TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/2 L525 1431514-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.10.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

L525 1431514-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA: Pakistan, vertreten durch die bestellte Abwesenheitskuratorin Mag. Alina HARTL, LLB. oec, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 4, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 6.8.2019, Zl. 612632302-190388523/BMI-BFA_SBG_AST_01, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer - ein pakistanischer Staatsangehöriger - stellte am 28.11.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 29.11.2012 einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Zu seinen Ausreisegründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er sei während seines Militärdienstes Anfang März 2011 von zwei Taliban bedroht worden. In der Militärkaserne in Bannu, wo der Beschwerdeführer Dienst versehen habe, seien diese 40 Taliban in Haft gewesen und hätte der Beschwerdeführer die Haftaufsicht gehabt. Er habe niemanden von der Bedrohung durch die Taliban erzählt. Später habe er diese Leute nicht mehr gesehen aber habe er von seinem Vater erfahren, dass zwei Leute im Mai 2011 bei ihm zu Hause gewesen wären und nach ihm gefragt hätten. Er habe außerdem seitens des pakistanischen Militärs mit Sanktionen zu rechnen, da er vom Militär ohne zu kündigen weggegangen sei. Er habe mit einer Freiheitsstrafe zu rechnen.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 5.12.2012 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen, nicht der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und wurde seine Ausweisung nach Pakistan verfügt.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung an den Asylgerichtshof.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 15.1.2013, Zl. E5 431.514-1/2013-5E wurde der Beschwerde stattgegeben, der Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen.

Der Asylgerichtshof führte im Wesentlichen aus, dass das Bundesasylamt habe sich nicht ausreichend mit der aktuellen Lage von Deserteuren in Pakistan auseinandergesetzt. Das Bundesasylamt habe daher im fortgesetzten Verfahren aktuelle Erhebungen zu den Folgen einer ungerechtfertigten Entfernung vom pakistanischen Militär zu treffen haben.

Das Bundesasylamt führte weitere Ermittlungen durch.

Mit Bescheid vom 13.12.2017 wies das mittlerweile zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz abermals ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer allerdings den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsbewilligung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 12.12.2018 (Spruchpunkt III.). Begründend führte das BFA aus, der Beschwerdeführer habe glaubhaft angegeben, dass er sich unerlaubt von der pakistanischen Armee entfernt habe. Recherchen hätten ergeben, dass Deserteure üblicherweise mit einer einjährigen Haftstrafe zu rechnen hätten. Die Haftbedingungen in Pakistan seien teilweise lebensbedrohlich und könne eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle der Abschiebung nicht ausgeschlossen werden.

Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.5.2019 mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom gleichen Tag, Zl. L512 1431514-2 als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer erschien unentschuldigt nicht zur Verhandlung und stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass keine Hinweise auf ein entschuldigtes Fernbleiben vorliegen würden. Der Beschwerdeführer wurde ordnungsgemäß geladen. Das Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

Bereits mit Schreiben vom 3.1.2019 teilte die LPD Salzburg - Landeskriminalamt dem BFA mit, dass der Beschwerdeführer verdächtig sei, am 24.9.2018 um 18:20 Uhr insgesamt neun Videodateien auf dessen Facebook-Profil hochgeladen habe und in weiterer Folge via Messenger einer bislang unbekannten Person sonst zugänglich gemacht habe. Drei dieser Videosequenzen würden augenscheinlich kinderpornographischen Inhalt zeigen, nämlich eine Sequenz von sechs Sekunden, die einen unmündigen/nachten Knaben asiatischer Herkunft, der in Rückenlage auf einem Bett liege. Der Penis sei erigiert und ein Kätzchen würde mit einer Pfote und dem Maul den Penis betasten. Eine Videosequenz von zehn Sekunden zeige die augenscheinliche anale Penetration eines unmündigen Minderjährigen mit dem Penis einer erwachsenen Person. Eine weitere Videosequenz von einer Minute und 13 Sekunden zeige Detailaufnahmen einer Analpenetration mit einem Penis. Gesicht und Oberkörper sei handelnden Personen seien nicht erkennbar.

Mit Mail vom 16.4.2019 gab die LPD Salzburg dem BFA bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Salzburg eine schriftliche Anordnung auf Durchsuchung/Sicherstellung an der Meldeadresse des Beschwerdeführers erlassen habe. Der Beschwerdeführer könne aber nicht erreicht werden. Sein Mobiltelefon (Anm.: mit angeführter Nummer) sei ausgeschaltet. Der Beschwerdeführer sei derzeit unbekannten Aufenthalts. Nach Auskunft seines letzten Arbeitgebers sei der Beschwerdeführer Ende Dezember 2018 in den Urlaub nach Pakistan geflogen und sei von dort nicht mehr zurück. Angeblich gebe es Probleme mit dem Flugticket. Das Ermittlungsverfahren werde daher abgebrochen und die Aufenthaltsermittlung des Beschwerdeführers bei der Staatsanwaltschaft begehrt.

Im Akt befindet sich darüber hinaus ein Amtsvermerk der LPD Salzburg vom 16.4.2019, wonach der Beschwerdeführer trotz mehrere Versuche nicht an seiner Meldeadresse erreicht werden habe können. Sein konkreter Aufenthalt sei unbekannt. Die von seinem Mitbewohner angegebene Telefonnummer sei nicht mehr aktuell bzw. laut Bandansage nicht vergeben. Versuche den Beschwerdeführer an den der LPD bekannten Telefonnummern zu erreichen seien ergebnislos verlaufen. Weiterführende Erhebungen am 28.3.2019 hätten ein Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers ergeben. Nach Aufsuchen des Restaurants am 2.4.2019 sei der Geschäftsführer unter einer konkret angeführten Telefonnummer kontaktiert worden. Dieser hätte bekannt gegeben, dass der Beschwerdeführer seit etwa Ende Dezember 2018 in Pakistan auf Urlaub sein soll. Seine Rückkehr werde für den 6.4.2019 erwartet. Am 8.4.2019 sei neuerlich mit dem Geschäftsführer des Restaurants Kontakt aufgenommen worden. Dieser habe bekannt gegeben, dass der Beschwerdeführer am 6.4.2019 nicht zur Arbeit erschienen sei. Der Beschwerdeführer habe sich einmal telefonisch gemeldet (offenbar gemeint: beim Geschäftsführer) und angegeben, dass etwas mit seinem Flugticket nicht passen würde. Am 15.4.2019 sei um 10:00 und um 16:00 Uhr abermals an der Meldeadresse des Beschwerdeführers Hauserhebungen durchgeführt worden, die beide negativ verlaufen seien. Anrufe würden sofort auf die Mailbox umgeleitet werden. Am 16.4.2019 sei abermals mit dem Geschäftsführer Kontakt aufgenommen worden. Der Beschwerdeführer sei nicht zur Arbeit erschienen und werde er den Beschwerdeführer bei der Gebietskrankenkasse abmelden.

