TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/19 97/12/0271

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Veröffentlicht am 19.11.1997
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
63/06 Dienstrechtsverfahren;

Norm

ABGB §870;
ABGB §871;
DO Wr 1994 §71 Abs1 Z3;
DO Wr 1994 §73;
DVG 1984 §8 Abs1;
VwRallg impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. Markus Bernhauser, Rechtsanwalt in Wien I, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 24. Juni 1997, Zl. MA 2/93/96, betreffend die Wirksamkeit einer Dienstentsagung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der 1968 geborene Beschwerdeführer wurde mit Wirksamkeit vom 1. September 1992 als Feuerwehrmann der Verwendungsgruppe C dem Gesetz über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1966 - DO 1966) unterstellt und wurde, zuletzt als Oberfeuerwehrmann, bei der MA 68 - Feuerwehr- und Kastastrophenschutz - verwendet.

Unbestritten ist, daß er unter dem Datum 20. Februar 1996 eine an die Feuerwehrdirektion gerichtete Erklärung folgenden Wortlautes unterfertigte:

"Ich, (es folgt der Vor- und Zuname, das Geburtsdatum und die Wohnanschrift), entsage mit Ablauf des 10. Apr. 1996 dem Dienst bei der MA 68 - Feuerwehr und Katastrophenschutz".

Es handelt sich um einen maschinschriftlich verfaßten Text; links oben findet sich der Zu- und Vorname des Beschwerdeführers, seine Personalnummer, und sein Amtstitel, unterhalb der Erklärung findet sich abermals maschinschriftlich der Zu- und der Vorname, darunter die Unterschrift des Beschwerdeführers. Die Datierung lautet "Wien, 20.2.96", wobei das Datum handschriftlich eingesetzt ist. Beim Datum "10. Apr. 1996" im Text handelt es sich um den Abdruck einer Datumsstampiglie.

Hierauf richtete der Magistrat der Stadt Wien, MA 2, unter dem Datum 28. Februar 1996 einen Bescheid mit folgendem Spruch an den Beschwerdeführer:

"Ihre mit Ablauf des 10. April 1996 erklärte Dienstentsagung wurde gemäß § 73 Abs. 2 der Dienstordnung 1994 (DO 1994) durch das hiefür zuständige Organ angenommen. Ihr Dienstverhältnis ist daher gemäß § 71 Abs. 1 Z. 3 DO 1994 mit 10. April 1996 aufgelöst."

Begründet wurde dies damit, daß der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20. Februar 1996 dem Dienst entsagt habe. Da seinem Begehren vollinhaltlich Rechnung getragen worden sei, könne gemäß § 58 Abs. 2 AVG eine Begründung entfallen.

Dagegen erhob der nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführer Berufung. Darin brachte er vor, die von der Behörde angenommene Dienstentsagung sei durch folgenden Hergang entstanden: er sei mit Schreiben der MA 68 vom 16. Februar 1996 (das er in Kopie beilegte) zu einer persönlichen Aussprache mit dem Leiter der Berufsfeuerwehr Wien eingeladen worden. Als Grund der Vorladung sei in diesem Schreiben angeführt worden, daß beim Beschwerdeführer eine "Nichterbringung des Anstellungserfordernisses (Leistungdiagnostik)" vorliege. Am 20. Februar 1996 sei sodann eine Besprechung mit dem Leiter der Berufsfeuerwehr und einem anderen Beamten erfolgt, wobei ihm nahegelegt worden sei, dem Dienst zu entsagen, da er ansonsten gekündigt werden würde. Würde er gekündigt werden, so hätte er aufgrund dieses Umstandes keine Chancen mehr jemals im Inland Arbeit zu finden, er könnte dann allenfalls in einem näher bezeichneten ausländischen Staat Arbeit suchen. Dies sei ihm wortwörtlich mitgeteilt worden. Ihm sei ein vorbereitetes Schreiben bezüglich der Dienstentsagung vorgelegt (Anmerkung: es handelt sich um die zuvor wiedergegebene Erklärung) und mitgeteilt worden, daß er gekündigt würde, wenn er dieses Schreiben nicht binnen einer halben Stunde unterfertigen würde. Er habe sodann nach einer halben Stunde Bedenkzeit dieses Schreiben unterfertigt, dies jedoch in der Annahme, daß seine "Leistungdiagnostikwerte" derart schlecht seien, daß er keine wie immer gearteten Dienste bei der MA 68 verrichten könne. Er habe in der Folge an diesen

