TE Vwgh Erkenntnis 2020/9/3 Ra 2017/16/0156

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Veröffentlicht am 03.09.2020
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Index

L37168 Kanalabgabe Vorarlberg
L82308 Abwasser Kanalisation Vorarlberg
001 Verwaltungsrecht allgemein
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Norm

ABGB §6
KanalisationsG Vlbg 1976 §14 Abs6 idF 1988/062
KanalisationsG Vlbg 1976 §2 Abs5 idF 1988/062
KanalisationsG Vlbg 1989 §14 Abs6
KanalisationsG Vlbg 1989 §14 Abs6 idF 2017/032
KanalisationsG Vlbg 1989 §2 Abs5
KanalisationsG Vlbg 1989 §20 Abs3
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der W GmbH in F, vertreten durch die Rechtsanwälte Mandl GmbH in 6800 Feldkirch, Churerstraße 3/II, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 11. August 2017, Zl. LVwG-328-8/2016-R10, betreffend Kanalanschlussbeitrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Abgabenkommission der Stadt Feldkirch), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Feldkirch hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 21. Dezember 2015 schrieb der Bürgermeister der Stadt Feldkirch der Revisionswerberin, einer - ein Sägewerk und einen Holzhandel betreibenden - GmbH, für eine näher bezeichnete Liegenschaft einen Kanalanschlussbeitrag iHv 8.188,85 € inkl. 10 % USt vor. Eine Ermäßigung des Anschlussbeitrags nach § 14 Abs. 6 KanalG komme nicht in Betracht, weil die anfallende Schmutzwassermenge pro m² der Geschoßfläche nicht weniger als 60 % der in einem Haushalt durchschnittlich anfallenden Schmutzwassermenge betrage. Die durchschnittliche Schmutzwassermenge eines Haushalts liege bei 0,53 m³ pro m² der Geschoßfläche, sodass sich bei einer Fläche von 799,38 m² eine durchschnittliche Schmutzwassermenge pro Jahr von 423,67 m³ ergebe. Eine Ermäßigung des Anschlussbeitrags sei daher erst ab einer Schmutzwassermenge von weniger als 254,20 m³ (60 %) jährlich möglich. Der Wasserverbrauch der Revisionswerberin habe im Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis zum 1. Dezember 2015 900,42 m³ betragen, woraus sich eine durchschnittliche jährliche Schmutzwassermenge von 300,14 m³ ergebe. Eine Ermäßigung des Anschlussbeitrags nach § 14 Abs. 6 KanalG sei daher ausgeschlossen.

2        Die dagegen erhobene Berufung, die sich im Wesentlichen gegen die Nichtanwendung der Ermäßigungsbestimmung des § 14 Abs. 6 KanalG richtete, wurde von der Abgabenkommission der Stadt Feldkirch mit Bescheid vom 23. September 2016 abgewiesen. Eine Abänderung des erstinstanzlichen Bescheids erfolgte nur insoweit, als die Abgabenkommission die nicht im angeschlossenen Gebäude, sondern in einem Nebengebäude situierte Trafostation aus der Berechnung der Fläche des Erdgeschosses ausnahm und daraus resultierend den Kanalanschlussbeitrag mit 7.846,28 € inkl. 10 % USt festsetzte. Hinsichtlich der von der Revisionswerberin begehrten Ermäßigung nach § 14 Abs. 6 KanalG führte die Abgabenkommission aus, dass eine solche nicht in Betracht komme, weil der durchschnittliche Wasserverbrauch bzw. die durchschnittliche Schmutzwassermenge bei einer Geschoßfläche von 670,98 m² (799,38 m² abzüglich der Trafostation von 32,40 m² sowie abzüglich der bebauten Fläche nach § 14 Abs. 2 lit. b KanalG von 96 m²) und einer durchschnittlichen Schmutzwassermenge von 0,53 m³ pro m² der Geschoßfläche 355,62 m³ betrage. Bei einer durchschnittlichen Schmutzwassermenge der Revisionswerberin von 300,14 m³ fehle die Voraussetzung für eine Ermäßigung des Anschlussbeitrags nach § 14 Abs. 6 KanalG, da die Schmutzwassermenge dafür unter 213,37 m³ (60 % von 355,62 m³) liegen müsse.

