Entscheidungsdatum
13.07.2020Norm
BFA-VG §22aSpruch
W171 2232727-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX alias XXXX alias XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit China, vertreten durch die XXXX Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2020, Zl. XXXX zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Anhaltung in Schubhaft vom 18.06.2020 bis 19.06.2020 (Antragstellung des Antrags auf internationalen Schutz) rechtmäßig gewesen ist.
II. Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als die Anhaltung in Schubhaft vom 19.06.2020 (Antragstellung des Antrags auf internationalen Schutz) bis 13.07.2020 (Datum der gegenständlichen Entscheidung) rechtswidrig gewesen ist.
III. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 76 Abs. 6 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.
III. Der Antrag der Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.
IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
- Die Beschwerdeführerin (in Folge auch BF) reiste nach eigenen Angaben im Mai 2018 illegal in das Bundesgebiet ein und wurde am 16.06.2020 festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum (PAZ) verbracht. Sie konnte keine Identitätsdokumente vorweisen.
- Gleichsam am 16.06.2020 wurde die BF einvernommen und ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot eingeleitet.
- Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA, Behörde oder auch Bundesamt genannt) vom 17.06.2020 wurde über die BF die gegenständlich angefochtene Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung verhängt und die BF seit 18.06.2020 in Schubhaft genommen.
- Am 19.06.2020 stellte die BF einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde die Schubhaft auf Grundlage des § 76 Abs. 6 FPG weitergeführt.
- Mit Vernehmung vom 25.06.2020 wurde die BF im Asylverfahren einvernommen und der Antrag mit Bescheid des BFA vom 30.06.2020 in allen Punkten abgewiesen, festgestellt, dass eine Abschiebung nach China zulässig sei sowie eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen und auch ein Einreiseverbot verhängt. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt und keine Frist für die freiwillige Ausreise erteilt. Der Bescheid wurde der BF am 01.07.2020 zugestellt.
- Mit gegenständlicher Beschwerde vom 06.07.2020 wurde der Schubhaftbescheid vom 17.06.2020 wegen Rechtswidrigkeit angefochten und beantragt, die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung für rechtswidrig zu erklären. Beantragt wurde überdies die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und der Ersatz der verfahrensgegenständlichen Kosten.
- Die Behörde legte dem Gericht den Schubhaftakt am 06.07.2020 vor und erstattete eine Stellungnahme unter Beantragung der Abweisung der Beschwerde sowie des Kostenersatzes für die Aufwendungen. Dabei wurde wie nachstehend (vom Gericht gekürzt) ausgeführt:
- „Die BF wurde am 16.06.2020 im Personenzug von Beamten der Polizeiinspektion kontrolliert und konnte keinerlei Dokumente vorweisen.
? Die BF wurde aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthalts um 12:39 Uhr gem. § 39 FPG festgenommen und in das PAZ verbracht.
? Am 16.06.2020 wurde eine niederschriftliche Einvernahme im Beisein eines Dolmetschers zur Prüfung von Sicherungsmaßnahmen durch die Polizei geführt.
Hierbei wurde unter anderem angegeben, dass die BF im Mai 2018 mit dem Flugzeug von Russland nach Wien einreiste und in Österreich sein möchte, da die Lebensqualität besser sei. Weiters wurde angegeben, dass die BF an keiner schwerwiegenden Krankheit leidet, über keine Familienangehörige in Österreich bzw. einem Mitgliedsstaat verfügt, keine legal in Österreich aufhältigen Personen kennt, bei denen sie während des fremdenpolizeilichen Verfahrens wohnen oder sich Geld leihen könnte, über nur EUR 1,97 und Yuan 1,00 verfügt. Sie möchte keinen Asylantrag stellen und hat bisher auch keinen Asylantrag in einem Mitgliedsstaat gestellt. Sie wolle in Österreich bleiben, dass Sie in China kein Geld verdienen kann.
? Am 16.06.2020 wurde gegen Sie ein Verfahren zu Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot eingeleitet.
