TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/4 L510 2223842-1

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Veröffentlicht am 04.10.2019
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Entscheidungsdatum

04.10.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4

Spruch

L510 2223842-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.08.2019, Zl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

"Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Z 1 FPG wird gegen Sie ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführende Partei (bP) ist am XXXX in Bregenz geboren. Sie ist Staatsangehöriger der Türkei und muslimischen Glaubens. Außer einer Unterbrechung vom 04.10.2016 bis 03.04.2017 lebte die bP in Österreich. Am 06.07.2018 wurde ihr von der Bezirkshauptmannschaft ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" gültig vom 06.07.2018 bis 30.12.2019 erteilt. Davor war sie im Besitz eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt EU", ausgestellt durch die Bezirkshauptmannschaft, gültig vom 23.07.2013 bis 22.07.2018. Am 06.06.2018 wurde von der Bezirkshauptmannschaft gem. § 28 Abs. 1 NAG der Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt EU" widerrufen.

Die bP wurde wegen zahlreicher strafrechtlicher Delikte rechtskräftig verurteilt.

2. Am 01.08.2019 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme der bP vor dem BFA. Weiter gab die bP mit 13.08.2019 eine handschriftliche Stellungnahme ab.

3. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des BFA vom 27.08.2019 wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs 4 FPG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gem. § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt III). Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Ziffer 5 Fremdenpolizeigesetz wurde gegen sie ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Mit Verfahrensanordnung vom 27.08.2ß019 wurde ihr ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

4. Mit Schriftsatz der Vertretung vom 23.09.2019 wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht.

5. Mit 01.10.2019 langte der Verwaltungsverfahrensakt vollständig bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die Identität der bP steht fest, sie führt den im Spruch genannten Namen und ist zu dem dort angeführten Geburtsdatum in Bregenz geboren. Sie ist Staatsangehöriger der Türkei und muslimischen Glaubens. Außer einer Unterbrechung vom 04.10.2016 bis 03.04.2017 lebte die bP in Österreich. Am 06.07.2018 wurde ihr von der Bezirkshauptmannschaft ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" gültig vom 06.07.2018 bis 30.12.2019 erteilt. Davor war sie im Besitz eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt EU", ausgestellt durch die Bezirkshauptmannschaft, gültig vom 23.07.2013 bis 22.07.2018. Am 06.06.2018 wurde von der Bezirkshauptmannschaft gem. § 28 Abs. 1 NAG der Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt EU" widerrufen.

Die bP spricht Türkisch als Muttersprache, Deutsch und Englisch. Sie hat in Österreich die Hauptschule abgeschlossen. Sie leidet an Hepatitis C und an einer HIV-Infektion. Sie befindet sich derzeit in Strafhaft. Wegen ihrer Krankheiten nimmt die bP seit 10 Jahren Medikamente ein. Sie bekommt auch Substitol. Sie wird durch die Stiftung XXXX laufend beraten und betreut. Seit September 2016 befindet sie sich in Substitutionsbehandlung. Entsprechend eines Sachverständigengutachtens des Sachverständiges XXXX , Klinischer Neuropsychologe, allg. beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, im Auftrag des LG XXXX vom 25.03.2019, lag im gesamten Tatzeitraum (Ende 2018, Anfang 2019) Zurechnungsfähigkeit der bP - bei leicht eingeschränkter Steuerungs- und Handlungskontrolle - vor.

Bis dato war die bP insgesamt nur 198 Tage (6,5 Monate) erwerbstätig. Sie hat regelmäßig Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Überbrückungshilfe bezogen.

Die bP ist seit 2017 mit Frau XXXX , geb. am XXXX , verheiratet. Am 01.08.2019 gab sie in der niederschriftlichen Einvernahme an, dass sie die Scheidung eingereicht haben. Sie hat keine Kinder. Vor ihrer Inhaftierung lebte sie mit ihrer Mutter im gemeinsamen Haushalt, ihre Mutter kam für die Miete auf. Ihr Vater ist gestorben und ihre Geschwister leben in Österreich. Sie hat auch Verwandte in der Türkei, wie ihre Tante, ihren Onkel, einen Cousin und ihre pflegebedürftige Oma. Einmal war sie bisher mit ihren Eltern in der Türkei für die Dauer von 1 Monat, vor etwa 14 Jahren. In Österreich hat sie gelegentlich Fußball und Basketball gespielt.

