Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
ABGB §914Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des A U in A, vertreten durch die Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH in 1010 Wien, Renngasse 1/Freyung, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 14. Mai 2020, RV/7103576/2019, betreffend Rechtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel in Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Unbestritten ist, dass der Revisionswerber mit Schenkungsvertrag vom 26. Juni 2015 40/100 Anteile seines Grundstückes EZ, KGL, und mit einem weiteren Schenkungsvertrag vom 18. Dezember 2015 60/100 Anteile dieses Grundstückes seinem Sohn schenkte und übergab. In beiden Schenkungsverträgen sah Punkt VII. unter dem Titel „Fruchtgenussrecht, AfA“ und „Fruchtgenussvorbehalt“ vor, dass der Geschenknehmer dem Geschenkgeber auf dem jeweils geschenkten Grundstücksanteil ein lebenslanges Fruchtgenussrecht einräume. Demzufolge sei der Geschenkgeber berechtigt, den jeweiligen Grundstücksanteil zu vermieten und die Mieterträge zu vereinnahmen. Er übernehme die Verpflichtung für die Dauer des Fruchtgenussrechtes, sämtliche Kosten der Instandhaltung des Gebäudes zu tragen; hingegen stünden dem Geschenkgeber die Mieterträge zur Gänze zu. Der Geschenkgeber sei jederzeit berechtigt, auf sein Fruchtgenussrecht zu verzichten.
Der Geschenkgeber verpflichte sich, dem Geschenknehmer „die auf den schenkungsgegenständlichen Anteil entfallende AfA (jährliche steuerliche Abschreibung) zu bezahlen“.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden gegen die mit Gebührenbescheiden vom 22. und 25. März 2019 erfolgte Festsetzung von Rechtsgeschäftsgebühr gemäß § 33 TP 9 GebG hinsichtlich der in den Punkten VII. der genannten Schenkungsverträge kapitalisierten, aus dem Durchschnitt von drei Jahren errechneten jährlichen Zahlungen für die Substanzabgeltung gemäß § 279 BAO als unbegründet ab und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
Nach Darstellung des Verfahrensganges und Zitierung der §§ 15 Abs. 1 und 3, 17 Abs. 1 erster Satz sowie § 33 TP 9 GebG erwog das Gericht:
„3. Erwägungen
§ 33 TP 9 GebG besteuert das Rechtsgeschäft Dienstbarkeit, wenn die Dienstbarkeit gegen Entgelt eingeräumt wird und darüber eine Urkunde errichtet wird, mit Rechtsgeschäftsgebühren von 2% vom Entgelt. Steuergegenstand sind Dienstbarkeiten. Da das Gebührengesetz die Dienstbarkeit nicht definiert, sind die Bestimmungen des ABGB (§§ 472 ABGB) maßgeblich (...).
Nicht bestritten wird, dass ein Fruchtgenuss an den geschenkten Grundstücksanteilen eingeräumt wurde.
Wird ein Fruchtgenussrecht gegen Entgelt an einem Grundstück eingeräumt, löst dieses Rechtsgeschäft grundsätzlich die Gebühr gemäß § 33 TP 9 GebG aus.
3.1. Im Austauschverhältnis stehen Einräumung der Dienstbarkeit und Entgelt
Im gegenständlichen Fall räumte der Sohn in beiden Schenkungsverträgen Punkt VII. (‚Fruchtgenussrecht, AfA‘/‚Fruchtgenussvorbehalt‘) dem [Revisionswerber] auf dem Grundstück ein lebenslanges Fruchtgenussrecht ein. Infolge des Fruchtgenussrechtes war der [Revisionswerber] berechtigt, das Grundstück zu vermieten, wobei ihm die Mieterträge zur Gänze zustehen sollten. Weiters heißt es unter diesem Vertragspunkt, dass der [Revisionswerber] ‚andererseits die Verpflichtung‘ übernimmt, für die Dauer des Fruchtgenussrechtes sämtliche Kosten der Instandhaltung des Gebäudes zu tragen, weiter ‚verpflichtet sich‘ der [Revisionswerber] dem Sohn die jährliche steuerliche Abschreibung zu bezahlen.
