TE Vwgh Beschluss 2020/8/20 Ra 2019/21/0397

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Veröffentlicht am 20.08.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant und den Hofrat Dr. Sulzbacher als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des A R in W, vertreten durch Mag. Roman Tobeiner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Hagenberggasse 36, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. November 2019, W197 2225060-1/13E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unbekannten Datums in Österreich ein und stellte am 5. Jänner 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2        Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 19. September 2018 vollumfänglich abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, und es erging eine Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Mai 2019 als unbegründet abgewiesen.

3        Mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 10. Oktober 2018 war der Revisionswerber gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall sowie Abs. 2a und Abs. 3 SMG und § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden.

4        Am 26. Oktober 2019 wurde er bei einer Zufallskontrolle betreten und festgenommen. Mit sogleich in Vollzug gesetztem Mandatsbescheid vom 27. Oktober 2019 verhängte das BFA über ihn gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung, wobei es die Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3, Z 6 lit. a und c sowie Z 9 als verwirklicht ansah.

5        Gegen diesen Bescheid und die „fortdauernde“Anhaltung in Schubhaft erhob der Revisionswerber Beschwerde und brachte vor, dass jedenfalls mit der Anordnung eines gelinderen Mittels das Auslangen zu finden gewesen wäre. Er könne an einer näher bezeichneten Adresse bei einem namentlich genannten Freund schlafen. Er sei sozial integriert und selbstverständlich kooperativ. Er sei bereit, zu einem vom BFA festgesetzten Termin nach Afghanistan zurückzukehren. Fluchtgefahr liege daher nicht vor. Der Revisionswerber beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht diese Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach weiters gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG aus, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Entscheidungszeitpunkt vorlägen, und verpflichtete den Revisionswerber gemäß § 35 VwGVG zum Aufwandersatz an den Bund.

7        Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass der Revisionswerber vor seiner Asylantragstellung in Österreich schon in Bulgarien und Ungarn internationalen Schutz beantragt und sich dem Verfahren jeweils entzogen habe. In Österreich habe er zunächst wegen unbekannten Aufenthalts nicht an eine Grundversorgungsstelle überstellt werden können. Sodann habe er sich zwei Mal von der Grundversorgungsstelle entfernt und sei sodann unbekannten Aufenthalts gewesen.

8        Seit dem 11. September 2019 verfüge er über keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet. Eine Nachschau an der letzten Meldeadresse habe ergeben, dass er bereits längere Zeit unbekannt verzogen gewesen sei.

9        Auf Grund der Einvernahme durch das BFA am 27. Oktober 2019 stehe fest, dass der Revisionswerber gesund, im Bundesgebiet nicht integriert und mittellos sei. Er verfüge über keine Unterkunft. Er habe bei der Einvernahme behauptet, von Freunden unterstützt zu werden, aber weder Namen noch Adressen genannt. Er habe angegeben, für den Fall, dass er Österreich verlassen müsse, nach Frankreich zu gehen. Einer Abschiebung würde er sich widersetzen. Er würde sich weigern, nach Afghanistan zurückzukehren, weil ihm dort der Tod drohte; daher wäre er auch nicht damit einverstanden, „den afghanischen Behörden“ zur Feststellung seiner Identität vorgeführt zu werden.

10       Der Revisionswerber sei gänzlich vertrauensunwürdig. Er habe bislang durch Untertauchen und Nichtmeldung seine Abschiebung verhindert. Für die Behörden sei er nur auf Grund von Zufallskontrollen greifbar gewesen. Er wolle nicht nach Afghanistan zurückkehren und würde sich der Abschiebung widersetzen. Der in der Beschwerde angegebene Schlafplatz bei einem Freund werde ihn nicht dazu verhalten, sich für die Abschiebung bereit zu halten, zumal er sich in der Vergangenheit mehrfach von einer gesicherten Unterkunft entfernt habe, als ihm noch keine Abschiebung gedroht habe.

11       Es bestehe akute Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf. Mit der Vorschreibung eines gelinderen Mittels könne nicht das Auslangen gefunden werden.

12       Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

13       Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14       An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

15       Unter diesem Gesichtspunkt macht die Revision geltend, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht abgewichen sei.

16       Entgegen diesem Vorbringen durfte das Bundesverwaltungsgericht aber in nicht unvertretbarer Weise von einem geklärten Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen. Angesichts des festgestellten, unbestrittenen Vorverhaltens des Revisionswerbers - mehrfache Asylantragstellung in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Weiterreise während offenen Verfahrens, wiederholtes Verlassen der Grundversorgungsstelle während des Asylverfahrens in Österreich, Untertauchen nach Abschluss des Asylverfahrens -, aber auch auf Grund der Angaben in der Einvernahme vor dem BFA durfte auch ohne Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von der - fallbezogen Fluchtgefahr bedingenden - Vertrauensunwürdigkeit des Revisionswerbers ausgegangen werden, und es musste konsequenterweise auch der in der Beschwerde ins Treffen geführte Schlafplatz bei einem Freund nicht zu der Annahme führen, dass er ein neuerliches Untertauchen des Revisionswerbers verhindern würde.

17       Da somit die behauptete Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorliegt, war die Revision mangels Darlegung von Rechtsfragen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG - nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde - zurückzuweisen.

Wien, am 20. August 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019210397.L00

Im RIS seit

07.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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