TE OGH 2020/9/3 47R173/20v

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Veröffentlicht am 03.09.2020
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Das Landesgericht für ZRS Wien fasst als Rekursgericht durch den Richter Mag. Eder als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Löschl und Mag. Ofner in der Exekutionssache der betreibenden Partei W*****, vertreten durch Dr. Christoph Naske, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei A*****, vertreten durch Masser & Partner Rechtsanwälte (GbR) in Wien, wegen € 6.759,18 s.A., über den Rekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom 1.7.2020, 23 E 1615/20z-8, den

B e s c h l u s s :

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er wie folgt zu lauten hat:

"1. Die Pfändung des Bankguthabens auf dem Konto AT***** bei der Erste Bank der Oesterreichischen Sparkassen AG wird auf Antrag der verpflichteten Partei im Umfang von € 503,38 aufgehoben.

2. Das Mehrbegehren, die Pfändung des oben genannten Kontos im Umfang von € 320,-- aufzuheben, wird abgewiesen.

3. Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit € 46,38 (darin enthalten € 7,73 USt) bestimmten Kosten des Antrages vom 17.6.2020 binnen 14 Tagen zu bezahlen."

Die Rekurskosten der betreibenden Partei werden mit € 522,46 (darin enthalten € 87,08 USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

B e g r ü n d u n g :

Mit Beschluss vom 28.5.2020 bewilligte das Erstgericht der Betreibenden wider den Verpflichteten zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von € 6.759,18 s.A. die Forderungsexekution gemäß § 294 EO auf das bei der Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG auf dem Konto AT***** erliegende Guthaben. Die Exekutionsbewilligung wurde der Drittschuldnerin am 3.6.2020 zugestellt (ON 2). Nach der Drittschuldnererklärung wies das Konto im Zeitpunkt der Pfändung ein Guthaben von € 823,38 auf (ON 4).

Mit Schriftsatz vom 17.6.2020 begehrte der Verpflichtete, ihm das Existenzminimum zu belassen. Er brachte vor, er erbringe als Einzelunternehmer Dienstleistungen im Bereich Produktdesign, wobei ihn diese Erwerbstätigkeit vollständig in Anspruch nehme. Aufgrund des Ausbruches der COVID-19 Pandemie seien Projekte verschoben worden und ein Transport der Produkte, die er in Indien herstellen lasse, nicht möglich gewesen. Das gegenständliche Konto sei sein Privatkonto, welches von ihm und seiner Ehefrau für die Bestreitung des Lebensunterhalts der Familie verwendet werde. Dies belege auch die Überweisung "Haushaltskosten Weiterleitung" von € 320,-- vom 2.6.2020. Der Verpflichtete habe am 13.5.2020 € 500,-- sowie am 25.5.2020 € 949,52 aus dem Corona-Härtefallfond auf das gegenständliche Konto überwiesen erhalten, welche jedenfalls als unpfändbare Forderungen anzusehen seien. Im Hinblick auf den im Jahr 2018 erzielten Umsatz und die bereits anhängige Fahrnisexekution sei eine schwere Schädigung der Betreibenden zu verneinen (ON 5). Die Betreibende sprach sich in der aufgetragenen Äußerung vom 29.6.2020 gegen den Antrag mit der Begründung aus, der Verpflichtete hätte mit einem Jahresüberschuss von über € 38.000,-- erhebliches Einkommen erwirtschaftet, sodass vorhandene Vermögenswerte jedenfalls aus diesem stammen. Überdies bestehe die Gefahr eines Forderungsausfalls (ON 7).

Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Erstgericht die Pfändung des Bankguthabens auf dem genannten Konto auf Antrag des Verpflichteten gemäß § 292i EO – wie aus der Begründung ersichtlich gemäß Abs 1 – i.V.m. § 291e EO auf, bestimmte die Kosten des Verpflichteten für den Antrag vom 17.6.2020 mit € 210,84 und trug der Betreibenden auf, diesen Betrag binnen 14 Tagen an den Verpflichteten zu bezahlen.