? Am 17.06.2020 wurde über die BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.
? Am 19.06.2020 stellte die BF im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz.
? Gemäß 76 Abs. 6 FPG wurde die Schubhaft aufrechterhalten.
? Mit Bescheid vom 30.06.2020 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 19.06.2020 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat VR China abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Eine Rückkehrentscheidung wurde erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach VR China zulässig ist. Ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot wurde erlassen. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt und keine Frist für die freiwillige Ausreise erteilt. Diese Entscheidung wurde der BF am 01.07.2020 zugestellt.
Eine Verhängung eines gelinderen Mittels war zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung
der Schubhaft nicht zielführen und ist dies auch zu gegebenem Zeitpunkt
ausgeschlossen.
Die BF reiste bereits im Mai 2018 ins österreichische Bundesgebiet ein und konnte nur
durch Zufall im Zuge eine Personenkontrolle angetroffen werden. Die BF versuchte
unter Verwendung von Alias-Daten Ihre wahre Identität zu verschleiern. Obwohl der
BF bewusst sein musste, dass sie sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, setzte
sie alles daran, in völliger Anonymität weiterhin in Österreich aufhältig zu sein. Die BF
verfügt über keinen Wohnsitz in Österreich, konnte keine Familienangehörige oder
sonstige Bekannte nennen und verfügt über keine finanziellen Mittel.
Obwohl die BF bereits seit zwei Jahren in Österreich aufhältig ist, stellte die BF erst
nach Inschubhaftnahme einen Antrag auf internationalen Schutz. Daher war
begründend davon auszugehen, dass dieser Antrag mit Verzögerungsabsicht gestellt
wurde. Die BF konnte im Zuge der Ersteinvernahme lediglich wirtschaftliche Gründe
für ihren Asylantrag angeben.
Die von der XXXX Rechtsberatung vorgebrachten Argumente, dass die Verhängung
eines Gelinderen Mittels (im Sinne einer Anordnung zur Unterkunftnahme) zur
Sicherung des Verfahrens ausgereicht hätte, muss darauf hingewiesen werden, dass
aufgrund des bisherigen Verhalten die BF nicht als vertrauenswürdig erachtet werden
kann und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie
sich keinesfalls dort aufhalten und der Behörde bei der geplanten Abschiebung zur
Verfügung stehen wird. Die Anordnung eines gelinderen Mittels ist entschieden
abzulehnen. Die VP hält sich bereits über einen langen Zeitraum in Österreich auf, kam
jedoch weder dem Meldegesetz nach noch bemühte sie sich um einen rechtmäßigen
Aufenthalt in Österreich. Im Gegenteil versuchte die BF Ihre Identität durch Angabe
falscher Daten zu verschleiern.
Die BF stellte inzwischen einen Antrag zur unterstützen freiwilligen Ausreise. Wie
bereits ausführlich erläutert, kann die ho. Behörde nicht davon ausgehen, dass die BF
außerhalb der Schubhaft dieser Ausreise auch tatsächlich nachkommen würde.
Laut telefonischer Auskunft vom 06.07.2020 des VMÖ verfügt die BF inzwischen über
einen Reisepass.
Eine Abschiebung bzw. eine unterstütze Ausreise ist voraussichtlich Ende August
möglich.
Die BF befindet sich nicht im Hungerstreik und steht auch keine Haftunfähigkeit im
Raum.
Anmerkung: Da der Festnahmeauftrag sowie der Aktenvermerk gem. § 76 Abs. 6 FPG
im Zuge des Journaldienstes von einer anderen Regionaldirektion erlassen wurde, liegt
dem Akt lediglich die amtsignierte Version bei.“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person und zum Verfahren:
1.1. Die BF reiste 2018 illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 19.06.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei brachte die BF lediglich wirtschaftliche Gründe für ihren Wunsch in Österreich zu bleiben vor.
1.2. Sie ist nicht österreichische Staatsbürgerin und daher Fremde im Sinne des § 2 Absatz 4 FPG. Sie ist chinesische Staatsangehörige.
