TE Vwgh Erkenntnis 2020/9/7 Ra 2020/12/0035

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Veröffentlicht am 07.09.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
64/05 Sonstiges besonderes Dienstrecht und Besoldungsrecht

Norm

AVG §56
B-VG Art20 Abs1
RStDG §57 Abs1 idF 2016/I/064
RStDG §63 Abs2 idF 2016/I/064
RStDG §63 Abs3 idF 2016/I/064
RStDG §63 idF 2013/I/210
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel, Hofrätin MMag. Ginthör sowie Hofrat Mag. Cede als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag. Dr. Gotsbacher, über die Revision der Dr. H H in B, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. April 2020, Zl. W257 2210322-2/2E, betreffend Feststellung der Rechtmäßigkeit und Befolgungspflicht einer Weisung iA Nebenbeschäftigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Oberlandesgerichtes Innsbruck), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Sie wurde mit 1. Oktober 2000 zur Richterin des Landesgerichts Innsbruck, mit 1. August 2006 zur Vorsteherin des Bezirksgerichts Z sowie mit 1. Dezember 2018 zur Vorsteherin des Bezirksgerichts H ernannt.

2        Mit Schreiben vom 14. August 2018 erteilte ihr der Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck die Weisung, dass ihr die Ausübung der Nebenbeschäftigung „Personalberatung“ bei der I GmbH gemäß § 63 Abs. 2 4. Fall RStDG untersagt werde.

3        Entsprechend einer Mitteilung der Revisionswerberin vom 9. Oktober 2018 stellte diese die genannte Nebenbeschäftigung mit Übernahme der schriftlichen Weisung ein.

4        Mit Eingabe vom 20. September 2018 beantragte sie betreffend die in Rede stehende Weisung die Erlassung eines Feststellungsbescheides.

5        Mit Bescheid vom 17. Oktober 2018 wies der Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck den Feststellungsantrag der Revisionswerberin zurück.

6        Begründend führte die Behörde aus, die Revisionswerberin habe bereits Mitte 2002 und dann wieder beginnend mit Februar 2004 eine Nebenbeschäftigung bei der I GmbH mit Sitz in H ausgeübt. Geschäftsführer dieses Unternehmens sei der Ehegatte der Revisionswerberin. Seinerzeit sei inhaltlich die Ausübung einer Tätigkeit in der Buchhaltung gemeldet worden. Im Rahmen der jährlichen Überprüfung der Nebenbeschäftigungen habe die Revisionswerberin im Jahr 2009 mitgeteilt, dass sie für zwei Stunden in der Woche als rechtliche Beraterin der I GmbH tätig sei. Dementsprechend sei im Regelrevisionsbericht des Bezirksgerichts Z im Jahr 2017 eine Nebenbeschäftigung der Revisionswerberin als rechtliche Beraterin der I GmbH angeführt worden.

Am 8. August 2018 habe die Revisionswerberin über Nachfrage mitgeteilt, dass die letzte derartige Beratung schon lange zurückliege. Seit einigen Jahren würden - entsprechend der im August 2018 erteilten Auskunft der Revisionswerberin - in dem betreffenden Unternehmen qualifizierte Rechtsberater herangezogen werden. Die Revisionswerberin sei seit ca. 2012 ausschließlich im Bereich Personalberatung tätig.

Da die Revisionswerberin somit die in Rede stehende Nebenbeschäftigung „in dieser Form“ seit ca. 2012 bereits ausübe, lägen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Feststellungsbescheides nicht vor. Die Erlassung eines solchen Bescheides sei lediglich bis zur Aufnahme der Nebenbeschäftigung zulässig.

7        Die Revisionswerberin erhob mit Eingabe vom 14. November 2018 Beschwerde, verwies auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach in der vorliegenden Konstellation das Bestehen eines rechtlichen Interesses an der Erlassung eines Feststellungsbescheides sowohl hinsichtlich der Rechtmäßigkeit als auch der Befolgungspflicht der betreffenden Weisung zu bejahen sei, und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge in Stattgebung ihrer Beschwerde sowohl über die Rechtmäßigkeit als auch über die Befolgungspflicht der in Rede stehenden Weisung absprechen, hilfsweise den Bescheid vom 17. Oktober 2018 aufheben und die Rechtssache an den Präsidenten des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Rechtmäßigkeit sowie über die Befolgungspflicht der Weisung vom 14. August 2018 zu verweisen.

