TE Vfgh Beschluss 2020/6/26 E1739/2020

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Veröffentlicht am 26.06.2020
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Index

L6105 Erbhof

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Tir HöfeG §9
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde einer Tiroler Gemeinde gegen einen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes betreffend die Zuschreibung von Überlandparzellen mangels – auch schon im Verwaltungsgerichtsverfahren nicht bestehender – Legitimation

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Mit ihrer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wendet sich die Gemeinde Ainet gegen einen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, mit dem dieses die Beschwerde der beschwerdeführenden Gemeinde als unzulässig zurückgewiesen hat. Begründend führt das Landesverwaltungsgericht Tirol aus, der beschwerdeführenden Gemeinde komme im vorliegenden Fall keine Befugnis zur Beschwerdeerhebung zu, weil §9 Tiroler Höfegesetz eine solche nur für jene Gemeinde vorsehe, in der der betreffende Hof gelegen sei. Da es im vorliegenden Fall um die Zuschreibung von Überlandparzellen in der Katastralgemeinde Ainet zum geschlossenen Hof "L***" in Einlagezahl 90012 Katastralgemeinde Patriasdorf und damit zu einem in der Stadtgemeinde Lienz gelegenen Hof gehe, komme nicht der beschwerdeführenden Gemeinde, sondern allenfalls der Stadtgemeinde Lienz die Beschwerdelegitimation zu.

2. Die beschwerdeführende Gemeinde behauptet, durch den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG verletzt zu sein. Sie beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Ihre Beschwerde begründet die beschwerdeführende Gemeinde im Wesentlichen damit, dass bei rechtlich richtiger Beurteilung die beschwerdeführende Gemeinde im vorliegenden Fall beschwerdelegitimiert sei, zumal sie im vorliegenden Verfahren nicht nur Formal- oder Organpartei, sondern kraft subjektiver Rechte Partei sei: Der geschlossene Hof "K***", der im Gebiet der beschwerdeführenden Gemeinde liege, würde auf Grund der abgetrennten Grundstücke "unwiederbringlich zerstört", weshalb sich die beschwerdeführende Gemeinde hier "zur Wehr" setzen können müsse.

3. Zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt eingenommen, dass die Beschwerdelegitimation nach Art144 Abs1 B-VG nur dann gegeben ist, wenn durch den bekämpften Bescheid irgendein subjektives Recht der beschwerdeführenden Partei verletzt worden sein kann, dh, wenn die bescheidmäßigen Anordnungen oder Feststellungen die subjektive Rechtssphäre des Beschwerdeführers berühren, der Bescheid demgemäß subjektive Rechte begründet (verändert) oder feststellt (vgl VfSlg 11.764/1988, 15.398/1999, 15.733/2000, 17.840/2006, 17.920/2006, 18.442/2008, 19.151/2010, 19.289/2011). Wie der Verfassungsgerichtshof ebenfalls schon ausgesprochen hat (VfSlg 5358/1966, 8746/1980, 14.575/1996, 15.733/2000; VfGH 12.6.2015, E385/2015; 10.6.2016, E427/2016 ua), hat die Existenz subjektiv-öffentlicher Rechte zwingend die Parteistellung im Verwaltungsverfahren zur Folge, oder – anders ausgedrückt – es kann die für die Beschwerdeberechtigung maßgebende Möglichkeit, durch den Bescheid in der Rechtssphäre verletzt zu werden, nur bei Personen vorliegen, denen in der im konkreten Verwaltungsverfahren behandelten Sache die Stellung einer Partei zugekommen ist. Für die Beschwerdelegitimation gemäß Art144 Abs1 B-VG in der mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretenen Fassung gelten sinngemäß dieselben Voraussetzungen (vgl zB VfGH 27.2.2018, E2179/2017).

Der beschwerdeführenden Gemeinde kommt im vorliegenden Verfahren gemäß §9 Tiroler Höfegesetz keine Parteistellung zu, zumal der dem Verfahren zugrunde liegende Antrag vom Eigentümer des geschlossenen Hofes "L***" gestellt wurde, der im Stadtgemeindegebiet Lienz gelegen ist. Da die beschwerdeführende Gemeinde keine Partei des vorangegangenen Verfahrens ist, kommt ihr schon deshalb kein subjektives Recht auf rechtmäßige Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zu (vgl VfSlg 19.092/2010). Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass Gegenstand des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol auch keine aufsichtsbehördliche Entscheidung war und die Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes kein Aufsichtsmittel darstellt (vgl zB VfGH 27.6.2017, E1823/2017), weshalb sich die beschwerdeführende Gemeinde nicht auf Art119a Abs9 zweiter Satz B-VG stützen kann.

4. Die Beschwerde ist daher mangels Legitimation der beschwerdeführenden Gemeinde gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Damit erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Rechte subjektive öffentliche, Parteistellung Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E1739.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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