TE Vwgh Beschluss 2020/9/11 Ra 2019/11/0100

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Veröffentlicht am 11.09.2020
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §52
AVG §58 Abs2
AVG §60
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §29 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der H B in W, vertreten durch Mag. Lukas Panytsch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wächtergasse 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. April 2019, Zl. W200 2159560-3/3E, betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 18. April 2018 wies das Sozialministeriumservice (im dritten Rechtsgang) den Antrag der Revisionswerberin auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab, weil der Grad der Behinderung lediglich 30% betrage.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und stellte fest, dass der Grad der Behinderung 30% betrage. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Begründend führte das Verwaltungsgericht auf das Wesentliche zusammengefasst aus, es lege seiner Entscheidung das von der belangten Behörde eingeholte neurologische Sachverständigengutachten vom 25. September 2017 zu Grunde, in welchem das Leiden der Revisionswerberin (Polyneuropathie; HMSN - hereditäre motorisch und sensible Neuropathie) unter Zugrundelegung der von dieser vorgelegten medizinischen Unterlagen sowie der eigenen Untersuchung durch die Sachverständige unter Pos. Nr. 04.06.01 der Einschätzungsverordnung und mit einem (Gesamt-)Grad der Behinderung von 30%, somit zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz, eingestuft worden sei. Diese Einstufung habe die Sachverständige in zwei Stellungnahmen vom 6. März 2018 und vom 16. April 2018 nachvollziehbar und schlüssig begründet. Zu dem von der Revisionswerberin behaupteten Zustand der Erschöpfung und Resignation seien keine rezenten psychiatrischen Befunde vorgebracht worden. Die von der Revisionswerberin behauptete vorzeitige Ermüdbarkeit mit Gefühlsstörung in den Armen sei in der Begutachtung nicht angegeben worden, eine neurologische Kraftminderung der Arme im Rahmen der neurologischen Untersuchung habe nicht objektiviert werden könne. Die geltend gemachte Unsicherheit beim Stehen und Gehen sei bei der Beurteilung im Gutachten bereits berücksichtigt worden. Beim Verwaltungsgericht bestünden keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des eingeholten Sachverständigengutachtens. Die Revisionswerberin sei diesem Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

4        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 29.6.2020, Ra 2019/11/0058, mwN).

9        Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, es sei „unklar“, inwieweit das Verwaltungsgericht verpflichtet gewesen wäre, das neurologische Gutachten samt den ergänzenden Stellungnahmen der Sachverständigen auf Plausibilität und Vollständigkeit zu prüfen und „in Anbetracht offensichtlicher Mängel bei einem anderen Mediziner ein Gutachten zur Klärung aller offenen Fragen“ zum Gesundheitszustand und zum Grad der Behinderung der Revisionswerberin in Auftrag geben hätte müssen.

10       Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Fragestellungen besteht jedoch bereits:

11       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft ein Verwaltungsgericht die Verpflichtung, im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen, weshalb es gehalten ist, sich im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung mit dem Gutachten auseinander zu setzen und dieses entsprechend zu würdigen (vgl. etwa VwGH 8.4.2019, Ra 2018/03/0136, mwN).

12       Lediglich im Falle eines unschlüssigen Gutachtens ist vom Verwaltungsgericht ein anderer Sachverständiger heranzuziehen. Will eine Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aber in dem Fall, dass sich das Verwaltungsgericht auf ein schlüssiges und nachvollziehbares Amtssachverständigengutachten stützt, noch ein weiteres Gutachten einbezogen wissen, liegt es an ihn, selbst ein Gutachten zu beschaffen und dieses dem Verwaltungsgericht vorzulegen (vgl. VwGH 23.1.2020, Ra 2019/07/0093, mwN).

13       Die Revision zeigt weder auf, dass sich das Verwaltungsgericht nicht beweiswürdigend mit dem neurologischen Sachverständigengutachten auseinandergesetzt hätte, noch legt sie dar, dass dieses Gutachten, welches eine Begründung für die Einstufung enthält und auf die von der Revision ins Treffen geführten Gutachten eingegangen ist, mangelhaft oder unvollständig wäre. Ebenso wenig zeigt die Revision auf, dass das Verwaltungsgericht den Grad der Behinderung der Revisionswerberin, gestützt auf dieses Gutachten, dem die Revisionswerberin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist, unvertretbar eingeschätzt hätte (vgl. zur Einzelfallbezogenheit dieser Beurteilung VwGH 11.12.2017, Ra 2015/11/0102).

14       Schließlich bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, es sei „unklar“, ob das Verwaltungsgericht verpflichtet gewesen sei, die Revisionswerberin „anzuleiten, ein stärker substantiiertes Vorbringen zu erstatten“. So habe das Verwaltungsgericht die im Verfahren unvertretene Revisionswerberin nicht dahin angeleitet, dem Gutachten der Sachverständigen „in substantiierter Weise“ entgegen zu treten.

15       Auch damit zeigt die Revision keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf: Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht die Manuduktionspflicht des § 13a AVG (iVm. § 17 VwGVG) nicht so weit, dass eine Pflicht dazu bestünde, Unterweisungen zu erteilen, wie ein Vorbringen zu gestalten ist, damit einem Antrag allenfalls stattgegeben werden kann, oder dass die Partei auf das Erfordernis der Widerlegung eines Sachverständigengutachtens auf gleicher fachlicher Ebene hingewiesen werden müsste (vgl. VwGH 25.11.2015, Ra 2015/09/0042; 29.1.2016, Ra 2015/06/0124; jeweils mwN).

16       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 11. September 2020

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Begründung der Wertung einzelner Beweismittel Gutachten Beweiswürdigung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019110100.L00

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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