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32/01 Finanzverfahren allgemeines AbgabenrechtNorm
BAO §188Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der I GmbH & atypisch stille Gesellschaft in G, vertreten durch Dr. Reinhard Hohenberg, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 15. Mai 2019, Zl. RV/2101828/2016, betreffend Aufhebung gemäß § 299 BAO des Bescheides über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2009, Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010 und Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2009 bis 2014, beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
1. Die Revision wird insoweit, als im angefochtenen Erkenntnis über die Aufhebung gemäß § 299 BAO des Bescheides über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2009 abgesprochen wurde, zurückgewiesen.
2. Im Übrigen (somit hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010 sowie Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2009 bis 2014) wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist eine aus der I GmbH und mehreren natürlichen Personen bestehende (atypisch) stille Gesellschaft. Gesellschafter der I GmbH sind RC und PC.
2 Im Zuge einer bei der Revisionswerberin durchgeführten Außenprüfung wurde festgestellt, dass die Revisionswerberin Teil einer Gruppe verbundener Unternehmen sei, zu denen unter anderen die CL-Gruppe (bestehend aus der CLE GmbH und der CLT GmbH) gehöre. Die Unternehmen seien im Bereich der Forschung und Entwicklung im Zusammenhang mit alternativen Energietechnologien tätig.
3 Zur Geltendmachung der Forschungsprämie für das Jahr 2012 habe die Revisionswerberin das Forschungsprojekt X sowie ein weiteres Projekt eingereicht. Das Forschungsprojekt X betreffe eine Anlage zur Umwandlung von Abwärme in Strom. Die Finanzierung der beiden Forschungsprojekte sei durch die Revisionswerberin erfolgt. Sie vergebe Forschungsaufträge an mit ihr verbundene Unternehmen und erhalte im Gegenzug Rechte an den Forschungsergebnissen. Die Kapitalbeschaffung erfolge durch die Aufnahme atypisch stiller Beteiligter.
4 Bis zum Jahr 2009 habe die I GmbH über kein Personal verfügt. Im Jahr 2010 seien neben den beiden Gesellschaftern sechs weitere Personen (im Jahr 2011 zwei weitere Personen, im Jahr 2012 eine weitere Person) bei der I GmbH beschäftigt gewesen. Anlässlich der Beantragung der Forschungsprämie für das Jahr 2012 sei hinsichtlich der in eigenbetrieblicher Forschung Beschäftigten mit Universitäts- oder Fachhochschulabschluss ein Vollzeitäquivalent in Höhe von 0,25, bei den Beschäftigten mit Matura ein Vollzeitäquivalent in Höhe von 0,31 angegeben worden. Die eingereichten Projekte seien von der FFG im Jahr 2012 als Forschung und Entwicklung gemäß § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 anerkannt worden.
5 Hinsichtlich des Forschungsprojektes X habe die I GmbH mit den Gesellschaften der CL-Gruppe am 30. Juni 2009 eine Kooperationsvereinbarung getroffen, die auszugsweise laute:
„Präambel:
Die [CL-Gruppe] ist im Besitz der Technologie [X], die wie folgt beschrieben werden kann:
[...].
[Die I GmbH] ist an der Markteinführung und an Rechten dieses Produkts interessiert und ist bereit die weitere Finanzierung bis zur Markteinführung sicherzustellen. Im Gegenzug für die Finanzierung der Entwicklung in der [CL-Gruppe] erhält die [I GmbH] Anteile an dem Produkt, die zum Beispiel in einem zu gründenden Joint Venture umgesetzt werden können, im Verhältnis der von der [I GmbH] eingezahlten Beträge zu dem in Punkt 3) ermittelten Gesamtwert, sowie das Recht auf Vermarktung in noch zu definierenden Regionen.
1. Wert der Entwicklung
Der Stand der [X-] Produktentwicklung der [CL-Gruppe] bis zum 30.6.2009 wird im beiderseitigen Einvernehmen mit 400.000 € bewertet.
2. Finanzierung der Entwicklung
Es wird vereinbart, dass [die I GmbH] für die Weiterfinanzierung der Entwicklung der Dampfmaschine aufkommen soll. Die Arbeiten werden weiterhin in der [CL-Gruppe] durchgeführt.
