TE Vwgh Beschluss 2020/8/27 Ra 2020/21/0284

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.08.2020
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §53 Abs2 Z6
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des A D, zuletzt in Wien, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26. Mai 2020, W123 2130324-2/6E, betreffend Erlassung eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der 1986 geborene Revisionswerber, ein kosovarischer Staatsangehöriger, hielt sich zunächst seit Ende Jänner 2013 in Österreich auf. Dieser Inlandsaufenthalt war unrechtmäßig, weil vom Revisionswerber (seit 2006 mehrfach) gestellte Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln erfolglos geblieben waren. In Österreich leben der im Jahr 2002 zugezogene Vater und seit 2009 auch eine 1978 geborene Schwester. Der Revisionswerber hat nach seinen Angaben drei Kinder, wovon eines im Kosovo lebt, zwei Kinder wurden von der genannten Schwester adoptiert.

2        Mit Bescheid vom 1. Juli 2016 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber wegen seines unrechtmäßigen Aufenthalts gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung und verhängte über ihn wegen seiner Mittellosigkeit gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot.

3        Während des Verfahrens über die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde der Revisionswerber mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. Februar 2017 wegen (teilweise versuchten) schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten (davon 16 Monate bedingt) rechtskräftig verurteilt. Dem lag zugrunde, dass der Revisionswerber im Zeitraum Februar 2016 bis Oktober 2016 Zigaretten und Bargeld im Wert von insgesamt ca. 80.000 € durch zahlreiche Einbrüche in Zigarettenautomaten gestohlen hatte.

4        Die Beschwerde gegen den BFA-Bescheid vom 1. Juli 2016 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) sodann mit Erkenntnis vom 27. April 2017 als unbegründet ab. Eine dagegen erhobene außerordentliche Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit dem Beschluss VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0133, wegen Fehlens der Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 BFA-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurück.

5        Der Revisionswerber war seinen Angaben zufolge nach seiner Entlassung aus der Strafhaft am 26. Juni 2017 in den Kosovo ausgereist und etwa Mitte Oktober 2019 nach Österreich zurückgekehrt. Er habe hier „bei Freunden“ gewohnt; eine Wohnsitzmeldung hat er nicht vorgenommen. Am 25. Februar 2020 wurde der Revisionswerber in Wien als Lenker eines auf ein Reinigungsunternehmen zugelassenen Fahrzeuges einer polizeilichen Kontrolle unterzogen, wobei er sich mit einem gefälschten slowenischen Führerschein und einem gefälschten slowenischen Aufenthaltstitel auswies. Dazu gab er in der mit ihm am 26. Februar 2020 aufgenommenen Niederschrift an, er habe die gefälschten Dokumente um 700 € erworben. Bei der Kontrolle sei er nur mit dem Auto eines Freundes gefahren; er arbeite nicht in Österreich. Auch im Kosovo sei er nicht beschäftigt, manchmal arbeite er dort „schwarz“. Sein Vater schicke ihm Geld aus Österreich.

6        Mit Bescheid vom 26. Februar 2020 erließ das BFA gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt I.) und es stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers (gemeint: in den Kosovo) zulässig sei (Spruchpunkt II.). Des Weiteren verhängte es über den Revisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt III.). Schließlich wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

7        Nur gegen Spruchpunkt III. erhob der Revisionswerber eine Beschwerde, in der er der Auffassung des BFA, es bestünden in Österreich keine maßgeblichen familiären Bindungen, entgegentrat. Der Revisionswerber sei in Österreich „nachhaltig verwurzelt“, weil er mit seinem Vater und seiner Schwester in einem gemeinsamen Haushalt lebe und „zu diesen“ in einem finanziellen Abhängigkeitsverhältnis stehe. Sein Unterhalt sei durch die Unterstützung der Familie gesichert. Zudem pflege er seinen Vater, der unter Bluthochdruck und Depressionen leide. Davon ausgehend widerspreche die Wertung des BFA, dass kein Familienleben iSd Art. 8 EMRK gegeben sei, der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Demnach erweise sich das nur wegen unrechtmäßigen Aufenthalts verhängte, mit drei Jahren befristete Einreiseverbot als überhöht und nicht nachvollziehbar begründet, zumal zuletzt das wegen einer gerichtlichen Verurteilung erlassene Einreiseverbot für die wesentlich kürzere Dauer von achtzehn Monaten ausgesprochen worden sei. Durch das Einreiseverbot werde dem Revisionswerber die Möglichkeit genommen, mit seinem Vater, der nicht mehr reisefähig sei, „Kontakt zu halten“. Mit diesen Auswirkungen habe sich das BFA nicht auseinandergesetzt.

8        Diese Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 26. Mai 2020 als unbegründet ab und es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9        Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

11       Staatsangehörige der Republik Kosovo unterliegen bei der Einreise nach Österreich der Visumpflicht (vgl. Art. 3 Abs. 1 iVm der Liste in Anhang I Punkt 2. der Verordnung [EU] 2018/1806 - VisumpflichtVO). Der Revisionswerber verfügte unbestritten bisher weder über einen Aufenthaltstitel noch über ein Visum für Österreich. Er war daher nicht nur im Zeitraum von Ende Jänner 2013 bis zu seiner Verhaftung Ende Oktober 2016, sondern auch aktuell ab der Einreise etwa Mitte Oktober 2019 nicht zu einem Aufenthalt in Österreich berechtigt. Diese Konsequenzen versuchte der Revisionswerber zu umgehen, indem er sich gefälschte slowenische Dokumente beschaffte, um ein Aufenthaltsrecht als EWR-Bürger vorzutäuschen. Damit verwirklichte der Revisionswerber nicht nur den Straftatbestand der Verwendung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs. 2 iVm § 224 StGB - diesbezüglich wurde der Aktenlage zufolge von der Staatsanwaltschaft Wien gegen den Revisionswerber auch Anklage erhoben -, sondern er hat damit überdies ein unter dem Gesichtspunkt eines geordneten Fremdenwesens verpöntes Verhalten gesetzt. Angesichts des schon seinerzeitigen langen unrechtmäßigen Aufenthalts des Revisionswerbers begründet dieses - trotz der schon einmal verhängten aufenthaltsbeenden Maßnahmen gesetzte und durch die Unterlassung der gesetzlich gebotenen Wohnsitzmeldung unterstützte - neuerliche gravierende fremdenrechtliche Fehlverhalten eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 2 FPG. Dieser im Ergebnis auch vom BVwG vorgenommenen Einschätzung und dem ihr zugrunde liegenden Gesamtfehlverhalten wird in der Revision nicht Rechnung getragen, wenn dort die Meinung vertreten wird, eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung sei „vollkommen ausgeschlossen“, weil „zuletzt lediglich ein unrechtmäßiger Aufenthalt gegeben“ gewesen sei.

12       Dabei wird vom Revisionswerber im Übrigen noch außer Acht gelassen, dass das Einreiseverbot vom BFA und vom BVwG auch auf den Tatbestand der Z 6 des § 53 Abs. 2 FPG gestützt wurde. Danach ist die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne der genannten Bestimmung indiziert, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, weil aus der Mittellosigkeit eines Fremden die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft resultiert. Dabei obliegt es dem Fremden initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass sein Unterhalt, auf den ein Rechtsanspruch bestehen muss, für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint (vgl. das auf entsprechende Vorjudikatur Bedacht nehmende Erkenntnis VwGH 20.9.2018, Ra 2018/20/0349, Rn. 32). Diesen Nachweis hat der nach seinen Angaben einkommenslose Revisionswerber, der lediglich auf die freiwillige finanzielle Unterstützung durch seine Familienangehörigen verwies und der nach seinem Verhalten einen nicht nur kurzfristigen Aufenthalt in Österreich anstrebt, nicht erbracht. Der diesbezüglichen Annahme des BVwG wird in der Revision auch nicht konkret entgegengetreten. Die aus der Mittellosigkeit resultierende Gefahr hat sich beim Revisionswerber im Übrigen in der Vergangenheit in Form der Begehung mehrfach qualifizierter Eigentumsdelikte auch schon verwirklicht. Ihr Vorliegen durfte daher - zumindest in Bezug auf die Ausübung einer unerlaubten Beschäftigung - auch für die Zukunft unterstellt werden.

13       Des Weiteren moniert der Revisionswerber, bei der Interessenabwägung sei nicht berücksichtigt worden, dass zwei seiner minderjährigen Kinder nunmehr in Österreich leben. Abgesehen davon, dass darauf in der Beschwerde nicht rekurriert worden war, ist auch in diesem Zusammenhang noch einmal darauf zu verweisen, dass dem Revisionswerber noch nie ein Aufenthaltsrecht in Österreich zukam. Die Trennung von seinen Kindern ist daher in erster Linie eine Konsequenz aus der Zustimmung zur Adoption der Kinder durch seine Schwester und deren Übersiedlung nach Österreich. Dass vorübergehend keine Besuche in Österreich möglich sind, wofür der Revisionswerber der Aktenlage zufolge aber bisher auch noch nie ein Visum beantragt hatte, ist aber im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Das gilt sinngemäß auch für das Verhältnis zu seinem Vater, auf dessen behauptete Pflegebedürftigkeit die Revision nicht mehr zurückkommt. Im Hinblick auf die im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG gegebene maßgeblichen Relativierung der während unsicheren Aufenthalts begründeten familiären Bindungen ist es aber letztlich auch nicht entscheidend, ob der Revisionswerber mit seinen Familienangehörigen in Österreich im gemeinsamen Haushalt lebte. Für den letzten Aufenthalt durfte das BVwG aber jedenfalls gestützt auf seine eigenen Angaben in der Niederschrift am 26. Februar 2020 davon ausgehen, der Revisionswerber habe bei Freunden gewohnt. Im Übrigen lässt die Revision die Annahme des BVwG, der Kontakt zu seinen in Österreich lebenden Familienangehörigen könne durch moderne Kommunikationsmittel und bei Besuchen im Kosovo aufrecht erhalten werden, unbekämpft.

14       Insgesamt erweist sich somit das Ergebnis der vom BVwG gemäß § 9 BFA-VG vorgenommenen Interessenabwägung auch in Bezug auf das Einreiseverbot jedenfalls als vertretbar, was nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insoweit der Zulässigkeit einer (außerordentlichen) Revision entgegensteht (vgl. im Anschluss an den grundlegenden Beschluss VwGH 25.4.2014, Ro 2014/21/0033, beispielsweise VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0113, Rn. 6, mwN).

15       Das gilt auch für die Dauer des Einreiseverbotes. Soweit der Revisionswerber - wie schon in der Beschwerde - ein Missverhältnis zum ersten über ihn verhängten Einreiseverbot zu erkennen glaubt, übersieht er, dass bei dessen Erlassung durch das BFA noch keine gerichtliche Verurteilung vorlag und das BVwG danach lediglich eine Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides vornahm. Im Übrigen wird in der Revision die nunmehr gegebene Steigerung des fremdenrechtlichen Fehlverhaltens außer Acht gelassen (siehe dazu oben Rn. 11), die ein dreijähriges Einreiseverbot nicht unangemessen erscheinen lässt.

16       Soweit in der Revision schließlich noch im Hinblick auf die österreichische Staatsbürgerschaft seines Vaters der Sache nach releviert wird, gegen den Revisionswerber hätte (als begünstigten Drittstaatsangehörigen) eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur am Maßstab des § 67 Abs. 1 FPG erlassen werden dürfen, genügt es darauf zu verweisen, dass dem Revisionswerber diese Rechtsstellung nicht zukommt, was bereits im oben in Rn. 4 erwähnten Beschluss VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0133, unter Rn. 8 näher dargetan wurde. Darauf kann gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG verwiesen werden.

17       Schließlich begründet - entgegen dem Revisionsvorbringen - auch das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung keinen vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Verfahrensmangel. Der Revisionswerber hatte nämlich deren Durchführung in der von seinem Rechtsvertreter verfassten Beschwerde gar nicht beantragt, und das BVwG musste - in diesem im Übrigen eindeutigen Fall - auch von Amts wegen eine Verhandlung nicht im Sinne des § 24 Abs. 1 VwGVG für erforderlich halten.

18       Der Revision gelingt es somit insgesamt nicht, eine im vorliegenden Fall maßgebliche grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 27. August 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210284.L00

Im RIS seit

07.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten