TE Vwgh Beschluss 2020/9/7 Ra 2020/20/0148

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Veröffentlicht am 07.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verfassungsgerichtshof
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
BVwG-EVV 2014 §1 Abs1 Z1
BVwG-EVV 2014 §1 Abs2
BVwGG 2014 §21 Abs6
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des A M M in W, vertreten durch Dr. Christiane Buchleitner, Rechtsanwältin in 1190 Wien, Sieveringer Straße 122, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Februar 2020, I422 2225182-1/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 22. September 2016 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Revisionswerber, einem irakischen Staatsangehörigen, aufgrund seines Antrages auf internationalen Schutz vom 26. März 2015 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis zum 22. September 2017, die es in der Folge mit Bescheid vom 13. Oktober 2017 um weitere zwei Jahre verlängerte.

2        Mit Bescheid vom 4. Oktober 2019 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Revisionswerber den zuvor zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen ab, entzog ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung, wies seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst aus, die Umstände, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt hätten, hätten sich maßgeblich geändert, sodass der Revisionswerber nicht mehr Gefahr laufe, im Fall seiner Rückkehr einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Daher lägen die Voraussetzungen für die Aberkennung des Schutzstatus nach § 9 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 vor.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die Revision stützt ihre Zulässigkeit darauf, dass das angefochtene Erkenntnis einen Begründungsmangel aufweise, weil das Bundesverwaltungsgericht Feststellungen und rechtliche Erwägungen vermischt habe und dadurch die Überprüfbarkeit durch den Verwaltungsgerichtshof maßgeblich beeinträchtigt sei.

9        Es mag zutreffen, dass das angefochtene Erkenntnis teilweise eine klare Trennung zwischen Feststellungen und rechtlicher Beurteilung vermissen lässt. Entgegen dem Vorbringen in der Zulassungsbegründung ist aus den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts jedoch ausreichend erkennbar, von welchen Tatsachen es auf Grund welcher Erwägungen ausgegangen ist und wie es diesen Sachverhalt rechtlich beurteilt hat, sodass im vorliegenden Fall weder die Rechtsverfolgung durch die Parteien noch die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof maßgeblich beeinträchtigt werden (vgl. VwGH 31.10.2019, Ra 2019/20/0463, mwN).

10       Soweit die Revision die Heranziehung veralteter Länderinformationen und die Außerachtlassung von Richtlinien des UNHCR und von EASO rügt, macht sie Verfahrensfehler geltend. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es jedoch nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 8.7.2020, Ra 2020/14/0292, mwN). Mit der bloß allgemein gehaltenen Behauptung, es wäre eine weitergehende Prüfung der aktuellen Lage im Irak geboten gewesen, entspricht die Revision diesen Anforderungen nicht.

11       Der Revisionswerber bringt weiters vor, das Bundesverwaltungsgericht habe es unterlassen, Feststellungen zu seinem Glaubenswechsel zu treffen, die für die Beurteilung der kulturellen Verwurzelung sowie der spezifischen Bedrohungslage im Irak Auswirkungen gehabt hätten.

12       Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass sich der Revisionswerber zum sunnitisch-muslimischen Glauben bekenne und stützte sich dabei beweiswürdigend auf die - insoweit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unwidersprochen gebliebenen - Angaben des Revisionswerbers in seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Dass das Bundesverwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer zur Zulässigkeit der Revision führenden unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. zu diesem Kalkül etwa VwGH 2.7.2020, Ra 2020/20/0204, mwN), wird in der Zulassungsbegründung der Revision nicht behauptet.

13       Die Revision stellt weiters die Frage in den Raum, ob das Bundesverwaltungsgericht Feststellungen in Bezug auf eine mögliche Unterstützung durch Verwandte im Herkunftsstaat treffen dürfe, ohne die betroffenen Dritten anzuhören. Damit macht sie der Sache nach einen Ermittlungsmangel geltend. Die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 16.7.2020, Ra 2020/18/0231, mwN). Die Revision legt weder dar, warum das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen hätte ausgehen müssen, noch, inwieweit die Relevanz für den Verfahrensausgang gegeben wäre.

14       Wenn die Revision schließlich ins Treffen führt, dass keine Rechtsprechung dazu existiere, ob bei einer weltweiten Pandemie, wie der derzeit vorherrschenden COVID-19-Pandemie, ein berücksichtigungswürdiger Grund vorläge, der eine „Rückkehrentscheidung verunmögliche“, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes gemäß § 41 VwGG auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses, das dem Revisionswerber - ausweislich der unbestrittenen Angaben auf dem Zustellnachweis - am 17. Februar 2020 zugestellt wurde, zu prüfen hat (vgl. VwGH 16.7.2020, Ra 2020/18/0085, mwN).

15       Die Beantwortung der genannten Frage erübrigt sich aber auch schon deshalb, weil darauf in den Revisionsgründen nicht mehr zurückgekommen wird (vgl. VwGH 4.2.2020, Ra 2020/20/0025-0030, mwN).

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich die Erteilung eines Mängelbehebungsauftrags hinsichtlich der entgegen § 21 Abs. 6 BVwGG - ohne Bescheinigung des Nichtvorliegens der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr (§ 1 Abs. 2 BVwG-EVV) - eingebrachten Revision (vgl. VwGH 13.7.2020, Ra 2019/20/0608, mwN).

Wien, am 7. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200148.L00

Im RIS seit

20.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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