TE Vwgh Beschluss 2020/8/20 Ra 2020/21/0292

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Veröffentlicht am 20.08.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
NAG 2005 §54 Abs2
NAG 2005 §54 Abs5 Z1
NAG 2005 §54 Abs5 Z4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/21/0293
Ra 2020/21/0294

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant und den Hofrat Dr. Sulzbacher als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision von 1. Z D, 2. S D, und 3. M D, alle vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2020, 1. I403 22231395-1/2E, 2. I403 2231393-1/2E und 3. I403 2231391-1/2E, jeweils betreffend Ausweisung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die revisionswerbenden Parteien sind Staatsangehörige vom Bosnien und Herzegowina. Der Erstrevisionswerber war von 25. Juni 2016 bis 20. Mai 2019 mit einer ungarischen Staatsangehörigen verheiratet. Im Hinblick auf diese Ehe verfügte er ab dem 7. Juli 2016 über eine Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR-Bürgerin.

2        Die Zweit- und Drittrevisionswerberin, volljährige Töchter des Erstrevisionswerbers, leiteten von dessen Ehefrau ebenfalls ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht ab und verfügten ab dem 21. Dezember 2016 über Aufenthaltskarten als Angehörige einer EWR-Bürgerin.

3        Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 11. Mai 2020 wurden die revisionswerbenden Parteien gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG - unter Gewährung eines Durchsetzungsaufschubs von einem Monat gemäß § 70 Abs. 3 FPG - aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

4        Die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit den angefochtenen Erkenntnissen als unbegründet ab.

5        Es führte in den drei Erkenntnissen im Wesentlichen gleichlautend aus, dass die revisionswerbenden Parteien durch die Scheidung des Erstrevisionswerbers ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht verloren hätten. Die am 20. Mai 2019 geschiedene Ehe habe nur zwei Jahre und elf Monate gedauert (wobei das Scheidungsverfahren am 2. April 2019 eingeleitet worden sei). Es sei auch von keinem Härtefall im Sinn des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG auszugehen. Soweit in der Beschwerde vorgebracht worden sei, dass die Ehescheidung erfolgt wäre, „weil die geschiedene Frau des [Erstrevisionswerbers] einen Freund hatte, was sie zwar nicht abgestritten, aber auch nicht bestätigt hat“, reiche das nicht aus, um einen besonderen Härtefall nachzuweisen. Auch ein sonstiger Ausnahmetatbestand des § 54 Abs. 5 NAG liege nicht vor.

6        Die Zweit- und Drittrevisionswerberinnen lebten im gemeinsamen Haushalt mit dem Erstrevisionswerber. Da aber gegen alle Familienmitglieder eine Ausweisung ausgesprochen werde, ergebe sich aus dem Familienleben kein besonderes Interesse an einem Aufenthalt im Bundesgebiet.

7        Wenn den revisionswerbenden Parteien auch ihre Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet und ihre Deutschkenntnisse positiv anzurechnen seien und davon auszugehen sei, dass sie sich in Österreich einen Freundeskreis aufgebaut hätten, so stehe dem doch ein erst dreieinhalb Jahre dauernder durchgehender Aufenthalt im Bundesgebiet gegenüber.

8        Es könne auch davon ausgegangen werden, dass die revisionswerbenden Parteien sich rasch wieder in Bosnien und Herzegowina, wo enge Verwandte lebten, eingliedern können würden.

9        Im Ergebnis sei das BFA zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts der revisionswerbenden Parteien deren persönliche Interessen am Verbleib im Bundesgebiet überwiege.

10       Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

11       Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12       An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

13       Unter diesem Gesichtspunkt wird in der Revision zunächst geltend gemacht, dass das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht von keinem Härtefall im Sinn des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG ausgegangen sei. Die geschiedene Frau des Erstrevisionswerbers habe einen Freund gehabt, woran die Ehe gescheitert sei, ohne dass den Erstrevisionswerber daran ein Verschulden treffe.

Ein besonderer Härtefall wird aber mit dem bloßen Hinweis auf ein - sei es auch ausschließliches - Verschulden des anderen Ehepartners an der Scheidung nicht dargelegt (vgl. auch VwGH 15.3.2018, Ro 2018/21/0002, Rn. 14, wo der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts teilte, dass der „typische Fall einer Ehescheidung, bei dem ein Eheteil einen anderen Partner findet“, keine „besonders schwierigen Umstände“ darstellt, aufgrund deren die Aufrechterhaltung des bisherigen Aufenthaltsrechts erforderlich wäre).

14       Soweit in der Revision die Dauer der Ehe von zwei Jahren und elf Monaten hervorgehoben wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Bedeutung dieses zeitlichen Elements in § 54 Abs. 5 Z 1 NAG geregelt ist; demnach bedarf es eines Zeitraums von drei Jahren bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens, damit das Aufenthaltsrecht - unter den weiteren Voraussetzungen des Einleitungssatzes des § 54 Abs. 2 NAG - trotz Scheidung erhalten bleibt.

15       Auch mit der Behauptung einer „besonderen Integration“ der revisionswerbenden Parteien wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht dargelegt. Bei einer Aufenthaltsdauer von nicht einmal vier Jahren vermögen auch die geltend gemachte Berufstätigkeit und überdurchschnittliche Deutschkenntnisse nicht zu einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich zu führen. Insoweit stellt sich der vorliegenden Fall so eindeutig dar, dass die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung - die in der bereits vom Rechtsvertreter eingebrachten Beschwerde gar nicht beantragt worden war - nach § 24 Abs. 1 VwGVG nicht geboten war (vgl. zur Rechtmäßigkeit des Absehens selbst von einer ausdrücklich beantragten Verhandlung nach dem diesfalls anzuwendenden § 21 Abs. 7 BFA-VG etwa VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0275, Rn. 13, mwN).

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. August 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210292.L00

Im RIS seit

07.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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