Mit Schreiben vom 8.7.2019 beantragte das BFA beim Bezirksgericht Salzburg die Bestellung eines Abwesenheitskurators gemäß § 11 AVG. Mit Beschluss des BG Salzburg vom 1.8.2019, Zl. 44 P 49/19t-7 wurde diesem Antrag stattgegeben.

Mit dem nunmehr gegenständlichen Bescheid vom 6.8.2019 entzog das BFA dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt I.). Die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter werde gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG werde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Das BFA erlies eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe seit dem 11.6.2019 keinen aufrechten Wohnsitz in Österreich und sei der Lebensmittelpunkt außerhalb von Österreich. Der Beschwerdeführer habe seinen Lebensmittelpunkt von Österreich weg nach Pakistan verlegt und sich dort niedergelassen. Der Beschwerdeführer habe sich freiwillig nach Pakistan zurückbegeben, weswegen keine Gefahr einer Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK oder Art 6 oder 13 ZP EMRK bestünde. Die Voraussetzungen der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten würden nicht mehr vorliegen. Der Beschwerdeführer könne sich wieder in Pakistan niederlassen und verfüge der Beschwerdeführer über familiäre Anknüpfungspunkte in Pakistan. Die Familie besitze ein Haus in Pakistan und bestehe ein aufrechter Kontakt zu den Verwandten in Pakistan. Die Sprache und die Kultur und leide der Beschwerdeführer an keiner Erkrankung, die ein Rückkehrhindernis oder eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit darstellen würde. Der Beschwerdeführer habe in Pakistan die Schule besucht und in der Armee gedient. Der Beschwerdeführer sei arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer habe keine Angehörigen in Österreich und stelle die Rückkehrentscheidung keinen Eingriff in das Familienleben dar.

Der Beschwerdeführer erhob durch seine bestellte Abwesenheitskuratorin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend führte die Beschwerde aus, der Beschwerdeführer habe seinen Mittelpunkt eben nicht in einen anderen Staat verlegt, sondern habe die belangte Behörde dies nicht ausreichend ermittelt. Die belangte Behörde stütze sich lediglich auf die ZMR-Meldung des Beschwerdeführers, was keinen ausreichenden Beleg bieten würde, dass der Beschwerdeführer tatsächlich nach Pakistan übersiedelt sei. Bereits im Ermittlungsverfahren sei der ehemalige Arbeitgeber des Beschwerdeführers bekannt gewesen und hätte dieser befragt und den Kontakt des Bruders des Beschwerdeführers nennen können. Dieser hätte dann die Gründe darlegen können, weswegen der Beschwerdeführer nicht in Österreich sei. Außerdem sei die Lage in Pakistan nicht sicher, als dass eine Rückkehr zumutbar sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer stellte im November 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid vom 13.12.2017 ein befristetes Aufenthaltsrecht gemäß § 8 AsylG bis zum 12.12.2018 erteilt. Dieses Aufenthaltsrecht wurde mit Bescheid vom 17.12.2018 bis zum 12.12.2020 verlängert. Grund für die Titelerteilung war, dass der Beschwerdeführer sich als Angehöriger der pakistanischen Armee vom Dienst entfernt hat und nicht ausgeschlossen werden konnte, dass dem Beschwerdeführer in Pakistan im Falle seiner Rückkehr Haft droht. Die Haftbedingungen wurden im rechtskräftigen Bescheid als potentiell EMRK widrig eingestuft.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt nicht mehr in Österreich, spätestens aber seit April 2019. Der Beschwerdeführer hat keine Beschäftigung mehr in Österreich und verfügt über keinen aufrechten Wohnsitz. Der Beschwerdeführer ist derzeit zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben. Der Beschwerdeführer ist telefonisch nicht erreichbar. Für den Beschwerdeführer wurde ein Abwesenheitskurator bestellt. Der Beschwerdeführer hat ein Deutschzertifikat A1 und A2 erworben. Der Beschwerdeführer war zuletzt vom 1.2.2019 bis um 30.4.2019 geringfügig als Arbeiter beschäftigt. Zuvor war er vom 1.11.2018 bis zum 31.1.2019 als Arbeiter beschäftigt.

Der Beschwerdeführer verfügt in Pakistan über familiäre Anknüpfungspunkte und steht mit ihnen in Kontakt. Der Beschwerdeführer stammt aus Hafizabad im Punjab. Der Beschwerdeführer hat die Schule in Pakistan abgeschlossen und danach bei der Armee gedient. Der Beschwerdeführer spricht Punjabi und Urdu und bekennt sich zum sunnitischen Islam und zur Volksgruppe der Punjabi. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Bruder des Beschwerdeführers in Österreich aufhältig ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Pakistan einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.

Weiters kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und Beweismittel nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung der EMRK bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat.

Eine berücksichtigungswürdige Integration konnte nicht festgestellt werden.

1.2 Länderfeststellungen:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation

Pakistan

Gesamtaktualisierung am 16.05.2019

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom. Das Hauptstadtterritorium Islamabad ("Islamabad Capital Territory") bildet eine eigene Verwaltungseinheit (AA 1.2.2019a).

Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan ca. 207,8 Millionen Einwohner ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit-Baltistan (PBS 2017a), wo zusammengerechnet weitere ca. 5,5 Millionen Menschen leben (AJK PDD 2017 + Khan 2017 S 88-89). Das Land ist der sechst-bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 5.2.2019).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament (Nationalversammlung und Senat). Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt für fünf Jahre gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert (AA 1.2.2019a). Die reservierten Sitze werden von den Parteien gemäß ihrem Stimmenanteil nach Provinzen besetzt, wobei die Parteien eigene Kandidatenlisten für diese Sitze erstellen. (Dawn 2.7.2018).

