TE Vwgh Beschluss 2020/8/27 Ra 2020/21/0291

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Veröffentlicht am 27.08.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §21 Abs7
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §67 Abs1
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des I M T, zuletzt in G, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 3. Juni 2020, G310 2231121-1/7E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein 1985 geborener rumänischer Staatsangehöriger, ist nach seinen Angaben im Alter von siebzehn Jahren nach Spanien gezogen, wo er in der Folge gelebt und gearbeitet habe. Ende September 2018 übersiedelte der Revisionswerber nach Österreich, wo er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und den beiden Kindern, vier und sechzehn Jahre alt, in Graz wohnte. In Österreich weist er lediglich kurzfristige Beschäftigungszeiten auf.

2        Mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 8. April 2020 wurde der Revisionswerber wegen des teils versuchten, teils vollendeten schweren, teils gewerbsmäßigen Diebstahls, teils im Rahmen einer kriminellen Vereinigung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt, die er bis zu seiner bedingten Entlassung am 15. Mai 2020 verbüßte. Dem Schuldspruch liegt vor allem zugrunde, dass der Revisionswerber im Zeitraum von Anfang Dezember 2019 bis zu seiner Festnahme am 16. Jänner 2020 im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit zwei Mittätern in mehreren Bundesländern insgesamt 46 Diebstähle vorwiegend von hochpreisigen Spirituosen aus Lebensmittelmärkten zur Erzielung eines nicht bloß geringfügigen fortlaufenden Einkommens verübte.

3        Im Hinblick darauf erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 7. Mai 2020 gegen den Revisionswerber gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein mit zwei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

4        Der dagegen eingebrachten Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 3. Juni 2020 teilweise dahin Folge, dass die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf achtzehn Monate herabgesetzt wurde. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

7        In dieser Hinsicht wird in der Revision, die sich (wie auch schon die Beschwerde) argumentativ nicht gegen die nach § 9 BFA-VG vorgenommene Interessenabwägung wendet, im Ergebnis nur geltend gemacht, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es in Bezug auf die gemäß § 67 Abs. 1 FPG für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erforderliche Gefährdungsprognose trotz des ausdrücklichen Antrags in der Beschwerde keine mündliche Verhandlung durchgeführt und insoweit die gebotene Verschaffung eines persönlichen Eindrucks unterlassen habe.

8        Das BVwG ging bei der diesbezüglichen Begründung unter Bezugnahme auf § 21 Abs. 7 BFA-VG davon aus, der relevante Sachverhalt erscheine „aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen“ geklärt und es wäre auch bei einem positiven Eindruck vom Revisionswerber in einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbotes möglich gewesen.

9        Damit bezieht sich das BVwG erkennbar auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach entsprechend der genannten Bestimmung eine Verhandlung und damit auch die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausnahmsweise dann entfallen darf, wenn ein „eindeutiger Fall“ vorliegt (vgl. in Bezug auf ein Aufenthaltsverbot etwa VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0011, Rn. 12, mwN).

10       Von einem solchen eindeutigen Fall durfte das BVwG aber hier in Bezug auf die in der Beschwerde und in der Revision allein angesprochene Gefährdungsprognose ausgehen, wobei es zu Recht neben der „planvollen“ Organisation vor allem die Vielzahl der Deliktsfakten und deren gewerbsmäßige Begehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung in Verbindung mit den bisher vom Revisionswerber unterlassenen Bemühungen um eine „Vollzeitbeschäftigung“ berücksichtigte. Dem wird die Revision nicht gerecht, wenn dort (wiederholt) nur von einem „einmaligen strafrechtlichen Verhalten“ die Rede ist. Im Übrigen stellte das BFA im Bescheid vom 7. Mai 2020 dem Inhalt des polizeilichen Abschlussberichtes folgend und in der Beschwerde unbekämpft noch fest, der Revisionswerber weise in mehreren europäischen Ländern einschlägige Vormerkungen wegen Eigentumsdelikten auf. Vor diesem Hintergrund musste es für das BVwG nicht zweifelhaft sein, dass vom Revisionswerber im Sinne des § 67 Abs. 1 FPG eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Den betreffend diese Gefährdungsprognose zugunsten des Revisionswerbers in der Beschwerde ins Treffen geführten und teilweise auch in der Revision relevierten Umständen - (in Österreich) bisher unbescholtener Ersttäter, erstmaliges Verspüren des Haftübels, reumütiges Geständnis - wurde vom BVwG aber ohnehin durch die Herabsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes jedenfalls ausreichend Rechnung getragen.

11       Mit dem Vorbringen in der Revision wird somit keine im vorliegenden Fall maßgebliche grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 27. August 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210291.L00

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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