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L37133 Abfallabgabe Müllabgabe Sonderabfallabgabe Sondermüllabgabe Müllabfuhrabgabe NiederösterreichNorm
AWG NÖ 1992 §11 Abs6aBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde B, vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Reisnerstraße 53, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 26. März 2020, LVwG-AV-764/001-2019, betreffend eine Angelegenheit der öffentlichen Abfallentsorgung (mitbeteiligte Partei: L GmbH in B, vertreten durch die Preslmayr Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Universitätsring 12; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Marktgemeinde Bad Erlach hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
4 Gemäß § 11 Abs. 6 des NÖ Abfallwirtschaftsgesetzes 1992 (NÖ AWG 1992) sind die Anzahl und die Größe der aufzustellenden Müllbehälter nach dem Holsystem mit Bescheid so festzusetzen, dass in den beigestellten Müllbehältern der zu erfassende und erfahrungsgemäß anfallende Müll innerhalb des Abfuhrzeitraumes nach dem Stand der Technik erfasst werden kann.
5 Abweichend von Abs. 6 dürfen gemäß § 11 Abs. 6a leg. cit. Grundstücken, auf denen sich Betriebe befinden, für diese Betriebe Müllbehälter mit einem Volumen von maximal 3.120 Liter pro Jahr insgesamt zugeteilt werden. Über dieses Volumen hinaus anfallenden Restmüll hat die Gemeinde über Ansuchen des Betriebes gegen Berechnung der Kosten in Form eines privatrechtlichen Entgeltes zu erfassen. Für Altstoffe und kompostierbare Abfälle dürfen Betrieben keine Müllbehälter zugeteilt werden.
6 Im gegenständlichen Fall geht es um ein Grundstück, auf dem sich eine Sonderkrankenanstalt und ein Gastronomiebetrieb befinden. Das Verwaltungsgericht kam im angefochtenen Erkenntnis zu dem Schluss, dass ein Betrieb im Sinne des § 11 Abs. 6a NÖ AWG 1992 vorliege.
7 Die Revision wurde vom Verwaltungsgericht für zulässig erklärt, weil, wenngleich Ausführungen in der hg. Judikatur zum Begriff „Anstalt“ im Zusammenhang mit dem Tiroler Krankenanstaltengesetz erfolgt seien (Verweis auf VwGH 27.6.2006, 2005/06/0392), eine maßgebliche Auslegung der Begriffe „Anstalt“ und „Betrieb“ im Sinne der Bestimmungen des § 11 Abs. 6 und 6a NÖ AWG 1992 vorzunehmen gewesen sei, wozu es (konkret bezogen auf die bezeichneten Bestimmungen des NÖ AWG 1992) keine hg. Judikatur gebe. Es sei auch davon auszugehen, dass der Lösung dieser Rechtsfrage nach der Beurteilung des erkennenden Gerichtes eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
8 In den Revisionszulässigkeitsgründen wird darüber hinaus ausgeführt, dass gemäß § 3 Z 2 lit. b NÖ AWG 1992 unter Müll nicht gefährliche, vorwiegend feste Siedlungsabfälle (Restmüll, kompostierbare Abfälle und Altstoffe) zu verstehen seien, die in privaten Haushalten oder im Rahmen von Betrieben, Anstalten und sonstigen Einrichtungen, wenn das Abfallaufkommen in Art und Zusammensetzung mit privaten Haushalten vergleichbar sei, anfielen. Wäre die gegenständliche Sonderkrankenanstalt nicht als Betrieb im Sinne des § 11 Abs. 6a NÖ AWG 1992 zu klassifizieren, würde eine Anstalt oder sonstige Einrichtung vorliegen, für die der Ausnahmetatbestand des § 11 Abs. 6a AWG 1992 nicht zur Anwendung käme. Das Verwaltungsgericht übersehe den Wortlaut des § 3 Z 2 lit. c NÖ AWG 1992, der im Zusammenhang mit der Definition der betrieblichen Abfälle festhalte, dass es sich hier um nicht gefährliche Siedlungsabfälle aus landwirtschaftlichen und gewerblichen Betrieben sowie aus Anstalten und sonstigen Einrichtungen handle. Es handle sich hier nicht um eine Einschränkung des Betriebsbegriffes lediglich für die Definition der betrieblichen Abfälle, sondern vielmehr auf Grund des engen Regelungszusammenhanges aller Bestimmungen um den Betriebsbegriff, der dem NÖ AWG 1992 gesamthaft unterliege.
