TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/13 W272 2222150-1

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Veröffentlicht am 13.07.2020
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Entscheidungsdatum

13.07.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W272 2222150-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2019, Zahl: XXXX , und die Anhaltung von 30.07.2019 bis 09.08.2019, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft von 30.07.2019 bis 09.08.2019 für rechtswidrig erklärt.

II. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

III. Gemäß § 35 VwGVG iVm Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF), ein Staatsangehöriger Indiens, reiste zuletzt am 19.02.2019 in das österreichische Bundesgebiet ein.

2. Am 30.07.2019 um 08:20 wurde er einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle unterzogen. Und festgestellt, dass er den sichtvermerkfreien Zeitraum eines rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich überschritten hatte.

3. Am 30.07.2019 wurde der BF vom BFA schriftlich einvernommen. Er gab an, dass er in Österreich eine Firma habe und ihm die Firma zu 90 Prozent gehöre. Der Geschäftsführer sei XXXX . Er transportiere Medikamente für mehrere Apotheken in Wien. Er arbeite jeden Tag 9 – 10 Stunden, außer den Wochenenden. Er leiste seine Abgaben, sei sozialversichert, sei gesund und lebe gemeldet in Wien. Die Firmenadresse sei seine Wohnadresse. In XXXX lebe der Sohn und die Tochter seiner Schwester. Seine Frau lebe mit den drei Kindern in Indien. In Griechenland sei er vor zwei Jahren das letzte Mal gewesen. Den ersten Aufenthaltstitel in Griechenland habe er 2002 bis 2003 gehabt. In Griechenland habe er bei jemanden gewohnt. Er habe sich eine Charakterbescheinigung ausstellen lassen und hier die Firma gegründet. Für die Wohnung habe er jetzt keinen Schlüssel, er könne aber telefonisch erfahren, wo der Schlüssel sei. Er sei mit ca. 6000 Euro nach Österreich gekommen, jetzt habe er alles für ein Auto ausgegeben und lebe nun vom Firmengeld. In Griechenland wohne er in der Nähe von Athen im Dorf XXXX . Seine Effekten seien in seiner Wohnung. Wenn man ihm Zeit gebe, reise er freiwillig aus. Die Behörde teilte mit, dass es beabsichtigt sei über ihn Schubhaft zu verhängen, zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot und zur Sicherung der Abschiebung. Es werde eine Anordnung zur Außerlandesbringung erlassen.

4. Mit Bescheid vom 30.07.2019 wurde gem. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF indischer Staatsbürger sei, er drei Kinder und eine Frau habe, die in Indien leben, er keine Barmittel besitze und keinen Schlüssel zu einer in Wien gemeldeten Wohnung. Der BF sei illegal aufhältig, da er den sichtvermerkfreien Zeitraum überschritten habe. Der BF sei am 19.02.2019 in das Bundesgebiet eingereist. Der BF zeige durch seinen bewussten illegalen Aufenthalt und der unrechtmäßigen Beschäftigung, dass er sich nicht an die österreichischen Gesetze halte. Er habe kein schützenswertes Privatleben und keine ausreichenden familiären und sozialen Kontakte. Er besitze nicht durchgehend einen Wohnungsschlüssel und habe keine Barmittel. Es bestehe daher Fluchtgefahr und die Gefahr, dass der BF bei Entlassung untertauche und somit sich einem Verfahren zur Sicherung der Abschiebung entziehe. Es liege aus seinem geschilderten Verhalten ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vor und so liege eine ultima ratio Situation vor, sodass die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar ist und die Anwendung gelindere Mittel nicht ausreichend erscheinen. Der BF sei haftfähig

6. Der BF wurde am 09.08.2019 aus der Schubhaft entlassen und verließ das österreichische Bundesgebiet mit dem Flugzeug nach Indien.