Die Finanzierung der [CL-Gruppe] durch [die I GmbH] erfolgt durch einzelne Entwicklungsaufträge (Bestellungen) an die [CL-Gruppe]. Dabei ist der Auftrag entsprechend als Auftrag für die Entwicklung der Dampfmaschine gemäß diesem Vertrag zu kennzeichnen. Das Kosten- und Erfolgsrisiko dieser Entwicklungsaufträge trägt [die I GmbH].
Ein oben beschriebener Entwicklungsauftrag kann auch zur Kofinanzierung z.B. eines FFG Förderprojekts dienen. Der Auftragswert entspricht dann dem Eigenanteil laut Fördervertrag.
[...].
Jeder Entwicklungsauftrag der [I GmbH] an die [CL-Gruppe] soll einen klar abgegrenzten Aufgabenbereich abdecken mit zumindest einem Deliverable und entsprechender Dokumentation abgeschlossen werden. Die Ergebnisse dieser Entwicklungsaufträge sind bis zu einer abschließenden Ermittlung der Anteile Eigentum der [I GmbH].
3. Umsetzung und Verwertung
[Die I GmbH] und [die CL-Gruppe] verpflichten sich ihr Know-how zu diesem Projekt in ein später zu gründendes Joint-Venture oder eine vergleichbare Lösung einzubringen. Die Aufteilung der Anteile erfolgt dann im Verhältnis des Werts des von der [CL-Gruppe] eingebrachten Know-hows (siehe Absatz ‚Wert der Entwicklung‘) sowie der Summe der von der [I GmbH] finanzierten Entwicklungsaufträge zum Gesamtaufwand beider Firmen am Projekt.
Beispiel: [Die I GmbH] finanziert Entwicklungsaufträge im Wert von 200.000 € und erhält dafür 33,33% an diesem Produkt (200.000/(400.000+200.000)).
Finanzierungen von Dritten (Förderungen der öffentlichen Hand, Eigenkapital von Anlegern, Kundenaufträge etc.) beeinflussen die relativen Anteile zwischen [der CL-Gruppe] und [der I GmbH] nicht.
Eine getrennte Verwertung der Ergebnisse durch die einzelnen Vertragsparteien wird ausgeschlossen
[...]“.
6 Dazu vertrat der Prüfer die Ansicht, dass die angeführte Vereinbarung mit der CL-Gruppe das Ziel habe, durch die Vergabe von Forschungsaufträgen, Rechte an den Forschungsergebnissen zu erwerben. Die I GmbH verfüge nicht über genug eigenes Personal, um ernsthaft an diesen Projekten weiterforschen zu können. Sie sei auch nicht in anderen Bereichen tätig, erziele keine Außenumsätze und unterhalte mit Dritten keine regelmäßigen Geschäftsbeziehungen größeren Umfangs. Die Forschungsarbeiten an dem zweiten Projekt ruhten seit dem Jahr 2009. Nach Ansicht des Prüfers sei die einzige, klar erkennbare Tätigkeit die Bereitstellung von Kapital mit dem Ziel, Forschungstätigkeiten voranzutreiben, um die Rechte an den zu erwartenden Ergebnissen zu erwerben und dann dementsprechend zu verwalten.
7 Ausgehend von diesen Feststellungen gelangte der Prüfer zu dem Ergebnis, dass der Unternehmensschwerpunkt der I GmbH in der Verwaltung unkörperlicher Wirtschaftsgüter liege und die daraus resultierenden Verluste sowie die den atypisch still beteiligten natürlichen Personen bisher zugerechneten negativen Einkünfte gemäß § 2 Abs. 2a EStG 1988 weder ausgleichsfähig noch vortragsfähig seien.
8 Entsprechend der Ergebnisse der Außenprüfung erließ das Finanzamt - teilweise nach Wiederaufnahme des Verfahrens (2010) bzw. Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO (2009) - Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO für die Jahre 2009 bis 2014, in denen die jeweils festgestellten Verluste als nicht ausgleichsfähig erklärt wurden. Die Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO begründete das Finanzamt damit, dass es verpflichtet gewesen wäre, einen Feststellungsbescheid zu erlassen, der dem (gegenüber der Erklärung geänderten) Verlustanteil aus der (atypisch stillen) Beteiligung der I GmbH an der C GmbH Rechnung trage.