Das Erstgericht stellte fest, dass der Verpflichtete aus dem Corona-Härtefallfonds am 13.5.2020 € 500,-- und am 25.5.2020 € 949,52 erhielt und seine Gattin am 2.6.2020 € 320,-- mit der Widmung "Haushaltskosten Weiterleitung" auf das Konto einzahlte.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, beim Kontoguthaben handle es sich nur um Beträge, die der Deckung des Familienunterhalts für den Verpflichteten, seine Frau und seine minderjährige Tochter dienen und unpfändbar seien. Die Bestimmung des § 292i EO über den Kontenschutz, die sich ihrem Wortlaut nach nur auf beschränkt pfändbare Forderungen beziehe, sei sinngemäß auch auf gänzliche unpfändbare Forderungen nach § 290 EO anzuwenden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der teilweise berechtigte Rekurs der Betreibenden.

Der Rekurswerber rügt, Zahlungen aus dem Corona-Härtefallfonds seien weder beschränkt pfändbar noch unpfändbar. Das Corona-Härtefallfondsgesetz BGBl I Nr 16/2020 idgF sehe nicht vor, dass Zahlungen aus dem Härtefallfonds unpfändbar oder nur beschränkt pfändbar wären. Auch aus keinem anderen Gesetz sei eine Beschränkung der Pfändbarkeit derartiger Zuwendungen ableitbar. Gleiches gelte für die Zahlung der Ehefrau des Verpflichteten als Zuwendung Dritter, zumal die Widmung der Zahlung irrelevant sei.

Rechtliche Beurteilung

Dazu ist wie folgt auszuführen:

1. Ist eine nicht wiederkehrende Vergütung für persönlich geleistete Arbeiten, die die Erwerbstätigkeit des Verpflichteten vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen, gepfändet, so hat das Exekutionsgericht dem Verpflichteten auf seinen Antrag so viel zu belassen, wie er während eines angemessenen Zeitraums für seinen notwendigen Unterhalt sowie den Unterhalt der Personen, denen er gesetzlichen Unterhalt gewährt, bedarf. Bei der Entscheidung sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verpflichteten, insbesondere seine sonstigen Verdienstmöglichkeiten, frei zu würdigen. Dem Verpflichteten ist nicht mehr zu belassen, als ihm nach freier Überzeugung im Sinn des § 273 ZPO verbleiben würde, wenn er Einkünfte im Sinne des § 290a in der Höhe der Vergütung hätte. Der Antrag des Verpflichteten ist insoweit abzuweisen, als die Gefahr besteht, dass der betreibende Gläubiger dadurch schwer geschädigt werden könnte (§ 291e Abs 1 EO).

Werden beschränkt pfändbare Geldforderungen auf das Konto des Verpflichteten bei einem Kreditinstitut oder der österreichischen Postsparkasse überwiesen, so ist eine Pfändung des Guthabens auf Antrag des Verpflichteten vom Exekutionsgericht insoweit aufzuheben, als das Guthaben dem der Pfändung nicht unterworfenen Teil der Einkünfte für die Zeit von der Pfändung bis zum nächsten Zahlungstermin entspricht (§ 292i Abs 1 EO).

In den Anwendungsbereich des § 292i fallen auch einmalige Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten nach § 291e (Oberhammer in Angst/Oberhammer EO³ § 292i Rz 3). Die Bestimmung des § 292i ist auch auf gänzliche unpfändbare Forderungen nach § 290 anzuwenden (Angst/Jakusch/Mohr, EO15 § 292i EO E 1).