8        Mit Beschluss vom 13. Mai 2019 hob das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid vom 17. Oktober 2018 gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurück. Das Gericht bejahte ausdrücklich das Vorliegen eines rechtlichen Interesses an der Erlassung eines Feststellungsbescheides betreffend die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Weisung. Die inhaltlichen Erhebungen betreffend die (Un-)Zulässigkeit der in Rede stehenden Nebenbeschäftigung habe die Dienstbehörde, die auch „näher am Beweis“ sei, aus Zweckmäßigkeitsgründen selbst vorzunehmen.

9        Im fortgesetzten Verfahren stellte der Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck mit Bescheid vom 2. Juli 2019 fest, dass die von der Revisionswerberin zuletzt ausgeübte Nebenbeschäftigung „Personalberatung“ bei der I GmbH gemäß § 63 Abs. 2 RStDG unzulässig sei.

10       Dazu führte die Behörde aus, dass es sich bei der von der Revisionswerberin ausgeübten Nebenbeschäftigung „Personalberatung“ um eine Beratungstätigkeit handle, die nach deren eigenen Angaben auch die Beratung betreffend den Umgang mit schwierigen Mitarbeitern umfasst habe. In Bezug auf diesen Themenbereich handle es sich um eine rechtliche Beratung, weil dabei Möglichkeiten der Kündigung, Entlassung, Dienstfreistellung, etc. zu erörtern seien. Eine rechtliche Beratung sei schon allein infolge ihres inhaltlichen Konnexes mit der richterlichen Tätigkeit problematisch. Da die Ernennung der Revisionswerberin zur Vorsteherin des Bezirksgerichts H zum Zeitpunkt der Untersagung der Nebenbeschäftigung bereits festgestanden sei, ihre Ernennung per 1. Dezember 2018 auch tatsächlich erfolgt sei und sich der Sitz des Unternehmens ihres Ehegatten, für welchen die Beratungstätigkeiten erbracht werden würden, ebenfalls in H befinde, bestehe nicht nur ein inhaltlicher, sondern auch ein enger örtlicher Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Richterin. Auf die Gefahr einer konkreten künftigen Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten mit Bezug zu dem betreffenden Unternehmen komme es bei dieser Beurteilung nicht an. Es könne das Vertrauen in die richterliche Integrität beeinträchtigt werden, wenn die Fachkenntnisse einer Richterin von Unternehmen „gekauft“ werden könnten. Dabei spiele es keine Rolle, dass es sich um einen Familienbetrieb handle. Da es bereits ausreiche, dass - wie vorliegend der Fall - durch die Ausübung der Nebenbeschäftigung die Vermutung einer Befangenheit hervorgerufen werde, und im Übrigen im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen sei, sei festzustellen gewesen, dass die von der Revisionswerberin zuletzt ausgeübte Nebenbeschäftigung „Personalberatung“ bei der I GmbH unzulässig sei. Aufgrund der im Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 7. März 2011 als Grundregel geforderten Neubewertung der Nebenbeschäftigung bei dienstlichen Veränderungen sei jedenfalls mit der Ernennung der Revisionswerberin zur Vorsteherin des Bezirksgerichts H, somit jenes Gerichts, an dessen Standort das Unternehmen ihres Ehegatten seinen Sitz habe, eine unzulässige Nebenbeschäftigung gegeben.

11       Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid vom 2. Juli 2019 mit der Maßgabe, dass der Spruch dieses Bescheides wie folgt zu lauten habe:

„I. Es wird festgestellt, dass die von [der Revisionswerberin] zuletzt ausgeübte Nebenbeschäftigung ‚Personalberatung‘ bei der [I GmbH] gemäß § 63 Abs. 2 RStDG unzulässig ist.

II. Die Anträge vom 14. November 2018 werden zurückgewiesen.“

Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.

12       Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der Ehemann der Revisionswerberin Geschäftsführer der I GmbH mit Sitz in H sei. Die Revisionswerberin habe bis zur Erlassung „des Bescheides“ die Nebenbeschäftigung der „Personalberatung“ im Ausmaß von ca. vier Stunden pro Woche in diesem Unternehmen ausgeübt.

13       Diese Nebenbeschäftigung sei geeignet, die Vermutung der Befangenheit der Revisionswerberin in Ausübung ihres Amtes als Vorsteherin des Bezirksgerichts H hervorzurufen. Die Revisionswerberin bringe selbst vor, dass der Betrieb ihres Ehegatten, in dem dieser zugleich Geschäftsführer sei, als Familienbetrieb geführt werde. Damit meine die Revisionswerberin, dass sie - wie sie auch bereits im ersten Rechtsgang zum Ausdruck gebracht habe - keine Abgrenzung zwischen familiärem Austausch über die Arbeit und einem Dienstverhältnis „zu ihrem Ehegatten“ vornehmen könne. Nach ihren Schilderungen gehe ihr Engagement weit über die Personalberatung hinaus, indem sie Weihnachtsfeiern und beispielsweise Skitage (mit-)organisiere. In den familiären Gesprächen mit ihrem Gatten werde somit über Organisatorisches sowie über MitarbeiterInnen gesprochen. „Letzteres“ zähle zum „Kerngeschäft“ einer „Personalberatung“. Es liege daher nahe, dass auch über „schwierige“ MitarbeiterInnen gesprochen werde. Es sei der Revisionswerberin insofern zu folgen, dass im Falle rechtlicher Konsequenzen bei „schwierigen“ MitarbeiterInnen die Geschäftsführung des Unternehmens eine Rechtsanwältin bzw. einen Rechtsanwalt beiziehen werde. Bei Vorgesprächen, ob eine Erfolgsaussicht bestehe, und vor allem bei einem Gespräch zwischen Rechtsanwältin/Rechtsanwalt und der Geschäftsführung werde auch die Personalberatung anwesend sein. Selbst wenn diese nicht anwesend sein sollte, werde die Personalberatung dennoch einen starken Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens haben. Es treffe unter Umständen zu, dass es bislang noch zu keinen schwierigen Personalentscheidungen habe kommen müssen. Daraus lasse sich aber keine „gesicherte Zukunft“ ableiten, zumal das Unternehmen mit 65 MitarbeiterInnen nicht zu den kleinen Betrieben in H zähle. Es sei ein wesentlicher Unterschied, ob man mit dem Ehegatten im familiären Umfeld einen Austausch über die Arbeit pflege oder ob man als Angestellte des Ehegatten die mitunter gleichen Gespräche führe. Zweiteres stelle eine Nebenbeschäftigung dar. Es sei keine „abstrakte Möglichkeitsform“, dass die Revisionswerberin bei Ausübung beider Tätigkeiten in einen Konflikt geraten könne. Gerade die Erfahrungen des Lebens zeigten, dass es durchaus möglich sei, dass eine Personalberaterin, die zugleich Richterin sei, irgendwann einmal „in einen Konfliktpunkt“ kommen werde. Aber nicht nur die durchaus denkbare Möglichkeit eines Konfliktes bedeute eine Befangenheit, sondern auch generell die Stellung als Personalberaterin. Würde man sich die Stellung als Ehegattin wegdenken, so würde man wohl keine sachliche Unbefangenheit einer Gerichtsvorsteherin annehmen können. Eine Personalberaterin sei typischerweise mit Recruiting, Aus- und Weiterbildung, „HR Management“, dem zielgerichteten Einsatz von Personal in allen Unternehmensbereichen und der Beendigung der Arbeits- und Dienstverhältnisse beschäftigt. Gerade diese Tätigkeiten (mehr noch als „General Management“) würden ein hohes rechtliches Verständnis verlangen. In diesen Bereichen werde auch der „CEO“ rechtlich beraten. Bereits unter diesem Gesichtspunkt sei eine Befangenheit gegeben. Diese sei nicht nur eine rein abstrakte Denkvariante, welche „im äußerst möglichen Spannungsfeld“ einer Personalberaterin bestehe.

Der Tätigkeitsbereich der Revisionswerberin als Vorsteherin des Bezirksgerichts H sei zwar inhaltlich nicht in einen direkten Zusammenhang mit der in Rede stehenden Nebenbeschäftigung zu bringen, doch sei die Revisionswerberin an dem Bezirksgericht in H tätig, wo auch der Sitz der I GmbH gelegen sei. Daraus ergebe sich „eine besondere Stellung“, welche die Annahme rechtfertige, dass zumindest eine Verbindung zwischen der richterlichen Tätigkeit und der Tätigkeit der Revisionswerberin als Personalberaterin bestehe.

14       Betreffend die Zurückweisung der von der Revisionswerberin in ihrer Beschwerde vom 14. November 2018 formulierten Anträge führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass das gegenständliche Verfahren von Amts wegen eingeleitet worden sei und die betreffenden Anträge an das Bundesverwaltungsgericht gerichtet gewesen seien. Die der Revisionswerberin schriftlich erteilte Weisung und der Bescheid vom 2. Juli 2019 hätten einen ähnlichen „Ausspruch“, nämlich einerseits die Untersagung der Nebenbeschäftigung und andererseits die Feststellung ihrer Unzulässigkeit. Demgegenüber stehe der Antrag der Revisionswerberin, der auf die Erlassung eines Feststellungsbescheides betreffend die Rechtmäßigkeit und Befolgungspflicht der Weisung gerichtet gewesen sei. Die Behörde sei zu Recht davon ausgegangen, dass es im konkreten Fall an einem Feststellungsinteresse der Revisionswerberin betreffend die Frage der Rechtmäßigkeit der Weisung fehle; dies zumal die Anträge vom 14. November 2018 auch an das Bundesverwaltungsgericht gerichtet gewesen seien. Die Behörde habe festgestellt, dass die in Rede stehende Nebenbeschäftigung gemäß § 63 Abs. 2 RStDG unzulässig sei. Der an das Bundesverwaltungsgericht gerichtete Antrag vom 14. November 2018 sei daher zurückzuweisen gewesen.

15       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verbunden mit dem Antrag geltend gemacht werden, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis aus diesen Gründen aufheben, hilfsweise in der Sache selbst entscheiden.

16       Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

17       Zur Begründung ihrer Zulässigkeit macht die Revision u.a. geltend, das Verwaltungsgericht habe die Bindungswirkung des aufhebenden und zurückverweisenden Beschlusses vom 13. Mai 2019 missachtet. Es sei nicht über den von der Revisionswerberin gestellten Antrag abgesprochen worden, der auf die Erlassung eines Feststellungsbescheides betreffend die Rechtmäßigkeit der Weisung und der diesbezüglichen Befolgungspflicht gerichtet gewesen sei. Im Übrigen tritt die Revision der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen, wonach es sich fallbezogen um eine unzulässige Nebenbeschäftigung handle.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18       Die Revision erweist sich aus den in ihrem Zulässigkeitsvorbringen dargelegten Gründen als zulässig und berechtigt.

19       Die maßgeblichen Bestimmungen des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes, BGBl. Nr. 305/1961 (§ 57 in der Fassung BGBl. I Nr. 64/2016; § 63 in der Fassung BGBl. I Nr. 210/2013), lauten auszugsweise:

„Allgemeine Pflichten

§ 57. (1) Richter und Staatsanwälte sind der Republik Österreich zur Treue verpflichtet und haben die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung unverbrüchlich zu beachten. Sie haben sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen, sich fortzubilden, die Pflichten ihres Amtes gewissenhaft, unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen und die ihnen übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen.

(2) Befinden sich Richter nicht in Ausübung ihres richterlichen Amtes oder sind Richter und Staatsanwälte nicht sonst in Besorgung der übertragenen Amtsgeschäfte weisungsfrei gestellt, haben sie den dienstlichen Anordnungen ihrer Vorgesetzten Folge zu leisten und dabei die ihnen anvertrauten Interessen des Dienstes nach bestem Wissen und Können wahrzunehmen.

(3) Richter und Staatsanwälte haben sich im und außer Dienst so zu verhalten, dass das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen ihrer Berufsstände nicht gefährdet wird.

...

Nebenbeschäftigung

§ 63. (1) Nebenbeschäftigung ist jede Beschäftigung, die der Richter außerhalb seines Dienstverhältnisses und einer allfälligen Nebentätigkeit ausübt.

(2) Der Richter darf keine Nebenbeschäftigung ausüben, die der Würde seines Amtes widerstreiten oder die ihn bei Erfüllung seiner Dienstpflichten behindern oder die Vermutung der Befangenheit in Ausübung des Dienstes hervorrufen oder sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährden könnte. Im Zusammenhang mit der Ausübung von Nebenbeschäftigungen - ausgenommen wissenschaftliche Nebenbeschäftigungen - hat der Richter jeden Hinweis auf sein Richteramt zu unterlassen und dafür zu sorgen, daß ein solcher Hinweis von anderer Seite unterbleibt.

(3) Dem Richter ist die Ausübung von Nebenbeschäftigungen untersagt, soweit das zeitliche Ausmaß oder die Zeit der Ausübung entweder eine Behinderung bei der Erfüllung der Dienstpflichten mit sich bringen könnte oder im Falle einer Herabsetzung der Auslastung, der Teilauslastung oder der Karenzierung zur Pflege eines behinderten Kindes oder einer oder eines pflegebedürftigen Angehörigen dem Grunde für die Herabsetzung, Teilauslastung oder Karenzierung widerstreitet.

(4) Dem Richter ist es untersagt, dem Vorstand, dem Aufsichtsrat, dem Verwaltungsrat oder einem sonstigen Organ einer auf Gewinn gerichteten juristischen Person anzugehören. Im Falle der Zugehörigkeit des Richters zu einem Organ einer anderen juristischen Person darf für diese Beschäftigung weder dem Richter selbst noch einer anderen Person ein Entgelt zufließen.

(5) Die Eintragung von Richtern des Dienststandes in die von den Präsidenten der Gerichtshöfe I. Instanz zu führenden Sachverständigenliste ist unzulässig. Richter des Dienststandes dürfen eine Bestellung als Schiedsrichter im Sinne des Vierten Abschnitts des Sechsten Teils der Zivilprozessordnung, RGBl. Nr. 113/1895, nicht annehmen.

(6) Die Aufnahme, die Art und das Ausmaß einer erwerbsmäßigen Nebenbeschäftigung sowie deren Beendigung sind unverzüglich der Dienstbehörde zu melden. Wesentliche Änderungen sind gleichfalls unverzüglich bekanntzugeben.

(7) Die Ausübung einer aus den Gründen des Abs. 2 unzulässigen Nebenbeschäftigung ist von der Dienstbehörde unverzüglich mit schriftlicher Weisung zu untersagen.“

20       Die Revisionswerberin beantragte die Erlassung eines Feststellungsbescheides betreffend die Weisung vom 14. August 2018, mit der ihr die weitere Ausübung der in Rede stehenden Nebenbeschäftigung untersagt wurde. Ihren Antrag konkretisierte sie im Verlauf des Verfahrens dahin, dass sie eine Feststellung sowohl betreffend die Rechtmäßigkeit als auch betreffend die aus dieser Untersagungsweisung resultierende Befolgungspflicht begehrte.

21       Diesbezüglich ist im Hinblick auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts klarstellend festzuhalten, dass es sich vorliegend nicht um ein von Amts wegen eingeleitetes, sondern um ein infolge des Feststellungsantrages der Revisionswerberin vom 20. September 2018 zu führendes Verwaltungsverfahren handelt, in dem angesichts der ihr erteilten Weisung über den Feststellungsantrag betreffend die Frage der Rechtmäßigkeit und der Befolgungspflicht ebendieser Anordnung abzusprechen ist.

22       In der vorliegenden Rechtssache lagen dem Verwaltungsgericht auch nicht separat von der durch die Dienstbehörde zu erledigenden Verwaltungssache weitere Feststellungsanträge der Revisionswerberin vor. Sofern am Inhalt des Antrags der Revisionswerberin vom 20. September 2018 Zweifel bestanden, wäre grundsätzlich bereits im ersten Rechtsgang durch die Dienstbehörde zu klären gewesen, welche Feststellungen die Revisionswerberin im Zusammenhang mit der ihr erteilten Weisung konkret begehrte. In ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 14. November 2018 stellte die Revisionswerberin sodann jedenfalls unmissverständlich klar, dass sie im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Erlassung eines Feststellungsbescheides sowohl hinsichtlich der Rechtmäßigkeit als auch hinsichtlich der Befolgungspflicht der vorliegenden Weisung anstrebte. Getrennt von dem verfahrenseinleitenden Antrag vom 20. September 2018 zu behandelnde Feststellungsanträge wurden in dem Beschwerdeschriftsatz vom 14. November 2018 nicht formuliert.

23       Weiters verweist die Revision zu Recht auf den aufhebenden und zurückverweisenden Beschluss vom 13. Mai 2019, mit dem die Beschwerde vom 14. November 2018 erledigt wurde und aus dessen für die Aufhebung tragender und insofern Bindungswirkung entfaltender (vgl. VwGH 21.1.2016, Ra 2015/12/0048) Begründung sich ergibt, dass ein Feststellungsinteresse der Revisionswerberin betreffend die Frage der Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Weisung zu bejahen ist.

24       Im Übrigen entspricht es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass in Konstellationen wie der vorliegenden, in der nach bereits erfolgter Aufnahme der Nebenbeschäftigung nachträglich die weitere Ausübung derselben mittels Weisung untersagt wird, ein Feststellungsinteresse des von der Untersagungsweisung betroffenen Bediensteten sowohl hinsichtlich der Frage der Rechtmäßigkeit als auch hinsichtlich der Frage der Befolgungspflicht der Weisung besteht (VwGH 20.11.2018, Ra 2017/12/0123; 30.5.2017, Ra 2016/12/0066).

25       Es trifft zu, dass eine Bescheiderlassung über die (von der Frage der Rechtmäßigkeit und Befolgungspflicht einer die Ausübung einer Nebenbeschäftigung untersagenden Weisung zu unterscheidende) Frage der (Un-)Zulässigkeit der Ausübung einer Nebenbeschäftigung jedenfalls dann geboten ist, wenn offenkundig eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Richter und seiner Dienstbehörde darüber vorliegt, ob die Ausübung der Nebenbeschäftigung nach § 63 RStDG verboten (untersagt) ist (siehe VwGH 27.10.1999, 99/12/0177). Es ist der Dienstbehörde zudem darin beizupflichten, dass ein Feststellungsbescheid über die Frage der (Un-)Zulässigkeit der Ausübung einer Nebenbeschäftigung dann nicht mehr zu ergehen hat, wenn die in Rede stehende Nebenbeschäftigung ohne vorherige Abklärung ihrer Rechtmäßigkeit bereits aufgenommen wurde (z.B. VwGH 4.9.2012, 2012/12/0039; 14.10.2009, 2008/12/0182).

26       Anders verhält es sich jedoch - wie in Rn 24 dargestellt - in der gegenständlichen Konstellation, in der im Wege einer Untersagungsweisung (mit der schon aufgrund des verwendeten Rechtsinstruments der Weisung die Rechtsposition des Adressaten nachteilig gestaltet werden könnte) die Anordnung erteilt wurde, eine bereits ausgeübte Nebenbeschäftigung nicht mehr weiter auszuüben, und vor diesem Hintergrund die Erlassung eines Feststellungsbescheides betreffend die Rechtmäßigkeit sowie die aus der Weisung resultierende Befolgungspflicht beantragt wird (vgl. VwGH 30.5.2017, Ra 2016/12/0066).

27       Fallbezogen war folglich nicht „im Allgemeinen“ über die Frage der Zulässigkeit der in Rede stehenden Nebenbeschäftigung, sondern über die - im vorliegenden Verfahren allerdings durch die Dienstbehörde nicht bescheidmäßig erledigte und somit auch einer inhaltlichen Erledigung durch das Verwaltungsgericht nicht zugängliche (vgl. z.B. VwGH 23.7.2020, Ra 2020/12/0017) - Frage der Rechtmäßigkeit sowie der Befolgungspflicht der konkret in Rede stehenden Weisung mittels Feststellungsbescheid abzusprechen.

28       Schon aus diesem Grund erweist sich das angefochtene Erkenntnis (sowohl in seinem Spruchpunkt A) I betreffend die Feststellung der Unzulässigkeit der von der Revisionswerberin zuletzt ausgeübten Nebenbeschäftigung als auch in seinem Spruchpunkt A) II betreffend die Zurückweisung der auf Feststellung der Rechtmäßigkeit und Befolgungspflicht der Weisung gerichteten Anträge der Revisionswerberin) als inhaltlich rechtswidrig.

29       Rechtens wäre der vor dem Verwaltungsgericht angefochtene Bescheid vom 2. Juli 2019 durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG aufzuheben gewesen. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde hingegen hat(te) den noch offenen Antrag der Revisionswerberin auf Feststellung betreffend die Rechtmäßigkeit und Befolgungspflicht der vorliegenden Weisung inhaltlich zu erledigen.

30       Darüber hinaus erweist sich - was sodann jedenfalls auch auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der der Revisionswerberin erteilten Weisung durchzuschlagen hat - die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, wonach die von der Revisionswerberin ausgeübte Nebenbeschäftigung der „Personalberatung“ im Sinne des § 63 Abs. 2 RStDG unzulässig sei, als unzutreffend.