7. Am 08.08.2019 erhob der BF Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid. Er brachte zunächst vor, dass die Behörde den Bescheid auf keine taugliche Rechtsgrundlage stützte. Der BF verfüge in Griechenland über einen gültigen Aufenthaltstitel und daher sei im vorliegenden Fall nur eine Schubhaft gem. § 76 Abs. 2 Z 3 FPG denkbar gewesen, da betreffend den BF ein Verfahren iSd Dublin III-VO geführt wird und eine Haft zur Sicherung des Vollzugs nur nach Art. 28 leg cit verhängt werden darf. Weiters leide der Bescheid an Begründungsmängel. So sei eine Fluchtgefahr in „erheblichen“ Ausmaß notwendig, um eine Schubhaft zu verhängen. Die Behörde befasste sich jedoch nicht ausreichend mit den konkreten Angaben des BF. So sei er an einer Adresse gemeldet und verfüge über Wohnverhältnisse. Der BF sei in Österreich beschäftigt. Er habe einen gültigen Reisepass und dokumentierte Reisebewegungen zwischen Griechenland, Österreich und Indien und familiäre Verhältnisse (Tochter und Sohn seiner Schwester leben in XXXX bzw. XXXX ) in Österreich. Aus welche Grund das Nichtmitführen des Wohnungsschlüssels zu einer Gefahr des Untertauchens führe, sei von der Behörde nicht begründet worden, sondern nur allgemein auf sein Vorverhalten verwiesen worden. Der BF sei zu jederzeit kooperativ gewesen. Er wies sich mit einem gültigen Reisepass aus und zeigte seine Bereitschaft freiwillig auszureisen. Da auch nicht bekannt gegeben wurde, ob und wann eine Überstellung nach Griechenland möglich sei, sei die Schubhaftnahme auch unverhältnismäßig. Weiters hätte für den BF die Anwendung von gelinderen Mitteln ausgereicht. Der BF hätte auch in einer behördlichen Räumlichkeit Unterkunft nehmen können. Dies zeigt sich insbesondere, da der BF jederzeit kooperativ war und ausführliche und nachprüfbare Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen in Österreich und Griechenland nachvollziehbar darlegte. Weiters wird der Ersatz des Aufwandes gem. § 35 VwGVG beantragt. Als obsiegende Partei den Ersatz in der Höhe von 737,60 Euro und den etwaigen Verhandlungsaufwand iHv 922,00 Euro.

8. Die Beschwerde wurde durch das BFA am 09.08.2019 vorgelegt und ergänzend dargelegt, dass der BF zwar im Besitz eines Visums von Griechenland war, er jedoch in Österreich keinen Asylantrag gestellt habe und daher eine Überstellung nach der Dublin III-VO bzw. auch keine Schubhaft gem. § 76 Abs. 2 Z 3 FPG erfolgen konnte. Der BF hat jedoch auch innerhalb kürzester Zeit einen Antrag auf freiwillige Rückkehr gestellt, sodass die Schubhaft so kurz wie möglich erfolgte und der BF sogar nach Indien zurückreiste. Zur Fluchtgefahr, Verhältnismäßigkeit und Anwendung gelinderer Mittel wird auf den Bescheid verwiesen und ein Antrag auf Ersatz der Aufwände iHv 426,20 Euro gestellt sowie bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung zusätzlich iHv 461,00 Euro.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der unter I. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger Indiens und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Er ist daher Fremder iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Der BF stellte in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF stellte auch in Griechenland oder in einem anderen europäischen Staat im Schengen Raum keinen Antrag auf internationalen Schutz (Asyl).

Der BF reiste am 19.02.2019 in das österreichische Staatsgebiet ein. Der BF war im Besitz eines griechischen Visums.

Der BF befand sich von 30.09.2019 bis zu seiner Abschiebung am 09.08.2019 in Schubhaft.

Der BF ist unbescholten.

Der BF legte einen gültigen Reisepass vor. Es liegen Einträge aus Indien, Griechenland und Österreich vor.