Bei der Wahl zur Nationalversammlung (Unterhaus) am 25. Juli 2018 gewann erstmals die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI: Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) unter Führung Imran Khans die Mehrheit (AA 1.2.2019a). Es war dies der zweite verfassungsmäßig erfolgte Machtwechsel des Landes in Folge (HRW 17.1.2019). Die PTI konnte durch eine Koalition mit fünf kleineren Parteien sowie der Unterstützung von neun unabhängigen Abgeordneten eine Mehrheit in der Nationalversammlung herstellen (ET 3.8.2018). Imran Khan ist seit Mitte August 2018 Premierminister Pakistans (AA 1.2.2019).

Unabhängige Beobachter berichten von technischen Verbesserungen beim Wahlablauf (USDOS 13.3.2019), jedoch war die Vorwahlzeit geprägt von Einflussnahmen durch Militär und Nachrichtendienste (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019) insbesondere gegen die bisherige Regierungspartei Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N) (FH 1.2019). Die Wahlbeobachtermission der EU schätzte den Wahlverlauf als transparent und gut durchgeführt ein, jedoch erschwerte die Selbstzensur der Berichterstatter das Treffen von qualifizierten Wahlentscheidungen für die Wähler (EUEOM 27.7.2018).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von Parlament und Provinzversammlungen gewählt. Am 9. September 2018 löste Arif Alvi von der Regierungspartei PTI den seit 2013 amtierenden Präsidenten Mamnoon Hussain (PML-N) Staatspräsident regulär ab (AA 1.2.2019a).

Der Fokus der PTI-Koalitionsregierung liegt laut offizieller Darstellung auf dem Kampf gegen Korruption, der Sanierung von Wirtschaft und Finanzen sowie einem besseren Bildungs- und Gesundheitssystem (AA 1.2.2019a). In der Praxis dominiert das Militär wichtige Politikbereiche, insbesondere innere sowie äußere Sicherheit und Beziehungen zu - für Pakistans äußere Sicherheit zentralen - Staaten wie Afghanistan, Indien und USA (AA 21.8.2018; vgl. FH 1.2019). Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert und der Generaldirektor des Inter-Services Intelligence (ISI) gilt neben dem Armeechef als mächtigste Person im Land (Globalsecurity.org o.D.).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019a): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan-innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019

AJK PDD - Azad Government of the State of Jammu and Kashmir - Planning & Development Department (2017): Azad Jammu & Kashmir at a Glance 2017, https://pndajk.gov.pk/uploadfiles/downloads/At%20a%20Glance%202017.pdf, Zugriff 4.4.2019

CIA - Central Intelligence Agency (5.2.2019): World Factbook - Pakistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 21.2.2019

Dawn (2.7.2018): Mechanism for filling reserved seats seen as flawed, https://www.dawn.com/news/1417406, Zugriff 23.4.2019

EUEOM - European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf, Zugriff 1.4.2019

ET - Express Tribune, the (3.8.2018): MQM support gives PTI required majority in NA, https://tribune.com.pk/story/1772639/1-mqm-p-throws-weight-behind-pti/, Zugriff 23.4.2019

FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2019 - Pakistan, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/pakistan, Zugriff 12.3.2019

Globalsecurity.org (o.D.): Directorate for Inter-Services Intelligence [ISI] http://www.globalsecurity.org/intell/world/pakistan/isi.htm, Zugriff 12.3.2019

HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002256.html, Zugriff 12.3.2019

Khan, Ehsan Mehmood (2017): Constitutional Status of Gilgit Baltistan: An Issue of Human Security, https://www.ndu.edu.pk/issra/issra_pub/articles/margalla-paper/Margalla-Paper-2017/7-Constitutional-Status-Dr-Ehsan-Mehmood-Khan.pdf, Zugriff 4.4.2019

PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): Press Release on Provisional Results of 6th Population and Housing Census - 2017, http://www.statistics.gov.pk/assets/publications/Population_Results.pdf, Zugriff 1.4.2019

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 - Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019

Sicherheitslage

1.1. Punjab und Islamabad

Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).

Die Sicherheitslage in Islamabad ist besser als in anderen Regionen (EASO 10.2018 S 93). Die Sicherheitslage im Punjab gilt als gut (SAV 29.6.2018). Mehrere militante Gruppierungen, die in der Lage sind, Anschläge auszuüben, sind im Punjab aktiv (EASO 10.2018 S 63-64; vgl. SAV 29.6.2018). In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan (TTP), Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017); beispielsweise wurden bei einem Bombenanschlag durch die TTP-Splittergruppe Hizbul-Ahrar auf Polizeieinheiten vor einem Sufi-Schrein in Lahore am 8.5.2019 zehn Personen getötet. (Guardian 8.5.2019; vgl. Reuters 8.5.2019). Der Südpunjab gilt als die Region, in der die militanten Netzwerke und Extremisten am stärksten präsent sind (EASO 10.2018 S 63-64).

Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwei Toten (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 wurde von PIPS im Hauptstadtterritorium kein terroristischer Angriff gemeldet. Im Punjab gab es vier terroristische Anschläge mit 20 Todesopfern. Zwei davon waren Selbstmordsprengangriffe durch die pakistanischen Taliban (PIPS 7.1.2019 S 49). Im Jahr 2017 kamen im Punjab bei 14 Anschlägen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Das Hauptstadtterritorium verzeichnete drei Anschläge mit zwei Todesopfern (PIPS 7.1.2018).