Die bP ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Ihre Ehegattin besitzt zwar die österreichische Staatsbürgerschaft, sie hat jedoch laut aktuellem AJ WEB Auskunftsverfahrensauszug und ZMR-Auszug vom 22.08.2019 außerhalb von Österreich nicht gearbeitet. Somit hat diese ihr Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt.

Gegen die bP liegen folgende rechtskräftige Verurteilungen vor:

01) LG XXXX vom 17.05.1999 RK XXXX

PAR 105/1 83/1 127 129/1 164/2 StGB

Geldstrafe von 120 Tags zu je 30,00 ATS (3.600,00 ATS) im NEF 60 Tage

Ersatzfreiheitsstrafe, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 13.01.2000

zu LG XXXX

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG XXXX vom 18.10.1999

zu LG XXXX

Der bedingt nachgesehene Teil der Geldstrafe wird widerrufen

LG XXXX vom XXXX

02) LG XXXX vom 18.10.1999 RK XXXX

PAR 127 129/1 15 PAR 125 StGB

PAR 27/1 SMG

PAR 15 StGB

Geldstrafe von 100 Tags zu je 50,00 ATS (5.000,00 ATS) im NEF 50 Tage

Ersatzfreiheitsstrafe

Anordnung der Bewährungshilfe

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG XXXX

XXXX RK XXXX9

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 17.02.2000

03) LG XXXX vom XXXX RK XXXX

PAR 127 129/1 130 229/1 StGB

PAR 27/1 SMG

Freiheitsstrafe 4 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Geldstrafe von 150 Tags zu je 100,00 ATS (15.000,00 ATS) im NEF 75 Tage