Der BF ist in Österreich in der XXXX , 1110 Wien gemeldet.

Der BF hat familiäre und soziale Kontakte in Österreich. Es leben sein Neffe und seine Nichte in Österreich.

Der BF geht in Österreich einer regelmäßigen nicht legalen Beschäftigung nach.

Der BF lebte vom Verdienst seiner Beschäftigung.

Der BF besitzt keine Barmittel.

Der BF ist kooperativ.

Der BF ist gesund und haftfähig.

Es gab keine hinreichenden Indizien für die Annahme, dass sich der BF dem Zugriff der Behörden entziehen würde.

Die Abschiebung ist innerhalb der Schubhafthöchstdauer effektuierbar.

Die Schubhaft ist nicht verhältnismäßig und nicht ultima-ratio.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen zur Person des BF und seiner Staatsangehörigkeit ergeben sich aus seinen Angaben und dem Reisepass. Weder der BF noch in seiner Beschwerde wurde vorgebracht, dass er einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt hat, auch gab er nicht an, dass er in Griechenland einen dementsprechenden Antrag gestellt hat. Auch erscheint kein EURODAC – Treffer auf, welcher einen Hinweis liefern würde, dass der BF einen Antrag auf internationalen Schutz in Europa gestellt hätte, sodass das Gericht insgesamt davon ausgeht, dass der BF keinen entsprechenden Antrag gestellt hat.

Die Feststellungen der Einreise ergeben sich aus seinen Angaben und dem Eintrag in seinem Reisepass. Das griechische Visum ergibt sich aus seinem Eintrag im Reisepass. Der BF reiste auch öfters nach Indien, wie es aus seinem Reispasseintragungen ersichtlich ist.

Die Feststellung der Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Strafregisterauszug.

Dass der BF in Österreich gemeldet war und einer Beschäftigung nachging, ergibt sich aus seinen Angaben, den Sozialversicherungsauszug, dem ZMR und dem Auszug aus dem FirmenABC.At.

Die familiären Verhältnisse ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des BF in seiner Einvernahme vor dem BFA.

Dass der BF gesund ist beruht auf dem Umstand, dass Gegenteiliges nicht vorgebracht wurde und selbst angab gesund zu sein.

Dass der BF kooperativ ist, zeigt sich durch seine freiwilligen und nachvollziehbaren und überprüfbaren Angaben. Der BF gab alle Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen freiwillig bekannt und zeigte sich auch kooperativ das Land zu verlassen. So gab er selbst an, dass er das Land verlassen werde:“ Wenn Sie mir Zeit geben, kann ich auch freiwillig ausreisen.“ Die Behörde hat hier keine näheren Erhebungen durchgeführt und wäre angehalten gewesen genauer nachzufragen, wie und wann er das Land verlassen werde. Dass der BF nicht am selben Tag nach Indien ausreisen kann, liegt auf der Hand zumal die Abflugmodalitäten zu klären waren. Auch die Reisepasseintragungen zeigen, dass der BF immer nach Indien zurückreist und es bestand daher nach Ansicht des Gerichtes kein Indiz dafür, dass der BF nunmehr nicht ausreisen würde. Dem BF wäre zumindest die Möglichkeit zu geben gewesen, sich bis zur Ausreise in seinem Wohnsitz aufzuhalten und sich in regelmäßigen Abständen zu melden oder in einer zugewiesenen Unterkunft Wohnung zu nehmen. Der Behörde ist Recht zu geben, dass der BF sich nicht an die österreichischen Gesetze hielt, indem er eine illegale Beschäftigung nachging. Es zeigt sich daraus jedoch nicht ohne weitere Einzelfallprüfung, dass dadurch der BF untertauchen wird, zumal er auch angab wo er wohnte, wo seine Familienangehörigen leben, seine Firma untergebracht ist und er seine tägliche Arbeit verrichtet. Mit seinen Firmeneinkünften konnte er auch leben, wenngleich er sich nichts erspart hatte. (Seite 4 der niederschriftlichen Einvernahme).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.

