. 3 FPG enthaltenen Kriterienkatalog gegeben. Der BF wurde zunächst festgenommen und mit der Abschiebung am 14.08.2018 begonnen. Erst nach der Verhinderung bzw. Behinderung der Abschiebung durch den BF erfolgte die Inschubhaftnahme. Der BF gab in seiner niederschriftlichen Befragung am 14.08.2018 wiederholend an, dass er nicht aus Österreich ausreisen möchte. Auch behinderte er die Abschiebung aktiv und verhielt sich, schon während der Festnahme unkooperativ. Die Möglichkeit, dass der BF mit gelinderen Mitteln zur geplanten Abschiebung seinen Beitrag leisten würde, war zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung nicht gegeben und auch in weitere Folge zeigte der BF sein unkooperatives Verhalten und versuchte Widerstand gegen die Abschiebung zu leisten (Hungerstreiks). Er verfügte zwar mit seinem Onkel über eine familiäre Beziehung und einen Wohnsitz. Diese Beziehung hätte nach Ansicht des BVwG nicht ausgereicht, um ihn davon abzuhalten unterzutauchen oder zumindest die Abschiebung zu verhindern. Auch die familiären Verhältnisse, wie in der Beschwerde vorgebracht zu seinen Tanten und Cousinen hätten den BF nicht davon abgehalten unterzutauchen. Der BF verfügte auch über keine weiteren sonstigen sozialen Beziehungen oder einer beruflichen Tätigkeit, welche ihn daran gehindert hätten unterzutauchen.
Vor dem Hintergrund der Umstände des Einzelfalles war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts im gegenständlichen Fall die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig. Der BF ist nicht im Besitz eines faktischen Abschiebeschutzes. Die Anwendung von gelinderen Mittel war nicht möglich.
3.4. Spruchpunkt II - Kostenzuspruch:
3.4.1. Der VwGH hat im Erkenntnis vom 23.04.2015, Zl. Ro 2014/21/0077, ausgeführt, dass die Beschwerde an das BVwG, soweit damit die dem (gemeint: rechtswidrigen) Schubhaftbescheid nachfolgende Anhaltung bekämpft wird, eine Beschwerde gegen die behauptete Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, weshalb auch § 35 VwGVG zur Anwendung kommt, und zwar zumindest insoweit, als er einem Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht im Falle des Obsiegens in einem Beschwerdeverfahren wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kostenersatz einräumt.
Der mit "Kosten" betitelte § 35 VwGVG lautet:
"§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:
1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,
2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie
3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."
Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:
"1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro
2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro
3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro
4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro
5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro
6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro
7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."
3.5.2. Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Bescheid, mit dem die Schubhaft angeordnet wurde, als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben.
Da die Beschwerde abgewiesen wurde, ist gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG die belangte Behörde, die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
Der Behörde war daher der beantragte Ersatz des Vorlageaufwandes in der Höhe von 57, 40 Euro sowie der Schriftsatzaufwand in der Höhe von 368,80 Euro somit insgesamt der Aufwand in der Höhe von 426,20 Euro zuzusprechen.
Der BF stellte keinen Antrag auf Kostenzuspruch.
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war, Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen und eine initiative Darlegung für die Entscheidungsfindung relevanten Umstände, die durch die weitere Hinterfragung zu klären gewesen wären, nicht erforderlich war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen, die bei den jeweiligen Erwägungen wiedergegeben wurde.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Abschiebung aggressives Verhalten Fluchtgefahr Kooperation öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Untertauchen Vereitelung VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W272.2204526.1.00Im RIS seit
01.10.2020Zuletzt aktualisiert am
01.10.2020