1.3. Sie leidet an keinen die Hafttauglichkeit ausschließenden gesundheitlichen Einschränkungen.
1.4. Die BF wurde am 16.06.2020 festgenommen und über sie am 17.06.2020 die Schubhaft zur Sicherung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Abschiebung verhängt.
Zu den Voraussetzungen der Schubhaft:
2.1. Das Asylverfahren anlässlich des Antrages vom 19.06.2020 ist behördlich unter Ausspruch einer Rückkehrentscheidung abgeschlossen. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.
2.2. Von einer möglichen Abschiebung der BF innerhalb angemessener Frist unter Beachtung der gesetzlichen höchstzulässigen Fristen ist zum Zeitpunkt der Entscheidung auszugehen.
2.3. Die BF ist hafttauglich.
2.4. Zum Zeitpunkt der Entscheidung scheint eine Abschiebung bis Ende August 2020 möglich zu sein.
Zum Sicherungsbedarf:
3.1. Die BF versuchte zu Beginn, die Behörde über ihre Identität zu täuschen.
3.2. Die BF verfügte mit Ausnahme der Unterbringung im PAZ über keine registrierte Meldeadresse.
3.3. Die BF verhielt sich im bisherigen Verfahren nicht kooperativ und verweigerte die Unterschrift auf dem Anhalteprotokoll.
3.4. Sie verfügt über keine wesentlichen Barmittel.
Zur familiären/sozialen Komponente:
4.1. Die BF geht keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.
4.2. Sie hat keine Familienangehörigen in Österreich.
4.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF im Inland einer sozialen Verfestigung unterliegt.
4.4. Die BF hat im Inland keine gesicherte Unterkunft.
Zum behördlichen Verfahren:
5.1. Die Weiterführung der Schubhaft nach Antragstellung der BF auf internationalen Schutz auf Grundlage des § 76 Abs. 6 FPG durch Aktenvermerk vom 19.06.2020 erfolgte nahezu begründungslos.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person und zum Verfahrensgang (1.1.-1.4.):
Die Feststellungen zum Verfahrensgang (1.1., 1.2. und 1.4.) ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. In der Beschwerdeschrift finden sich hiezu keine anderslautenden Ausführungen, sodass im Ergebnis von einer Übereinstimmung der verfahrensmäßigen Ausgangslage ausgegangen werden konnte. Die Feststellung zum Gesundheitszustand (1.3.) bezieht sich auf die Angaben im Akt, aus denen sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte erkennen lassen und der Tatsache, dass hinsichtlich einer allfälligen Änderung des Gesundheitszustandes dem erkennenden Gericht zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung keinerlei anderslautenden Informationen vorliegen. Die BF gibt in der Einvernahme vom 16.06.2020 selbst an, gesund zu sein und konnten die im Rahmen einer Gesundheitsbefragung von der BF angegebenen gesundheitlichen Beschwerden ärztlicherseits nicht verifiziert werden. Das Gericht geht daher nicht von wesentlichen gesundheitlichen Einschränkungen der BF aus. Aus dem Ersteinvernahmeprotokoll im Asylverfahren ergibt sich zudem, dass die BF keine asylrelevanten Gründe für ihre Ausreise aus China angab.
2.2. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.4.):
Die Feststellung über den Status des Asylverfahrens (2.1.) bezieht sich auf die Angaben im Akt hinsichtlich des asyl-und fremdenrechtlichen Vorverfahrens, sowie aus den Angaben aus dem Fremdeninformationssystem.
Zu 2.2. und 2.4.:
Die Feststellung zu 2.2. ergibt sich aus einer Gesamtsicht der dem Gericht vorliegenden Informationen aus dem Akt, mit welchen im Rahmen einer Prognoseentscheidung zum jetzigen Zeitpunkt festgestellt werden kann, dass die Abschiebung vermutlich binnen verhältnismäßiger Frist effektuierbar sein wird.