3        In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte die Revisionswerberin vor, die Abgabenkommission der Stadt Feldkirch habe zu Unrecht keine Reduktion nach § 14 Abs. 6 KanalG vorgenommen. Danach sei die Teileinheit nach § 14 Abs. 2 lit. a KanalG sogar um die Hälfte zu verringern, wenn die anfallende Schmutzwassermenge pro m² der Geschoßfläche weniger als 20 % der durchschnittlichen Schmutzwassermenge eines Haushalts betrage. Die diesbezügliche Berechnung der Abgabenkommission sei nicht nachvollziehbar. Diese gehe von einer durchschnittlichen Schmutzwassermenge von 0,53 m³ pro m² der Geschoßfläche aus und verweise dazu auf den durchschnittlichen Wasserverbrauch. Abgesehen davon, dass § 14 Abs. 6 KanalG nicht auf den durchschnittlichen Wasserverbrauch, sondern auf die durchschnittliche Schmutzwassermenge abstelle, sei dieser auch nicht richtig ermittelt worden. So habe das Landesabgabenamt für Vorarlberg bereits in der Kurzinformation Nr. 39 vom 10. Dezember 1990 zur Aktenzahl VIIa/100.01 festgehalten, dass die durchschnittliche Schmutzwassermenge 0,62 m³ pro m² der Geschoßfläche betrage. Rund 26 Jahre später sei „aufgrund der Reinlichkeit der Bevölkerung, der Ausnützung umfangreichen Badevergnügens sowie der ausgeprägten Putzfreudigkeit der alemannischen und zugezogenen Hausfrau/Hausmann bei gleichzeitiger Verkleinerung der Wohnfläche“ davon auszugehen, dass die durchschnittliche Schmutzwassermenge mindestens 1,2 m³ pro m² der Geschoßfläche betrage. Daher seien die Voraussetzungen für eine 50%ige Reduktion gegeben.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg der Beschwerde der Revisionswerberin keine Folge und bestätigte den Bescheid der Abgabenkommission der Stadt Feldkirch. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Landesverwaltungsgericht für nicht zulässig.

5        In der Begründung führte das Landesverwaltungsgericht aus, der Revisionswerberin sei von der Eigentümerin einer näher bezeichneten Liegenschaft die Erlaubnis erteilt worden, auf dieser Liegenschaft ein Sägewerk zu errichten. Mit Bescheid vom 12. Mai 2015 habe die Stadt Feldkirch der Revisionswerberin antragsgemäß gestattet, die Liegenschaft samt dem darauf befindlichen Bauwerk binnen einem Monat nach Rechtskraft des Bescheids an den öffentlichen Sammelkanal „P“ anzuschließen. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen.

6        Gemäß § 14 Abs. 1 KanalG könne von den Gemeinden für den Anschluss von Bauwerken und befestigten Flächen an einen Sammelkanal ein Anschlussbeitrag erhoben werden. Schuldner des Anschlussbeitrags sei nach § 11 Abs. 4 KanalG der Anschlussnehmer, somit der Eigentümer des Bauwerks oder der befestigten Fläche. Nach § 14 Abs. 2 KanalG setze sich die (zur Ermittlung des Kanalanschlussbeitrags mit dem Beitragssatz zu multiplizierende) Bewertungseinheit aus folgenden, nach Quadratmetern zu berechnenden Teileinheiten zusammen: a) 27 % der Geschoßfläche von Gebäuden oder der Grundfläche sonstiger Bauwerke, b) 20 % der bebauten Fläche und c) 10 % der angeschlossenen befestigten Fläche. Gemäß § 14 Abs. 6 KanalG sei die Teileinheit nach § 14 Abs. 2 lit. a leg. cit. um ein Viertel zu reduzieren, wenn die anfallende Schmutzwassermenge weniger als 60 % der in einem Haushalt durchschnittlich anfallenden Schmutzwassermenge pro m² der Geschoßfläche betrage, um drei Achtel, wenn die anfallende Schmutzwassermenge weniger als 40 % betrage und um die Hälfte, wenn sie weniger als 20 % betrage.

