TE OGH 2020/7/29 9Ob36/20i

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Veröffentlicht am 29.07.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Fichtenau, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. B*****, 2. M*****, beide vertreten durch LEXACTA Tröthandl Juritsch Rechtsanwälte in Baden, gegen die beklagte Partei „N*****“ Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft GmbH, *****, vertreten durch Krist Bubits Rechtsanwälte OG in Mödling, wegen Vertragszuhaltung (Streitwert 10.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 16. April 2020, GZ 58 R 100/19g-18, mit dem der Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 27. September 2019, GZ 9 C 561/18m-14, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 917,02 EUR (darin enthalten 152,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Parteien sind Eigentümer aneinandergrenzender Liegenschaften. 2002 trafen sie im Zuge eines Bauvorhabens der Beklagten eine Vereinbarung, die die Beklagte zur Pflanzung zweier Baumreihen als Sichtschutz verpflichtete. 2007 kam es zu mehreren Gesprächen zwischen der Erstklägerin und einem Vertreter der Beklagten, in denen sie sich darauf einigten, dass von der Pflanzung der zweiten Baumreihe Abstand genommen wird und statt dessen andere Maßnahmen durch die Beklagte gesetzt werden. Diese Verpflichtungen hat die Beklagte in der Folge auch erfüllt.

Die mündliche Absprache hatte ausschließlich zwischen dem Vertreter der Beklagten und der Erstklägerin stattgefunden, da, seit dem Zeitpunkt der (ursprünglichen) Vertragsunterzeichnung, nur die Erstklägerin in Gesprächen bezüglich nachbarschaftlicher Belange mit der Beklagten bzw deren Vertretern aufgetreten war. Die Zweitklägerin hatte dies ihrer Mutter, der Erstklägerin, überlassen. Grundsätzlich kümmert sich im Einvernehmen mit der Zweitklägerin die Erstklägerin um die Liegenschaft der Zweitklägerin, sie übernimmt somit dementsprechend auch die Verwaltung etwa auch im Hinblick auf Reparaturen im Haus oder sonstige Angelegenheiten, die sich ergeben.

Die Klägerinnen begehren unter Berufung auf die ursprünglich 2002 getroffene Vereinbarung, die Beklagte zur Pflanzung der zweiten Baumreihe zu verpflichten.

Die Beklagte macht geltend, dass die Parteien von dieser Vereinbarung einvernehmlich abgegangen seien.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Die Revision wurde vom Berufungsgericht zur Frage als zulässig erachtet, ob der Offenlegungsgrundsatz für den Fall, dass der Handelnde nicht nur als Bevollmächtigter, sondern gleichzeitig auch im eigenen Namen auftritt, die Nennung des Geschäftsherrn verlangt.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision der Klägerinnen mit dem Antrag, die Entscheidung abzuändern und der Klage stattzugeben, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Eine wirksame Stellvertretung setzt neben dem Handeln des Stellvertreters im Namen des vertretenen Geschäftsherrn auch das Vorliegen von Vertretungsmacht voraus, die hinreichend offengelegt werden muss.

2. Der Wille, im Namen eines anderen zu handeln, muss im Geschäftsverkehr ausdrücklich erklärt werden oder aus den Umständen erkennbar sein (RS0088884).

Wenn ein ausdrückliches Handeln im fremden Namen nicht vorliegt, bedarf es in jedem Einzelfall der sorgfältigen Prüfung, wie der Dritte – von seinem Erkenntnishorizont aus gesehen – das Auftreten des Handelnden verstehen musste (RS0019516). Die Beurteilung der Erkennbarkeit hat nach objektiven Kriterien zu erfolgen (1 Ob 72/01x mwN), maßgeblich ist auch hier die Vertrauenstheorie. Danach kommt es darauf an, wie ein redlicher, verständiger Erklärungsempfänger unter Berücksichtigung des Geschäftszwecks und der gegebenen Umstände die Erklärung verstehen durfte (RS0113932).

Da diese Prüfung von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängt (RS0019516), kann auch über die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, inwieweit für eine wirksame Vertretung des Geschäftsherrn eine Nennung seines Namens erforderlich ist, keine allgemein gültige Aussage getroffen werden.

3. Im vorliegenden Fall hat die Erstklägerin mit dem Vertreter der Beklagten eine Abänderung der mit beiden Klägerinnen getroffenen Vereinbarung verhandelt, wobei sie dazu von der Zweitklägerin grundsätzlich auch (zumindest konkludent) bevollmächtigt war. Nach den Feststellungen trat damals generell nur die Erstklägerin in Gesprächen bezüglich nachbarschaftlicher Belange gegenüber der Beklagten auf. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Vertreter der Beklagten unter diesen Umständen die Erklärung der Erstklägerin so verstehen durfte, dass sie für die aus der Vereinbarung von 2002 Berechtigten, also beide Klägerinnen, abgegeben wird, auch wenn die Erstklägerin darauf nicht gesondert hingewiesen haben sollte, hält sich im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessenspielraums.

4. Die Revision der Klägerinnen ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Textnummer

E129170

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0090OB00036.20I.0729.000

Im RIS seit

30.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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