2. Nach § 1 Abs 1 des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Härtefallfonds (Härtefallfondsgesetz), BGBl I Nr. 16/2020, ist Gegenstand des Förderungsprogrammes des Bundes zum Härtefallfonds die Schaffung eines Sicherheitsnetzes für Härtefälle bei Ein-Personen-Unternehmen (EPU, darunter auch neue Selbstständige wie Vortragende und Künstler, Journalisten, Psychotherapeuten), freie Dienstnehmer nach § 4 Abs 4 ASVG (wie EDV-Spezialisten und Nachhilfelehrer) und Kleinstunternehmer, die durch die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen von COVID-19 verursacht wurden. Die Förderung wird in Form eines Zuschusses gewährt.

Gemäß § 1 Abs 4 Härtefallfondsgesetz hat der Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Vizekanzler und der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort eine Richtlinie für die Abwicklung des Härtefallfonds auf Basis des Bundesgesetzes über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) zu erlassen, wobei diese Richtlinie die in Abs 4 in den Z 1-8 näher bezeichneten Punkte (wie etwa den Gegenstand der Förderung und das Verfahren) zu enthalten hat.

Die Richtlinie Härtefallfonds (Erlass des BMF vom 27.3.2020, 2020-0.206.724 gültig vom 26.3.2020 bis 31.12.2022) normiert in ihrem Punkt 3, dass Gegenstand der Förderung der teilweise Ersatz von entgangenen Einkünften aus selbstständiger Erwerbstätigkeit und aus Gewerbebetrieben, die durch die Auswirkungen der COVID-19-Krise wirtschaftlich signifikant betroffen sind, ist.

Gemäß Punkt 6.2 der Richtlinie werden Förderungsanträge von der WKÖ hinsichtlich der Erfüllung der Förderungsvoraussetzungen gemäß der Richtlinie auf Plausibilität geprüft. Entscheidungen über Förderungsanträge trifft die WKÖ im Namen und auf Rechnung des Bundes:

Im Falle einer positiven Entscheidung über einen Förderungsantrag übermittelt die WKÖ dem Förderungswerber eine Förderungszusage, wodurch der Förderungsvertrag zustande kommt.

Im Falle der Ablehnung eines Förderungsantrages gibt die WKÖ die für diese Entscheidung maßgeblichen Gründe dem Förderungswerber schriftlich bekannt.

Ein dem Grunde und der Höhe nach bestimmter Rechtsanspruch auf Gewährung einer Förderung wird durch die vorliegende Richtlinie nicht begründet. Die Gewährung der Förderung erfolgt nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Budgetmittel.

Gemäß Punkt 6.3.1. der Richtlinie erfolgten die Auszahlungen nach Abschluss der Förderungsvereinbarungen.

3.1. Zutreffend zeigt der Rekurswerber auf, dass das Härtefallfondsgesetz nicht vorsieht, dass Zahlungen aus dem Härtefallfonds unpfändbar oder beschränkt pfändbar wären. Derartiges findet sich auch in der Richtlinie nicht.

3.2. § 290 EO lautet wie folgt:

"(1) Unpfändbar sind Forderungen auf folgende Leistungen:

1. Aufwandsentschädigungen, soweit sie den in Ausübung der Berufstätigkeit tatsächlich erwachsenden Mehraufwand abgelten, insbesondere für auswärtige Arbeiten, für Arbeitsmaterial und Arbeitsgerät, das vom Arbeitnehmer selbst beigestellt wird, sowie für Kauf und Reinigen typischer Arbeitskleidung;

2. gesetzliche Beihilfen und Zulagen, die zur Abdeckung des Mehraufwands wegen körperlicher oder geistiger Behinderung, Hilflosigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu gewähren sind, wie zB das Pflegegeld;

3. Beihilfen des Arbeitsmarktservice, soweit sie nicht unter § 290a Abs. 1 Z 8 fallen, sowie einem Versehrten gewährte berufliche Maßnahmen der Rehabilitation, die die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit ermöglichen;

4. Ersatz der Kosten, die der Arbeitnehmer für seine Vertretung aufwenden muss;

5. Beiträge für Bestattungskosten;

6. Rückersätze und Kostenvergütungen für Sachleistungsansprüche sowie Kostenersätze aus der gesetzlichen Sozialversicherung und Entschädigungen für aufgewendete Heilungskosten;