9 Gegen diese Bescheide erhob die Revisionswerberin Beschwerde. Begründend schilderte sie zunächst ihre Unternehmensgeschichte, bisherige Meilensteine ihrer Forschungstätigkeit sowie aktuelle Forschungsprojekte und gab einen Überblick über ihre Gesellschafterstruktur und die bestehenden Verbindungen zu Kooperationspartnern (wie beispielsweise der CL-Gruppe). Die Revisionswerberin führte auf das Wesentliche zusammengefasst weiters aus, dass sie über die Ausrüstung zur Konstruktion mit einem modernen 3D-CAD System und einen Prüfstand verfüge und ein entsprechendes Forschungslabor aufgebaut habe, in dem die entwickelten Prototypen mit eigenem Personal zusammengebaut und getestet würden. Sie verfüge über ein qualitativ abgestimmtes Team von vier bis fünf Mitarbeitern mit zeitweiser zusätzlicher Verstärkung durch Praktikanten und Studenten, teile sich ihr Büro und zum Teil auch ihre Mitarbeiter jedoch mit ihren Entwicklungspartnern.
10 Hintergrund der Vereinbarung mit der CL-Gruppe sei, dass jedes kooperativ durchgeführte Forschungsprojekt bereits im Vorfeld einer genauen Festlegung aller Bedingungen bedürfe und auch die FFG dies als Voraussetzung für die Förderung kooperativer Projekte verlange. Für die gemeinsame Verwertung des Ergebnisses einer solchen kooperativen Entwicklung gebe es mehrere Möglichkeiten. Dazu zählten zum Beispiel eine vertikale Aufteilung der Wertschöpfungskette (ein Unternehmen produziere eine Komponente, das andere das dazugehörige System), der reine (gegebenenfalls exklusive) Vertrieb der Produkte sowie der partnerschaftliche Vertrieb von Produkten, die in einem gemeinsamen Tochterunternehmen produziert würden. Letzteres sei in der Kooperationsvereinbarung als eine Option vorgesehen. Die Kooperation mit der CL-Gruppe sei zu keinem Zeitpunkt als reine Finanzbeteiligung geplant gewesen, sondern als „gemeinsames Tochterunternehmen, welches Komponenten zu Projekten der Mutterunternehmen zuliefere“. Der gegenständliche Vertrag lege fest, dass der Zweck die gemeinsame Vermarktung des Produktes (und nicht allfälliger unkörperlicher Ergebnisse) sei. Es habe sich um eine wirtschaftlich notwendige Vereinbarung gehandelt, die vor allem zum Schutz der Anleger getroffen worden sei.
11 Die Revisionswerberin verwalte keine „Rechte an Forschungsergebnissen“ und bewirtschafte nicht „künftige Vermarktungsrechte“. Ein neu entwickeltes Produkt weise üblicherweise so lange keinen Verkehrswert auf, als es nicht auf dem Markt angeboten werde und Umsätze erziele. Dieser Gedanke schlage sich auch beim Aktivierungsverbot für selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände nieder. „Vermögen“ entstehe erst dann, wenn aus der Forschungstätigkeit entweder verkäufliche Schutzrechte entstünden oder ein Produkt produziert, gehandelt und verkauft werde. Wenn die Forschungstätigkeit allerdings bis zu diesem Zeitpunkt kein Vermögen generiere, könne auch keine Vermögensverwaltung vorliegen. Die gegenständliche Kooperationsvereinbarung lege zudem eindeutig fest, dass eine getrennte Verwertung der Ergebnisse durch die einzelnen Vertragsparteien ausgeschlossen sei und die Revisionswerberin somit gar keine „künftigen Vermarktungsrechte“ verwerten könne.
12 Die Revisionswerberin sei überwiegend aktiv in der Forschung an ihren eigenen Projekten tätig und habe entgegen der offenbaren Ansicht des Prüfers zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, bloß Kapital bereitzustellen, um die Rechte an den zu erwartenden Ergebnissen zu erwerben „und dann dementsprechend zu verwalten“. Sie kaufe schlicht einzelne Forschungsleistungen von ihren Kooperationspartnern entgeltlich zu, weil sie diese intern nicht zur Gänze durchführen könne. Weder das Erteilen von Forschungsaufträgen an Dritte noch der damit verbundene Erwerb von Eigentumsrechten an einem Produkt und dessen Prototypen seien als Tätigkeit iSd § 2 Abs. 2a EStG 1988 zu qualifizieren.
