Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §38 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dipl.Ing. E in M, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in Wien I, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 30. Mai 1997, Zl. RU6-St-R-976, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm bis einschließlich 24. Juni 1997 keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Grund für die bekämpfte Entziehungsmaßnahme war, daß die belangte Behörde des Verwaltungsverfahrens als erwiesen annahm, daß der Beschwerdeführer am 24. Juni 1995 ein Kraftfahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und sich anschließend geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Der Beschwerdeführer habe bereits in den Jahren 1992 und 1993 "einschlägige Tatbegehungen begangen".
Dem Beschwerdeführer ist zunächst zu entgegnen, daß es sich bei einem Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung um eine administrative Verwaltungssache und nicht um ein Verwaltungsstrafverfahren handelt. Seine Ausführungen, er sei mit dem angefochtenen Bescheid einer Verwaltungsübertretung schuldig erkannt worden, und seine Berufung auf § 44a (offenbar VStG) gehen daher ins Leere.
Der Beschwerdeführer leugnet der Sache nach, am 24. Juni 1995 ein Alkoholdelikt begangen zu haben, und beruft sich dabei auf Beweisanträge, denen nicht entsprochen worden sei, sowie darauf, daß er "mit Berufungsbescheid vom 10. Juli 1996 freigesprochen" worden sei. Zu letzterem ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Penzing, vom 16. Februar 1996 einer am 24. Juni 1995 begangenen Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 für schuldig erkannt worden war. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hob dieses Straferkenntnis mit Berufungsbescheid vom 10. Juli 1996 auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung ein, da lediglich eine Verweigerung der Atemluftprobe rechtzeitig verfolgt worden sei. Dieser "Freispruch" beendete zwar das Verwaltungsstrafverfahren zugunsten des Beschwerdeführers. Daraus ist aber für das administrative Entziehungsverfahren für die Frage, ob der Beschwerdeführer ein Alkoholdelikt begangen hat, nichts zu gewinnen. Die Behörde ist beim gegebenen Grund für die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens nicht gehindert, auf Grund eigener Feststellungen zur Annahme zu gelangen, der Beschwerdeführer habe ein Alkoholdelikt begangen und es liege eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 vor.
Die belangte Behörde stützte ihre Annahme, der Beschwerdeführer habe am 24. Juni 1995 ein Alkoholdelikt begangen, auf die Angaben in der Anzeige der Sicherheitswachebeamten der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. Juni 1995. Darin sowie im Protokoll des Amtsarztes über die klinische Untersuchung ist freilich davon die Rede, daß eine Untersuchung der Atemluft mit einem Alkomatgerät nicht möglich gewesen sei, weil der Beschwerdeführer unter Asthma leide. Es sei eine klinische Untersuchung durch den Amtsarzt erfolgt, bei der sich der Beschwerdeführer als fahruntüchtig erwiesen habe. Der Beschwerdeführer habe sich anschließend geweigert, sich zur Feststellung des Blutalkoholgehaltes Blut abnehmen zu lassen.
Die Annahme, der Beschwerdeführer habe sich geweigert, seine Atemluft untersuchen zu lassen, und habe dadurch eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 (lit. b) StVO 1960 begangen, findet damit in der Anzeige vom 25. Juni 1995 keine Entsprechung.
Bemerkt wird, daß sowohl das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 16. Februar 1996 als auch der erstinstanzliche Entziehungsbescheid von einer vom Beschwerdeführer begangenen Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960, also vom Lenken in erwiesenermaßen alkoholisiertem Zustand, ausgegangen waren.
Die primär entscheidende Frage, ob der Beschwerdeführer am 24. Juni 1995 eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen hat und ob damit eine bestimmte Tatsache vorliegt, wurde von der belangten Behörde unschlüssig beantwortet. Dies hat gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zu führen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997110173.X00Im RIS seit
19.03.2001