TE Vwgh Erkenntnis 2020/6/19 Ra 2019/19/0436

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.2020
beobachten
merken

Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E19100000
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z26
AsylG 2005 §56
AsylG 2005 §56 Abs3
AsylG 2005 §60 Abs2 Z1
AsylG 2005 §60 Abs2 Z2
AsylG 2005 §60 Abs2 Z3
BFA-VG 2014 §9
EURallg
FrPolG 2005 §31
FrPolG 2005 §52
FrPolG 2005 §53
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs2
FrPolG 2005 §53 Abs2 Z6
MRK Art8 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1
32008L0115 Rückführungs-RL Art11 Abs1 litb

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Stickler, die Hofrätin Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. August 2019, W271 2120202-3/10E, betreffend Erlassung eines Einreiseverbotes (mitbeteiligte Partei: R A, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang (ersatzlose Aufhebung des Spruchpunktes VIII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27. Juni 2019 betreffend Einreiseverbot nach dem FPG) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Der Mitbeteiligte, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 7. August 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 12. August 2011 wies das Bundesasylamt diesen Antrag ab und wies den Mitbeteiligten aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus. Einer dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab der Asylgerichtshof im Jahr 2011 nicht Folge.

2        Der Mitbeteiligte reiste daraufhin in die Schweiz und beantragte dort internationalen Schutz. Nach seiner Rücküberstellung durch die schweizer Behörden nach Österreich stellte er am 4. Juli 2012 und am 23. September 2013 neuerlich in Österreich Anträge auf internationalen Schutz, die jeweils rechtskräftig wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden.

3        Am 5. Jänner 2016 beantragte der Mitbeteiligte die Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen nach § 56 AsylG 2005. Mit Bescheid vom 5. Jänner 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag ab, erließ gegen den Mitbeteiligten eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Mitbeteiligten nach Afghanistan zulässig sei. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Mitbeteiligten wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 2. August 2018 ab.

4        Am 11. Jänner 2019 stellte der Mitbeteiligte einen weiteren - den nunmehr gegenständlichen - Antrag auf internationalen Schutz und erstattete neues Fluchtvorbringen. Ergänzend verwies der Mitbeteiligte auch darauf, dass seine Integration im Inland weiter fortgeschritten sei, sodass ihm schon deshalb ein Verbleib im Inland zu gestatten sei. Er habe insbesondere auch ein enges freundschaftliches Verhältnis zu einem Ehepaar entwickelt, das für ihn eine Patenschaftserklärung ausgestellt habe. Am 31. Jänner 2019 beantragte der Mitbeteiligte - nach Erörterung seines Antrages im Zuge seiner Einvernahme - neuerlich auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen nach § 56 AsylG 2005.

5        Mit seinem Folgeantrag legte der Mitbeteiligte eine von einem österreichischen Notar beglaubigte und für drei Jahre gültige Patenschaftserklärung vom 10. Jänner 2019 vor, mit der zwei österreichische Staatbürger - ein Ehepaar - mit Wohnsitz im Inland erklärten, hinsichtlich des Mitbeteiligten gemäß § 2 Abs. 1 Z 26 AsylG 2005 für die Erfordernisse einer alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung, einer Unterkunft und entsprechender Unterhaltsmittel aufzukommen und für den Ersatz jener Kosten zu haften, die einer Gebietskörperschaft durch den Aufenthalt des Mitbeteiligten im Bundesgebiet sowie bei der Durchsetzung einer Rückkehrentscheidung, eines Aufenthaltsverbotes, einer Ausweisung, einer Zurückschiebung, der Vollziehung der Schubhaft oder als Aufwendung für den Einsatz gelinderer Mittel, sowie aus dem Titel der Sozialhilfe oder eines Bundes- oder Landesgesetzes, das die Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG, BGBl. I Nr. 80/2004, umsetzt, entstehen.

6        Das BFA wies den Folgeantrag des Mitbeteiligten auf internationalen Schutz zunächst mit Bescheid vom 8. Februar 2019 wegen entschiedener Sache zurück und den Antrag des Mitbeteiligten auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen nach § 56 AsylG 2005 ab. Es erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 und erließ eine neuerliche Rückkehrentscheidung sowie ein Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren. Mit Erkenntnis vom 20. Mai 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Mitbeteiligten insoweit als unbegründet ab, als sich diese gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 richtete. Im Übrigen gab es der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG statt und behob den Bescheid. Dazu trug es dem BFA die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen des Mitbeteiligten auf.

