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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AsylG 2005 §8Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 2020, W256 2177642-1/15E, betreffend Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (Mitbeteiligter: M A S in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
1 Der aus Somalia stammende Mitbeteiligte stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 3. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Begehren auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 16. Oktober 2017 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab. Unter einem erkannte die Behörde dem Mitbeteiligten den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu und erteilte ihm infolge dessen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis zum 16. Oktober 2018.
3 Der Mitbeteiligte erhob gegen den Ausspruch, mit dem ihm die Zuerkennung von Asyl versagt blieb, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
4 Mit dem Beschluss vom 29. April 2020 hob das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG den bei ihm angefochtenen Bescheid im genannten Spruchpunkt auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück.
5 Das Bundesverwaltungsgericht führte - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - aus, der Mitbeteiligte, habe „im gesamten Verfahren eine gegen seine Person gerichtete (versuchte) Zwangsrekrutierung durch Mitglieder der Al Shabaab Miliz behauptet“. Diesem Vorbringen habe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid auch Glauben geschenkt. Entgegen der Ansicht der Behörde könne - unter näher dargestellten Umständen - auch einer versuchten Zwangsrekrutierung (gemeint: durch staatsfeindliche Kräfte) Asylrelevanz zukommen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe sich aber in keiner Weise damit auseinandergesetzt, mit welchen Konsequenzen der Mitbeteiligte wegen seiner Weigerung, sich den Rekrutierenden zu beugen, zu rechnen habe und ob in seinem Verhalten eine - wenn auch nur unterstellte - politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt werde. Die Behörde werde daher den Mitbeteiligten näher zu befragen haben, um den maßgeblichen Sachverhalt feststellen zu können. Es lägen insoweit gravierende Ermittlungslücken vor, die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als für die Vollziehung des AsylG 2005 eingerichtete Spezialbehörde rascher durchgeführt werden könne als durch das Bundesverwaltungsgericht.
6 Den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Erhebung einer Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliege, weil es die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 VwGVG angewandt habe.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erhobene Revision nach Vorlage derselben sowie der Verfahrensakten und nach Einleitung des Vorverfahrens - es wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Die Revision ist - wie von ihr aufgezeigt und im Folgenden dargestellt wird - zulässig und berechtigt.
9 Es trifft am Boden des Akteninhalts und im Besonderen des Inhalts des angefochtenen Bescheides schon die Prämisse des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu, dass sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit der Frage, ob dem Mitbeteiligten im Heimatland eine asylrechtlich relevante Verfolgung wegen der von ihm vorgebrachten Zwangsrekrutierung drohe, nicht befasst hätte. Die Behörde hat nach Abschluss ihrer Ermittlungen zum Sachverhalt - insbesondere auch durch eine ausführliche Befragung des Mitbeteiligten zu diversen Gründen, warum dieser im Heimatland Verfolgung befürchte - eine Asylrelevanz des Fluchtvorbringens verneint.
10 Anders als im angefochtenen Beschluss dargestellt, ist die Behörde den Behauptungen des Mitbeteiligten nicht umfassend gefolgt, weil sie dem Vorbringen, es sei von Al Shabaab versucht worden, gezielt ihn zu rekrutieren, keinen Glauben geschenkt hat. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging vielmehr - mit näherer Begründung und auch unter Bezugnahme auf die Feststellungen zur Situation in Somalia - davon aus, dass die Mitglieder von Al Shabaab in den von ihnen besetzten Gebieten wahllos Männer aus der Zivilbevölkerung für Kampfhandlungen zu rekrutieren versuchten. Selbst aus den vom Mitbeteiligten getätigten Angaben - so die Behörde in ihrer Begründung - ergebe sich, dass in seinem Fall kein konkret ihn betreffender Grund vorgelegen sei, aus dem er hätte rekrutiert werden sollen. Die Rekrutierungsversuche von Al Shabaab seien (auch in Bezug auf den Mitbeteiligten) eine Folge der Bürgerkriegssituation ohne Bezug zu einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Grund.
11 Nach der Aktenlage liegt der dem angefochtenen Beschluss tragend zugrunde gelegte Ermittlungsmangel nicht vor. Schon deswegen hat das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit belastet.
12 Der angefochtene Beschluss war sohin wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das übrige Revisionsvorbringen hätte eingegangen werden müssen.
Wien, am 7. September 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200169.L00Im RIS seit
20.10.2020Zuletzt aktualisiert am
20.10.2020