13 Das Finanzamt änderte die bekämpften Bescheide mit Beschwerdevorentscheidungen insofern ab, als die I GmbH als Körperschaft gemäß § 7 Abs. 3 KStG 1988 von der Wartetastenregelung des § 2 Abs. 2a EStG 1988 auszunehmen sei, und wies die Beschwerden darüber hinaus als unbegründet ab. Es verwies auf die von der Revisionswerberin im strittigen Zeitraum erwirtschafteten Erträge, welche zeigten, dass diese keine eigenständige operative Tätigkeit ausübe. Die geringen Jahreserträge würden hauptsächlich aus der Auflösung von Rückstellungen, aus Zinserträgen und Weiterverrechnungen resultieren; Erlöse aus Lieferungen oder Leistungen gegenüber Dritten (außerhalb der verbundenen Gesellschaften) seien nicht vorhanden. Die erheblichen Betriebsausgaben entfielen auf Fremdarbeiten, Provisionen an Dritte (betreffend die Vermittlung der atypisch stillen Gesellschafter) sowie Mieten, Zinsen und Beratungskosten. Die nichtselbständig Beschäftigten der I GmbH bezögen nur zeitweilig Gehälter in völlig unbeachtlicher Höhe und seien gleichzeitig und in viel größerem Umfang auch für deren Entwicklungspartner tätig. Dieser Umstand zeige, dass die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit in anderen Teilen der Unternehmensgruppe stattfinde. Der Sitz der Revisionswerberin, an dem sich die Geschäfts- und Laborräumlichkeiten befänden, sei erklärter Betriebssitz weiterer (verbundener) Gesellschaften. In Ermangelung adäquat bezahlten Personals und eigener Betriebsmittel, fehle daher jede Voraussetzung für eigenständige Entwicklungen.
14 Innerhalb der I GmbH würden keine eigenständigen Entscheidungen in Hinblick auf die Forschung und Entwicklung getroffen, und es sei ihr auch nicht überlassen, nach eigenem Ermessen zu forschen oder Auftragsforschung an Dritte in Auftrag zu geben. Der Einsatz der I GmbH beschränke sich auf die Finanzierung der Forschungen in den übrigen Gesellschaften. Zudem treffe sie gemäß der Vereinbarung mit der CL-Gruppe die in der Präambel festgeschriebene Verpflichtung, die weitere Finanzierung bis zur Markteinführung sicherzustellen, während ihr ausdrücklich verwehrt sei, diesen Vertrag einseitig zu kündigen oder erzielte Forschungsergebnisse selbst zu verwerten. Ihr einziges Recht bestehe darin, an späteren erfolgreichen Verwertungen in einem von ihrer Finanzierung abhängigen aliquoten Ausmaß teilzunehmen.
15 Die Finanzierung erfolge über ein kaskadenförmiges System von atypisch stillen Beteiligungen. Der Revisionswerberin falle innerhalb der Unternehmensstruktur die Aufgabe zu, Anleger zu finden, die bereit seien, mit ihren Einlagen Forschung und Entwicklung zu fördern, und deren Beteiligung - mit Ausnahme der laufenden Verlustzuweisungen - nur durch eine künftige, auf dem Ausmaß der Finanzierung basierende Marktteilnahme der Geschäftsherrin abgegolten werden könne. Die geschäftsmäßige Durchleitung der Geldmittel der stillen Gesellschafter an die CL-Gruppe schaffe dabei die wirtschaftlichen Voraussetzungen für deren weitere Forschung. Schon in der Forschungstätigkeit könne nichts anderes als die Bewirtschaftung von (unkörperlichem) Know-how gesehen werden; somit könne auch die Finanzierung dieser unkörperlichen Aktivität selbst nur unkörperlich sein.
16 Aufgrund des gegen die Beschwerdevorentscheidungen gerichteten Vorlageantrags wurden die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vorgelegt.
17 Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem BFG rügte die Revisionswerberin, dass der vom Finanzamt als erwiesen angenommene Sachverhalt nicht - wie vom Finanzamt behauptet - unstrittig sei, weshalb die beantragten Zeugenvernehmung des Geschäftsführers sowie des Prokuristen durchzuführen seien.
