TE OGH 2020/7/28 10ObS69/20z

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Veröffentlicht am 28.07.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Angela Taschek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei DI J*****, vertreten durch Mag. Robert Haupt, LL.M, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1030 Wien, Haidingergasse 1, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Familienzeitbonus, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Jänner 2020, GZ 8 Rs 99/19s-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 2. April 2019, GZ 32 Cgs 27/19y-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende und die beklagte Partei haben die Kosten des Revisionsverfahrens jeweils selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Bezeichnung der ursprünglich beklagten Wiener Gebietskrankenkasse war gemäß § 23 Abs 1 und § 538t Abs 1 ASVG von Amts wegen auf Österreichische Gesundheitskasse zu berichtigen.

Der Sohn des Klägers wurde am 19. 7. 2018 in einer Privatklinik geboren. Die Mutter des Kindes und das Kind verließen die Klinik am 20. 7. 2018, ihr Aufenthalt dort dauerte weniger als 24 Stunden.

Am 29. 8. 2018 beantragte der Kläger den Familienzeitbonus für den Zeitraum von 30 Tagen ab dem 19. 7. 2018.

Mit Bescheid vom 28. 1. 2018 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil ein gemeinsamer Haushalt im Sinn des § 2 Abs 1 Z 4 und Abs 3 FamZeitbG erst ab 20. 7. 2018 bestanden habe.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Zuerkennung des Familienzeitbonus für die Zeit von 19. 7. 2018 bis 17. 8. 2018. Der Aufenthalt in der Privatklinik habe weniger als 24 Stunden gedauert, die Geburt sei ambulant erfolgt. Der Kläger habe sich bereits nach der Geburt, während die Mutter sich erholt habe, um das Kind gekümmert.

Die Beklagte wandte dagegen ein, dass ein gemeinsamer Haushalt frühestens ab 20. 7. 2018, dem Tag der Entlassung der Mutter und des Kindes aus der Privatklinik, bestanden habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Bei Hausgeburten und ambulanten Geburten könne der Familienzeitbonus bereits ab dem Tag der Geburt beantragt werden. Eine ambulante Entbindung liege hier vor, weil der Spitalsaufenthalt weniger als 24 Stunden gedauert habe. Selbst wenn man davon ausginge, dass erst ab 20. 7. 2018 ein gemeinsamer Haushalt bestanden habe, gebühre der Familienzeitbonus für den restlichen beantragten Zeitraum anteilig.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind habe kein gemeinsamer Haushalt im Sinn des § 2 Abs 3 FamZeitbG bestanden. Ob die Geburt des Kindes stationär oder ambulant erfolgt sei, spiele dabei ebenso wenig eine Rolle wie der Umstand, dass sich der Vater nach der Geburt noch in der Privatklinik um das Kind gekümmert habe. Da ein gemeinsamer Haushalt erst ab 20. 7. 2018 bestanden habe, deckten sich die Familienzeit und der beantragte Bezugszeitraum nicht, weshalb dem Kläger kein Familienzeitbonus zustehe. Die Revision sei zulässig, weil eine verbindliche Rechtsprechung fehle, ab welchem Zeitpunkt bei ambulanten Geburten Anspruch auf Familienzeitbonus bestehe.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers, mit der dieser die Stattgebung der Klage begehrt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Anspruch auf Familienzeitbonus eines Vaters für sein Kind ist (ua) an die Voraussetzung geknüpft, dass der Vater, das Kind und der andere Elternteil im gemeinsamen Haushalt leben (§ 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG) und sich der Vater im gesamten von ihm gewählten Anspruchszeitraum in Familienzeit befindet (§ 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG; 10 ObS 109/18d SSV-NF 32/67).

Ein gemeinsamer Haushalt im Sinn des § 2 Abs 3 FamZeitbG liegt nur dann vor, wenn der Vater, das Kind und der andere Elternteil in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und alle drei an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind, wobei eine bis zu zehn Tagen verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an dieser Wohnadresse nicht schadet. Eine „dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ liegt gemäß § 2 Abs 3 FamZeitbG (erst) dann vor, wenn eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft tatsächlich aufgenommen wird und dies in der Absicht geschieht, sie auf Dauer zu führen (RS0133073; jüngst 10 ObS 148/19s). Eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft kann daher bereits ab dem ersten Tag vorliegen (10 ObS 50/19d), dies etwa im Fall einer Hausgeburt oder im Fall von Krisenpflegeeltern (10 ObS 65/19k zu § 2 Abs 6 KBGG idF BGBl I 2016/53), oder aber auch – etwa im Fall einer ambulanten Geburt – dann, wenn sie noch am Tag der Geburt tatsächlich aufgenommen wird und dies in der Absicht geschieht, sie auf Dauer zu führen.

Im vorliegenden Fall ist das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der dargestellten Rechtsprechung davon ausgegangen, dass eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft der Eltern und des Kindes erst nach der Entlassung des Kindes und der Mutter aus der Privatklinik, daher erstmals am 20. 7. 2018 begründet wurde. Denn erst zu diesem Zeitpunkt wurde die dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft der Eltern mit dem Kind tatsächlich aufgenommen. Auf die vom Revisionswerber thematisierte Frage, ob die Geburt stationär oder ambulant erfolgte, kommt es hingegen nicht an. Die in diesem Zusammenhang behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind nach der Geburt liegt nach der vom Berufungsgericht beachteten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kein gemeinsamer Haushalt im Sinn des § 2 Abs 3 FamZeitbG vor, weil in dieser Zeit die Pflege und Betreuung des Kindes durch Leistungen der Krankenanstalt abgedeckt wird (10 ObS 109/18d SSV-NF 32/67 mwN, 10 ObS 115/19p; RS0132377). Dies gilt auch bei einem gemeinsamen Aufenthalt der Familie in einem Familienzimmer des Geburtskrankenhauses (10 ObS 101/19d, RS0132377 [T1]). Auf die vom Revisionswerber gewünschte Feststellung, dass er sich nach der Geburt (noch in der Privatklinik) um das Kind gekümmert habe, während sich seine Gattin von der Geburt erholt habe, kommt es daher nicht an.

Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Familienzeitbonus gebührt, weil sich die Familienzeit (§ 2 Abs 1 Z 3 und Abs 4 FamZeitbG) und der beantragte Bezugszeitraum nicht decken und die Familienzeit kürzer ist als der Bezugszeitraum (RS0133088). Eine anteilige Auszahlung hat der Gesetzgeber ebenso ausgeschlossen wie eine spätere Änderung des Anspruchszeitraums (10 ObS 101/19d). Werden die Voraussetzungen auch nur an einem Tag der gewählten Dauer nicht erfüllt, so gebührt gar kein Familienzeitbonus (10 ObS 115/19p mwH).

Der Revisionswerber führt für sich ins Treffen, dass ihm als juristischen Laien nicht zugemutet werden könne, den „richtigen Zeitpunkt“ für seine Antragstellung zu „erahnen“, wenn sich schon die Gerichte nicht einig seien. Der Antrag sei daher im Zweifel zu seinen Gunsten auszulegen. Es trifft zwar zu, dass nach herrschender Rechtsprechung bei der Beurteilung von Anträgen durch die Sozialversicherungsträger im Geiste sozialer Rechtsanwendung vorgegangen, dh der Antrag im Zweifel zugunsten des Versicherten ausgelegt werden muss (RS0086446). Im konkreten Fall besteht jedoch kein Raum für eine Auslegung des Antrags des Klägers, weil dieser eindeutig den 19. 7. 2018 als „1. Bezugstag“ im Antragsformular (./1) angegeben hat.

Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

Eine Veranlassung für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG, wie ihn der Kläger beantragt, besteht schon deshalb nicht, weil weder besondere rechtliche noch tatsächliche Schwierigkeiten des Verfahrens im Sinn dieser Bestimmung vorlagen (10 ObS 99/18h). Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens ohne Rücksicht auf dessen Ausgang gemäß § 77 Abs 1 Z 1 ASGG selbst zu tragen.

Textnummer

E129153

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:010OBS00069.20Z.0728.000

Im RIS seit

29.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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