Bemessungsgrundlage ist der Wert des bedungenen Entgelts. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur Bestandvertragsgebühr ausgesprochen hat, bedeutet auch für die Dienstbarkeitsgebühr die Bestimmung der Bemessungsgrundlage mit dem Begriff ‚nach dem Wert‘, dass darunter alle Leistungen zu verstehen sind, die der Dienstbarkeitsberechtigte für die Überlassung der Sache zum Gebrauch zu erbringen hat. (VwGH 30.10.1961, 174/61). Alle Leistungen, die im Austauschverhältnis zur Einräumung der Dienstbarkeit stehen, sind in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. (VwGH 7.10.1993, 93/16/0140).
Wie der [Revisionswerber] in seinen Beschwerdeschriften selbst beschreibt, solle diese Zahlung für Substanzabgeltung den Wertverzehr des Gebäudes abbilden und den [Revisionswerber] wirtschaftlich zur Geltendmachung der Abschreibung berechtigen. Er verwies dabei auf die EStR 2000 Rz 113a, dass die Geltendmachung der AfA beim Fruchtgenussbesteller nur möglich ist, wenn eine ausreichend publizitätswirksam dokumentierte vertragliche Vereinbarung zur Zahlung der Substanzabgeltung abgeschlossen wurde, beispielsweise durch Errichtung eines Notariatsaktes und die Zahlungen tatsächlich erfolgten.
Trotzdem liegt ein ‚ich gebe, damit du gibst‘ vor. Die Zahlungen der Substanzabgeltung, zu denen sich der [Revisionswerber] verpflichtete, sind das Entgelt, das er aufwendete, um das Fruchtgenussrecht eingeräumt zu bekommen. Entgeltlichkeit iSd GebG liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn nach dem Willen der Parteien eine Leistung im Sinne einer subjektiven Äquivalenz abgegolten werden soll (VwGH 16.10.2003, 2003/16/0126). In den beiden vorliegenden Verträgen kommt u.a. der Wille der Vertragsparteien zum Ausdruck, eine Leistung (Einräumung einer Dienstbarkeit) im Sinne einer subjektiven Äquivalenz durch eine andere Leistung (Verpflichtung zur Tragung der jährlichen Afa) abzugelten. (BFG 04.05.2020, RV/1100553/2018).
Mit den Vereinbarungen Punkt VII. ‚Fruchtgenussrecht, AfA‘/‚Fruchtgenussvorbehalt‘ gegen ‚AfA-Miete‘/Substanzabgeltung“ wurde zwischen dem [Revisionswerber] und seinem Sohn daher das Titelgeschäft iSd § 33 TP 9 GebG ‚Dienstbarkeit gegen Entgelt‘ abgeschlossen. (ständige Rechtsprechung BFG ...).
3.2. Für die Befreiung des § 15 Abs. 3 GebG müssen Dienstbarkeit als Entgelt = Gegenleistung für das Grundstück und Grundstück in einem Austauschverhältnis stehen
Der [Revisionswerber] machte die Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG geltend, da er mit Schenkungsverträgen vom 26. Juni 2015 und vom 18. Dezember 2015 seinem Sohn das Grundstück schenkte, auf welchem ihm, dem [Revisionswerber], das Fruchtgenussrecht eingeräumt wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof sprach im Erkenntnis VwGH 27.05.1999, 98/16/0349 aus, dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass beim Verkauf eines Grundstücks unter Vorbehalt des Fruchtgenusses der Wert dieser vorbehaltenen Nutzung der Gegenleistung zuzurechnen ist (unter Verweis auf VwGH 23.9.1953, 1861/51, VwSlg 814 F/1953). ‚Soweit aber der Verkäufer für das Fruchtgenussrecht an Teilen der erworbenen Liegenschaften ein Entgelt zu leisten hat - und hierüber ein vom Kaufgeschäft unabhängiges selbständiges Rechtsgeschäft geschlossen hat (vgl. auch § 33 TP 9 GebG 1957) -, liegt eine der Gegenleistung iSd§ 5 GrEStG 1987 zuzurechnende vorbehaltene Nutzung nicht vor.‘
Weiters besteht eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob Dienstbarkeitsgebühr gemäß § 33 TP 9 GebG anfällt, wenn für die Schenkung des Grundstückskaufpreises eine Dienstbarkeit am Grundstück eingeräumt wird (VwGH 16.10.2003, 2003/16/0126). Nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt wollte der Sohn eine Wohnung erwerben. Der Vater schenkte dem Sohn Sparbücher, um ihm die Finanzierung der Wohnung zu ermöglichen und dafür räumte der Sohn beiden Elternteilen ein unentgeltliches Wohnrecht ein. Das Finanzamt schrieb Dienstbarkeitsgebühr vor, und ging davon aus, dass die dem Sohn übergebenen Sparbücher das Entgelt für die Einräumung der Dienstbarkeit gewesen seien. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde ab, da die Sparbücher als das vom Vater geleistete Entgelt für die beiden Ehegatten eingeräumte Dienstbarkeit geleistet wurden, weil es bei der Beurteilung der Entgeltlichkeit auf die subjektive Äquivalenz ankommt. Zu einem vergleichbaren Sachverhalt erging auch UFS 23.4.2007, RV/0188-G/04 mit Titel laut Findok: Schenkung von Sparbüchern kann Entgelt für die Einräumung einer Dienstbarkeit darstellen. (BFG ...).
Die vorliegenden Schenkungsverträge sind ebenso gestaltet, dass der [Revisionswerber] seinem Sohn das Grundstück (die Grundstücksanteile) ohne weitere Gegenleistung schenkt. Das Fruchtgenussrecht wurde nach der Vertragsgestaltung definitiv nicht als Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks durch den Sohn vereinbart.
Aus dem Regelungszweck des § 15 Abs. 3 GebG ergibt sich die Intention des Gesetzgebers, eine Belastung ein und desselben Rechtsgeschäftes mit Rechtsgebühr und einer Verkehrsteuer zu vermeiden. (BFG ...). § 15 Abs. 3 GebG greift nur ein, wenn Dienstbarkeit als Entgelt = Gegenleistung für das Grundstück und Grundstück im Austauschverhältnis stehen. Im gegenständlichen Fall stehen aber Dienstbarkeit und Grundstück nicht in einem Austauschverhältnis, sondern es wurden in einer Vertragsurkunde zwei Rechtsgeschäfte abgeschlossen, nämlich erstens die Schenkung zweier Grundstücksanteile vom [Revisionswerber] an seinen Sohn, die der Grunderwerbsteuer unterliegen, und zweitens die Einräumung des Fruchtgenussrechtes vom Sohn an den [Revisionswerber] gegen jährliche Zahlung der Substanzabgeltung (AfA), die der Dienstbarkeitsgebühr gemäß § 33 TP 9 GebG unterliegt.
4. Schlussfolgerung
Bei den beiden gegenständlichen Grundstücksschenkungen mit gleichzeitiger Vereinbarung Vorbehaltsfruchtgenussrecht gegen ‚AfA-Miete‘/Substanzabgeltung wurden je Vertragsurkunde zwei Rechtsgeschäfte abgeschlossen, nämlich ein Grundstückserwerb, der der Grunderwerbsteuer unterliegt, und eine entgeltliche Dienstbarkeitseinräumung iSd § 33 TP 9 GebG:
Grundsätzlich ist bei einem Grundstückserwerb unter Vorbehalt des Fruchtgenussrechtes die Dienstbarkeit Gegenleistung für das Grundstück. Hat aber der Veräußerer des Grundstücks, wie hier der [Revisionswerber], für das Fruchtgenussrecht ein Entgelt zu leisten und darüber ein vom Grundstückserwerb unabhängiges selbständiges Rechtsgeschäft abgeschlossen, liegt eine Dienstbarkeit gemäß § 33 TP 9 GebG und nicht eine Gegenleistung iSd § 5 GrEStG vor. (VwGH 27.05.1999, 98/16/0349). Wird im Rahmen der Einräumung des Fruchtgenussrechtes aus ertragssteuerlichen Gründen vereinbart, dass der Geschenkgeber regelmäßige Zahlungen in der Höhe der ertragssteuerlichen Abschreibung ‚AfA-Miete, Substanzabgeltung‘ an den Geschenknehmer zu leisten hat, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes der Tatbestand des § 33 TP 9 GebG ‚entgeltliche Einräumung einer Dienstbarkeit‘ erfüllt (BFG ...). § 15 Abs. 3 GebG steht einer Vergebührung des Fruchtgenussrechtes gemäß § 33 TP 9 GebG nicht entgegen. (BFG ...).
Aus all diesen Gründen war den Beschwerden der Erfolg zu versagen.“
Seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision begründete das Gericht damit, es sei insbesondere den Erkenntnissen „VwGH 30.10.1961, 174/61; VwGH 7.10.1993, 93716/0140; VwGH 27.05.1999, 98/16/0349; und VwGH 16.10.2003, 2003/16/0126“gefolgt.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des Geschenkgebers, in der sich dieser in seinem Recht, keine Rechtsgeschäftsgebühren für ein nicht unter den Tatbestand des § 33 TP 9 GebG fallendes Rechtsgeschäft entrichten zu müssen, sowie im Recht, die Gebührenbefreiung gemäß § 15 Abs. 3 GebG in Anspruch zu nehmen, verletzt erachtet.
4 Die Zulässigkeit seiner Revision legt er einerseits darin dar, die in Punkt VII. der Schenkungsverträge vorgesehene Substanzabgeltung erfolge ausschließlich zur Geltendmachung eines steuerlich abzugsfähigen Aufwands in Höhe der steuerlichen Abschreibung beim Fruchtnießer, bei dem die Einkünfte anfielen, und sei nicht kausal für den Vorbehalt des Fruchtgenussrechts an sich. Die Substanzabgeltung würde nicht geleistet werden, wenn beispielsweise keine Abschreibung für Abnutzung bestünde, wohingegen eine Schenkung unter Vorbehalt des Fruchtgenussrechtes dennoch erfolgen würde. Die „AfA-Miete“ habe somit keinen Gegenleistungscharakter für die Fruchtgenussbestellung. Für die konkrete Konstellation, ob die Zahlung einer Substanzabgeltung zur Sicherstellung der Abschreibung für Abnutzung dazu führe, dass eine Gegenleistung für die Einräumung eines Fruchtgenussrechtes bestehe, liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.
Weiters legt die Revision ihre Zulässigkeit darin dar, die vom Gericht zur Anwendbarkeit der Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei nicht auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar. Die im angefochtenen Erkenntnis ins Treffen geführten Erkenntnisse behandelten Sachverhalte, in denen Grundstücke entgeltlich übertragen und im Anschluss den Verkäufern Fruchtgenussrechte entgeltlich eingeräumt worden seien; in diese Fällen seien jeweils zwei selbständige Rechtsgeschäfte vorgelegen. Ferner berücksichtige das Gericht nicht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach von § 15 Abs. 3 GebG auch zwei Rechtsgeschäfte erfasst sein könnten, wenn diese beiden in einem derart inneren Zusammenhang stünden, dass von einem einheitlichen Vorgang auszugehen sei „(VwGH 29.8.2013, 2010/16/0101)“. Ob für Zwecke des § 15 Abs. 3 ein einheitlicher Rechtsvorgang vorliege oder zwei selbständige Rechtsgeschäfte, sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anhand des Parteiwillens zu beurteilen „(VwGH 20.8.1996, 93/16/0188)“. Im vorliegenden Fall sei die Fruchtgenussrechtsvereinbarung eindeutig Teil der Vertragsgestaltung und könne schuldrechtlich nicht von der Schenkung losgelöst betrachtet werden. Es bestehe eine kausale Verknüpfung zwischen der Fruchtgenussrechtsvereinbarung und der Vermögensübertragung; im Revisionsfall wäre die unentgeltliche Vermögensübertragung ohne Fruchtgenussbestellung denkunmöglich.
Die Revision beantragt abschließend, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes unter Zuerkennung von Aufwandersatz aufzuheben.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 36 VwGG über diese Revision das Vorverfahren eingeleitet, in dessen Rahmen das vor dem Verwaltungsgericht belangte Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattete.
6 Die Revisionsbeantwortung zieht die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision nicht in Zweifel, sondern tritt der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Erkenntnisses, wonach im Revisionsfall in den Vertragsurkunden jeweils mehrere Rechtsgeschäfte abgeschlossen worden seien, bei. Bei der Einräumung des Fruchtgenussrechtes handle es sich um ein zweites Rechtsgeschäft, das im selben Vertrag erfasst sei. Für Zwecke des § 15 Abs. 3 GebG sei allein anhand des Parteiwillens zu beurteilen, ob ein einheitlicher Rechtsvorgang oder zwei selbständige Rechtsgeschäfte vorlägen. Die vertragliche Vereinbarung einer Abgeltung für Abnutzung (Substanzabgeltung) sei nicht Teil der Gegenleistung für den Grundstückserwerb und somit nicht Gegenstand der Grunderwerbsteuer. Vielmehr würden die „AfA-Abgeltung“ und sonstige andere vertragliche Verpflichtungen, die der Fruchtgenussberechtigte zu erbringen habe, aus der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer herausgelöst; sie verminderten somit die Gegenleistung für die Übertragung des Grundstückes, daher den kapitalisierten Wert des Fruchtgenussrechtes. Die Abgeltung für die „AfA“ sei nur in Zusammenhang mit der unter bestimmten Umständen vorzunehmenden Zurechnung von Einkünften an den Fruchtgenussberechtigten erklärbar und stelle das Entgelt für die Einräumung des Fruchtgenussrechts dar.
Die Revisionsbeantwortung beantragt abschließend, die außerordentliche Revision als unbegründet unter Zuerkennung von Aufwandersatz abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen von einer Zulässigkeit der Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG aus; die Revision erweist sich aus nachstehenden Gründen als zulässig und berechtigt:
Nach § 15 Abs. 3 GebG sind Rechtsgeschäfte, die unter das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, Grunderwerbsteuergesetz, Kapitalverkehrsteuergesetz (I. Teil Gesellschaftsteuer und II. Teil Wertpapiersteuer) oder Versicherungssteuergesetz fallen, von der Gebührenpflicht ausgenommen; dies gilt auch für Rechtsgeschäfte, sofern und insoweit diese unter das Stiftungseingangssteuergesetz fallen.
Gemäß § 17 Abs. 1 erster Satz GebG ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend.
Werden in einer Urkunde mehrere Rechtsgeschäfte derselben oder verschiedenen Art, die nicht zusammenhängende Bestandteile des Hauptgeschäftes sind, abgeschlossen, so ist gemäß § 19 Abs. 2 erster Satz GebG die Gebühr für jedes einzelne Rechtsgeschäft zu entrichten.
8 Zweck des § 15 Abs. 3 GebG ist es zu vermeiden, dass ein Rechtsgeschäft, das nach einem der erschöpfend angeführten Abgabengesetze steuerbar ist, nicht überdies noch mit einer Rechtsgebühr belegt wird (vgl. etwa die bei Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren, Bd. I10, Rz 66 zu § 15 GebG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
9 Die Frage, ob ein einheitlicher Vertrag oder zwei (oder mehr) selbständige Rechtsgeschäfte mit mehreren verschiedenen Leistungspflichten vorliegen, ist gemäß § 914 ABGB nach dem Willen der Vertragsparteien zu beurteilen (VwGH 24.3.1994, 92/16/0129; Fellner, aaO, Rz 68 zu § 15 GebG, mwN).
Für das Vorliegen eines einheitlichen Vertrages spricht etwa die Zusammenfassung und gleichzeitige Annahme mehrerer Leistungen in einem Schriftstück (VwGH 24.3.1994, 92/16/0129). Selbst getrennt abgeschlossene Verträge sind dann als Einheit aufzufassen, wenn die Beteiligten trotz mehrerer (in ein oder mehreren Urkunden enthaltener) getrennter Verträge eine einheitliche Regelung beabsichtigen und wenn zwischen den mehreren Verträgen ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht (VwGH 9.10.1991, 89/13/0098, und 16.10.2003, 2003/16/0126).
Enthält ein einheitlicher Vertrag verschiedenen Vertragstypen entnommene Elemente, ist er gebührenrechtlich nach seinem überwiegenden rechtlich und wirtschaftlichen Zweck zu beurteilen. Für die Rechtsnatur eines Vertrages ist die nach § 914 ABGB ermittelte Absicht der Parteien hinsichtlich der Wirkungen des Vertrages maßgebend. Dabei kommt es vor allem auf den von den Parteien bei Abschluss des Vertrages verfolgten, objektiv erkennbaren Zweck des Vertrages an (VwGH 13.12.2012, 2010/16/0023, mwN).
10 Legt man diesen Maßstab zugrunde, so ist allein anhand der Inhalte der nach § 17 Abs. 1 GebG maßgeblichen „Schenkungsverträge“ von einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang der Begründung aller darin vorgesehenen Berechtigungen und Verpflichtungen und damit von einheitlichen Rechtsgeschäften auszugehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien der Schenkungsverträge etwa die Einräumung des Fruchtgenussrechtes nach Punkt VII. auch losgelöst von einer vorherigen Schenkung in Betracht gezogen hätten (ohne vorheriger Übertragung des Eigentums allerdings wohl nur vom Revisionswerber an seinen Sohn, weil eine Dienstbarkeit an der eigenen Sache zivilrechtlich nicht in Betracht kommt), sind weder dem angefochtenen Erkenntnis noch dem Vorbringen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu entnehmen.
Damit ist von einheitlichen Rechtsgeschäften, nämlich von Schenkungen gegen Vorbehalt des Fruchtgenussrechtes an der Liegenschaft - dieses wiederum gegen laufende Zahlung von Beträgen in Höhe der AfA - auszugehen.
11 Das im angefochtenen Erkenntnis für eine gegenteilige Sicht ins Treffen geführte Erkenntnis vom 27. Mai 1999, 98/16/0349, hatte den Verkauf eines Grundstückes gegen Vorbehalt des Fruchtgenusses gegen Entgelt zum Gegenstand und befasste sich mit der Bestimmung der Gegenleistung für den Erwerb der Liegenschaft im Sinne des § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG in Ansehung des vorbehaltenen Fruchtgenussrechtes und des Entgelts für das Fruchtgenussrecht; die Bestimmung der Gegenleistung nach § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG unter Berücksichtigung des Fruchtgenussrechtes und des Entgelts hiefür setzte gerade die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts voraus.
Dem weiters vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführten Erkenntnis vom 16. Oktober 2003, 2003/16/0126, lag der Fall zu Grunde, dass dort Sparbücher zum Ankauf von Wohnungseigentum „geschenkt“ wurden, wofür der Empfänger in einem getrennt abgeschlossenen Vertrag an den um die Valuta erworbenen Wohnungen ein Wohnrecht einräumte; der Verwaltungsgerichtshof billigte damals ausgehend von dem von der Abgabenbehörde festgestellten engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang der Rechtsgeschäfte deren Beurteilung als Einheit und daraus folgend die Übergabe der Sparbücher als Entgelt für die Einräumung des Wohnrechts.
Die im angefochtenen Erkenntnis zitierten Judikate vom 27. Mai 1999 und vom 16. Oktober 2003 gingen daher von einer Einheit der damaligen Rechtsgeschäfte aus.
12 Im Revisionsfall ist daher im Einklang mit der unter Rz 9 zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einheitlichen Rechtsgeschäften auszugehen.
13 Mit Ablauf des 31. Juli 2008 ist die Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG, soweit sich diese auf das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz bezieht, für Rechtsvorgänge, für die die Steuerschuld nach dem 31. Juli 2008 entsteht, inhaltsleer geworden. Im Revisionsfall ist vielmehr entscheidend, dass für die gegenständlichen Schenkungsverträge das Grunderwerbsteuergesetz maßgebend ist und damit der Tatbestand der Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG „Rechtsgeschäfte, die unter das ... Grunderwerbsteuergesetz ... fallen“ eingreift.
Für die Anwendung der Befreiungsbestimmung genügt es, dass ein Rechtsgeschäft überhaupt dem genannten Verkehrsteuergesetz unterliegt; es ist also nicht erforderlich, dass eine nach diesen Gesetzen anfallende Steuer auch tatsächlich vorgeschrieben wurde (vgl. Fellner, aaO, Rz 66 ff zu § 15 GebG, mwN).
14 Indem das Gericht die Einheitlichkeit der gegenständlichen Schenkungsverträge und damit die Reichweite der Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG auch für die in Punkt VII. der Verträge vorgesehenen Vereinbarungen verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben ist.
15 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 3. September 2020
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160109.L00Im RIS seit
06.11.2020Zuletzt aktualisiert am
06.11.2020