18 Zur Kooperationsvereinbarung erläuterte PC, ursprünglich sei geplant gewesen, dass die Maschine in der CL-Gruppe entwickelt werde, auch weil das Personal im Jahr 2009 dort angestellt gewesen sei. Die I GmbH habe bei Fertigstellung der Maschine das dazugehörige System (z.B. Generator, Netzanschluss, Wärmezufuhr) entwickeln sollen. Ab dem Jahr 2010 sei der schon von der I GmbH angekaufte Prüfstand für die Maschine weiter ausgebaut worden. Da die Finanzierung nicht das erhoffte Ausmaß erreicht habe, habe es sich als günstiger erwiesen, die gesamte Entwicklung zur I GmbH zu überführen.
19 Die I GmbH habe im Zeitraum von 2010 bis 2015 Anträge zur Gewährung von Forschungsförderung unter Zugrundelegung von förderungswürdigen Aufwendungen in Höhe von 773.181 € gestellt. Die CL-Gruppe habe in dieser Zeit 352.461 € für die Erbringung von Forschungsleistungen an die I GmbH verrechnet. Im Streitzeitraum sei eine Gesamtsumme von 1,125.642 € in die Forschung und Entwicklung der Dampfmaschine investiert worden. Dies beweise, dass der Unternehmensschwerpunkt der Revisionswerberin im Streitzeitraum in der Forschung und Entwicklung der Dampfmaschine bestanden habe.
20 Das BFG wies die Beschwerden in Hinblick auf die Anwendbarkeit des Verlustverwertungsverbots des § 2 Abs. 2a EStG 1988 als unbegründet ab und bestätigte die Beschwerdevorentscheidungen vollinhaltlich.
21 Begründend führte das BFG zunächst aus, dass die Tätigkeit der Revisionswerberin nicht (wie vom Finanzamt im Rahmen der mündlichen Verhandlung in den Raum gestellt) als Liebhaberei zu qualifizieren sei, sondern eine steuerliche beachtliche Einkunftsquelle darstelle, die zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führe.
22 Hinsichtlich der Frage, ob der Unternehmensschwerpunkt der Revisionswerberin in der Verwaltung unkörperlicher Wirtschaftsgüter iSd § 2 Abs. 2a EStG 1988 liege, verwies das BFG auf die Vereinbarung mit der CL-Gruppe, welche ausdrücklich vorsehe, dass die I GmbH für die Weiterfinanzierung der in der CL-Gruppe durchzuführenden Entwicklung der Dampfmaschine aufkommen solle und als Gegenleistung für die Sicherstellung der Finanzierung bis zur Markteinführung „Anteile an dem Produkt“, die in einem zu gründenden Joint Venture umgesetzt werden können, sowie das „Recht auf Vermarktung“ in noch zu definierenden Regionen erhalte.
23 Diese zugesicherten „Anteile am Produkt“ sowie das „Recht auf Vermarktung“ stellten nach Ansicht des BFG unzweifelhaft immaterielle Wirtschaftsgüter iSd § 2 Abs. 2a EStG 1988 dar. Die aus der Entwicklung des Produktes resultierenden Verluste der Streitjahre seien bei der Revisionswerberin daher als „im Zusammenhang mit der Verwaltung (künftig entstehender) unkörperlicher Wirtschaftsgüter stehend“ zu qualifizieren.
24 Da die Beschwerdeausführungen diese entscheidungswesentlichen Sachverhaltsumstände im Wesentlichen unberücksichtigt ließen, erübrige sich eine nähere Auseinandersetzung mit diesen.
25 Das Finanzamt sei unter Bedachtnahme auf die erklärten Umsätze, Erträge und Aufwendungen, sowie auf die Betriebsausstattung und die Mitarbeiterstände der I GmbH und der CL-Gruppe zum Ergebnis gelangt, dass die Revisionswerberin in den Streitjahren nicht eigenständig operativ tätig geworden sei und es sich um eine Gesellschaft handle, die für sich keine Lieferungen oder Leistungen bewirke, sondern Forschung finanziere und - so die Marktreife einzelner Unternehmungen eintreten sollte - an deren Markteinführung teilnehmen werde.
26 Die Revisionswerberin habe im strittigen Zeitraum neben der gegenständlichen Betätigung keine weitere Tätigkeit ausgeübt und erfülle daher jedenfalls das Tatbestandsmerkmal des „Unternehmensschwerpunkts“ des § 2 Abs. 2a zweiter Teilstrich EStG 1988.