3.2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem BF gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchpunkt A.I.) – Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft

3.3 Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden. Die Schubhaft darf gemäß Abs. 2 nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gem. § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist (Z1), oder dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist (Z 2), oder die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen (Z 3).

3.4 Der BF ist indischer Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger. Sohin ist er ein Fremder gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und verfügt über kein Aufenthaltsrecht in Österreich. Der BF besitzt jedoch ein gültiges griechisches Visum und ist daher berechtigt im Schengen-Raum für in einem Zeitraum von 180 Tagen für maximal 90 Tage zu reisen. Da der BF seit 19.02.2019 in Österreich aufhältig war, ist die Dauer des erlaubten Aufenthaltes überschritten und der BF hat dadurch keinen gültigen Aufenthaltstitel, -berechtigung in Österreich.

3.5 Gem. Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz wird eine Mitgliedstaat bestimmt, welcher für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. Der BF stellte in keinem europäischen Land einen Antrag auf Asyl bzw. internationalen Schutz. Sodass die gesetzliche Bestimmung der Z.3 des § 76 Abs. 2 FPG aufgrund des Fehlens eines entsprechenden Antrages nicht anwendbar ist, auch wenn der BF Drittstaatsangehöriger ist. Sodass die Behörde zur Recht die rechtliche Grundlage des § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG der Schubhaftverhängung zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG angewendet hat.

Der BF ist mit einem griechischen Visum nach Österreich eingereist.

3.6 Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt gemäß Abs. 3 vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert (Z 1), ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind (Z 1a) ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist (Z 2), ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat (Z 3), ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt (Z 4), ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde (Z 5), ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist (Z 6), insbesondere sofern der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat (lit. a), der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen (lit. b), oder es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt (lit. c), ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt (Z 7), ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Z 8) und der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes (Z 9). Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft gemäß Abs. 5 ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG daher der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Der BF war seit seiner Einreise durchgehend im Bundesgebiet gemeldet und war auch erwerbstätig, wenngleich illegal. Er konnte durch seine Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt finanzieren und erhielt keine staatliche Unterstützung. Der BF war auch an einem Wohnsitz gemeldet und gab diesen Wohnsitz auch bekannt. Das offenkundige Nichtmitführen eines Schlüssels für die Wohnung, reicht dem Gericht nicht dafür aus, festzustellen, dass der BF ohne Unterkunft wäre. Die Behörde hätte hier die Möglichkeit gehabt, nähere Informationen einzuholen ua., ob der BF wirklich Zugang zur Wohnung, (-schlüssel) bei Bedarf hatte. Auch hat der BF familiäre Beziehungen innerhalb Österreichs und hat hier die Verwandtschaftsverhältnisse und den Aufenthalt bekannt gegeben. Die Behörde hat diese Umstände jedoch nicht ausreichend gewürdigt und erhoben. Der BF hatte auch einen Arbeitskollegen und sonstige soziale Kontakte, sodass das Gericht davon ausgeht, dass wenngleich der BF keine Aufenthaltsberechtigung und keine legale Beschäftigung in Österreich hatte, der Fluchtgrund gem. Z 9 aus den Akten nicht ableitbar ist. Eine strafrechtliche Verurteilung des BF liegt nicht vor.

Da der BF in Österreich einer selbstständigen (illegalen) Beschäftigung nachgegangen ist und über einen gesicherten Wohnsitz verfügt hat, familiäre und soziale Anknüpfungspunkte, gab es von vornherein keinen Sicherungsbedarf. Auch war der BF bereit das österreichische Staatsgebiet zu verlassen und bestand auch in diesem Bereich Kooperationsbereitschaft. Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, war dies auch glaubwürdig zumal der BF gem. seinem Reisepass auch nach Indien reiste.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum.