31       Es ist dem Bundesverwaltungsgericht zwar insofern zuzustimmen, als gerade wegen der RichterInnen gemäß § 57 Abs. 1 RStDG auferlegten besonderen Pflichten, ihr Amt gewissenhaft, unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen, für die Frage der Zulässigkeit einer Nebenbeschäftigung ein strenger Maßstab anzulegen ist, um auch nur den Anschein einer Parteilichkeit oder Eigennützigkeit bei der Ausübung des Amtes zu vermeiden (siehe VwGH 23.4.1992, 92/12/0051; 23.6.1986, 86/12/0085).

32       Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass aus § 63 Abs. 2 und 3 RStDG abzuleiten ist, dass bereits das Vorliegen eines einzigen diesen Bestimmungen zu unterstellenden Grundes der Ausübung der Nebenbeschäftigung durch den Richter entgegensteht (siehe VwGH 27.10.1999, 99/12/0177).

33       Im Revisionsfall stellten die Dienstbehörde und das Verwaltungsgericht in der Begründung ihrer Entscheidungen den dritten in § 63 Abs. 2 RStDG genannten Tatbestand sowie die Auffassung, dass durch die vorliegend zu beurteilende Nebenbeschäftigung die Vermutung der Befangenheit in Ausübung des Dienstes hervorgerufen werden könnte, in den Mittelpunkt ihrer Erwägungen.

34       Es ist allerdings nicht ersichtlich, inwiefern durch die Tätigkeit der Revisionswerberin als „Personalberaterin“ in der I GmbH, und zwar insbesondere infolge der Art der ihr dort zugeordneten Aufgabenstellungen, im Hinblick auf die am Bezirksgericht H zu verrichtende richterliche Tätigkeit bei vernünftiger Würdigung aller konkreten Umstände die Vermutung der Befangenheit (sei es auch nur dem Anschein nach) hervorgerufen werden könnte. So führte das Bundesverwaltungsgericht selbst aus, dass keine direkte inhaltliche Überschneidung der im Rahmen der Nebenbeschäftigung ausgeübten Tätigkeiten mit den richterlichen Aufgabenbereichen der Revisionswerberin bestehe.

35       Aus diesem Grund kann auch ohne nähere Ausführungen nicht erkannt werden, dass (abgesehen davon, dass die Revisionswerberin zum Zeitpunkt der Erteilung der Weisung vom 14. August 2018 noch nicht am Bezirksgericht H tätig war) die im angefochtenen Erkenntnis als wesentlich erachtete „räumliche Nähe“ (nämlich der Umstand, dass der Sitz der I GmbH in H gelegen ist) dazu führen könnte, dass durch die vorliegend festgestellten Tätigkeiten im Bereich der „Personalberatung“ (Organisation von Weihnachtsfeiern und Skitagen, fallweise auch Gespräche über „schwierige“ MitarbeiterInnen, wobei damit allenfalls im Zusammenhang stehende rechtliche Belange ohnedies einer rechtsanwaltlichen Beratung bzw. Vertretung der I GmbH vorbehalten sind) die Vermutung der Befangenheit der Revisionswerberin in Ausübung ihrer richterlichen Tätigkeiten hervorgerufen und die Unparteilichkeit des Gerichts in Frage gestellt werden könnte. Davon ausgehend ändert auch der räumliche Nahebezug nichts an dem hier ausschlaggebenden Faktum, dass ein ins Gewicht fallender inhaltlicher Konnex zwischen der richterlichen Tätigkeit am Bezirksgericht H und der von der Revisionswerberin ausgeübten Nebenbeschäftigung als „Personalberaterin“ mit der oben beschriebenen Aufgabenzuweisung nicht gegeben ist.

36       Dass fallbezogen sonstige wesentliche dienstliche Interessen im Sinn des vierten - in der der Revisionswerberin schriftlich erteilten Weisung angeführten - Tatbestandes des § 63 Abs. 2 RStDG gefährdet sein könnten, ist im Lichte der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht nachvollziehbar.

37       Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich das angefochtene Erkenntnis als inhaltlich rechtswidrig. Dieses war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

38       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 7. September 2020

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Organisationsrecht Diverses Weisung Aufsicht VwRallg5/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020120035.L00

Im RIS seit

02.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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