"Leistungsdiagnostik-Feststellungen" gezweifelt und sich zu einem Facharzt begeben, welcher ihn untersucht und dabei festgestellt habe, daß bei ihm ganz normale Leistungswerte vorlägen. Ebenso existiere ein Laborbefund, bei welchem sich ergeben habe, daß seine Blutwerte einwandfrei seien.

Es sei somit davon auszugehen, daß die "Dienstentsagung" durch einen Irrtum in bezug auf seinen Gesundheitszustand erfolgt sei. Dieser Irrtum sei in der Sphäre des Dienstgebers verursacht worden und es hätte der Beschwerdeführer bei Kenntnis "der wirklichen Situation seines Gesundheitszustandes" keine Dienstentsagung vorgenommen. Es wäre somit bei richtiger Tatsachenfeststellung und dienstbezüglicher Aufklärung durch den Dienstgeber zu einer anderen rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz gekommen. Es wäre ihm von seinen Vorgesetzten keine Kündigung angedroht worden und das Dienstverhältnis würde weiter bestehen. Allenfalls wäre mit ihm vereinbart worden, daß er "eine weniger beanspruchende Dienstart in Hinkunft verrichtet". Zum Verständnis der Situation sei noch hinzuzufügen, daß beim Gespräch vom 20. Februar 1996 kein Personalvertreter beigezogen worden sei.

Die belangte Behörde ergänzte das Ermittlungsverfahren; insbesondere wurden der Beschwerdeführer, der Leiter der Feuerwehr, zwei bei dem Gespräch ebenfalls anwesende Beamte, sowie der damals beigezogene Schriftführer einvernommen.

Der Beschwerdeführer gab bei dieser Einvernahme am 12. September 1996 an, er habe am 20. Februar 1996 seinen Dienst nach einem Krankenstand wieder angetreten. Er habe sich bei einem näher bezeichneten Amtsarzt melden müssen, der ihn wegen seiner erhöhten Pulswerte untersucht habe. Der Amtsarzt habe erklärt, er benötige eine Leistungsergometrie sowie einen Blutbefund. Weiters habe er mitgeteilt, er müsse sich mit Herrn E zum Leiter der Feuerwehr begeben (...). Bei dieser Unterredung seien ihm seine häufigen Krankenstandstage vorgehalten worden. Hiezu gebe er an, daß diese auf Dienstunfällen beruhten. Er habe lediglich einmal während der Grundausbildung eine Grippe gehabt und sei während des Kurses nach Hause geschickt worden. Weiters sei ihm bei dieser Unterredung vorgehalten worden, er würde sich nie einer Leistungsdiagnostik unterziehen (Anmerkung: den Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß es sich dabei um eine Art Sportprüfung handelt, die in den ersten sechs Jahren der Ausbildung zum Oberfeuerwehrmann jährlich abgelegt werden muß) und man fühle sich "gefrozzelt" (im Original unter Anführungszeichen). Dazu gebe er an, daß er sehr wohl zur Leistungsdiagnostik angetreten sei, jedoch sei diese jedesmal abgebrochen worden, dies aufgrund seiner erhöhten Pulswerte und einmal wegen einer Gehirnerschütterung, die er sich dabei zugezogen habe. Einmal sei ein Leistungstest verschoben worden, weil er kurz zuvor einen Riß in der Speiseröhre gehabt habe.

Bei dieser Unterredung sei ihm auch Alkohol- und Medikamentenmißbrauch im Dienst vorgeworfen worden. Dazu gebe er an, daß er einmal im Dienst Medikamente genommen habe, was aufgrund einer Stirnhöhlenentzündung erfolgt sei. Er habe aber seinen Dienst trotzdem unbeeinträchtigt versehen. Was den Vorwurf des Alkoholmißbrauches anlange, gebe er an, daß dieser Vorwurf von der Dienststelle bereits widerrufen worden sei. Es habe sich dabei um eine Verwechslung gehandelt.