9 Die weite Definition des Betriebsbegriffes des Verwaltungsgerichtes ließe dem Begriff der Anstalt keinen Raum mehr. Auch eine Anstalt sei eine organisatorische Einheit, in der bestimmte Arbeitsergebnisse verfolgt würden. Der Begriff des gewerblichen Betriebes (§ 3 Z 2 lit. c NÖ AWG 1992) sei wohl im Sinne der §§ 1 und 2 Gewerbeordnung 1994 auszulegen. Eine systematische Auslegung würde entgegen der Auffassung des Gerichtes nahelegen, dass neben § 1 auch § 2 Gewerbeordnung 1994 zur Auslegung des Begriffes „Betrieb“ im Sinne des NÖ AWG 1992 herangezogen werden müsse. Nur so lasse sich nämlich erklären, dass der landwirtschaftliche Betrieb, der nach § 2 Abs. 1 Z 1 Gewerbeordnung 1994 vom Geltungsbereich der Gewerbeordnung 1994 ausgenommen sei, im NÖ AWG 1992 explizit genannt werde. Würden die Ausnahmen des § 2 Gewerbeordnung 1994 ohnedies nicht gelten, hätte man den landwirtschaftlichen Betrieb im NÖ AWG 1992 nicht explizit nennen müssen. In § 2 Abs. 1 Z 11 Gewerbeordnung 1994 seien auch Kranken- und Kuranstalten vom Geltungsbereich der Gewerbeordnung 1994 ausgenommen, sodass schon auf dieser Grundlage die Sonderkrankenanstalt nicht als Betrieb im Sinne des NÖ AWG 1992 zu klassifizieren sei.
10 Das Verwaltungsgericht komme zu einem sehr weiten Verständnis des Betriebsbegriffs unter Heranziehung des Arbeitsverfassungsgesetzes bzw. des § 11 des Bundes-Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG 2002). Diese Bestimmungen könnten aber nicht zur Auslegung des NÖ AWG 1992 herangezogen werden. Das Arbeitsverfassungsgesetz verfolge ganz unterschiedliche Ziele und Schutzziele. Das AWG 2002 kenne einen Betriebsbegriff, der eindeutig von jenem des NÖ AWG 1992 abweiche. Nach den Materialien zum AWG 2002 umfasse der Betriebsbegriff auch öffentliche Einrichtungen. Damit seien auch Anstalten mitumfasst. Das NÖ AWG 1992 unterscheide hingegen zwischen Betrieben, Anstalten und sonstigen Einrichtungen.
11 Das Verwaltungsgericht übersehe weiters, dass das Nichtvorliegen einer Anstalt keinesfalls bedeute, dass zwingend ein Betrieb im Sinne des NÖ AWG 1992 gegeben wäre. Wenn das Vorliegen einer Anstalt zu verneinen und gleichzeitig auch kein Betrieb gegeben sei, handle es sich nach der Systematik des NÖ AWG 1992 um eine sonstige Einrichtung. Auch für diese würde § 11 Abs. 6a NÖ AWG 1992 nicht zur Anwendung kommen. Sofern auf Grund der Systematik des NÖ AWG 1992 überhaupt eine Auslegung geboten sei, ob es sich bei der gegenständlichen Sonderkrankenanstalt um eine Anstalt im Sinne des NÖ AWG 1992 handle, gehe die Revision davon aus, dass gute Gründe für das Vorliegen einer Anstalt im Sinne des Gesetzes sprächen (wurde näher ausgeführt).