Die Feststellung zur Haftfähigkeit (2.3.) ergibt sich daraus, dass dem Gericht bis zum Zeitpunkt der Entscheidung keine anderslautenden Informationen zugekommen sind.
2.3. Zum Sicherungsbedarf (3.1.-3.4.):
Zu diesen Feststellungen wurden neben dem sonstigen Akteninhalt insbesondere die auch im Akt erliegenden Auszüge aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), sowie aus der Anhaltedatei herangezogen. Aus dem Auszug aus dem ZMR ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin lediglich im PAZ eine aufrechte Meldeadresse hat (3.2.). Die Feststellung der Täuschung über ihre Identität (3.1.) begründet sich im Wesentlichen auf die Tatsache, dass die BF erst nach konkretem Vorhalt, dass ihre Person in Österreich bereits unter einer anderen Identität bekannt sei, den Grund für die beiden von ihr geführten Namen erklärte. Sie hat daher nach Ansicht des Gerichts zuvor versucht, ihre wahre Identität vor den Behördenvertretern geheim zu halten. Das Gericht geht sohin diesbezüglich von einer Täuschungsabsicht der BF aus, zumal ihre Begründung für die doppelte Namensführung nur bedingt plausibel erscheint.
Im Verfahrensakt findet sich weiters auch ein Hinweis darauf, dass die BF ihre Unterschrift auf dem Anhalteprotokoll verweigert hatte (3.3.).
In der Einvernahme vom 16.06.2020 vor dem BFA gibt die BF selbst an, lediglich 1,97 Euro zu besitzen. Das Gericht geht daher aufgrund der eigenen Angaben der BF davon aus, dass diese über keine wesentlichen Barmittel verfügt (3.4.).
2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.4.):
Die Feststellung zum Fehlen von Angehörigen und von Freunden (4.2. u. 4.3.) ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin in der Vernehmung vom 16.06. und vom 20.06.2020. Auch hat die Beschwerdeführerin im Rahmen ihres Verfahrens bisher keine sonstigen Hinweise auf ihre Integration angegeben. Die Feststellungen über das Fehlen einer legalen Arbeit in Österreich begründen sich auf die eigenen Aussagen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Einvernahmen. Ein gesicherter Wohnsitz ist ebenso nicht zutage getreten.
2.5. Zum behördlichen Verfahren (5.1.):
Der Aktenvermerk vom 16.06.2020 zur Weiterführung der laufenden Schubhaft gem. § 76 Abs. 6 FPG ist Bestandteil des behördlichen Schubhaftaktes. Dieser besteht im Wesentlichen aus standardisierten Textbausteinen, denen eine konkret auf den vorliegenden Fall bezogene Individualisierung völlig fehlt und der keinerlei Begründung enthält, weshalb die Behörde davon ausgegangen ist, dass die Antragstellung nur vorgenommen wurde, um die Vollstreckung der Rückkehrentscheidung zu verzögern oder zu vereiteln.
2.6.
Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen. Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft
3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:
Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.
Zur Judikatur:
3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, „weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken).“ (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).
3.1.3. Aufgrund des gerichtlichen Beweisverfahrens sieht das Gericht Sicherungsbedarf für gegeben an, da die BF nicht rechtmäßig im Inland aufhältig ist und gegen sie eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung besteht. Aufgrund ihres Vorverhaltens (Führung mehrerer Identitäten und Täuschung der Behörden, Unterschriftsverweigerung) kann sie nicht als kooperativ oder aber als vertrauenswürdig angesehen werden. Ihre fehlende Rückkehrwilligkeit lässt sich aus ihrem bisherigen Verhalten und vor allem aus der kürzlichen Asylantragstellung ersehen. Die BF ist in Österreich nicht sozial verfestigt, hat keine Familienangehörigen im Inland und konnte auch keinen gesicherten Wohnsitz darlegen. Darüber hinaus kamen im Zuge des Verfahrens auch keinerlei weitere nennenswerte soziale Kontakte der BF ans Tageslicht und wurde Derartiges auch nicht behauptet. Die BF ist vermögenslos und hat keinen gesicherten Wohnsitz vorweisen können.