7. Leistungen aus dem Unterstützungsfonds und besondere Unterstützungen nach den Sozialversicherungsgesetzen;

8. gesetzliche Beihilfen zur Zahlung des Mietzinses oder zur Deckung des sonstigen Wohnungsaufwands;

9. gesetzliche Familienbeihilfe einschließlich Mehrkindzuschlag und Schulfahrtbeihilfe sowie die nach den jeweils geltenden einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen zur Abgeltung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern auszuzahlenden Absetzbeträge;

10. gesetzliche Leistungen, die aus Anlass der Geburt eines Kindes zu gewähren sind, soweit sie nicht unter § 290a Abs. 1 Z 6 fallen, insbesondere das pauschale Kinderbetreuungsgeld und die Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld;

11. Beihilfen und Stipendien, die Schülern und Studenten gewährt werden;

(Anm.: Z 12 und 13 aufgehoben durch BGBl. Nr. 624/1994)

14. Leistungen nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz und dem Opferfürsorgegesetz;

15. Leistungen der Tuberkulosehilfe, soweit es sich nicht um regelmäßige Geldbeihilfen handelt;

16. Ansprüche auf die Arbeitsvergütung nach dem Strafvollzugsgesetz und daraus herrührende Beträge während der Haft, soweit sie nicht unter § 291d fallen.

(2) Die Unpfändbarkeit gilt nicht, wenn die Exekution wegen einer Forderung geführt wird, zu deren Begleichung die Leistung widmungsgemäß bestimmt ist.

(3) Die Unpfändbarkeit von Renten und Beihilfen nach Abs 1 Z 14 gilt nicht bei einer Exekution wegen einer Forderung nach § 291b Abs 1 Z 1."

Die Auslegung von Gesetzen hat zunächst mit der Wortinterpretation zu beginnen, worunter die Erforschung des Wortsinns, der Bedeutung eines Ausdrucks oder eines Gesetzes nach dem Sprachgebrauch zu verstehen ist (RIS-Justiz RS0008896). Der äußerst mögliche Wortsinn steckt die Grenzen jeglicher Auslegung ab, die auch mit den sonstigen Interpretationsmethoden nicht überschritten werden darf (RIS-Justiz RS0008788 [T1]; RS0008796; RS0016495).

Zahlungen aufgrund des Härtefallfondsgesetzes fallen nach dem klaren Wortlaut nicht unter den Katalog des § 290 EO.

4.1. Mit der Bestimmung des § 290 EO hat der Gesetzgeber der EO-Novelle 1991 zwar eine abschließende Regelung der unpfändbaren Forderungen angestrebt. Allerdings enthält diese Bestimmung eine Reihe von allgemeinen Umschreibungen der unpfändbaren Forderungen, die der konkretisierenden Auslegung bedürfen; damit ist aber auch der "taxative" Charakter dieser Bestimmung insofern relativiert (Oberhammer aaO § 290 Rz 1), sodass dieser einer Analogie nicht entgegensteht.