27 Dem in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung als erwiesen angenommenen Sachverhalt, dem sich das BFG vollinhaltlich anschließe, sei die Revisionswerberin nicht entgegengetreten, sondern habe lediglich dessen rechtliche Würdigung im Vorlageantrag bestritten. Da aufgrund des Vorhaltcharakters der Beschwerdevorentscheidung der als erwiesen angenommene Sachverhalt daher jedenfalls unbestritten sei, würden sich die in der Beschwerdeschrift beantragten Beweisaufnahmen als entbehrlich erweisen und seien abzulehnen.
28 Weiters erklärte das Bundesfinanzgericht die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig, da Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob die bloße Finanzierung von Forschung und Entwicklung gegen die vertragliche Einräumung des Erwerbes von Produktanteilen und Vermarktungsrechten als Verwaltung von unkörperlichen Wirtschaftsgütern dem § 2 Abs. 2a zweiter Teilstrich EStG 1988 zu subsumieren sei.
29 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Das BFG legte die Akten vor. Das Finanzamt erstattete eine Revisionsbeantwortung. In der Folge ergänzte die Revisionswerberin ihr Vorbringen in einem weiteren Schriftsatz.
30 Der Verwaltungsgerichtshof hat - soweit es die Zurückweisung betrifft, in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
31 Die Revision enthält ergänzendes Vorbringen zu ihrer Zulässigkeit, welches aber ausschließlich die Frage betrifft, ob das BFG zu Recht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2a EStG 1988 ausgehen durfte. Da das Finanzamt die Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO nicht auf das genannte Verlustausgleichsverbot gestützt hat, sondern mit der unrichtigen Erfassung der anteiligen Einkünfte aus der (atypisch stillen) Beteiligung der I GmbH an einer anderen GmbH, wird mit Ausführungen, die ausschließlich die Frage des Verlustausgleichsverbotes betreffen, die Zulässigkeit der Revision, soweit sie sich gegen die Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO wendet, nicht dargelegt. Die Revision war daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
32 Soweit sich die Revision auf die Wiederaufnahme des Verfahrens für das Jahr 2010 und die Feststellung der Einkünfte für die Jahre 2009 bis 2014 bezieht, ist sie hingegen zulässig und auch berechtigt.
33 § 2 Abs. 2a EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 106/1999 lautet:
„(2a) Weder ausgleichsfähig noch gemäß § 18 Abs. 6 und 7 vortragsfähig sind negative Einkünfte
- (...)
- aus Betrieben, deren Unternehmensschwerpunkt(e) im Verwalten unkörperlicher Wirtschaftsgüter oder in der gewerblichen Vermietung von Wirtschaftsgütern gelegen ist.
Solche negativen Einkünfte sind mit positiven Einkünften aus dieser Betätigung oder diesem Betrieb frühestmöglich zu verrechnen.“
34 Strittig ist im gegenständlichen Verfahren vor allem, ob der vom BFG angenommene Unternehmensschwerpunkt der Revisionswerberin in der Finanzierung von Forschungstätigkeit gegen die Einräumung von Nutzungsrechten am Forschungsergebnis als Verwaltung von unkörperlichen Wirtschaftsgütern iSd § 2 Abs. 2a EStG 1988 anzusehen ist.
35 Im Erkenntnis vom 3. September 2019, Ra 2018/15/0085, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es sich bei Erfindungen und gewerblichen Schutzrechten wie Patenten ebenso wie bei Prototypen um unkörperliche Wirtschaftsgüter handelt. Die zielgerichtet auf die Entwicklung eines neuartigen Produktes gerichtete Tätigkeit stellt jedoch kein Verwalten von Wirtschaftsgütern dar. Sie zielt auf die Entwicklung eines neuen (materiellen) Produktes ab, das die gängigen Produkte ersetzen oder eine Ergänzung dazu darstellen soll. Der Schwerpunkt der Tätigkeit eines Erfinders besteht nicht in der Verwaltung von „Kenntnissen und Erfahrungen“, sondern im produktiven Einsatz seines Wissens. Der eigenschöpferisch tätige Erfinder verwaltet nicht Wissen, sondern erzeugt neues Wissen. Eine operative Forschungs- und Entwicklungstätigkeit ist daher nicht als Verwalten von unkörperlichen Wirtschaftsgütern iSd § 2 Abs. 2a EStG 1988 zu beurteilen (vgl. zu selbstgeschaffenen Filmrechten auch VwGH 14.5.2020, Ro 2020/13/0003).
36 Nichts anderes gilt, wenn der Erfinder nicht - wie im zur Zl. Ra 2018/15/0085 entschiedenen Fall - alleine tätig wird, sondern sich anderer Personen - sei es im Wege eines Dienst- oder Werkvertrages - bedient oder Kooperationen mit anderen Unternehmern eingeht, soweit er auch in diesen Fällen neben dem Forschungsrisiko den entscheidenden Einfluss auf die Forschungstätigkeit behält und solcherart dazu beiträgt, neues Wissen zu schaffen. Der bloße Erwerb von Forschungsergebnissen (von Nutzungsrechten) zur weiteren Fruchtziehung hingegen, geht über das „Verwalten von unkörperlichen Wirtschaftsgütern“ iSd § 2 Abs. 2a EStG 1988 nicht hinaus.
37 Konkrete Feststellungen über die tatsächliche Abwicklung der Kooperationsvereinbarung vom 30. Juni 2009 hat das Bundesfinanzgericht, das sich im Wesentlichen den Ausführungen des Finanzamtes in seiner Beschwerdevorentscheidung angeschlossen hat, nicht getroffen. Insoweit erweisen sich auch die umfangreichen Verfahrensrügen der Revisionswerberin, wonach kein „unbestrittener Sachverhalt“ vorliege, als berechtigt. Das BFG hat Vorbringen der Revisionswerberin (wonach beispielsweise nur ein kleiner Teil der Gesamtaufwendungen iZm der Entwicklung der Dampfmaschine für die von der CL-Gruppe geleisteten Arbeiten aufgewendet worden sei) als nicht entscheidungswesentlich beurteilt. Dies vor dem Hintergrund der in der Beschwerdevorentscheidung dargelegten und vom BFG übernommenen - nach dem Gesagten aber unzutreffenden - Rechtsansicht, wonach „schon die Forschung nicht anders als eine Bewirtschaftung von (unkörperlichen) Know-how gesehen“ werden könne.
38 Soweit die Revisionswerberin im Zusammenhang mit der erstmaligen Erlassung des Feststellungsbescheids für das Jahr 2009 am 26. Jänner 2016 den Eintritt der Verjährung einwendet, ist ihr zu entgegnen, dass nach § 207 Abs. 1 BAO lediglich das Recht, eine Abgabe festzusetzen, der Verjährung unterliegt. Die BAO beinhaltet kein Verbot, der Festsetzung (Einhebung) vorangehende abgabenrechtliche Schritte zu unternehmen. Grundlagenbescheide (z.B. Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO) können daher ohne Bedachtnahme auf Verjährungsfristen erlassen werden. Die Frage der Verjährung ist erst im Zusammenhang mit einer Abgabenfestsetzung zu beurteilen (vgl. VwGH 22.2.2007, 2006/14/0018).
39 Dass aufgrund einer Beschwerde gegen den abgeleiteten Körperschaftsteuerbescheid der I GmbH für das Jahr 2009 der Verjährungseinwand anerkannt wurde, wie die Revisionswerberin in ihrer Revisionsergänzung ausführt, steht der Erlassung einer inhaltlichen Erledigung des Feststellungsverfahrens für das Jahr 2009 daher nicht entgegen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nur die I GmbH (und nicht die revisionswerbende atypisch stille Gesellschaft) an einer weiteren Gesellschaft beteiligt ist, weil unrichtige Bilanzansätze (das von der I GmbH erzielte Beteiligungsergebnis aus einer anderen atypisch stillen Gesellschaft) auch dann zu berichtigen sind, wenn die Berichtigung bei der I GmbH wegen eingetretener Bemessungsverjährung keine Änderung der Abgabenvorschreibung zur Folge hat (vgl. VwGH 27.6.2019, Ra 2018/15/0040).
40 Da das BFG in Verkennung der Rechtslage erforderliche Feststellungen nicht getroffen hat, war das angefochtenen Erkenntnis wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG im spruchgemäßen Umfang aufzuheben. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
41 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 10. September 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019150181.J00Im RIS seit
12.10.2020Zuletzt aktualisiert am
12.10.2020