TE OGH 2020/7/28 10Ob23/20k

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Veröffentlicht am 28.07.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17–19, gegen die beklagte Partei E*****, wegen 6.720 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. März 2020, GZ 43 R 82/20g-5, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 13. Jänner 2020, GZ 7 C 1/20g-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]       Die Republik Österreich (Bund) begehrte mit der im Dezember 2019 eingebrachten Mahnklage von der Beklagten 6.270 EUR aus dem Titel des Schadenersatzes. Dem 2006 geborenen Kind der Beklagten seien Unterhaltsvorschüsse gewährt worden, weil der leibliche Vater seiner Unterhaltsverpflichtung nicht nachgekommen sei. Von April 2014 bis einschließlich Oktober 2017 habe der Bund Unterhaltsvorschüsse von insgesamt 8.640 EUR an die Beklagte ausgezahlt. Das Kind sei mit Wirksamkeit vom 20. 3. 2014 an Kindes statt angenommen worden. Die Vorschüsse seien deshalb mit Beschluss vom 9. 11. 2017 rückwirkend mit Ablauf März 2014 eingestellt worden. Bis zu diesem Zeitpunkt habe das Pflegschaftsgericht keine Kenntnis von der Adoption gehabt. Die Beklagte sei mit Beschluss des Pflegschaftsgerichts vom 1. 8. 2019 verpflichtet worden, die von August 2016 bis einschließlich Oktober 2017 ausgezahlten Unterhaltsvorschüsse von 1.920 EUR zurückzuzahlen, weshalb noch ein „Übergenuss“ von 6.720 EUR bestehe. Die Beklagte wäre gemäß § 21 UVG verpflichtet gewesen, die Bewilligung der Adoption sowie den Eintritt deren Rechtskraft dem Pflegschaftsgericht unverzüglich mitzuteilen. Sie habe ihre Mitteilungspflicht (zumindest) grob fahrlässig verletzt.

[2]       Das Erstgericht sprach aus, dass die Klage als Antrag im außerstreitigen Verfahren zu behandeln ist und überwies den Antrag an die zuständige Außerstreitabteilung (des Erstgerichts). § 21 UVG verpflichte unter anderem die Person, in deren Pflege und Erziehung sich das Kind befinde, sowie den Zahlungsempfänger, dem Gericht unverzüglich den Eintritt jedes Grundes für die Herabsetzung oder Einstellung der Vorschüsse mitzuteilen. Führe die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht zu einer verspäteten Einstellung von Unterhaltsvorschüssen, sei über Rückersatzforderungen als schadenersatzrechtliche Ansprüche im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden (§§ 22, 23 UVG).

[3]       Das Rekursgericht teilte diese Rechtsansicht und gab dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge. Die eingeklagte Schadenersatzforderung werde ausdrücklich auf eine der Beklagten als Zahlungsempfängerin der Vorschüsse angelastete Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 21 UVG gestützt. Die Rückforderungsansprüche des Bundes seien in den §§ 22, 23 UVG abschließend geregelt. Die Haftung der Beklagten als Pflegeperson und Zahlungsempfängerin beruhe auf schadenersatzrechtlicher Grundlage. Nach § 23 UVG habe über den Ersatz zu Unrecht gewährter Vorschüsse das Pflegschaftsgericht auf Antrag des Präsidenten des Oberlandesgerichts im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden. Der Anspruch des Bundes werde durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts als die für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen zuständige Stelle geltend gemacht.

[4]       Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage vorliege, ob und inwieweit dem Bund ungeachtet der §§ 21 bis 23 UVG auch ein allgemeiner Schadenersatzanspruch im Sinne der §§ 1295 ff ABGB gegen eine nach § 22 Abs 1 UVG rückzahlungspflichtige Partei zukomme.

Rechtliche Beurteilung

[5]       Der Revisionsrekurs ist ungeachtet dieses Ausspruchs nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

[6]       1.1 Die Wahl der Verfahrensart durch die verfahrenseinleitende Partei (hier: des streitigen Verfahrens) bestimmt die anzuwendenden Rechtsmittelvorschriften (RIS-Justiz RS0046238 [T2]; RS0046245 [T4, T9]). Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist daher nach § 528 ZPO zu beurteilen.

[7]       1.2 Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der erstinstanzliche Beschluss zur Gänze bestätigt wurde, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist.

[8]       2.1 Die Überweisung einer Rechtssache vom streitigen in das außerstreitige Verfahren ist der Zurückweisung einer Klage gleichzuhalten, wenn mit der Überweisung der Rechtssache eine Veränderung der anzuwendenden materiellen Bestimmungen (der Anspruchsgrundlagen) verbunden ist (RS0044538 [T4]; RS0103854 [T3, T4]; RS0106813 [T4, T5]). Dies hat der Oberste Gerichtshof bei einer Überweisung einer Streitsache in das nacheheliche Aufteilungsverfahren bereits mehrfach bejaht (RS0044538 [T5]; RS0103854 [T5]; RS0106813 [T5]; 5 Ob 229/18i; 1 Ob 225/19y), nicht jedoch in den Fällen der Überweisung einer den Unterhaltsanspruch eines Kindes betreffenden Oppositionsklage in das außerstreitige Verfahren (3 Ob 32/14y: Die materielle Beurteilung des Unterhaltsanspruchs erfolge immer nach § 231 ABGB) oder der Überweisung einer Klage zweier Wohnungseigentümer auf Zustimmung zur Verlegung einer Heizung in das wohnrechtliche Außerstreitverfahren nach § 16 Abs 2, § 52 WEG (5 Ob 107/12i: Als Anspruchsgrundlage kämen nur die Bestimmungen des WEG in Betracht).

[9]       2.2 Eine derartige Änderung der materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen, wie sie die in der jüngeren Rechtsprechung mittlerweile ständig vertretene Ansicht für die Ausnahme von der Unanfechtbarkeit bestätigender Beschlüsse verlangt, tritt im vorliegenden Fall nicht ein.

[10]     2.3 Ein Anspruch auf Ersatz zu Unrecht gewährter Vorschüsse gegen (unter anderem) eine(n) Zahlungsempfänger(in), dessen (deren) grobes Verschulden zu einer verspäteten Einstellung der Vorschüsse geführt haben soll (§ 22 UVG), ist nach Rechtsprechung und Lehre inhaltlich ein Schadenersatzanspruch (10 Ob 61/08f, RS0110453 [T2], RS0076903 [T2]; Neumayr in Schwimann/Kodek5 § 22 UVG Rz 2).

[11]     2.4 Die klagende Partei stützt ihren Schadenersatzanspruch auf eine (zumindest) grob fahrlässige Verletzung der die Mutter als Zahlungsempfängerin nach § 21 UVG treffenden Mitteilungspflicht, die eine ungerechtfertigte Auszahlung von Unterhaltsvorschüssen zur Folge hatte. Sie beruft sich auf § 21 UVG. Angesichts dieses anspruchsbegründenden Vorbringens musste das Begehren nicht noch zusätzlich ausdrücklich auf § 22 UVG gestützt werden, um von einer unveränderten Anspruchsgrundlage auszugehen. Inhaltlich macht die klagende Partei eben keinen allgemeinen, nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Vorschussgewährungsverfahren stehenden Schadenersatzanspruch geltend.

[12]     2.5 Der Revisionsrekurs ist somit nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

Textnummer

E129167

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0100OB00023.20K.0728.000

Im RIS seit

30.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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