Aufgrund des bisherigen Verhaltens der BF war auch nicht davon auszugehen, dass diese aus eigenem ihrer bestehenden Ausreisepflicht nachkommen würde. Es bedarf daher einer behördlichen Unterstützung.
Das Gericht geht in einer Gesamtsicht des Verhaltens unter den oben angeführten und festgestellten Tatbeständen des § 76 Abs. 3 jedenfalls vom Bestehen ausreichenden Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Person der BF aus. Die im Bescheid erwähnten Kriterien zur Annahme des Sicherungsbedarfes haben sich im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens als weiterhin zutreffend erwiesen.
3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen der BF an den Rechten ihrer persönlichen Freiheit in Bezug auf ihre familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass die BF keinerlei familiäre/soziale Kontakte im Inland hat, die im Rahmen der gerichtlichen und behördlichen Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung bzw. eines Belassen in Freiheit zu beeinflussen geeignet waren. Die BF hat versucht die österreichischen Behörden durch Angabe einer veränderten Identität zu täuschen um sich so rechtswidrig einen Aufenthalt in Österreich zu verschaffen. Durch die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot hat die Republik Österreich nach Ansicht des Gerichts aber ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib der BF im Inland rechtlich nicht gedeckt ist und auch eine Wiederkehr der BF nicht gewünscht wird. Daraus lässt sich sohin auch ein erhöhtes Interesse der Öffentlichkeit an einer gesicherten Außerlandesbringung der BF klar erkennen. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen der BF weit weniger schwer als das öffentliche Interesse einer baldigen gesicherten Außerlandesbringung der BF. Das Gericht geht daher – wie oben angeführt – von der Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus, zumal die Bemühungen des BFA eine gesicherte Heimreise für die BF zu organisieren, im Rahmen des Verfahrens deutlich hervorgekommen sind. Die BF ist gesund und haftfähig und es besteht kein familiäres- oder sonstiges soziales Netz das der BF Halt geben und diese vom Untertauchen erfolgreich abhalten könnte. Es ist daher der BF nach heutiger Sicht zuzumuten, die Zeit bis zu seiner baldigen Rückführung in Schubhaft zuzubringen.
3.1.5.
Das Gericht schließt nicht aus, dass es aufgrund der derzeitigen Pandemie (CoViD-19) in den kommenden Wochen weiterhin zu Verzögerungen oder Annullierungen von Flügen im internationalen Flugverkehr kommen könnte. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht jedoch aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten der Beschwerdeführerin vorausgesetzt – mit wenigen Wochen einzustufen. Eine Abschiebung bis zum Ende des Sommers 2020 ist aus derzeitiger Sicht jedenfalls realistisch. Eine Abschiebung der BF innerhalb der gesetzlichen Höchstfrist ist aus momentaner Sicht jedenfalls möglich.
3.1.6. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt „Sicherungsbedarf“ erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass eine jederzeitige Erreichbarkeit der Beschwerdeführerin nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet wäre, zumal die BF vorgibt, freiwillig nach China zurückreisen zu wollen. Dabei wäre nicht von einer jederzeitigen Greifbarkeit der BF auszugehen und eine kontrollierte Ausreise nicht anzunehmen. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin, die in Täuschungsabsicht den Behörden gegenüber eine neue Identität angegeben hatte und so ihr evidentes Interesse daran gezeigt hatte, dass sie im Inland verbleiben will, nicht zu diesem Zwecke auch untertauchen würde. Dies, zumal sie weder sozialen Anschluss, noch einen gesicherten Wohnsitz vorweisen konnte. Es besteht daher für das Gericht kein Grund davon auszugehen, dass ein gelinderes Mittel eine ausreichende Sicherung der Abschiebung der BF bedeuten würde. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.
3.1.7. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als „ultima ratio“ und wird die Schubhaft auch bis zur erfolgreichen Abschiebung vorerst weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der „ultima ratio“ im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.
3.1.8. Die Behörde hat im gegenständlichen bekämpfen Schubhaftbescheid die Beweggründe für die Erforderlichkeit der Verhängung der Haft erkennbar aufgezeigt und sich mit der konkreten Situation der BF auseinandergesetzt. Wie oben näher ausgeführt wird, gelangt die gerichtliche Überprüfung des Bescheides und der anfänglichen Schubhaft nicht zu einer Unrechtmäßigkeit. Erst die begründungslose Fortsetzung der Haft nach Asylantragstellung begründete die unter Pkt. II. ausgesprochene Rechtswidrigkeit (siehe unter „Zu Punkt II.“).
Zu Spruchpunkt II. Rechtswidrigkeit der weiteren Anhaltung:
Durch die Asylantragstellung der BF am 19.06.2020 war eine Fortsetzung der Schubhaft nur auf Basis des § 76 Abs. 6 FPG weiter möglich. Die Behörde hat nach den gerichtlichen Feststellungen jedoch keine hinreichende Überprüfung der Voraussetzungen für eine gesetzmäßige Weiterführung der Schubhaft durchgeführt und einen nahezu begründungslosen Aktenvermerk verfasst. Nach den Prüfungskriterien die der VwGH hiezu in seiner Judikatur herausgearbeitet hat, ist im vorliegenden Fall von einer Rechtswidrigkeit der Anhaltung seit der Asylantragstellung auszugehen.
Zu Spruchpunkt III. – Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft
Ausgehend von den getroffenen Feststellungen und der Rechtmäßigkeit der Anhaltung bis zur Asylantragstellung hat das gerichtliche Verfahren keine die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernden Umstände ergeben. Im gerichtlichen Verfahren sind keine hinzukommenden Sicherungstatbestände ans Tageslicht getreten.
Bei der Prüfung der Frage der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung einer Anhaltung in Schubhaft nach Stellung eines Antrages auf internationalen Schutzes gemäß § 76 Abs. 6 FPG ist eine Vorwegnahme eines inhaltlichen Asylverfahrens nicht Aufgabe des Schubhaftverfahrens. Nach Ansicht des VwGH (VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0198-9) hat jedoch im Schubhaftverfahren eine nicht näher definierte Grobprüfung des Antrages dennoch vorgenommen zu werden, als sich daraus Schlüsse auf die Motivation für die Antragstellung ableiten lassen.
Die BF hat in der Erstbefragung zu ihrem Antrag auf internationalen Schutz wie folgt ausgeführt:
„Ich möchte hier bleiben, weil ich in China kein Geld verdienen kann.“
Nach Rechtsansicht des Gerichts handelt es sich bei dieser Asylantragsbegründung nicht um einen anerkannten Asylgrund und ist nicht von einem erfolgreichen Antragsverfahren auszugehen. Das Gericht vermeint daher, dass die BF den in Rede stehenden Antrag auf internationalen Schutz (da er in dieser Form nicht ernstlich zum Erfolg führen wird können) nur zur Verzögerung bzw. Verhinderung der Durchsetzung einer Rückkehrentscheidung bzw. Abschiebung ihrer Person gestellt hat. Die Fortsetzung der Schubhaft ist daher nach Ansicht des Gerichtes trotz der Asylantragstellung rechtmäßig (III.).
Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung auch die Voraussetzungen für eine Weiterführung der Schubhaft vorliegen.
Zu Spruchpunkt IV. und V. – Kostenbegehren
Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da jedoch keine der Parteien vollständig obsiegte, steht nach der zitierten Gesetzesstelle keiner der Parteien ein Kostenersatz zu.
Zu Spruchpunkt B. – Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie zu Spruchpunkt I., II. und III. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.
Schlagworte
Begründungsmangel Einreiseverbot Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Identität Kooperation Mittellosigkeit öffentliche Interessen Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Teilstattgebung Untertauchen Verhältnismäßigkeit ZeitraumbezogenheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2232727.1.00Im RIS seit
01.10.2020Zuletzt aktualisiert am
01.10.2020