7        Mit Bescheid vom 27. Juni 2019 wies das BFA den Folgeantrag vom 11. Jänner 2019 zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.). Unter einem sprach es aus, dass dem Mitbeteiligten kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt werde (Spruchpunkt III.) und erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Es stellte fest, dass die Abschiebung des Mitbeteiligten nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.), und trug dem Mitbeteiligten auf, in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VII.). Unter einem erließ das BFA gegen den Mitbeteiligten ein für die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VIII.) und erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IX.).

8        Das neue Fluchtvorbringen des Mitbeteiligten erachtete das BFA nicht als glaubhaft. Hinsichtlich der Erlassung des Einreiseverbotes führte des BFA begründend aus, es habe bereits seit dem Jahr 2011 eine rechtskräftige Verpflichtung des Mitbeteiligten zur Ausreise bestanden. In der Missachtung der Verpflichtung zur Ausreise bzw. Rückkehr in den Herkunftsstaat sei eine über den bloßen illegalen Aufenthalt hinausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu erblicken. Der Mitbeteiligte zeige dadurch, dass er nicht bereit sei, in Rechtskraft erwachsene behördliche Entscheidungen zu beachten. Er falle insofern „in den Anwendungsbereich“ des Art. 11 der Rückführungsrichtlinie. Zudem sei auch der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt. Der Mitbeteiligte habe während seines Aufenthaltes in Österreich durchgehend Grundversorgung bezogen. Er werde auch künftig nicht in der Lage sein, für seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit aufzukommen. Das ergebe sich bereits daraus, dass er in Österreich über kein Aufenthaltsrecht verfüge und daher keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Dem könne auch durch die Patenschaftserklärung nicht abgeholfen werden, weil sich diese lediglich auf die Erteilung eines Aufenthaltsrechtes beziehe.

9        Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis hob das Bundesverwaltungsgericht den Spruchpunkt VIII. des Bescheides des BFA (Erlassung eines Einreiseverbotes) ersatzlos auf. Im Übrigen wies es die Beschwerde des Mitbeteiligten als unbegründet ab. Es sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

10       Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit hier wesentlich - aus, das Fluchtvorbringen des Mitbeteiligten sei nicht glaubhaft. Der Mitbeteiligte beziehe seit dem Jahr 2013 Leistungen aus der Grundversorgung, habe in Österreich aber fallweise auch Einkommen aus Gelegenheitsarbeiten erzielt. Es liege eine Einstellungszusage als Kochgehilfe in einem afghanischen Restaurant vor. Der Mitbeteiligte habe eine Deutschprüfungen auf dem Niveau A1 abgelegt; eine Prüfung für das Niveau A2 habe er nicht bestanden. In der Verhandlung habe sich gezeigt, dass eine Gesprächsführung mit dem Mitbeteiligten in deutscher Sprache nicht möglich gewesen sei. Die Familie des Mitbeteiligten - insbesondere seine Frau und Kinder - seien weiterhin in Afghanistan aufhältig. In Österreich habe der Mitbeteiligte keine Familienangehörigen, jedoch freundschaftliche Kontakte zu österreichischen Staatsbürgern. Mit dem Ehepaar, von dem die Patenschaftserklärung ausgestellt worden sei, sei der Mitbeteiligte befreundet, sei häufig bei ihnen zum Essen zu Gast und begehe mit ihnen Feste. Er werde finanziell und in anderer Weise bei seiner Lebensführung durch dieses Ehepaar unterstützt.

11       Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbotes sei zugunsten des Mitbeteiligten zu berücksichtigen, dass er in Österreich soziale Kontakte geknüpft habe und ein Ehepaar für ihn eine Patenschaftserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 26 AsylG 2005 abgegeben habe. Er habe sich auch bemüht, die deutsche Sprache zu erlernen, und habe eine Einstellungszusage für eine Erwerbstätigkeit in Österreich vorlegen können. Sämtliche Familienangehörige des Mitbeteiligten seien jedoch weiterhin in seinem Herkunftsstaat aufhältig. Er beherrsche zwei Landessprachen Afghanistans und sei mit der Kultur vertraut, zumal er dort die Schule und die Universität besucht habe und seine wesentliche Sozialisierung erfahren habe. Durch Erwerbstätigkeit könne er in Afghanistan seinen eigenen Lebensunterhalt sichern. In Österreich sei er dagegen in der Vergangenheit von staatlichen Unterstützungsleistungen abhängig gewesen. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Mitbeteiligte sich während der etwa achtjährigen Dauer seines Aufenthaltes in Österreich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sei. Das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes überwiege seine persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet. Es sei daher eine Rückkehrentscheidung zu erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung auszusprechen gewesen. Die Voraussetzungen der Erlassung eines Einreiseverbotes nach § 53 FPG lägen jedoch nicht vor. Soweit das BFA sich diesbezüglich auf die Missachtung der Ausreiseverpflichtung durch den Mitbeteiligten stütze, wende es Art. 11 der Rückführungsrichtlinie zu Unrecht unmittelbar zum Nachteil des Mitbeteiligten an. In § 53 FPG finde diese Auslegung dagegen keine Deckung. Auch die vom BFA angenommene Mittellosigkeit des Mitbeteiligten im Sinn des § 56 Abs. 2 Z 6 FPG liege im Hinblick auf die Unterstützung durch die Unterzeichner der Patenschaftserklärung nicht vor, zumal die Patenschaftserklärung nicht etwa nur bedingt oder mit Auflagen erteilt worden sei. Da andere Gründe für die Verhängung eines Einreiseverbotes nicht ersichtlich seien, sei dieses daher zu beheben gewesen.

12       Gegen die ersatzlose Behebung des Einreiseverbotes richtet sich die vorliegende Revision des BFA. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13       Zur Zulässigkeit der Revision wird im Wesentlichen vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht übersehe, dass die Aufzählung der Tatbestände für die Erlassung eines Einreiseverbotes nach § 53 Abs. 2 FPG demonstrativ sei. Bereits aufgrund der beharrlichen Verweigerung der Erfüllung der Rückkehrverpflichtung durch den Mitbeteiligten sei ein Einreiseverbot zu verhängen gewesen. Entgegen der Revision sei auch der Tatbestand nach § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt, weil die Patenschaftserklärung eine Haftung nur in Zusammenhang mit der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels begründe.

14       Die Revision ist zulässig und berechtigt.

15       Nach § 53 Abs. 1 FPG kann vom BFA mit einer Rückkehrentscheidung mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten. Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das BFA das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

16       Daran anschließend enthält § 53 Abs. 2 FPG in seinen Z 1 bis 9 eine Aufzählung von Tatbeständen, bei deren Verwirklichung insbesondere anzunehmen ist, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Im Hinblick auf den demonstrativen Charakter dieser Tatbestände entspricht es der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass sich auch in anderen hinsichtlich des Unrechtsgehaltes ähnlich schwerwiegenden Konstellation ergeben kann, dass durch den Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist und daher - nach Vornahme einer Beurteilung im Einzelfall - ein Einreiseverbot zu verhängen ist (vgl. VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0104, mwN).

17       Ein unrechtmäßiger Aufenthalt rechtfertigt per se nicht immer auch die Verhängung eines Einreiseverbotes zusätzlich zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung. Liegt aber nicht bloß ein unrechtmäßiger Aufenthalt, sondern eine qualifizierte Verletzung der Ausreiseverpflichtung vor, so kann daraus eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinn des § 53 Abs. 2 FPG abzuleiten sein, die die Verhängung eines Einreiseverbotes erforderlich macht (vgl. in diesem Sinn VwGH 24.5.2018, Ra 2018/19/0125, mit näheren Ausführungen). Dies entspricht auch Art. 11 Abs. 1 lit. b der Rückführungsrichtlinie, wonach Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot einhergehen, falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde (vgl. VwGH 4.3.2020, Ra 2019/21/0192).

18       Soweit das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen ist, die Verhängung eines Einreiseverbotes wegen der Missachtung der Ausreiseverpflichtung durch den Mitbeteiligten finde keinesfalls in § 53 FPG Deckung, ist es somit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Es hätte sich vielmehr damit auseinandersetzen müssen, ob eine Verletzung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinn des § 53 Abs. 2 FPG, die die Verhängung eines Einreiseverbotes erforderlich macht, dadurch bewirkt wird, dass der Mitbeteiligte seiner seit dem Jahr 2011 bestehenden Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen ist (vgl. idS zu derartigen Konstellationen etwa auch VwGH 12.8.2019, Ra 2018/20/0514; 5.12.2018, Ra 2018/20/0390; 19.12.2018, Ra 2018/20/0309; 31.1.2019, Ra 2018/14/0197).

19       Die Revision ist überdies auch damit im Recht, dass im vorliegenden Fall mit dem bloßen Verweis auf das Vorliegen der Patenschaftserklärung nach § 2 Abs. 1 Z 26 AsylG 2005 die Erfüllung des Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 Z 6 FPG nicht ausgeschlossen werden kann.

20       Nach § 53 Abs. 2 Z 6 FPG ist eine Gefährdung der öffentliche Ordnung oder Sicherheit oder anderer in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen insbesondere auch dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörigeden Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Bestimmung - unter Berufung auf Judikatur zu gleichgelagerten Vorläuferbestimmungen - festgehalten, dass ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen hat, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs. 2 FPG gerechtfertigt ist (vgl. VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309).

21       Gemäß § 1 Abs. 1 Z 26 AsylG 2005 ist eine Patenschaftserklärung die von einem österreichischen Notar oder einem inländischen Gericht beglaubigte und für mindestens drei Jahre gültige Erklärung Dritter mit Wohnsitz oder Sitz im Inland, dass sie für die Erfordernisse einer alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung, einer Unterkunft und entsprechender Unterhaltsmittel aufkommen und für den Ersatz jener Kosten haften, die einer Gebietskörperschaft durch den Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet sowie bei der Durchsetzung einer Rückkehrentscheidung, eines Aufenthaltsverbotes, einer Ausweisung, einer Zurückschiebung, der Vollziehung der Schubhaft oder als Aufwendung für den Einsatz gelinderer Mittel, sowie aus dem Titel der Sozialhilfe oder eines Bundes- oder Landesgesetzes, das die Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG, BGBl. I Nr. 80/2004, umsetzt, entstehen; die die Leistungsfähigkeit des Dritten begründenden Mittel sind in der Patenschaftserklärung zu bezeichnen; deren Vorhandensein ist durch geeignete Nachweise zum Zeitpunkt der Erklärung zu belegen; Mittel der öffentlichen Hand sind jedenfalls keine tauglichen Mittel, um die Leistungsfähigkeit des Dritten zu begründen; Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Patenschaftserklärung, wonach dem Dritten oder einem anderen eine Leistung oder ein sonstiger Vorteil versprochen oder verschafft werden soll, sind nichtig.

22       § 56 AsylG 2005 sieht unter den dort näher genannten Bedingungen die Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen vor. Nach § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 dürfen Aufenthaltstitel nach dieser Bestimmung insbesondere nur dann erteilt werden, wenn 1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird, 2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist und 3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte. Gemäß § 56 Abs. 3 AsylG 2005 kann der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung nach § 2 Abs. 1 Z 26 AsylG 2005 erbracht werden.

23       Eine Patenschaftserklärung nach § 2 Abs. 1 Z 26 AsylG 2005 steht im Sinn dieser Bestimmungen daher in engem Zusammenhang mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005, wie er im vorliegenden Fall vom Mitbeteiligten beantragt, jedoch bereits mit Erkenntnis vom 20. Mai 2019 durch das Bundesverwaltungsgericht abgewiesen worden ist. Die Patenschaftserklärung nach § 2 Abs. 1 Z 26 AsylG 2005 dient nämlich im Sinn des § 56 Abs. 3 AsylG 2005 dazu, das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 zu substituieren (vgl. idS Knasmüller, Rechtsnatur und Wirksamkeit der „Patenschaftserklärung“, SIAK-Journal 2/2011 [29]). Dass die Patenschaftserklärung auch unabhängig von der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels eine Haftung begründen soll, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen (vgl. zu den im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorgängerbestimmungen §§ 2 Abs. 1 Z 18 und 44 Abs. 4 NAG idF vor dem FrÄG 2011 VwGH 29.2.2012, 2010/21/0255).

24       Es ergibt sich daher im vorliegenden Fall angesichts der Abweisung des Antrages des Mitbeteiligten auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 nicht, dass durch die für diesen Zweck abgegebene Patenschaftserklärung der Unterhalt des Mitbeteiligten für seinen weiteren Aufenthalt im Inland bzw. für den Fall einer erneuten Einreise gesichert wäre. Damit kann aber die Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die sich aus der Mittellosigkeit des Mitbeteiligten ergibt und der durch ein Einreiseverbot nach § 53 Abs. 2 Z 6 FPG entgegengetreten werden soll, durch die Patenschaftserklärung nicht beseitigt werden.

25       Da das Bundesverwaltungsgericht somit die Voraussetzungen der Verhängung eines Einreiseverbotes nach § 53 FPG verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 19. Juni 2020

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3 Gemeinschaftsrecht Richtlinie unmittelbare Anwendung EURallg4/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190436.L00

Im RIS seit

02.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten