TE Vwgh Beschluss 2020/9/2 Ra 2019/15/0164

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Veröffentlicht am 02.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
34 Monopole

Norm

B-VG Art133 Abs6 Z1
GSpG 1989 §56 Abs1
GSpG 1989 §56a Abs6
MRK Art13
VwGG §33 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGG §58 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der P G.m.b.H in I, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 31. Oktober 2019, Zl. LVwG-2019/29/1187-9, betreffend Betriebsschließung nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 8. Mai 2019 verfügte die Landespolizeidirektion Tirol die Betriebsschließung eines näher bezeichneten Lokals gemäß § 56a Abs. 1 iVm Abs. 3 Glücksspielgesetz (GSpG). Dieser Bescheid wurde nach der Aktenlage am 9. Mai 2019 zugestellt.

2        Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die dagegen seitens der Revisionswerberin erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Unter einem wurde ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4        Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Revision nach Anhörung des Revisionswerbers in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde. § 33 Abs. 1 VwGG ist nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall wegen Gegenstandslosigkeit liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes kein rechtliches Interesse mehr hat (vgl. etwa zu Betriebsschließungen nach dem Glücksspielgesetz VwGH 21.6.2017, Ra 2016/17/0259, mwN; 20.2.2018, Ra 2017/17/0314).

5        Gemäß § 56a Abs. 6 GSpG treten Bescheide nach Abs. 3 leg. cit., wenn sie nicht kürzer befristet sind, mit Ablauf eines Jahres außer Wirksamkeit. Demnach wäre selbst bei rückwirkender Aufhebung der mit der gegenständlichen Revision angefochtenen Entscheidung die von der Landespolizeidirektion Tirol ausgesprochene Betriebsschließung mit Ablauf des 9. Mai 2020 außer Wirksamkeit getreten.

6        Über Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder einer aktuellen Rechtsverletzungsmöglichkeit nach Ablauf der Frist des § 56a Abs. 6 GSpG teilte die Revisionswerberin mit, sie gehe davon aus, dass ein subjektives Recht an einer wirksamen Überprüfung der Rechtmäßigkeit des vorliegenden Grundrechtseingriffs bestehe, weil andernfalls eine gravierende Rechtsschutzlücke bestünde (Hinweis auf Art. 13 EMRK - Recht auf wirksamen Rechtsbehelf).

7        Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Beurteilung der Revisionslegitimation ausschlaggebend, ob der Revisionswerber nach der Lage des Falles durch das bekämpfte Erkenntnis - ohne Rücksicht auf dessen Gesetzmäßigkeit - überhaupt in einem subjektiven Recht verletzt sein kann. Fehlt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre des Revisionswerbers, so mangelt diesem die Revisionsberechtigung. Die Rechtsverletzungsmöglichkeit wird immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied macht, ob das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts aufrecht bleibt oder aufgehoben wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht zu einer rein abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Erkenntnisses berufen. Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt dann nicht vor, wenn eine Entscheidung lediglich über abstrakt-theoretische Rechtsfragen herbeigeführt werden soll, denen keine praktische Relevanz mehr zukommen kann (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2018/19/0591; 11.5.2015, Ra 2015/02/0077, mwN).

8        Im Revisionsverfahren ist eine die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Erledigung feststellende Entscheidung nicht vorgesehen. Mit einem Interesse an einer solchen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes lässt sich daher ein (noch aufrechtes) Rechtsschutzbedürfnis nicht begründen. Vielmehr ist es erforderlich, dass der Revisionswerber durch die für den Fall der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses im VwGG vorgesehene Aufhebung rechtlich besser gestellt wäre. Insoweit besteht daher eine Einschränkung der Kontrolle von Verwaltungshandeln durch den Verwaltungsgerichtshof. Art. 13 EMRK steht dem nicht generell entgegen. Nur ein Verwaltungsakt, der (noch) in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreift, muss bekämpfbar und letztlich vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts überprüfbar sein (vgl. VwGH 15.9.2011, 2006/04/0108; 29.9.2009, 2008/21/0646).

9        Dass sich bei Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses die Rechtsstellung der Revisionswerberin verbessern würde, ist im Revisionsfall nicht zu erkennen und wurde auch in der Stellungnahme von ihr nicht dargelegt. Die Revision ist daher mangels Rechtsschutzbedürfnisses gegenstandslos geworden, sodass das Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG mit Beschluss einzustellen war (vgl. zum Fall einer Betriebsschließung nach dem Glücksspielgesetz VwGH 31.1.2020, Ra 2019/17/0068, mwN).

10       Mangels formeller Klaglosstellung liegt die Voraussetzung für einen Kostenzuspruch gemäß § 56 VwGG nicht vor. Vielmehr kommt § 58 Abs. 2 VwGG zur Anwendung. Da die Klärung der Frage, wer als obsiegende Partei anzusehen wäre, im vorliegenden Fall mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre, wird im Sinne der Übung der freien Überzeugung nach § 58 Abs. 2 zweiter Halbsatz VwGG kein Kostenersatz zuerkannt.

Wien, am 2. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150164.L00

Im RIS seit

07.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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