Nach diesen Vorwürfen habe ihm der Leiter der Feuerwehr erklärt, während er ihm das vorbereitete Schreiben einer Dienstentsagung in vierfacher Ausfertigung vorgelegt habe, er solle diese Dienstentsagung unterschreiben, ansonsten würde er anrufen und binnen einer halben Stunde wäre die Kündigung ausgesprochen. Er habe weiters gesagt, im Falle einer Kündigung würde er bestenfalls in einem (in der Niederschrift) näher bezeichneten Staat Arbeit finden. Vertrauensperson sei bei dieser Unterredung keine anwesend gewesen, weil alle in einer Sitzung gewesen wären. Er habe die Dienstentsagung unterschrieben, "weil ich diese Drohung ernst genommen habe. Erstens war ich nicht definitiv sondern nur provisorisch pragmatisiert und zweitens war mir bewußt, daß die Lage am Arbeitsmarkt schlecht ist und man mit einer Kündigung schlecht dran ist". Er habe Fernmeldemonteur gelernt, sei zehn Jahre bei der Post gewesen und wisse, daß die Berufsaussichten schlecht seien. Nach seiner Unterschriftsleistung auf der Dienstentsagung habe er sich zur Personalstelle begeben müssen, "um restliche Urlaubsansprüche usw. abzuklären".

Als er dann am nächsten und übernächsten Tag mit einer Vertrauensperson gesprochen habe, habe er bemerkt, daß es nicht richtig gewesen sei, daß er die Dienstentsagung unterschrieben habe. Er habe sich in die MA 2 begeben und dort habe man ihm gesagt, er müsse sich neu um Aufnahme bewerben. Da sich "über den Vertrauenspersonenausschuß" an seiner Dienstentsagung nichts mehr habe ändern lassen, habe er die Sache seinem Rechtsanwalt übergeben.

Bis zu seinem Krankenstand, der am 8. Februar 1996 begonnen habe, habe er sämtliche Tätigkeiten wie Einsätze mit Atemschutzgerät und Brandbekämpfung erfüllt. Er sei in diesen Krankenstand von seiner Dienststelle "geschickt" worden, weil man bei einer Leistungsdiagnostik, die am 8. Februar 1996 stattgefunden habe, einen erhöhten Ruhepuls festgestellt habe. In den vier Jahren seiner Dienstzeit habe er an etwa 2500 bis 3000 Einsätzen teilgenommen. Er habe dabei keine Probleme gehabt, "außer den erwähnten Dienstunfällen" (...). Er sei "über den Vorschlag der Dienstentsagung völlig überrascht" gewesen. Es habe hiezu keine Vorankündigung gegeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abgewiesen und den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid mit der Ergänzung bestätigt, daß die mit Ablauf des 10. April 1996 erklärte Dienstentsagung durch den Magistrat der Stadt Wien als zuständiges Organ angenommen worden und das Dienstverhältnis mit Ablauf des 10. April 1996 aufgelöst sei.

Begründend führte die belangte Behörde nach der Darstellung des Verfahrensganges sowie der §§ 871 Abs. 1 und 901 ABGB sowie der §§ 71 und 73 DO 1994 aus, ein rechtlich relevanter Irrtum liege nicht vor (wurde näher dargelegt). Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, vom Vorschlag der Dienstentsagung völlig überrascht gewesen zu sein, und es keine Vorankündigung dafür gegeben habe, sei dazu festzuhalten, daß dies nicht relevant sei. Ebenso sei die Tatsache, daß man ihm mitgeteilt habe, der Meinung zu sein, eine Dienstentsagung wäre für sein berufliches Weiterkommen besser als eine Kündigung, nicht relevant. Es könne darin keinerlei Zwang oder Drohung erkannt werden, die Zweifel an einer freien Willenserklärung des Beschwerdeführers bei seiner Dienstentsagung aufkommen hätte lassen. Dies sei übrigens nicht einmal vom Beschwerdeführer behauptet worden. Auch sein Vorbringen, daß während der Unterredung kein Personalvertreter anwesend gewesen sei, sei irrelevant, weil dessen Nichtanwesenheit keinesfalls die Gültigkeit der Dienstentsagung berühre.