Wie bereits festgestellte, bestand schon von vornherein kein Sicherungsbedarf. Selbst wenn man jedoch vom Vorliegen eines Sicherungsbedarfes ausgehen würde, hätte die belangte Behörde mit einem gelinderen Mittel das Auslangen finden müssen.

Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Unter der oben genannten Judikatur, darf Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“ (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, „weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken).“ (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Im vorliegenden Fall war der BF sofort willig freiwillig auszureisen. Er hat nach Befragung der Behörde jederzeit mitgewirkt sowie seinen Reisepass ausgehändigt. Alle seine Angaben waren, soweit erhoben richtig. Selbst unter der Annahme eines Sicherungsbedarfes gem. Z 9 ist nicht die Folge daraus, dass die Schubhaft tatsächlich anzuordnen ist, die angeordnete Schubhaft muss nach Ansicht des Gerichtes als Ultima Ratio zu qualifizieren sein, dies war jedoch nicht der Fall. Der Gesetzgeber sieht die Möglichkeit der Verhängung eines gelinderen Mittels vor, von welcher das Bundesamt Gebrauch machen hätte müssen. Im gegenständlichen Fall wird dies nach Ansicht des Gerichtes zur Sicherung der Abschiebung des BF als ausreichend erachtet. Der BF war seit seiner Einreise in das Bundesgebiet durchgehend an einer Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet. Der BF kam seiner Meldeverpflichtung stets nach. Er ging einer selbständigen Erwerbstätigkeit nach, welche mit den öffentlichen Apotheken zusammenarbeitete. Er hat familiäre Anknüpfungspunkte und war glaubwürdig und kooperativ. Die in § 77 Abs. 3 Z 1-3 vorgesehenen Möglichkeiten stellen einerseits für den BF eine lediglich geringfügige und wohl auch zumutbare Beschränkung dar und bieten andererseits der Behörde eine gute Möglichkeit, zur Sicherung der Abschiebung durch die verhängten Maßnahmen eine engmaschige Kontrolle des BF zu organisieren. Der BF hat auch in der Vergangenheit nicht gegen vergleichbare Auflagen verstoßen, sodass hier das Gericht die Verhängung von gelinderen Mittel für ausreichend erachtet hat. Die illegale Beschäftigung Verurteilung des BF führt nicht automatisch dazu, dass der BF unglaubwürdig wird und von einer Nichtbefolgung von österreichischen Gesetzen im Allgemeinen auszugehen ist und der BF auch eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

Aufgrund der fehlenden Notwendigkeit des Freiheitsentzuges war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162; 26.01.2012, 2008/21/0626; 11.06.2013, 2012/21/0114). Ebenso war daher die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 30.07.2019 bis zu seiner Abschiebung/Ausreise am 09.08.2019 für rechtswidrig zu erklären.

Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten abschließend ermittelt werden. Eine Einvernahme des BF konnte daher unterbleiben.

Zu Spruchpunkt A.II. und III.) Kostenbegehren

1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der BF die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom BF vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der BF die unterlegene Partei.

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da der BF vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz seiner Aufwendungen zu.

Gem. § 35 Abs. 4 VwGVG gelten als Aufwendungen gem. Abs. 1 die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteienrechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schritsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

"1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."

3.5.2. Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Bescheid, mit dem die Schubhaft angeordnet wurde, als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben.

Die belangte Behörde hat daher dem BF Kosten iHv € 737,60 zu ersetzten.

Zu Spruchpunkt B.) Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in Bezug auf die Kostenentscheidung war die Revision bezüglich der Spruchpunkt A.II. und III. gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausreisewilligkeit Erwerbstätigkeit gelinderes Mittel Kooperation Rechtswidrigkeit Schubhaft unverhältnismäßiger Eingriff Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W272.2222150.1.00

Im RIS seit

01.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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