Quellen:

ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (7.2.2017): Regional Violence in Pakistan, https://www.crisis.acleddata.com/regional-violence-in-pakistan/. Zugriff 5.4.2019

EASO - European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan - Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019

Guardian, the (8.5.2019): Pakistan: 10 dead after blast near Sufi shrine in Lahore, https://www.theguardian.com/world/2019/may/08/pakistan-dead-blast-near-major-sufi-shrine-lahore, Zugriff 15.5.2019

ICTA - Islamabad Capital Territory Administration (o.D.): About ICTA, https://ictadministration.gov.pk/about-icta/, Zugriff 5.4.2019

PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017d): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 26.3.2019

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (10.4.2019): Pakistan Monthly Security Report: March 2019, https://pakpips.com/app/reports/477, Zugriff 10.4.2019

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (6.2.2019): Pakistan Monthly Security Report: January 2019, https://pakpips.com/app/reports/433, Zugriff 2.4.2019

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.3.2019): Pakistan Monthly Security Report: February 2019, https://pakpips.com/app/reports/453, Zugriff 2.4.2019

Reuters (8.5.2019): Militant bomb near Sufi shrine kills 10 in Pakistan's Lahore, https://www.reuters.com/article/us-pakistan-blast/militant-bomb-near-sufi-shrine-kills-10-in-pakistans-lahore-idUSKCN1SE0C2, Zugriff 15.5.2019

SAV - South Asian Voices (29.6.2018): What the Case of Punjab Says about Pakistan's Counterterrorism Policy, https://southasianvoices.org/pakistan-counterterrorism-punjab/, Zugriff 23.4.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 13.3.2019). Die pakistanische Verfassung und die Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem. Wenngleich gemäß Verfassung alle Gesetze grundsätzlich im Einklang mit der Scharia stehen müssen, ist deren Einfluss auf die Gesetzgebung eher beschränkt, abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen (ÖB 10.2018).

Der Aufbau des Justizsystems ist in der Verfassung geregelt. Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht und kann sich in Fällen von öffentlichem Interesse auch der Rechtsdurchsetzung bei Grundrechtsverletzungen, die gem. Verfassung in die Zuständigkeit der High Courts fällt, annehmen. Die fünf High Courts (je einer pro Provinz und im Islamabad Capital Territory) fungieren u.a. als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte. Ferner bestehen Provinz- und Distriktgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Steuern, Banken und Zoll (ÖB 10.2018).

Des Weiteren existiert gemäß Verfassung ein Federal Shariat Court, der zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Islam angerufen werden und diesbezüglich auch von sich aus tätig werden kann. Er fungiert zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in Delikten nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in - Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden - Teilen entschärft wurden (ÖB 10.2018).

Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt. Der Supreme Court und die High Courts gelten als chronisch überlastet (ÖB 10.2018).

Die Justiz steht weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 21.8.2018). Gerichte sind überlastet, die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 1.2.2019). Laut NGOs und Rechtsexperten ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen beeinträchtigt (USDOS 13.3.2019). Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran (AA 21.8.2018).

Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 13.3.2019).

Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, den Zugang zu Rechtsmitteln oder eine faire und effektive Anhörung (USDOS 13.3.2019).

Zivile Streitigkeiten, insbesondere wegen Eigentum und Geld, sind ein häufiger Grund für Mordfälle in Pakistan. Die oftmals Jahrzehnte dauernden Verzögerungen bei Urteilen durch Zivilgerichte können zu außergerichtlicher Gewaltanwendung zwischen den Streitparteien führen (JPP 4.10.2018). De facto spielt in weiten Landesteilen das staatliche Recht für normale Pakistaner kaum eine Rolle (AA 21.8.2018). Vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans bestehen informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen und die oft Menschenrechtsverletzungen zur Folge haben (USDOS 13.3.2019; vgl. ÖB 10.2018). Für mehr Details siehe Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden..

Die örtliche Zuständigkeit von Supreme Court und High Courts erstreckte sich gemäß Verfassung grundsätzlich nicht auf die Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas - PATA, und Federally Administered Tribal Areas - FATA; vgl. Art. 246 der Verfassung). Mit Ende Mai 2018 wurden die Stammesgebiete durch die 31. Verfassungsänderung v.a. in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert, wodurch das gesamte pakistanische Rechts- und Justizsystem nach einer zweijährigen Übergangsfrist auf FATA und PATA ausgeweitet werden soll (ÖB 10.2018; vgl. Dawn 31.5.2018). Außerdem gibt es auch in Azad Jammu und Kaschmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan eigene Justizsysteme (ÖB 10.2018). Siehe dazu die Abschnitte Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. und Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.

Die Regierung erließ im Jänner 2015 als Reaktion auf den Terrorangriff auf die Militärschule in Peschawar eine Verfassungsänderung, welche den Militärgerichten erlaubt, gegen unter Terrorverdacht stehende Zivilisten zu prozessieren (USDOS 13.3.2019; vgl. News 19.1.2019). Für mehr Informationen zu den Militärgerichten siehe Abschnitt 0

Im Zivil-, Kriminal- und Familienrecht gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und auf Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann auf öffentliche Kosten ein Anwalt zur Verfügung gestellt werden. Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden (USDOS 13.3.2019).

Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Schiiten, Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 13.3.2019). Für mehr Informationen zu Blasphemiegesetzen siehe Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.

Auf dem Index des "World Justice Project" zur Rechtsstaatlichkeit 2019 rangiert Pakistan auf Platz 117 von 126; gemäß Bereinigung um die 13 im Vergleich zum Vorjahr hinzugefügten Staaten würde das eine Verschlechterung um einen Rang darstellen (WJP 2019).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan--innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019

Dawn (31.5.2018): Mainstreaming Fata with interim governance law, https://www.dawn.com/news/1411061, Zugriff 26.2.2019

JPP - Justice Project Pakistan (4.10.2018): Counting the Condemned - Data Analysis of Pakistan's Use of the Death Penalty, https://www.jpp.org.pk/wp-content/uploads/2018/10/2018_10_04_Counting-the-Condemned-Final.pdf, Zugriff 26.2.2019

News, the (19.1.2019): Decision on military courts' extension rests with parliament: DG ISPR, https://www.thenews.com.pk/latest/420639-decision-on-military-courts-extension-rests-with-parliament-dg-ispr, Zugriff 26.2.2019

ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad (10.2018): Asylländerbericht Pakistan [Arbeitsversion]

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 - Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019

WJP - World Justice Project (2019): Rule of Law Index 2019, https://worldjusticeproject.org/sites/default/files/documents/WJP-ROLI-2019-Single%20Page%20View-Reduced_0.pdf, Zugriff 8.4.2019

1.1. Militärgerichte

Als Reaktion auf das Schulmassaker der Taliban in Peschawar 2014 genehmigte das Parlament im Jänner 2015 die Strafverfolgung von Zivilisten vor Militärgerichten bei Anklagen wie Terrorismus und religiös-konfessioneller Gewalt (USDOS 13.3.2019). Der Fortbestand der Militärgerichte wurde im März 2017 (ÖB 10.2018; vgl. AI 21.2.2018) und im Jänner 2019 für jeweils weitere zwei Jahre - vorerst bis 2021 - von der Regierung beschlossen (News 19.1.2019), jedoch bis Mai 2019 von der Nationalversammlung noch nicht ratifiziert, da der Regierung die Unterstützung von Oppositionsparteien für die notwendige Zweidrittelmehrheit fehlt. Die Zuständigkeit der Militärgerichte zur Verhandlung gegen Zivilisten unter Terrorismusanklage ist somit im März 2019 ausgelaufen. Falls es zu keiner Erneuerung der Zuständigkeit der Militärgerichte kommt, will das Militär noch nicht abgeschlossene Verfahren an zivile Gerichte zur weiteren Bearbeitung übergeben (Dawn 2.5.2019).