12 Zur beschriebenen Rechtsfrage und den maßgeblichen Bestimmungen des NÖ AWG 1992, insbesondere zu den Begriffen Betrieb, Anstalt und sonstige Einrichtung, liege keine hg. Judikatur vor. Das Erkenntnis VwGH 27.6.2006, 2005/06/0392, habe sich lediglich mit dem Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechts, nicht jedoch mit dem der Anstalt oder des Betriebes auseinandergesetzt. Eine Heranziehung der Definition für Körperschaften öffentlichen Rechts für den Begriff der Anstalt könne nicht maßgeblich sein. Die vom Verwaltungsgericht zitierte hg. Entscheidung sei daher für die hier gegebene Rechtsfrage nicht von Bedeutung.
13 Die gegenständliche Frage habe Konsequenzen, die weit über den Anlassfall hinausgingen. Es gehe darum, ob sämtliche Krankenhäuser und Krankenanstalten in Niederösterreich hinsichtlich ihres beträchtlichen Volumens an Müll der vollen Entsorgung durch die Gemeinde unterlägen oder, im Fall einer Qualifikation als Betrieb, hinsichtlich des über ein Volumen von 3.120 l pro Jahr hinausgehenden Mülls auf private Entsorger zugreifen könnten. Letzteres hätte für die betroffenen Gemeinden hinsichtlich der Organisation und Finanzierung der Müllentsorgung massive Auswirkungen.
14 Die Frage, ob eine bestimmte Anlage ein Betrieb im Sinne des § 11 Abs. 6a NÖ AWG 1992 ist, ist eine solche des Einzelfalles. Sie ist stets anhand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen. Diese Frage unterliegt somit - als Ergebnis einer alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden Abwägung - grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 26.2.2019, Ra 2019/06/0012, mwN; VwGH 22.1.2019, Ra 2018/05/0286, mwN).
15 Derartiges ist angesichts der eingehenden Begründung des Verwaltungsgerichtes, das sich umfassend mit dem Betriebsbegriff im Sinne des § 11 Abs. 6a NÖ AWG 1992 - fallbezogen insbesondere im Hinblick auf die Abgrenzung zum Anstaltsbegriff - auseinandergesetzt hat (S 23 bis S 27 des angefochtenen Erkenntnisses), vorliegend nicht ersichtlich. Es wird auch in der Zulässigkeitsbegründung des angefochtenen Erkenntnisses und der gegenständlichen Revision in keiner Weise dargelegt (vgl. VwGH 29.5.2020, Ro 2020/05/0014, mwN).
16 Die Rechtslage ist auch insofern eindeutig, als § 11 Abs. 6a NÖ AWG 1992 seinem Wortlaut nach keinerlei Hinweis darauf enthält, dass nur gewerbliche Betriebe bzw. Betriebe, die der Gewerbeordnung 1994 unterliegen, von dieser Regelung erfasst sind. Insoweit die Rechtslage aber eindeutig ist, liegt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, und zwar selbst dann nicht, wenn dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist, sofern nicht fallbezogen (ausnahmsweise) eine Konstellation gegeben ist, die es im Einzelfall erforderlich macht, aus Gründen der Rechtssicherheit korrigierend einzugreifen (vgl. nochmals VwGH 29.5.2020, Ro 2020/05/0014, mwN).
17 Angesichts der vorliegenden Begründung des Verwaltungsgerichtes ist es nicht erforderlich, dass der Verwaltungsgerichtshof korrigierend eingreift, und dergleichen wird auch in den Revisionszulässigkeitsgründen der Revision nicht dargelegt.
18 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
19 Der Auspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 31. August 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020050021.J00Im RIS seit
07.10.2020Zuletzt aktualisiert am
07.10.2020