TE Vwgh Beschluss 2020/9/7 Ra 2016/08/0062

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Veröffentlicht am 07.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
62 Arbeitsmarktverwaltung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

AlVG 1977 §12 Abs3
AlVG 1977 §25 Abs1
AlVG 1977 §26 Abs4
AlVG 1977 §50
AlVG 1977 §50 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Strohmayer sowie die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima LL.M., über die Revision der Mag. E R in G, vertreten durch Dr. Ingo Riß, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 14 Top 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Jänner 2016, W218 2107468-1/11E, betreffend Widerruf des Bezugs und Verpflichtung zur Rückzahlung von Weiterbildungsgeld (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Mödling), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Verwaltungsgericht die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 14. April 2015, mit der (in Bestätigung des Ausgangsbescheids) ausgesprochen wurde, dass das - der Revisionswerberin für die Zeit ihrer Bildungskarenz (§ 11 Abs. 1 AVRAG) von 1. September 2013 bis 31. August 2014 zuerkannte - Weiterbildungsgeld für die Zeit von 1. November 2013 bis 31. August 2014 gemäß § 26 Abs. 7 iVm. § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen werde und die Revisionswerberin zur Rückzahlung von € 14.345,76 gemäß § 26 Abs. 7 iVm. § 25 Abs. 1 AlVG verpflichtet werde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für den Bezug des Weiterbildungsgelds seien auf Grund der - der belangten Behörde nicht gemeldeten - einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses mit Ablauf des 31. Oktober 2013 weggefallen.

2.2. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht zulässig sei.

3. Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, in der ein Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in den nachstehend näher erörterten Punkten behauptet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird jedoch nicht aufgezeigt.

4. Voranzustellen ist, dass die Beurteilung der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe zu erfolgen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher weder verpflichtet, solche Gründe anhand der sonstigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Anfechtung führen könnten, aufzugreifen (vgl. VwGH 7.8.2017, Ra 2015/08/0134).

5.1. Die Revisionswerberin macht geltend, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Auslegung des § 26 Abs. 4 AlVG. Insbesondere sei unklar, was unter dem Tatbestand „Lösung des Dienstverhältnisses durch den Arbeitgeber“, der bei Inanspruchnahme einer Bildungskarenz der Gewährung des Weiterbildungsgelds nicht entgegenstehe, zu verstehen sei.

5.2. Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, so liegt nach der ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor; dies selbst dann nicht, wenn zu einer maßgeblichen Norm noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofs ergangen ist (vgl. VwGH 5.11.2018, Ra 2018/08/0219).

5.3. Gemäß § 26 Abs. 4 AlVG steht die „Lösung des Dienstverhältnisses durch den Arbeitgeber“ während der Inanspruchnahme einer Bildungskarenz der Gewährung von Weiterbildungsgeld nicht entgegen.

Von einer „Lösung des Dienstverhältnisses durch den Arbeitgeber“ im Sinn der soeben genannten Regelung kann - schon nach deren klaren Wortlaut - jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn die Beendigung des Dienstverhältnisses - wie vorliegend - im Einvernehmen erfolgt (siehe auch Sdoutz/Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesetz ([17. Lfg.] § 26 Rz 574).

Einer weiteren Klarstellung des § 26 Abs. 4 AlVG - vor allem inwieweit andere Arten einer Beendigung der Kündigung durch den Dienstgeber im Sinn dieser Bestimmung gleichkommen - bedarf es hier nicht. Der Verwaltungsgerichtshof ist zur Lösung bloß theoretischer Rechtsfragen, von denen der Erfolg der Revision nicht abhängt, nicht berufen (vgl. VwGH 20.5.2015, Ra 2014/09/0033).

6.1. Die Revisionswerberin releviert, die Auflösung des Dienstverhältnisses sei (ohnehin) vom Arbeitgeber ausgegangen, es sei auch die Kündigungsfrist eingehalten und die gesamte Abfertigung ausgezahlt worden. Die Auflösung sei vom Arbeitgeber lediglich als „einvernehmliche Auflösung“ bezeichnet worden.

6.2. Nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen wurde das Dienstverhältnis mit Ablauf des 31. Oktober 2013 einvernehmlich - also von der Revisionswerberin und vom Arbeitgeber gemeinsam im Wege einer Vereinbarung - aufgelöst.

Soweit die Revisionswerberin - davon abweichend - argumentiert, in Wahrheit liege eine Kündigung durch den Arbeitgeber vor, setzt sie sich über den festgestellten Sachverhalt hinweg. Die Revision ist insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl. VwGH 11.5.2017, Ro 2014/08/0021).

6.3. Sollte sich die Revisionswerberin gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts wenden, so übersieht sie, dass diese einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nur insofern zugänglich ist, als es um die Kontrolle der Schlüssigkeit geht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wäre nur dann gegeben, wenn die Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre (vgl. VwGH 29.1.2018, Ra 2015/08/0148).

Ein diesbezügliches stichhältiges Vorbringen wurde von der Revisionswerberin im Zulässigkeitsvorbringen freilich nicht erstattet; dahingehende Anhaltspunkte sind auch in keiner Weise zu sehen.

7.1. Die Revisionswerberin führt aus, nur das karenzierte Dienstverhältnis habe (mit Ablauf des 31. Oktober 2013) geendet. Aus diesem habe jedoch kein laufender Entgeltanspruch bestanden, sodass sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse tatsächlich nicht geändert hätten (und sie daher keine Meldepflichten verletzt habe).

7.2. Wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, ist gemäß § 50 Abs. 1 AlVG verpflichtet, (neben der Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 AlVG auch) jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruchs maßgebende Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse dem Arbeitsmarktservice ohne Verzug (spätestens binnen einer Woche) anzuzeigen (vgl. VwGH 23.5.2012, 2010/08/0119).

Zweck des § 50 Abs. 1 AlVG ist es, die Behörde in die Lage zu versetzen, jede Änderung in den Verhältnissen des Arbeitslosen, die zu einer Änderung des Leistungsanspruchs führen könnte, daraufhin zu prüfen, ob die Leistung einzustellen oder zu ändern ist. Für die Meldepflicht kommt es weder darauf an, ob ein Umstand unmittelbar Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen hat, noch ob der Arbeitslose sich in einem Rechtsirrtum über die Relevanz des zu meldenden Umstands (den möglichen Einfluss auf den Leistungsanspruch) befindet (vgl. VwGH 15.9.2010, 2010/08/0139; 20.9.2006, 2005/08/0146).

7.3. Vorliegend wurde das Dienstverhältnis der Revisionswerberin unstrittig mit Ablauf des 31. Oktober 2013 und damit während des laufenden Leistungsbezugs einvernehmlich aufgelöst. Der Wegfall des Dienstverhältnisses durch die einvernehmliche Beendigung, die - wie schon gesagt - die Gewährung von Weiterbildungsgeld ausschließt, stellt in jedem Fall eine für das Fortbestehen des Anspruchs maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse dar. Eine solche Änderung war daher - unbeschadet einer gegenteiligen Ansicht der Revisionswerberin in Bezug auf die Relevanz des Umstands - jedenfalls dem Arbeitsmarktservice gemäß § 50 Abs. 1 AlVG ohne Verzug zu melden, was nicht geschehen ist.

7.4. Die Verletzung der Meldepflicht nach § 50 AlVG rechtfertigt in der Regel die Annahme einer Verschweigung maßgebender Tatsachen im Sinn des § 25 Abs. 1 AlVG und damit die Rückforderung des unberechtigt Empfangenen (vgl. VwGH 6.7.2011, 2008/08/0093; 20.4.2005, 2004/08/0073).

Gegenständlich ist auch das von dem soeben genannten Rückforderungstatbestand vorausgesetzte Verschulden - zumindest bedingter Vorsatz - evident, wurde doch die Revisionswerberin bereits im (von ihr unterfertigten) Antragsformular darauf hingewiesen und dazu verpflichtet, jede maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse - wozu nach dem Vorgesagten jedenfalls die einvernehmliche Auflösung ihres Dienstverhältnisses zählt - bis spätestens eine Woche nach Eintritt des Ereignisses bekannt zu geben (vgl. neuerlich VwGH 2010/08/0139). Sie hat daher die Verletzung ihrer diesbezüglichen Meldepflicht zumindest billigend in Kauf genommen (vgl. VwGH 30.1.2018, Ra 2017/08/0125). Umstände, die eine Meldung unmöglich gemacht hätten, wurden nicht behauptet (vgl. VwGH 23.4.2003, 2002/08/0284).

8.1. Die Revisionswerberin releviert, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Beurteilung der Frage, wann eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse gegeben sei.

8.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits in einer großen Anzahl von Erkenntnissen mit der Meldepflicht des Beziehers von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung nach § 50 Abs. 1 AlVG auseinandergesetzt und dabei auch die Frage behandelt, wann bzw. unter welchen Umständen - neben der Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 AlVG - eine für das Fortbestehen bzw. das Ausmaß des Anspruchs maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, die die Meldepflicht begründet, anzunehmen ist. Auf die diesbezügliche reichhaltige Judikatur wird verwiesen.

9.1. Die Revisionswerberin beruft sich auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Juli 2012, 2010/08/0088, die in einem „relativ ähnlichen“ Fall ergangen sei und die „gerade nicht eine taugliche Grundlage für die Ansicht“ des Verwaltungsgerichts sei, „dass die gegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne des angefochtenen Erkenntnisses spreche“.

9.2. Jener Entscheidung lag freilich eine andere Fallkonstellation zugrunde, die mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht vergleichbar ist.

Dort ging es um eine Bezieherin von Notstandshilfe, die ihr langjähriges karenziertes Dienstverhältnis in den wiederholten Anträgen an das Arbeitsmarktservice nicht als Beschäftigung angegeben hatte, wobei der Verwaltungsgerichtshof eine Meldepflichtverletzung verneinte, weil die Fragestellung in den Antragsformularen für „eine durchschnittliche Notstandshilfebezieherin“ die Notwendigkeit einer Meldung nicht habe erkennen lassen.

Hier geht es um eine Bezieherin von Weiterbildungsgeld, wobei die Revisionswerberin die einvernehmliche Beendigung ihres Dienstverhältnisses, das Grundlage für die vereinbarte Bildungskarenz und diese wiederum Voraussetzung für den Leistungsbezug war, nicht meldete, obwohl sie sich der diesbezüglichen Problematik (auch) auf Grund ihres hohen Bildungsniveaus durchaus bewusst war und die Thematik auch Gegenstand ihrer Gespräche mit dem Dienstgeber im Zuge der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses war. Im Hinblick darauf ist das Verwaltungsgericht fallbezogen nicht unvertretbar zum Ergebnis gelangt, dass der Revisionswerberin Vorsatz anzulasten ist (wobei bedingter Vorsatz genügt) und damit der Rückforderungstatbestand „Verschweigung maßgebender Tatsachen“ nach § 25 Abs. 1 AlVG erfüllt ist.

10. Insgesamt werden daher in der Zulässigkeitsbegründung keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 7. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2016080062.L00

Im RIS seit

20.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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