7        Die Revisionswerberin habe in ihrer Beschwerde vorgebracht, dass aufgrund der von ihr verbrauchten Schmutzwassermenge, welche unter dem Durchschnitt eines Vorarlberger Haushalts läge, eine Reduktion des Anschlussbeitrags nach § 14 Abs. 6 KanalG vorzunehmen sei. Zu diesem Vorbringen sei ein Gutachten des wasserbautechnischen Sachverständigen DI H eingeholt worden. Darin werde ausgeführt:

„...

Befund

Gebäudestand
Der Gebäudestand der Stadt Feldkirch ist im Gebäude- und Wohnungsregister (GWR) mit 7926 Gebäuden mit einer Bruttogeschoßfläche von 4.051.737 m² abgebildet. 32.624 Hauptwohnsitze sind 6619 Gebäuden zugeordnet.

Folgende Gebäudekategorien des GWR mit zumindest einem Hauptwohnsitz werden für die Berechnung der durchschnittlichen Schmutzwassermenge pro m² der Geschoßfläche in Haushalten berücksichtigt:

-    Gebäude mit einer Wohnung

-    Gebäude mit 2 oder mehr Wohnungen

-    Wohngebäude für Gemeinschaften

Der Wohngebäudebestand dieser Kategorien beträgt in Summe 6469 Wohngebäude mit einer Bruttogeschoßfläche von 2.545.329 m². Diesen Wohngebäuden sind 31.863 Hauptwohnsitze, dies sind 96,7% der Gesamteinwohner im GWR, zugeordnet.

Folgende Gebäudekategorien des GWR werden für die Berechnung der durchschnittlichen Schmutzwassermenge pro m² der Geschoßfläche in Haushalten nicht berücksichtigt:

-    Industrie- und Lagergebäude

-    Bürogebäude

-    Gebäude für Kultur- und Freizeitzwecke sowie das Bildungs- und Gesundheitswesen

-    Hotels und ähnliche Gebäude

-    Kirchen, sonstige Sakralbauten

-    landwirtschaftliches Nutzgebäude

-    sonstiges Bauwerk

Schmutzwassermenge

Um die durchschnittliche Schmutzwassermenge zu ermitteln wurde die Stadt Feldkirch am 17.5.2017 um Übermittlung aktueller Wasserverbrauchsmengen ersucht. Mit Email vom 22.5.2017 wurde von der Stadt Feldkirch mitgeteilt, dass der verrechnungsrelevante gemessene Wasserverbrauch im Versorgungsbereich der Stadt Feldkirch im Jahr 2016 1.930.046 m³ betrug. Davon entfallen 351.518 m³ auf Gewerbekunden, 1.578.528 m³ auf Haushaltskunden.

Unter den Gewerbekunden werden nur jene Objekte geführt, die ausschließlich gewerbliche Nutzung aufweisen. Mischobjekte (z.B. mit Büros oder Gaststätten) werden als Haushaltskunden geführt.

Die durchschnittliche Einwohnerzahl (Hauptwohnsitze) in der Stadt Feldkirch im Jahr 2016 betrug 32.937 Einwohner.

Gutachten

Aus dem gemessenen Wasserverbrauch von 1.578.528 m³ durch Haushaltskunden im Jahr 2016 errechnet sich bei 32.937 Einwohnern ein jährlicher Haushaltsverbrauch von 47,9 m³ je Einwohner bzw. ein täglicher Verbrauch von 131 Liter je Einwohner. Diese Verbrauchszahlen liegen einschließlich des darin enthaltenen geringen Anteils an Kleingewerbe innerhalb des Schwankungsbereiches der Kommunen. Im österreichischen Durchschnitt liege der tägliche Wasserverbrauch in den Haushalten bei rund 135 Litern je Einwohner.

Die anfallenden Schmutzwassermengen entsprechen grundsätzlich den Wasserverbrauchsmengen. Auf Basis der Wasserverbrauchsmessung erfolgt daher auch die Berechnung der Schmutzwässer zur Gebührenberechnung (§ 20 Abs 3 KanalG).

Die aus dem GWR ermittelten Gebäudedaten umfassen die Bruttogeschoßflächen von Wohngebäuden im Stadtgebiet von Feldkirch. Darin leben 31.863 Einwohner bzw. 96,7% der Wohnbevölkerung. Sie sind daher für die Berechnung der in einem Haushalt durchschnittlich anfallenden Schmutzwassermenge pro m² der Geschoßfläche sowohl im Hinblick auf den umfassten Bevölkerungsanteil als auch im Hinblick auf die örtliche Bauart repräsentativ.

Die Berechnung ergibt sich daher mit:

...

Fragestellung des Verwaltungsgerichtes:
Wie hoch ist aktuell die durchschnittliche Schmutzwassermenge pro m² der Geschoßfläche?

Beantwortung
Die aktuell in einem Haushalt in der Stadt Feldkirch durchschnittlich jährlich anfallende Schmutzwassermenge pro m² der Geschoßfläche beträgt 0,60 m³.

...“

8        Das Landesverwaltungsgericht folge dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des DI H. Dieser sei von den genauen Wasserverbrauchszahlen für den Versorgungsbereich der Stadt Feldkirch ausgegangen und habe dadurch eine genaue Berechnung der durchschnittlichen Schmutzwassermenge pro m² der Geschoßfläche vornehmen können.

9        Bei einer Geschoßfläche der beschwerdegegenständlichen Liegenschaft von 670,98 m² betrage der durchschnittliche Wasserverbrauch unter Zugrundelegung des Durchschnittswerts des Sachverständigen von 0,60 m³ 402,59 m³. 60 % betrügen 241,55 m³, 40 % 161,04 m³ und 20 % 80,52 m³. Bei einer durchschnittlichen Schmutzwassermenge von 300,14 m³ pro Jahr für die beschwerdegegenständliche Liegenschaft lägen die Voraussetzungen für eine Ermäßigung gemäß § 14 Abs. 6 KanalG daher nicht vor.

10       Die Revisionswerberin habe in ihrer Stellungnahme zum Gutachten des Amtssachverständigen beantragt, diesen zu befragen, von welchem Geschoßflächenbegriff er ausgegangen sei, ob er ausschließlich Wohngebäude zugrunde gelegt habe und ob unter Berücksichtigung dessen der ungefähre Zuschlag von 25 % zur Wohnnutzfläche die Gesamtgeschoßfläche ergebe.

11       Aus dem Gutachten des Amtssachverständigen gehe hervor, dass er dieses anhand der Vorgaben des KanalG erstellt habe. § 2 Abs. 5 KanalG definiere den Begriff der Geschoßfläche. Zudem sei dem Gutachten zu entnehmen, dass der Amtssachverständige von Haushaltskunden inklusive einem geringen Anteil an Kleingewerbe im Jahr 2016 ausgegangen sei. Eine nochmalige diesbezügliche Fragestellung an den Amtssachverständigen sei daher entbehrlich.

12       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wie die „in einem Haushalt durchschnittlich anfallende Schmutzwassermenge pro m² der Geschoßfläche“ nach § 14 Abs. 6 KanalG zu ermitteln sei. Der Amtssachverständige habe Mischobjekte, somit Objekte, die auch gewerblich genutzt würden, in die Berechnung miteinbezogen. Da die in Büros, Ordinationen und Produktionsbetrieben anfallende Schmutzwassermenge pro m² der Geschoßfläche im Regelfall geringer sei, als in einem Haushalt, sei dadurch der nach § 14 Abs. 6 KanalG maßgebliche Vergleichswert zu Unrecht verringert worden.

13       Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Einleitung des Vorverfahrens gemäß § 36 VwGG und Erstattung von Revisionsbeantwortungen durch die belangte Behörde und die Vorarlberger Landesregierung - erwogen:

14       Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.

15       § 14 des Vorarlberger Gesetzes über öffentliche Abwasserbeseitigungsanlagen (Kanalisationsgesetz - KanalG), LGBl. Nr. 5/1989 idF LGBl. Nr. 44/2013 lautete:

„Anschlussbeitrag

(1) Für den Anschluss von Bauwerken und befestigten Flächen an einen Sammelkanal kann ein Anschlussbeitrag erhoben werden.

(2) Die Bewertungseinheit hat sich aus folgenden, nach Quadratmetern zu berechnenden Teileinheiten zusammenzusetzen:

a)   27 v.H. der Geschoßfläche von Gebäuden oder der Grundfläche sonstiger Bauwerke,

b)   20 v.H. der bebauten Fläche,

c)   10 v.H. der angeschlossenen befestigten Fläche.

(3) ...

(4) ...

(5) ...

(6) Wenn bei einem Gebäude die anfallende Schmutzwassermenge pro m² der Geschoßfläche weniger als 60 v.H. der in einem Haushalt durchschnittlich anfallenden Schmutzwassermenge pro m² der Geschoßfläche beträgt, ist die Teileinheit nach Abs. 2 lit. a um ein Viertel, wenn die anfallende Schmutzwassermenge weniger als 40 v.H. beträgt, um drei Achtel, und wenn sie weniger als 20 v.H. beträgt, um die Hälfte zu verringern.

(7) ...

(8) Der Abgabenanspruch entsteht mit der Rechtskraft der Entscheidung über den Anschluss, frühestens jedoch mit dem in der Entscheidung festgesetzten Zeitpunkt des Anschlusses.

(9) ...“

16       § 14 Abs. 6 KanalG in der im Revisionsfall maßgeblichen Fassung wurde durch das Vorarlberger Gesetz über eine Änderung des Kanalisationsgesetzes, LGBl. Nr. 62/1988, in das KanalG eingefügt. Das Vorarlberger Gesetz über öffentliche Abwasserbeseitigungsanlagen (Kanalisationsgesetz - KanalG) wurde durch die Wiederverlautbarungskundmachung der Vorarlberger Landesregierung, LGBl. Nr. 5/1989, neu kundgemacht. Die Vorgängerregelung der Ermäßigungsbestimmung (§ 14 Abs. 4 KanalG idF LGBl. Nr. 33/1976) war noch allgemeiner gefasst. Danach war die Teileinheit nach Abs. 2 lit. a leg. cit. „entsprechend“ zu verringern, wenn von einem Gebäude im Verhältnis zur Geschoßfläche eine Abwassermenge anfiel, die „erheblich unter dem Durchschnitt“ lag.

17       Durch die Neufassung der Ermäßigungsbestimmung sollten die mit der Vollziehung verbundenen Unklarheiten, in welchem Verhältnis die Teileinheit nach § 14 Abs. 2 lit. a KanalG bei unter dem Durchschnitt anfallenden Abwassermengen zu reduzieren ist, durch genau festgelegte Verhältniszahlen beseitigt werden (vgl. Beilage Nr. 28/1988, Vorarlberger Landtag 24. GP 10).

18       Gleichzeitig wurde in § 14 Abs. 6 KanalG der Vergleichsmaßstab - ohne dass die Materialien dazu eine nähere Begründung enthalten würden - auf die „in einem Haushalt“ durchschnittlich anfallende Schmutzwassermenge pro m² der Geschoßfläche eingeschränkt.

19       Damit hat der Landesgesetzgeber aber unzweifelhaft eine Festlegung des Vergleichsmaßstabs dahingehend vorgenommen, dass in dessen Ermittlung nur die zur Unterkunft und Haushaltsführung dienenden Geschoßflächen sowie die in diesen Haushalten anfallenden Schmutzwassermengen einzubeziehen sind.

20       Das Landesverwaltungsgericht hat seiner rechtlichen Beurteilung die vom Amtssachverständigen ermittelte durchschnittliche Schmutzwassermenge von 0,60 m³ pro m² der Geschoßfläche zugrunde gelegt.

21       Zwar ist dem Landesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht entgegen zu treten, wenn es (in Übernahme der Ausführungen des Amtssachverständigen) die Schmutzwassermenge anhand des Wasserverbrauchs ermittelt (vgl. § 20 Abs. 3 KanalG). Jedoch hat der Amtssachverständige in die Ermittlung der durchschnittlichen Schmutzwassermenge auch die Schmutzwässer aus Mischobjekten einbezogen, somit aus Gebäuden, die zum Teil auch gewerblich genutzt werden. Die Einbeziehung von außerhalb eines Haushalts anfallenden Abwässern widerspricht jedoch dem vom Gesetzgeber durch das Abstellen auf die „in einem Haushalt“ durchschnittlich anfallende Schmutzwassermenge ausdrücklich normierten Vergleichsmaßstab.

22       Soweit die Vorarlberger Landesregierung in ihrer Revisionsbeantwortung ausführt, der Amtssachverständige habe in die Berechnung des Vergleichswerts nach § 14 Abs. 6 KanalG ohnehin nur die Bruttogeschoßflächen von Wohngebäuden einbezogen, sodass Mischobjekte außer Ansatz geblieben seien, ist dies dem im Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts wiedergegebenen Sachverständigengutachten nicht zu entnehmen. Vielmehr legt die Aufzählung der berücksichtigten sowie der nicht berücksichtigten Gebäudekategorien nahe, dass Geschoßflächen von Mischobjekten mit mindestens einer Wohnung zur Gänze als „Wohngebäude“ in die Berechnung miteinbezogen wurden. Dies widerspricht jedoch dem in § 14 Abs. 6 leg. cit. normierten Vergleichsmaßstab, sind durch das Abstellen auf die „in einem Haushalt durchschnittlich anfallende Schmutzwassermenge pro m² der Geschoßfläche“ doch gewerbliche Geschoßflächen nicht in die Berechnung miteinzubeziehen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass aufgrund der Definition des § 2 Abs. 5 KanalG für die Berechnung des Anschlussbeitrags grundsätzlich sämtliche Geschoßflächen eines Gebäudes maßgeblich sind, somit auch jene, die nicht für Wohnzwecke geeignet sind oder die betrieblichen Zwecken dienen (vgl. die Materialien zu § 2 Abs. 5KanalG idF LGBl. Nr. 62/1988, Beilage Nr. 28/1988, Vorarlberger Landtag 24. GP 7).

23       Soweit von der belangten Behörde in der Revisionsbeantwortung vorgebracht wird, eine Ermäßigung nach § 14 Abs. 6 KanalG sei schon deshalb ausgeschlossen, weil diese nur dann in Betracht komme, wenn aufgrund der besonderen Art der Verwendung des Gebäudes typischerweise von einer geringeren Schmutzwassermenge ausgegangen werden könne, ist darauf hinzuweisen, dass § 14 Abs. 6 KanalG erst seit der Novellierung durch das Vorarlberger Gesetz über eine Änderung des Kanalisationsgesetzes, LGBl. Nr. 32/2017, auf die „besondere Art der Verwendung eines Gebäudes“ abstellt und eine spätere Norm grundsätzlich nicht zur Auslegung einer früheren gesetzlichen Bestimmung herangezogen werden kann. Auch der Umstand, dass dieser Änderung den Materialien (Beilage Nr. 13/2017, Vorarlberger Landtag 30. GP 6) zufolge nur klarstellende Bedeutung zukommen soll, ändert daran nichts.

24       Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes nach § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

25       Für das fortgesetzte Verfahren ist zu bemerken, dass die Heranziehung einer repräsentativen Anzahl an ausschließlich der Haushaltsführung dienenden Gebäuden (sowohl hinsichtlich der anfallenden Schmutzwassermengen als auch der Geschoßflächen) für die Ermittlung des Vergleichsmaßstabs nach § 14 Abs. 6 KanalG genügen würde.

26       Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-AufwErsV.

Wien, am 3. September 2020

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2017160156.L00

Im RIS seit

25.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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