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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art130 Abs1 Z2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des C M in W, vertreten durch Mag. Rainer Hochstöger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10 (4. OG), gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 10. März 2020, RM/7100009/2019, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Wien 2/20/21/22), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit Schriftsatz vom 21. August 2018 erhob der Revisionswerber Maßnahmenbeschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG) wegen eines behaupteten tätlichen Angriffs eines Polizeiorgans (WEGA) gegen den Revisionswerber anlässlich einer am 11. Juli 2018 vom Finanzamt Wien 2/20/21/22 durchgeführten Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz - GSpG. Er beantragte (unter anderem) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG. Begründend führte der Revisionswerber aus, ein Polizeiorgan der WEGA habe ihm im Zuge der Kontrolle einen Schlag gegen den Kopf/Halsbereich versetzt und ihn sodann einige Sekunden gewürgt.
2 2.1. Das BFG wies diese Beschwerde zunächst ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 9. Juli 2019 ab.
3 2.2. Dieses Erkenntnis wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. November 2019, Ra 2019/17/0089, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil das BFG trotz widersprechender Angaben der Partei und der Amtsorgane zum behaupteten Schlag gegen den Kopf/Halsbereich den maßgeblichen - strittigen - Sachverhalt ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung festgestellt und eine Beweiswürdigung durchgeführt hatte, ohne die beteiligten Personen unmittelbar gehört zu haben.
4 2.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzerkenntnis vom 10. März 2020 wies das BFG die Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab (Spruchpunkt I) und sprach aus, dass sich der Kostenanspruch auf § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 3, 4 und 5 VwG-Aufwandersatzverordnung gründe. Die betragsmäßig bestimmten Kosten seien dem Bund binnen zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung bei sonstiger Exekution zu ersetzen (Spruchpunkt II). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das BFG für nicht zulässig.
5 2.4. Das BFG führte (u.a.) aus, dass am 11. Juli 2018 in einem näher genannten Lokal eine Kontrolle nach den Bestimmungen des GSpG durchgeführt worden sei. Der Revisionswerber sei in diesem Lokal als Putzkraft bei der A GmbH tätig gewesen. Es habe sich um eine Kontrolle der Finanzpolizei gehandelt, zu der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes beigezogen worden seien. Der Vorwurf des Würgens sei in den Aussagen des Revisionswerbers nicht enthalten gewesen. Aus näheren Gründen sei diesen Angaben Glauben zu schenken. Der vorgelegten Videoaufnahme sei diesbezüglich nichts zu entnehmen gewesen. Aus weiteren Gründen sei der Vorwurf des Würgens des Revisionswerbers zu Unrecht erfolgt; es sei kein solches Handeln vorgelegen, weshalb kein Raum für das Vorbringen der Rechtswidrigkeit in diesem Punkt verbleibe. Hinsichtlich des Vorbringens des Schlagens gegen den Kopf/Hals des Revisionswerbers habe der Revisionswerber bei seiner ersten Einvernahme unter Beziehung eines Dolmetschers von einem „Ergreifen“ gesprochen und einen Schlag verneint. Es sei aus näheren Gründen weder ein tätlicher Angriff noch eine Misshandlungsabsicht feststellbar, ebensowenig ein Schlag im Sinne eines körperlichen oder tätlichen Angriffs. Der Vorwurf des tätlichen Angriffs eines Polizeiorgans auf den Revisionswerber sei daher zu Unrecht erhoben worden.
6 3.1. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 3.2. Die Revision erweist sich als unzulässig:
8 3.2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 3.2.2. Liegen - wie im vorliegenden Fall - in der angefochtenen Entscheidung trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2016/17/0302, 0303).
12 3.2.3. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision zunächst vor, das BFG habe gegen die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Begründungspflicht verstoßen. Es werde ein Sachverhalt festgestellt „(oder auch nicht?)“ und gleichzeitig Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung vermengt. Der Revisionswerber könne keine Revision ausführen und der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung nicht überprüfen. Der Revisionswerber habe ein Recht auf eine Entscheidung, die er bekämpfen könne.
13 Entgegen diesem Vorbringen ist dem angefochtenen Erkenntnis mit noch ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen, von welchem Sachverhalt das BFG ausgeht und aufgrund welcher Beweismittel es zu seinen - wenngleich dislozierten - Feststellungen gelangt ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt sich in diesem Zusammenhang daher nicht.
14 3.2.4. Weiters bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision vor, es liege ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip vor: Der Revisionswerber gehe diesfalls von den „eventuellen Wunschfeststellungen“ des BFG aus; diesfalls liege eine rechtswidrige Handlung der Behörde vor, weil der Revisionswerber zwei bis drei Sekunden gedrückt worden sei. Diese „unnötige, zweckfreie, mutwillige Gewaltanwendung“ sei auf jeden Fall rechtswidrig, wie sich aus näherer Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, aber auch des Verwaltungsgerichtshofes ergebe.
15 Bei der Frage der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme handelt es sich um eine Beurteilung im Einzelfall. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge im Zusammenhang mit einer solchen einzelfallbezogenen Beurteilung nur dann vor, wenn diese grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führen würde (vgl. VwGH 19.11.2019, Ra 2018/09/0081, mwN). Dass dies vorliegend der Fall wäre, wird vom Revisionswerber aber nicht aufgezeigt und ist dies für den Verwaltungsgerichtshof auf dem Boden der vom BFG getroffenen Feststellungen auch nicht ersichtlich.
16 3.2.5. Soweit die Revision eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur im Zusammenhang mit dem Kostenausspruch des angefochtenen Erkenntnisses vorbringt, wird als subjektiv-öffentliches Recht, in dem sich der Revisionswerber verletzt erachtet, unter „Revisionspunkt“ ausgeführt: „Eigentum, durch Vorschreibung von Verfahrenskosten, welche ihm nicht auferlegt hätten werden dürfen“.
17 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hängt die Revision nur dann von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG ab, wenn sich diese innerhalb des Revisionspunkts, des vom Revisionswerber selbst definierten Prozessthemas, stellt (vgl. VwGH 10.9.2019, Ra 2019/16/0072, mwN).
18 Nach der ebenfalls ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt dem Revisionspunkt nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG bei der Prüfung eines angefochtenen Erkenntnisses entscheidende Bedeutung zu, weil der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen hat, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet. Durch den Revisionspunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses gebunden ist. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. etwa VwGH 10.9.2019, Ra 2019/16/0138, mwN).
19 Soweit der Revisionswerber eine Verletzung des (verfassungsgesetzlich geschützten) Rechts auf Eigentum anspricht, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 133 Abs. 5 B-VG Rechtssachen von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen sind, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören.
20 Über die Verletzung des vom Revisionswerber bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Eigentum hätte der Verfassungsgerichtshof zu entscheiden; der Verwaltungsgerichtshof ist nicht zuständig, über eine Revision wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte zu erkennen (vgl. etwa VwGH 24.4.2020, Ra 2020/16/0034).
21 3.3. In der Revision werden daher insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
22 4. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 8. September 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020170055.L00Im RIS seit
10.11.2020Zuletzt aktualisiert am
10.11.2020