Ein Analogieschluss setzt eine Gesetzeslücke voraus, bei der ein Rechtsfall nach dem Gesetz nicht beurteilt werden kann, jedoch einer Beurteilung bedarf; es muss eine planwidrige Unvollständigkeit, das heißt eine nicht gewollte Lücke, vorliegen (RIS-Justiz RS0098756). Eine "Gesetzeslücke" setzt voraus, dass die Unvollständigkeit innerhalb eines Gesetzes vom Standpunkt der Zwecke und Werte des konkreten Gesetzes selbst festgestellt werden kann. Das Gesetz muss also, gemessen an seiner Absicht und Teleologie, ergänzungsbedürftig sein, ohne dass diese Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RIS-Justiz RS0008866; RS0008826 [T1]). Ob dies der Fall ist, ist aufgrund der Rechtsordnung einschließlich aller auch als Auslegungskriterien heranzuziehenden Maßstäbe zu beurteilen. Eine "teleologische" Lücke liegt vor, wenn die - mit Hilfe der Interpretationsregeln ermittelte - ratio legis (das höhere Rechtsprinzip) in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz die Erstreckung der Rechtsfolgenanordnung (der Werttendenz) einer gesetzlichen Norm auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall fordert (RIS-Justiz RS0008866 [T17]). Bei der Ermittlung der ratio legis ist auf die Rechtsentwicklung Bedacht zu nehmen; dies kann zur Feststellung einer "nachträglichen" Gesetzeslücke führen (4 Ob 224/00w; F. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 7 Rz 2; Schauer in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 7 Rz 9 mwN; RIS-Justiz RS0008866 [T 35] = 3 Ob 136/15v = SZ 2015/70). So bejaht die Rechtsprechung etwa einen Analogieschluss der durch die StbGNov 1983 nachträglich bewirkten Lücke des § 23 Abs 1 EheG (RIS-Justiz RS0056102).

Eine planwidrige Lücke ist mit Hilfe der Gesetzesanalogie, der Rechtsanalogie oder durch Heranziehung der natürlichen Rechtsgrundsätze zu schließen. Bei der Gesetzesanalogie wird die für einen bestimmten Einzeltatbestand angeordnete Rechtsfolge auf einen dem Wortlaut nach nicht geregelten Sachverhalt erstreckt, weil nach der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertung anzunehmen ist, dass der geregelte und der ungeregelte Fall in den maßgeblichen Voraussetzungen (in den den Tatbestand motivierenden Merkmalen) übereinstimmen. Die Abweichungen werden als unerheblich gewertet (RIS-Justiz RS0008845).

4.2. Die Absicht des Gesetzgebers des Härtefallfondsgesetzes liegt in der Verhinderung einer existenzbedrohlichen Gefährdung österreichischer Unternehmer aufgrund der Coronavirus-Krise durch Zurverfügungstellung von Zuschüssen (IA 397/A XXVII. GP 32).

Der Härtefall-Fonds ist eine rasche Erste-Hilfe-Maßnahme der Bundesregierung für Ein-Personen-Unternehmer. Gegenstand der Förderung ist der teilweise Ersatz von entgangenem Nettoeinkommen aus Einkünften aus selbstständiger Arbeit (§ 22 EStG) und/oder aus Gewerbebetrieb (§ 23 EStG) infolge der Auswirkungen der COVID-19-Krise (ARD 6696/3/2020).

4.3. Diverse Beihilfen, Förderungen bzw. Unterstützungsleistungen sind in der Rechtsordnung unpfändbar, so etwa der Anspruch auf Familienbeihilfe (§ 27 Abs 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 i.V.m § 290 Abs 1 Z 9 EO), das pauschale Kinderbetreuungsgeld, der Partnerschaftbonus zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld und die Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld (§ 43 Abs 1 Kinderbetreuungsgeldgesetz), die Rentenleistung nach dem Heimopferrentengesetz (§ 2 Abs 1 Heimopferrentengesetz), der Unterkunfts- und Verpflegungszuschlag gemäß § 11 Auslandszulagen- und -hilfeleistungsgesetz sowie 50 % der nach Abzug des genannten Zuschlags verbleibenden Auslandszulage (§ 12 Abs 3 Z 1 und 2 Auslandszulagen- und -hilfeleistungsgesetz).

Des weiteren beschränken § 15 Bundespflegegeldgesetz, § 68 Abs 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, § 12 Abs 2 Betriebspensionsgesetz, § 55 Abs 1 Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 und § 11b Abs 1 Opferfürsorgegesetz die Pfändbarkeit der jeweiligen Leistungen durch Verweis auf die Exekutionsordnung. Diese Leistungen sind nach § 290 EO unpfändbar.

