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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §68;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 27. März 1997, Zl. VwSen-280295/8/KON/FB, betreffend Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (mitbeteiligte Partei: H in T), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 26. September 1996 wurde der Mitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der P. GesmbH für schuldig befunden, er habe es zu vertreten, daß, wie anläßlich einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat für den
9. Aufsichtsbezirk festgestellt worden sei, in einer örtlich umschriebenen Betriebsstätte im dortigen Arbeitsraum, in dem die Hobelanlage aufgestellt sei, am 21. März 1996 die Raumtemperatur zum Zeitpunkt der Kontrolle um ca. 14.05 Uhr beim Arbeitsplatz Holzaufgabe +6,2 Grad C, beim Arbeitsplatz Sortierung I +6,8 Grad C, beim Arbeitsplatz Sortierung II +7,2 Grad C und beim Arbeitsplatz Abstapelung +8,2 Grad C betragen habe und in diesem Arbeitsraum keine Heizung vorhanden gewesen sei, obwohl die Raumtemperatur darin zumindest +12 Grad C betragen hätte müssen, da davon auszugehen sei, daß dort Arbeiten mit starker körperlicher Beanspruchung durchgeführt würden. Der Mitbeteiligte habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 12 Abs. 2 zweiter Satz der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung in Verbindung mit § 106 Abs. 3 Z. 1 und § 130 Abs. 5 Z. 1 AschG begangen. Gemäß § 21 VStG wurde jedoch von der Verhängung einer Strafe abgesehen und dem Mitbeteiligten eine Ermahnung erteilt.
Gegen diesen Bescheid erhob das Arbeitsinspektorat für den
9. Aufsichtsbezirk insoweit Berufung, als dem Mitbeteiligten eine Ermahnung erteilt wurde und beantragte gleichzeitig, die vom Arbeitsinspektorat beantragte Strafe (laut Anzeige vom 13. Juni 1996 im Ausmaß von S 2.000,--) zu verhängen.
Dieser Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 27. März 1997 "keine Folge" und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe "daß die im Zuge des Absehens von der Strafe gemäß § 21 VStG erteilte Ermahnung zu entfallen hat".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt unter anderem vor, der erstinstanzliche Bescheid sei im Umfang des Schuldspruches rechtskräftig geworden und daher die Frage, ob der Mitbeteiligte die Verwaltungsübertretung begangen habe, nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen; dieser sei vielmehr die Frage gewesen, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG vorlägen. Die belangte Behörde stelle in der Begründung des angefochtenen Bescheides zwar fest, daß der Schuldspruch in erster Instanz rechtskräftig geworden sei, doch stehe diese Feststellung in krassem Widerspruch zu den übrigen Ausführungen der Begründung, in denen sich die belangte Behörde ausschließlich mit der - nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens bildenden - Frage auseinandersetze, ob der Mitbeteiligte die vorgeworfene Verwaltungsübertretung begangen habe. Dabei sei sie zu dem Ergebnis gelangt, daß der Schuldspruch in erster Instanz zu Unrecht erfolgt sei. Damit ist die Beschwerdeführerin im Recht:
Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides läßt sich entnehmen, daß die belangte Behörde richtig erkannt hat, der Schuldspruch des erstinstanzlichen Bescheides sei in Rechtskraft erwachsen. Sie hat sich dennoch mit diesem Schuldspruch befaßt und ist zum Ergebnis gekommen, daß dem Mitbeteiligten "tatbestandsmäßiges Handeln nicht angelastet werden" könne und daraus den Schluß gezogen, daß die von der Behörde erster Instanz ausgesprochene Ermahnung nach § 21 (Abs. 1) VStG "wegen des damit verbundenen Schuldspruchs zu Unrecht erfolgte" und der Strafantrag des Arbeitsinspektorates "unberechtigterweise gestellt" worden sei. Die belangte Behörde hat damit übersehen, daß es die Rechtskraft des Schuldspruches verbietet, bei der Strafbemessung darauf Rücksicht zu nehmen, ob der Schuldspruch zu Recht erfolgte oder nicht.
Im übrigen verweist die Beschwerdeführerin zu Recht auf die ständige hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. März 1997, Zlen. 96/02/0027, 0028), wonach die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG nur dann in Betracht kommt, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Daß diese Voraussetzung im Beschwerdefall vorläge, ist allerdings nicht erkennbar. Zu Recht verweist die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auch darauf, daß im Hinblick auf die der Anzeige durch das Arbeitsinspektorat vorangegangene Aufforderung zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes - der der Mitbeteiligte nicht nachgekommen ist - gegen die Annahme eines geringen Verschuldens spricht.
Auf Grund der obigen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997020232.X00Im RIS seit
20.11.2000