TE Vwgh Beschluss 2020/7/16 Ra 2020/21/0183

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Veröffentlicht am 16.07.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §57
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z1
FrPolG 2005 §52 Abs9
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs2 Z6
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. April 2020, 1. I408 2203165-2/3E, 2. I408 2203164-2/3E, 3. I408 2203157-2/3E, 4. I408 2203159-2/3E, und 5. I408 2203161-2/3E, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 8. April 2020, betreffend ersatzlose Behebung von Rückkehrentscheidungen samt Nebenaussprüchen und befristeter Einreiseverbote (mitbeteiligte Parteien: 1. R A, 2. N A, 3. A A, 4. F A, und 5. M A, jeweils in 4362 Neuaigen, Neuaigen 12, vor dem Bundesverwaltungsgericht vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, 1090 Wien, Alserstraße 20), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Mitbeteiligten (der Erstmitbeteiligte und die Zweitmitbeteiligte sind verheiratet und die Eltern der 1999, 2004 und 2013 geborenen Dritt- bis Fünftmitbeteiligten) sind Staatsangehörige des Irak. Von ihnen gestellte Anträge auf internationalen Schutz wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheiden vom 5. Juli 2018 zur Gänze ab. Unter einem wurde den Mitbeteiligten jeweils ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (von Amts wegen) nicht erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak festgestellt. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

2        Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit am 22. Jänner 2020 mündlich verkündetem und mit 4. Mai 2020 schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis als unbegründet ab.

3        Über Aufforderung des BFA gaben die Mitbeteiligten in Stellungnahmen vom 14. Februar 2020 bekannt, ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen zu sein, weil sie von der Möglichkeit Gebrauch machen wollten, das eben genannte Erkenntnis des BVwG (nach seiner schriftlichen Ausfertigung) zu bekämpfen.

4        Mit Bescheiden (jeweils) vom 19. Februar 2020 sprach das BFA sodann neuerlich aus, dass den Mitbeteiligten ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 (von Amts wegen) nicht erteilt werde. Unter einem erließ das BFA gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG jeweils eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 Z 1 FPG und stellte noch einmal gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass ihre Abschiebung (ohne Nennung eines Zielstaates) zulässig sei. Des Weiteren wurde gegen die Mitbeteiligten gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Schließlich wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

5        Das Einreiseverbot begründete das BFA unter Bezugnahme auf Art. 11 Abs. 1 lit. b der Rückführungs-RL (Richtlinie 2008/115/EG) damit, dass die Mitbeteiligten ihrer - seit Verkündung des (in Rn. 2) erwähnten Erkenntnisses am 22. Jänner 2020 rechtskräftigen - Ausreiseverpflichtung nicht (innerhalb der ihnen eingeräumten Frist) nachgekommen seien. Dies sei „mutmaßlich“ deshalb erfolgt, um sich dadurch ein weiteres, wenngleich „allfällig“ nur vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu erschleichen. Dadurch zeige sich klar, dass die Mitbeteiligten nicht gewillt seien, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten und ihnen erteilte Aufträge zu erfüllen. Weiters hätten sie bis dato ausschließlich von staatlicher Unterstützung gelebt und seien mittellos iSd § 53 Abs. 2 Z 6 FPG. Sie seien auch nicht in der Lage, diesen Zustand legal und aus Eigenem zu beenden. Insgesamt sei eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 53 Abs. 2 FPG zu bejahen, sodass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes nach der genannten Bestimmung gegeben seien.

6        Den dagegen eingebrachten Beschwerden gab das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 2. April 2020 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 8. April 2020) statt und behob die bekämpften Bescheide des BFA ersatzlos. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7        Begründend verwies das BVwG auf den (vom BFA nicht ausreichend berücksichtigten) Umstand, dass die Mitbeteiligten beabsichtigten, „Beschwerde“ gegen das mündlich verkündete Erkenntnis vom 22. Jänner 2020 (laut Rn. 2) zu erheben, sowie auf die Beschwerdeausführungen, wonach der bloß unberechtigte Aufenthalt einer unbescholtenen Familie keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung darstelle, welche ein Einreiseverbot, die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gebiete. Die somit erforderliche Aufhebung des Einreiseverbotes erstreckte das BVwG auf die nur zu dessen Ermöglichung erlassenen Rückkehrentscheidungen und die darauf aufbauenden Begleitaussprüche.

8        Die dagegen erhobene Amtsrevision des BFA erweist sich als unzulässig.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

10       Insoweit verweist das BFA in seiner Amtsrevision auf die Nichterfüllung der Ausreiseverpflichtung sowie auf den Umstand, dass die Mitbeteiligten nicht über die erforderlichen Mittel für ihren Unterhalt verfügten. Darauf seien die ersatzlos behobenen Bescheide vom 19. Februar 2020 gestützt worden - und das habe das BVwG außer Acht gelassen, was einen wesentlichen Begründungsmangel darstelle.

11       Die angesprochenen Umstände sind jedoch deshalb wesentlich relativiert, weil die Mitbeteiligten unwidersprochen ins Treffen geführt haben, ihrer Ausreisepflicht allein deshalb nicht nachgekommen zu sein, um Rechtsbehelfe zur Bekämpfung der aus ihrer Sicht zu Unrecht vorgenommenen Abweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Begleitaussprüchen zu ergreifen. Das sei lediglich mangels Ausfertigung des in dieser Angelegenheit verkündeten Erkenntnisses des BVwG bislang unterblieben.

12       Vor diesem Hintergrund tritt nicht nur die (vorläufige) Nichtbeachtung der Ausreiseverpflichtung, sondern auch der Aspekt der Mittellosigkeit in den Hintergrund, was ganz besonders - aber nicht nur - für die minderjährigen Mitbeteiligten gilt. Darauf gestützt kann mithin fallbezogen keine ein Einreiseverbot tragende Gefährdungsprognose gestellt werden, sodass das vom BVwG erzielte Ergebnis letztlich, ungeachtet von Begründungsmängeln, nicht zu beanstanden ist.

13       Dem BFA gelingt es nach dem Gesagten nicht, eine die Zulässigkeit der Amtsrevision begründende, für die Lösung des vorliegenden Falles wesentliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG darzulegen. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 16. Juli 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210183.L00

Im RIS seit

07.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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