Zudem kann der Versicherungsträger gemäß § 84 Abs 1 ASVG einen Unterstützungsfonds anlegen, dessen Mittel gemäß Abs 6 leg cit. in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen, insbesondere in Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des zu Unterstützenden, für Unterstützungen nach Maßgabe der hierfür vom Verwaltungsrat zu erlassenden bundesweit einheitlichen Richtlinien verwendet werden können. Derartige Leistungen sind gemäß § 290 Abs 1 Z 7 EO unpfändbar.

4.4. Aus den genannten Vorschriften ist abzuleiten, dass Beihilfen oder Unterstützungsleistungen in der Regel unpfändbar sind.

Nach der Richtlinie ist Voraussetzung für eine Leistung nach dem Härtefallfondsgesetz der Abschluss eines Förderungsvertrages, der durch Übermittlung der Förderungszusage zustande kommt. Damit erwirbt der Förderungswerber eine Geldforderung im Sinn des § 294 Abs 1 EO.

Zweck des Härtefallfondsgesetzes ist die Abfederung von Härtefällen, die durch COVID-19 verursacht wurden. Nach der Richtlinie werden Einkommensausfälle teilweise ersetzt. Damit soll den Härtefallfondsberechtigten ermöglicht werden, ihren notwendigen Lebensunterhalt zu finanzieren. Durch eine Pfändung derartiger Zuschüsse wäre nicht nur der Zweck des Gesetzes unterlaufen, sondern auch die Existenz der Empfänger bedroht. Da die Leistungen ohnedies im Wesentlichen im Bereich des Existenzminimums liegen, sind diese unbeschränkt pfändbar analog § 290 Abs 1 EO.

4.5. Zusammengefasst gilt:

Leistungen nach dem Härtefallfondsgesetz sind unpfändbar im Sinn des § 290 Abs 1 EO und genießen Kontenschutz nach § 292i EO.

5. Zutreffend ist die Ansicht der Rekurswerberin, wonach die Überweisung der Ehegattin des Verpflichteten als Zuwendung Dritter weder gemäß § 290 EO unpfändbar noch gemäß § 290a EO beschränkt pfändbar ist und es auf die Widmung nicht ankommt. Ein genereller Kontenschutz, also auch die Berücksichtigung unbeschränkt pfändbarer Forderungen, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die am 2.6.2020, somit einen Tag vor der Pfändung, erfolgte Überweisung von € 320,-- ist vom Guthabensbetrag von € 823,38 abzuziehen und die Pfändung demnach im Umfang von € 503,38 aufzuheben. Gegen die Höhe der Zahlungen aus dem Härtefall-Fonds und die Berechnung des nach § 292i Abs 1 EO zu verbleibenden unpfändbaren Betrages richtet sich der Rekurs nicht.

Dem Rekurs ist daher in diesem gerügten Umfang Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung erster Instanz gründet auf § 43 Abs 1 ZPO, wobei der Verpflichtete im Zwischenstreit mit der Betreibenden zu rund 61 % obsiegte und demnach Anspruch auf Ersatz von 22 % seiner Antragskosten hat.

Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet auf § 74 EO, wobei eine Pauschalgebühr nicht zusteht. Die nunmehr im Rekurs erstmals verzeichneten Kosten der Stellungnahme vom 29.6.2020 stehen nicht zu, weil sie in erster Instanz nicht verzeichnet wurden (§ 54 Abs 1 ZPO).

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses stützt sich auf § 78 EO, § 528 Abs 2 Z 1 ZPO. Entscheidungsgegenstand ist das gepfändete Bankguthaben, weil es nicht um das Exekutionsverfahren insgesamt geht, sondern um einen davon verschiedenen, klar abgrenzbaren Gegenstand, sodass nicht die betriebene Forderung, sondern allein der gepfändete Wert maßgebend ist (vergleiche RIS-Justiz RS0107704 [T3] = 3 Ob 42/06g)

Textnummer

EWZ0000216

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00003:2020:04700R00173.20V.0903.000

Im RIS seit

29.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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