Die Prozesse vor Militärgerichten werden rechtsstaatlichen Vorgaben an ein faires Verfahren nicht gerecht (ÖB 10.2018; vgl. AA 21.8.2018). So ist nicht klar, unter welchen Voraussetzungen und nach welchem Verfahren bestimmte Fälle an ein Militärgericht verwiesen werden; die verfahrensleitenden Militärs müssen nicht über eine juristische Ausbildung verfügen (ÖB 10.2018); die Verfahren müssen nicht öffentlich sein (ÖB 10.2018; vgl. AA 21.8.2018, PIPS 7.1.2019) und es ist keine Kaution vorgesehen (USDOS 13.3.2019). Augenzeugenberichte werden nicht berücksichtigt und bei berechtigtem Zweifel wird nicht zugunsten der Beschuldigten entschieden (HRCP 3.2019).

Über den Ablauf der Verfahren vor diesen Gerichten dringt so gut wie nichts an die Öffentlichkeit, Einzelheiten über Militärgerichtsverfahren gegen zivile Terrorverdächtige werden nicht bekannt. Einzige Informationsquelle über die Verfahren sowie über die Vollstreckung von Urteilen ist der Informationsdienst des Militärs (AA 21.8.2018).

Im Falle der Aburteilung ziviler Terrorverdächtiger hat sich der Oberste Gerichtshof mit seiner Entscheidung vom 05.08.2015 das Recht vorbehalten, Urteile der Militärgerichte nach bestimmten Kriterien zu überprüfen. Bislang ist nicht bekannt, dass eine solche Überprüfung zur Aufhebung des Urteils eines Militärgerichtes geführt hätte (AA 21.8.2018). Die Familien von 16 von Militärgerichten Verurteilten wandten sich an den Supreme Court; dieser sprach allerdings im August 2016 aus, dass die Beschwerdeführer die Verletzung ihres Grundrechts auf ein faires Verfahren nicht beweisen konnten (ÖB 10.2018).

Gemäß einer Aussendung des militärischen Pressedienstes Inter-Services Public Relations (ISPR) von Mitte Dezember 2018 wurden seit Bestehen 717 Fälle an Militärgerichte verwiesen. Von 546 abgeschlossenen Fällen erhielten 310 Personen die Todesstrafe, die in 56 Fällen bereits exekutiert wurde. Weitere 234 Personen erhielten Haftstrafen zwischen fünf Jahren und lebenslänglich. Nur zwei Angeklagte wurden bisher freigesprochen (PIPS 7.1.2019).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019

AI - Amnesty International (21.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Pakistan, https://www.amnesty.org/en/countries/asia-and-the-pacific/pakistan/report-pakistan/, Zugriff 26.2.2019

Dawn (2.5.2019): Military authorities contemplate transferring terror cases to govt, https://www.dawn.com/news/1479688/military-authorities-contemplate-transferring-terror-cases-to-govt, Zugriff 15.5.2019

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 23.4.2019

News, the (19.1.2019): Decision on military courts' extension rests with parliament: DG ISPR, https://www.thenews.com.pk/latest/420639-decision-on-military-courts-extension-rests-with-parliament-dg-ispr, Zugriff 26.2.2019

ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad (10.2018): Asylländerbericht Pakistan [Arbeitsversion]

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 - Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019

Wehrdienst und Rekrutierungen

Die pakistanische Armee umfasst die Teilstreitkräfte Heer (mit Nationalgarde), Marine (mit Maritime Security Agency) und Luftwaffe (Pakistan Fiza'ya) (CIA 5.2.2019). Pakistans Armee ist eine Freiwilligenarmee (AA 21.8.2018). Das Alter für den freiwilligen Militärdienst beträgt 16 bis 23 Jahre. Soldaten unter 18 Jahre können nicht im Kampf eingesetzt werden. Armeeangehörige bleiben bis zum Alter von 45 im Reservistenstand (Offiziere bis 50) und Frauen dienen in allen drei Teilstreitkräften (CIA 5.2.2019). Angehörige religiöser Minderheiten sind in der Armee deutlich unterrepräsentiert, ihre Karrierechancen sind geringer, außerdem fürchten sie Diskriminierung (AA 21.8.2018).

Aufgrund des Status als Freiwilligenarmee in Verbindung mit dem herrschenden Ehrenkodex sind Fälle von Fahnenflucht extrem selten. Im Militärstrafrecht ist in folgenden Fällen die Todesstrafe vorgesehen: Feigheit vor dem Feind, Weitergabe einer Parole an unbefugte Personen, Meuterei oder Gehorsamsverweigerung, Fahnenflucht oder Hilfe zur Fahnenflucht. Das Militär verfügt über eine eigene Gerichtsbarkeit, die in den drei Teilstreitkräften Heer, Luftwaffe und Marine unterschiedlich gehandhabt wird. Urteile der militärischen Gerichtsbarkeit gegen Militärangehörige sind nicht vor zivilen Gerichten anfechtbar. Gefängnisstrafen sind in Militärgefängnissen zu verbüßen (AA 21.8.2019).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019

CIA - Central Intelligence Agency (5.2.2019): World Factbook - Pakistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 21.2.2019

Haftbedingungen

Ein "First Information Report" (FIR) ist die gesetzliche Grundlage für alle Inhaftierungen. Ein FIR erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen 24 Stunden festzuhalten. Ein Polizeirichter (Magistrate) kann eine Verlängerung der Untersuchungshaft um weitere 14 Tage anordnen. Diese Einschränkungen werden nicht immer eingehalten. Es gibt Berichte, dass Staatsorgane entweder einen FIR ohne Beweise ausstellten, oder aber erst nach dem Erhalt von Bestechungsgeld. Des Weiteren gibt es Berichte über Verhaftungen von Personen ohne gerichtliche Genehmigung (USDOS 13.3.2019).

Die Haftbedingungen sind großteils sehr schlecht (AA 21.8.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Nach Feststellung von UNODC und HRCP sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Dies gilt besonders für zum Tode verurteilte Strafgefangene (AA 21.8.2018). Obwohl sich die qualitative und quantitative Ernährungssituation verbessert hat, führt unzureichende medizinische Versorgung und unzureichende Nahrungsversorgung in den Gefängnissen zu chronischen Gesundheitsproblemen und Unterernährung. In vielen Einrichtungen sind Hygiene, Belüftung, Beleuchtung und Trinkwasserzugang inadäquat. Die meisten Haftanstalten sind veraltet (USDOS 13.3.2019). Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist unzureichend (AA 21.8.2018) und wird durch bürokratische Verfahren erschwert (USDOS 13.3.2019).

Haftanstalten sind chronisch überbelegt. Dies gilt insbesondere für die Gefängnisse in Punjab (AA 21.8.2018; vgl. HRCP 3.2019). HRCP berichtet, dass mit Stand Juli 2018 landesweit ca. 78.000 Personen in Haft waren, während die Kapazität der Haftanstalten landesweit auf ca. 64.000 ausgelegt ist. 2018 lag die Kapazität der Haftanstalten in Punjab bei ca. 33.000 bei einer Belegung von ca. 49.000 Personen (HRCP 3.2019). Gemäß HRCP war für 2017 der Bau weiterer drei Gefängnisse angekündigt worden (HRCP 4.2018), jedoch konnte 2018 kein Fortschritt bei diesen Projekten beobachtet werden (HRCP 3.2019).

Ungefähr 70 % [vgl. HRCP 3.2019: ca. 49.000 von 78.000] der Häftlinge sind Untersuchungshäftlinge, nicht zuletzt wegen der allgemein überlangen Verfahrensdauer. Dabei übersteigt die Dauer der Untersuchungshaft nicht selten das zu erwartende Strafmaß. Viele Untersuchungshäftlinge können keine Kaution bezahlen. Der "Code of Criminal Procedure (Amendment) Act, 2011" sollte Möglichkeiten schaffen, Untersuchungsgefangene sowie Strafgefangene bei überlangen Berufungsverfahren auf Kaution zu entlassen. Auch sieben Jahre nach Inkrafttreten ist der Anteil der Untersuchungshäftlinge an der Gesamtzahl der Inhaftierten nicht gesunken (AA 21.8.2018).

Es gibt besondere Frauengefängnisse. Bei gemischten Gefängnissen sind Frauen- und Männerabteilungen voneinander getrennt. Weibliche Gefangene sind Belästigungen, unzureichenden hygienischen Bedingungen und Mangel an medizinischer Versorgung ausgesetzt (AA 12.8.2018).

Jugendgefängnisse existieren nicht (AA 21.8.2018; vgl. USDOS 13.3.2019), jugendliche Straftäter sind aber in anderen Gebäuden als Erwachsene untergebracht (USDOS 13.3.2019). Der Jugendstrafvollzug erfüllt sowohl die nach pakistanischem Recht als auch durch die UN-Konvention über die Rechte des Kindes vorgegebenen Mindestanforderungen nicht. Auch im Jugendstrafvollzug verbringen viele Gefangene eine längere Zeit in Untersuchungshaft als sie als Höchststrafe für ihr Vergehen erhalten könnten und nach Ablauf der Strafhaft kommt es bis zur Freilassung z.T. zu langen Verzögerungen (AA 21.8.2018). Jugendliche Häftlinge sind durch andere Häftlinge oder Personal Missbrauch, Vergewaltigung oder anderer Gewalt ausgesetzt (USDOS 13.3.2019).

Die Menschenrechtskommission von Pakistan (HRCP) erklärte in ihrem Jahresbericht von 2017 auf Grundlage von Medienbeobachtung, dass es in diesem Jahr in pakistanischen Gefängnissen zu 47 Fällen von Gewalt oder Folter kam, bei denen 32 Männer gestorben sind (HRCP 4.2018). Es gibt Berichte über Folter in Militärgefängnissen (AI 21.2.2018; vgl. NYT 25.7.2015), jedoch bleiben solche Informationen meist geheim, da Militärgerichte und -gefängnisse ihre Verfahren und Procedere nicht veröffentlichen (VB 14.6.2018).

Es gibt einen Ombudsmann für Häftlinge mit einem Zentralbüro in Islamabad und einen in jeder Provinz [vgl. Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.]. Inspektoren besuchen die Gefängnisse und Haftanstalten unregelmäßig. Internationalen Organisationen wird der Zugang zu Gefängnissen in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan untersagt. Einigen Menschenrechtsgruppen und Journalisten werden Kontrollbesuche in Haftanstalten für Jugendliche und Frauen erlaubt (USDOS 13.3.2019). In den vergangenen Jahren wurden Infrastruktur und Abläufe in bestehenden Haftanstalten verbessert und neue Gefängnisse errichtet. Dadurch können Untersuchungshäftlinge vermehrt von verurteilten Straftätern getrennt untergebracht werden (USDOS 13.3.2019; vgl. USDOS 20.4.2018).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019

AI - Amnesty International (21.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Pakistan, https://www.amnesty.org/en/countries/asia-and-the-pacific/pakistan/report-pakistan/, Zugriff 4.4.2018

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 23.4.2019

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2018): State of Human Rights in 2017, http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-2017.pdf, Zugriff 10.4.2019

NYT - New York Times (25.7.2015): In Pakistan, Detainees Are Vanishing in Covert Jails, https://www.nytimes.com/2015/07/26/world/asia/detainees-vanish-in-secretive-facilities-as-pakistan-fights-taliban.html, Zugriff 15.3.2019

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 - Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 15.3.2018

VB - Büro des Verbindungsbeamten des BM.I in Islamabad (14.6.2018): Auskunft per E-Mail

Grundversorgung

Pakistan ist mit ca. 207 Millionen Einwohnern (PBS 2017a) der sechst-bevölkerungsreichste Staat der Erde. Über die Hälfte der Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt, der Abhängigenquotient [Bevölkerung bis 14 und ab 65 Jahre / Bevölkerung 15-64 Jahre] liegt bei 65 % (CIA 5.2.2019).

Pakistans Wirtschaft hat wegen einer günstigen geographischen Lage, Ressourcenreichtum, niedrigen Lohnkosten, einer jungen Bevölkerung und einer wachsenden Mittelschicht Wachstumspotenzial. Dieses Potenzial ist jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender makroökonomischer sowie politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten Korruption, ineffiziente Bürokratie, ein unsicheres regulatorisches Umfeld, eine trotz Verbesserungen in den letzten Jahren relativ teure bzw. unzureichende Energieversorgung und eine - trotz erheblicher Verbesserung seit 2014 - teils fragile Sicherheitslage (AA 5.3.2019).

Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP 59 %; der Sektor umfasst u. a. auch den überproportional großen öffentlichen Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 %). Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 %) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 % der arbeitenden Bevölkerung tätig ist. Etwa 60 % der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört unter anderem bei Getreideanbau und Viehzucht zu den weltweit größten Produzenten (AA 5.3.2019; vgl. GIZ 2.2019a).

Die pakistanische Wirtschaft wächst bereits seit Jahren mit mehr als vier Prozent. Für 2018 gibt der Internationale Währungsfonds (IWF) sogar ein Plus von 5,6 Prozent an. Das Staatsbudget hat sich stabilisiert und die Börse in Karatschi hat in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt. Erreicht wurde dies durch einschneidende Reformen, teilweise unterstützt durch den IWF. In der Vergangenheit konnte Pakistan über die Jahrzehnte hinweg jedoch weder ein solides Wachstum halten noch die Wirtschaft entsprechend diversifizieren. Dies kombiniert mit anderen sozioökonomischen und politischen Faktoren führte dazu, dass immer noch etwa ein Drittel der pakistanischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt (GIZ 2.2019a).

Die Arbeitslosigkeit in Pakistan liegt Stand 2017 offiziell etwa bei 6 % (CIA 5.2.2019). CIA hält fest, dass die offiziellen Arbeitslosenzahlen die Situation nicht vollständig beschreiben können, da ein großer Teil der Wirtschaft informell und die Unterbeschäftigung hoch ist (CIA 5.2.2019a; vgl. GIZ 2.2019). Kritisch ist vor allem die Situation von jungen erwerbslosen/arbeitslosen Männern zwischen 15 und 30 Jahren. Als Folge dieser hohen Arbeitslosigkeit gepaart mit einer Verknappung natürlicher Ressourcen, vor allem auf dem Land, kommt es zu einer verstärkten Arbeitsmigration nicht nur in die großen Städte, sondern traditionell auch in die Golfstaaten. Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten und Gastarbeitern nach Pakistan belaufen sich gegenwärtig auf ca. 5% des BIP (GIZ 2.2019a). Für das Finanzjahr 2019 (Juli 2018 bis Juni 2019) werden Rücküberweisungen von 22 Milliarden US-Dollar erwartet (KT 30.10.2018).

Gemäß dem Global Education Monitoring Report 2017/18 der UNESCO stellen sich die Bildungserfolge Pakistans relativ schwach dar. Die Einschulungs- und Alphabetisierungsrate Pakistans zählt zu den niedrigsten der Welt, Lediglich rund 60 Prozent der Bevölkerung (Frauen: 46%) können lesen und schreiben. Nur etwas über zwei Prozent des Bruttosozialprodukts werden in Bildung investiert. Weiterhin bleiben große Diskrepanzen in der Alphabetisierungs- und Bildungspolitik zwischen Provinzen sowie zwischen ländlichen und städtischen Gebieten bestehen. Das pakistanische Bildungssystem spiegelt die anhaltende soziale Ungleichheit in der Gesellschaft wider (GIZ 2.2019b).

Zwar hat die aktuelle Regierung die staatlichen Ausgaben für Gesundheit deutlich gesteigert, doch sind sie weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben betragen 0,92 % des Bruttoinlandsprodukts (GIZ 2.2019b).

Das Programm Tameer-e-Pakistan soll Personen bei der Arbeitssuche unterstützen (IOM 2018). Das Kamyab Jawan Programme, eine Kooperation des Jugendprogrammes des Premierministers und der Small and Medium Enterprises Development Authority (SMEDA), soll durch Bildungsprogramme für junge Menschen im Alter zwischen 15 und 29 die Anstellungsmöglichkeiten verbessern (Dawn 11.2.2019).

Etwa 7,1 Millionen Arbeitskräfte in Pakistan hatten 2016 Zugang zum Sozialversicherungssystem (HRCP 5.2017). Etwa drei Millionen Personen leben in sklavenähnlichen Beschäftigungsverhältnissen (HRCP 3.2019).

Es gibt einen Mangel von zehn Millionen Wohnungen landesweit, was zu Obdachlosigkeit, illegalen Siedlungen und überhöhten Mieten führt (BTN 12.2.2019). Im Oktober 2018 kündigte Premierminister Imran Khan den Bau von fünf Millionen Wohneinheiten für Niedrigverdiener in den kommenden fünf Jahren an. Unter dem staatlichen Programm Naya Pakistan Housing Scheme (Dawn 10.10.2018; vgl. NPHS 13.10.2018) soll ein Haus 1,65 bis 2,1 Millionen Rupien kosten (BTN 12.2.2019). Die Teilnehmer am Programm bezahlen 20 Prozent des Kaufpreises im Voraus und den restlichen Betrag über 20 Jahre (NPHS 6.11.2018; vgl. BTN 12.2.2019) in monatlichen Raten zu ca. 18.500 Rupien, was ungefähr einer monatlichen Miete entspricht. Das Haus geht nach 18 Monaten ins Eigentum des Bewohners über (BTN 12.2.2019). Personen, die bereits ein Haus besitzen, können nicht am Naya Pakistan Housing Scheme teilnehmen (NPHS 13.10.2018). Der Baubeginn für die ersten 135.000 Wohneinheiten wurde für den 17.4.2019 in Islamabad und Belutschistan angekündigt (Dawn 9.4.2019).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.3.2019): Pakistan: Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/wirtschaft/204976, Zugriff 21.3.2019

BTN Marketing Consultants (12.2.2019): The "Naya Pakistan Housing Scheme" and All There Is To Know About It, https://btnconsultants.com.pk/naya-pakistan-housing-scheme-know/, Zugriff 9.4.2019

CIA - Central Intelligence Agency (5.2.2019): World Factbook - Pakistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 21.2.2019

Dawn (10.10.2018): 'I will steer you out of this difficult time': PM Khan addresses economic uncertainty, https://www.dawn.com/news/1438116, Zugriff 9.4.2019

Dawn (11.2.2019): Govt aims to create 'a million jobs' for youth under Kamyab Jawan Programme, https://www.dawn.com/news/1463174, Zugriff 15.5.2019

Dawn (9.4.2019): 135,000 apartments to be built in first phase of Naya Pakistan Housing project: Fawad Chaudhry, https://www.dawn.com/news/1474958, Zugriff 9.4.2019

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (2.2019a): Pakistan - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/pakistan/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 21.3.2019

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (2.2019b): Pakistan - Gesellschaft, https://www.liportal.de/pakistan/gesellschaft/, Zugriff 21.3.2019

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 23.4.2019

HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-2016.pdf, Zugriff 21.3.2019

IOM - International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt Pakistan 2018, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Pakistan_DE.pdf, Zugriff 21.3.2019

KT - Khaleej Times (30.10.2018): Pakistan remittances may hit $22 billion in 2018-19, https://www.khaleejtimes.com/business/economy/Pakistan-remittances-may-hit-$22-billion-in-2018-19-, Zugriff 9.4.2019

NPHS - Naya Pakistan Housing Scheme (13.10.2018): Who is eligible to apply for Naya Pakistan Housing Scheme?, http://nphp.pk/who-is-eligible-to-apply-for-naya-pakistan-housing-scheme/, Zugriff 9.4.2019

NPHS - Naya Pakistan Housing Scheme (6.11.2018): Buyers must pay 20pc upfront to join PM housing scheme, http://nphp.pk/buyers-must-pay-20pc-upfront-to-join-pm-housing-scheme/, Zugriff 9.4.2019

PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): Press Release on Provisional Results of 6th Population and Housing Census - 2017, http://www.statistics.gov.pk/assets/publications/Population_Results.pdf, Zugriff 1.4.2019

Rückkehr

Unter gewissen Voraussetzungen verstoßen Pakistani mit ihrer Ausreise gegen die Emigration Ordinance (1979) oder gegen den Passport Act, 1974. Laut Auskunft der International Organization for Migration (IOM) werden Rückkehrende aber selbst bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften im Regelfall nicht strafrechtlich verfolgt. Es sind vereinzelte Fälle an den Flughäfen Islamabad, Karatschi und Lahore bekannt, bei denen von den Betroffenen bei der Wiedereinreise Schmiergelder in geringer Höhe verlangt wurden. Rückkehrende, die nicht über genügend finanzielle Mittel verfügen um Schmiergelder zu zahlen, werden oft inhaftiert (ÖB 10.2018).

Zurückgeführte Personen haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags nicht mit staatlichen Repressalien zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten nationalen Ersatzdokument möglich, nicht aber mit europäischen Passersatzdokumenten (AA 21.8.2018).

[Ungeachtet anderer Bedrohungslagen; vgl. andere relevante Abschnitte des LIB; Anm.] hält die Österreichische Botschaft Islamabad fest, dass es bei oppositioneller Betätigung im Ausland bislang zu keinen ha. bekannten Problemen bei der Rückkehr gekommen ist. Dasselbe gilt für im Ausland tätige Journalist/innen und Menschenrechtsaktivist/innen. Auch der im Rückkehrbereich langjährig tätigen International Organization for Migration (IOM) liegen keine diesbezüglichen Fälle vor (ÖB 10.2018).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden. Rückkehrer erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z. B. das European Reintegraton Network (ERIN), sollen hier Unterstützung leisten (AA 21.8.2018).

Das Rückkehrprogramm ERIN wird von der pakistanischen NGO WELDO mit Finanzierung von AMIF und zahlreichen EU-Staaten durchgeführt (WELDO o.D.b). In 113 Bezirken werden Leistungen zur Reintegration und Unterstützung bereitgestellt. Die Programme sollen Rückkehrer wieder in den Arbeitsmarkt integrieren. Das Ausbildungsprogramm wird dem Bedarf am Arbeitsmarkt und der jeweilige Person angepasst. Gegenwärtig liegt der Fokus der Organisation in der nachhaltigen Integration von pakistanischen Staatsangehörigen nach ihrer Rückkehr (freiwillig oder unfreiwillig) aus den Partnerländern. Beratung und Unterstützung in der Zielregion wird in verschiedenen Sprachen geboten. Es gibt verschiedene Programme für verschiedene vulnerable Personengruppen (WELDO o.D.a).

Die der Österreichischen Botschaft in der Vergangenheit seitens der im Rückkehrbereich tätigen NGO WELDO mitgeteilten Probleme - wie etwa angespannte Familiensituation aufgrund finanzieller Notlagen, schleppende Berufsreintegration und unzureichendes Einkommen oder Fehlen psychosozialer Betreuung - wurden in einem rezenten Gespräch mit Vertretern der International Organization for Migration (IOM) nicht bestätigt. Auch das von WELDO kritisierte Fehlen psychosozialer Betreuung der Rückkehrenden bestehe laut IOM nicht (ÖB 10.2018).

IOM bietet im Rahmen ihres Programmes Assisted Voluntary Return & Reintegration (AVRR) die folgenden Leistungen an (Laufzeit von einem Jahr; entsprechendes Monitoring inkludiert): Betreuung bei Ankunft am Flughafen (Islamabad, Lahore); Unterbringung bis zur Fahrt nach Hause; Berufs- bzw. Bildungsberatung und in der Folge entsprechende Unterstützung; medizinische Hilfeleistungen; besondere Unterstützungsleistungen für vulnerable Personengruppen (alleinstehende Frauen, minderjährige Kinder) (ÖB 10.2018; vgl. IOM o.D.).

IOM führt in seinem Länderinformationsblatt für Pakistan mit Bezug auf pakistanische Rückkehrer an, dass diese bei der Arbeitssuche auch Unterstützung durch das Tameer-e-Pakistan Programm - einer Armutsbekämpfungsmaßnahme mit Ziel Arbeitsplätze im Land und Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen - erhalten können (IOM 2018).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten