TE Vwgh Beschluss 2020/9/11 Ra 2020/11/0122

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Veröffentlicht am 11.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/11/0123

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision 1. der K KG und 2. der K R, beide in K, beide vertreten durch Mag. Christian Dillersberger und Dr. Karin Bronauer, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Maderspergerstraße 8, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 12. Juni 2020, Zl. LVwG-2020/22/0414-2, betreffend Übertretungen des Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kufstein), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde wurde über die Zweitrevisionswerberin als unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Erstrevisionswerberin wegen einer Übertretung des Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetzes eine Geldstrafe verhängt.

2        2. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) eine mit Eingabe vom 17. Februar 2020 erhobene Beschwerde gegen dieses Straferkenntnis als unzulässig zurück. Die ordentliche Revision erklärte es für unzulässig.

3        In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe des Textes der schriftlichen Eingabe aus, die gegenständliche Beschwerde sei offenkundig von der Erstrevisionswerberin erhoben worden. Dies ergebe sich aus der in „Wir-Form“ gehaltenen Fassung des Schreibens und der Anführung der Erstrevisionswerberin als Absenderin im Kopf des Schreibens. Ausdrücklich werde im Text davon gesprochen, dass die Erstrevisionswerberin vertreten durch die Zweitrevisionswerberin Beschwerde erhebe. Auch die Unterfertigung am Ende der Eingabe lasse nur den Schluss zu, dass das Schreiben von der Erstrevisionswerberin stamme.

4        Das Recht, Beschwerde zu erheben, stehe jedoch nur der vom Bescheid betroffenen Person zu. Dieser sei jedoch nicht an die Erstrevisionswerberin gerichtet, sondern an die Zweitrevisionswerberin, und entfalte daher nur letzterer gegenüber Rechtswirkung. Die von der Erstrevisionswerberin erhobene Beschwerde sei daher als unzulässig zurückzuweisen.

5        3. Gegen diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision, die in ihrer Zulässigkeitsbegründung vorbringt, dass der angefochtene Beschluss von der Rechtsprechung abweiche, weil nach dieser im Zweifelsfall eine Verpflichtung der Behörde bestehe, sich in sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG Klarheit darüber zu verschaffen, ob eine lediglich angeführte aber nicht unterfertigende Beschwerdeführerin Rechtsmittelwerberin sei.

6        4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        4.1. Prozesserklärungen einer Partei sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa VwGH 20.12.1995, 95/03/0310, und VwGH 26.6.2014, Ra 2014/04/0013, mwN), das heißt, es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (vgl. etwa VwGH 28.5.2019, Ra 2019/05/0008 bis 0012). Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall wäre nur dann als revisibel anzusehen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. VwGH 17.2.2015, Ro 2014/02/0124).

10       Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. VwGH 26.2.2014, Ro 2014/04/0022).

11       Ausgehend von dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Text der eingebrachten Beschwerde vermag die Revision die Unvertretbarkeit der fallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts, die Prozesserklärung sei eindeutig nur der Erstrevisionswerberin zuzurechnen, nicht darzutun. Vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Beurteilung liegt ein Abweichen der angefochtenen Entscheidung von der von der Revision zur Begründung der Zulässigkeit ins Treffen geführten Rechtsprechung der Verpflichtung zur Mängelbehebung im Falle des Vorliegens nicht eindeutiger Prozesserklärungen nicht vor.

12       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

13       Bei diesem Ergebnis braucht auf die Frage der Revisionslegitimation nicht eingegangen zu werden.

Wien, am 11. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020110122.L00

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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