Der Beschwerdeführer habe bei seiner Einvernahme (im Berufungsverfahren) unter anderem angegeben, daß ihm auch seine häufigen Krankenstände, "das Unterziehen bei Leistungsdiagnostiken" sowie Alkohol- und Medikamentenmißbrauch vorgeworfen worden seien. Auch dies sei irrelevant, weil der Grund, der zur Androhung der Kündigung geführt habe, allein schon im Nichterbringen der Leistungsdiagnostik gelegen sei. Dies sei auch, wie sich aus dem Schreiben der MA 68 vom 16. Februar 1996 entnehmen lasse, das Thema der Unterredung vom 20. Februar 1996 gewesen. Ob daneben noch Beanstandungen gegen den Beschwerdeführer vorgelegen und ob diese berechtigt oder unberechtigt gewesen seien, sei unbeachtlich, weil sie für die Verbindlichkeit der Dienstentsagung nicht ausschlaggebend gewesen seien. Auch das Vorbringen des Personalvertreters, daß der Beschwerdeführer eine "sehr gute" Dienstbeschreibung erhalten habe, sei deshalb nicht relevant. Auch das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers in näher bezeichneten Schriftsätzen sei rechtlich unerheblich. Zu den von ihm kritisierten Widersprüchen und zu den behaupteten Unrichtigkeiten in den Zeugenaussagen sei festzustellen, daß die davon betroffenen Punkte nicht Beweisthema seien. Weder aus den Zeugenaussagen noch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers hätten sich Indizien für das Vorliegen eines Erklärungs- oder Geschäftsirrtums ergeben.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind die §§ 71 und 73 der Dienstordnung 1994, LGBl. Nr. 56 (Wiederverlautbarung der DO 1966), in der Fassung vor der am 1. September 1996 in Kraft getretenen zweiten Novelle zur DO 1994, LGBl. Nr. 33/1996, also in der Stammfassung, anzuwenden.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 3 DO 1994 wird das Dienstverhältnis durch Dienstentsagung aufgelöst.

Nach § 73 Abs. 1 DO 1994 kann der Beamte des Dienst- oder Ruhestandes ohne Angabe von Gründen dem Dienst entsagen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Dienstentsagung schriftlich zu erklären; sie bedarf der Annahme.

Daraus ergibt sich, daß es sich bei der Erklärung des Beamten, dem Dienst zu entsagen, um eine formgebundene (Schriftlichkeit ist erforderlich) Willenserklärung des Beamten handelt, die (nicht bloß empfangsbedürftig, sondern vielmehr) annahmebedürftig ist.

Das Gesetz sagt allerdings nicht, in welcher Form die Annahme zu erfolgen hat. Jedenfalls aber enthält der angefochtene Bescheid einen normativen Abspruch über das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers, der von einer Annahme durch das zuständige Organ ausgeht.

Da der Beschwerdeführer behauptet, seine Dienstentsagungserklärung sei rechtsunwirksam gewesen, kann ihm ein rechtliches Interesse (die Beschwer) an der Bekämpfung dieses Bescheides (und in der weiterer Folge die Beschwerdelegitimation) nicht abgesprochen werden, was im übrigen von der belangten Behörde auch nicht in Zweifel gezogen wurde.

Im Beschwerdeverfahren macht der Beschwerdeführer zusammenfassend geltend, seine Erklärung, dem Dienst zu entsagen, sei wegen Willensmängeln rechtsunwirksam, und zwar - entgegen der Beurteilung der belangten Behörde - wegen Irrtums (§ 871 ABGB), aber auch wegen List und Furcht im Sinne des § 870 ABGB, was die belangte Behörde zu Unrecht zu prüfen unterlassen habe.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer jedenfalls im Ergebnis im Recht:

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß ein Irrtum im Sinne des § 871 ABGB geeignet ist, die Rechtswirksamkeit eines Verzichtes auf einen im öffentlichen Recht wurzelnden Rechtsanspruch auszuschließen. Da allgemeine Regelungen über die Wertung von Willenserklärungen in den Verwaltungsvorschriften oder in den Verfahrensvorschriften nicht enthalten sind, hat der Verwaltungsgerichtshof die in der Judikatur vorgenommene Heranziehung des ABGB in dieser Frage für berechtigt gehalten (siehe dazu hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1975, Zl. 1268/74 = Slg. Nr. 8860/A - nur Leitsatz, und das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1993, Zl. 89/12/0200).

Dementsprechend hatte die belangte Behörde, da die Erklärung der Dienstentsagung mit der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform erforderlich ist, zu prüfen, ob die Erklärung frei von wesentlichen Willensmängeln war oder nicht (in diesem Sinne das hg. Erkenntnis vom 9. November 1981, Zl. 12/1651/80, zu einer Dienstentsagung gemäß § 56 DO 1966; diese in der Folge in einer aus dem Blickwinkel des Beschwerdefalles unerheblich geänderte Bestimmung hat anläßlich der Wiederverlautbarung der DO 1966 als DO 1994 die Paragraphenbezeichnung "73" erhalten). Zu diesen wesentlichen Willensmängeln zählt aber nicht nur der Irrtum (§ 871 ABGB), sondern auch List und Furcht (§ 870 ABGB).

Nach § 870 ABGB ist, wer von dem anderen Teile durch List oder durch ungerechte und begründete Furcht (§ 55) zu einem Vertrage veranlaßt worden, ihn zu halten nicht verbunden. Diese Bestimmung verweist auf den aufgehobenen § 55 (es handelte sich um eine eherechtliche Bestimmung). Diese lautete: "Ob die Furcht gegründet war, muß aus der Größe und Wahrscheinlichkeit der Gefahr, und aus der Leibes- und Gemütsbeschaffenheit der bedrohten Person beurteilt werden".

Beschwerdefallbezogen hatte die belangte Behörde bei ihrer Prüfung, ob die Erklärung des Beschwerdeführers, dem Dienste zu entsagen, frei von wesentlichen Willensmängeln war, nicht nur zu prüfen, ob Irrtum (§ 871 ABGB) vorlag, sondern auch, ob er bei Abgabe dieser Erklärung derart unter Druck gesetzt wurde (und deshalb die Erklärung abgab), daß die Voraussetzungen des § 870 ABGB vorlagen. Sie war deshalb dazu verhalten, weil die (in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebene) Aussage des Beschwerdeführers im Zuge des Berufungsverfahrens auch in diese Richtung geht; der Umstand, daß dies in der Berufung in dieser Form nicht zum Ausdruck gebracht wurde, vermag an der Prüfungspflicht der Behörde nichts zu ändern, ist sie doch gemäß § 8 Abs. 1 DVG verpflichtet, im Dienstrechtsverfahren die zum Vorteil und Nachteil der Partei dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen. Zutreffend wird in der Beschwerde darauf verwiesen, daß die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 870 ABGB vorlagen, ohne Feststellung der näheren Umstände, unter welchen der Beschwerdeführer (der im übrigen anders als der Beschwerdeführer im bereits genannten Vorerkenntnis vom 9. November 1981, Zl. 12/1651/80, kein rechtskundiger Beamter ist) diese Erklärung abgab, nicht möglich ist. Derartige Feststellungen und damit eine Auseinandersetzung mit den diesbezüglich widerstreitenden Aussagen fehlen aber.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß auf das weitere Vorbringen in der Beschwerde einzugehen wäre; auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein rechtserheblicher Irrtum vorlag oder nicht, kann daher unterbleiben, zumal auch nicht absehbar ist, welcher Sachverhalt sich letztlich ergeben wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft zuviel entrichtete Stempelgebühren und solche, die für die hier nicht erforderliche dritte Ausfertigung der Beschwerde entrichtet wurden.

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997120271.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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