Ersatzfreiheitsstrafe

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 06.12.2002

zu LG XXXX

Unbedingter Teil der Strafe vollzogen am 17.05.2000

Zahl: XXXX

LG XXXX vom 19.05.2000

zu LG XXXX RK XXXX

Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wird widerrufen

LG XXXX vom 29.09.2000

04) LG XXXX vom 29.09.2000 RK XXXX

PAR 142/1 143 105/1 146 148 StGB

PAR 27/1 SMG

Freiheitsstrafe 2 Jahre

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 21.07.2002

05) LG XXXX vom 13.03.2003 RK XXXX

PAR 107/1 StGB

Freiheitsstrafe 3 Monate

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 09.07.2003

06) LG XXXX vom 02.04.2004 RK XXXX

PAR 15 142/1 143 StGB

Freiheitsstrafe 4 Jahre

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG XXXX

XXXX

RK XXXX

Vollzugsdatum 28.08.2007

07) LG XXXX vom XXXX RK XXXX

PAR 83/1 StGB

Freiheitsstrafe 4 Monate

Vollzugsdatum 28.12.2007

08) BG XXXX vom 13.09.2005 RK XXXX

PAR 297/1 StGB

Freiheitsstrafe 1 Monat

Vollzugsdatum 28.01.2008

09) LG XXXX vom 08.11.2006 RK XXXX

PAR 107/2 83/1 84/1 StGB

Freiheitsstrafe 1 Monat

Vollzugsdatum 28.02.2008

10) LG XXXX vom 27.06.2007 RK XXXX

PAR 83/1 84/1 StGB

Datum der (letzten) Tat 21.01.2007

Freiheitsstrafe 5 Monate

Vollzugsdatum 28.07.2008

11) LG XXXX vom 02.02.2009 RK XXXX

PAR 127 129/1 StGB

Freiheitsstrafe 20 Monate

Vollzugsdatum 23.10.2012

12) LG XXXX vom 18.08.2009 RK XXXX

PAR 15 127 129/1 StGB

Datum der (letzten) Tat 03.08.2009

Freiheitsstrafe 8 Monate

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG XXXX

XXXX

RK XXXX

Vollzugsdatum 24.04.2010

13) LG XXXX vom 03.08.2009 RK XXXX

PAR 127 130 (1. FALL) 241 E/1 107/1 StGB

Datum der (letzten) Tat 08.06.2009

Freiheitsstrafe 15 Monate

Vollzugsdatum 05.05.2011

14) LG XXXX vom 22.05.2012 RK XXXX

§ 297 (1) 1. Fall StGB

§ 15 StGB § 269 (1) 1. Fall StGB

Datum der (letzten) Tat 12.03.2012

Freiheitsstrafe 8 Monate

Vollzugsdatum 21.06.2013

15) BG XXXX vom 29.01.2014 RK XXXX

§ 15 StGB § 127 StGB

Datum der (letzten) Tat 19.12.2013

Freiheitsstrafe 3 Monate

Vollzugsdatum 27.11.2014

16) BG XXXX vom 07.05.2014 RK XXXX

§ 127 StGB

Datum der (letzten) Tat 05.03.2014

Freiheitsstrafe 3 Monate

Vollzugsdatum 27.02.2015

17) LG XXXX vom 01.10.2014 RK XXXX

§ 15 StGB § 105 StGB

§§ 127, 130 1. Fall StGB § 15 StGB

Datum der (letzten) Tat 03.06.2014

Freiheitsstrafe 20 Monate

Vollzugsdatum 31.08.2016

18) BG XXXX vom 15.01.2016 RK XXXX

§ 127 StGB

Datum der (letzten) Tat 16.07.2015

Freiheitsstrafe 1 Woche

Vollzugsdatum 07.09.2016

19) BG XXXX vom 14.12.2016 RK XXXX

§ 15 StGB § 127 StGB

Datum der (letzten) Tat 30.09.2016

Freiheitsstrafe 1 Monat

Vollzugsdatum 28.04.2017

20) BG XXXX vom 30.05.2017 RK XXXX

§ 127 StGB

Datum der (letzten) Tat 26.02.2017

Geldstrafe von 300 Tags zu je 4,00 EUR (1.200,00 EUR) im NEF 150 Tage

Ersatzfreiheitsstrafe

21) LG XXXX vom 06.04.2018 RK XXXX

§ 127 StGB

§ 15 StGB § 105 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 04.01.2018

Freiheitsstrafe 8 Monate

22) LG XXXX vom 04.07.2019 RK XXXX 07.2019

§ 15 StGB § 269 (1) StGB

§ 15 StGB § 127 StGB

§ 115 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 07.01.2019

Freiheitsstrafe 10 Monate

Gegen die bP besteht ein aufrechtes Waffenverbot, welches von der BH XXXX am 17.04.2003 erlassen wurde.

1.2. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Ausreise in die Türkei aus in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort einer maßgeblichen individuellen Gefährdung oder Bedrohung ausgesetzt wäre oder dort keine hinreichende Existenzgrundlage vorfinden würde.

1.3. Zur aktuellen Lage in der Türkei wird auf die länderkundlichen Feststellungen des BFA im bekämpften Bescheid verwiesen, die auch der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt werden.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsverfahrensaktes. Zentral wurden berücksichtig:

- Niederschriftliche Einvernahme

- Handschriftliche Stellungnahme

- Urteile der Gerichte

- Länderfeststellungen

- Schreiben der Stiftung XXXX vom 06.03.2019

- Ambulanzblatt des Krankenhauses XXXX vom 29.03.2017

- Ambulanzblatt Onkologie XXXX vom 09.07.2018

- Behandlungsmitteilung der JA XXXX vom 27.08.2019

- Gutachten des Sachverständiges XXXX vom 25.03.2019

- ZMR-Anfrage

- SA-Auszug

- ZFR-auszug

- Sozialversicherungsdatenauszug

2.1. Die Feststellungen zu 1.1. stützen sich auf den vorliegenden Akteninhalt und der Angaben der bP im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme, sowie ihrer handschriftlichen Stellungnahme. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der bP ergeben sich aus dem Schreiben der Stiftung XXXX vom 06.03.2019, dem Ambulanzblatt des Krankenhauses XXXX vom 29.03.2017, dem Ambulanzblatt Onkologie XXXX vom 09.07.2018, der Behandlungsmitteilung der JA XXXX vom 27.08.2019 und dem Gutachten des Sachverständiges XXXX , klinischer Neuropsychologe, allg. beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger. Diese Feststellungen wurden im Verfahren nicht bestritten, weshalb auch das BVwG diese Feststellungen seiner Entscheidung zugrunde legt.

2.2. Die Feststellungen zu 1.2. ergeben sich aus den Länderfeststellungen, wonach Sozialleistungen für Bedürftige auf der Grundlage der Gesetze Nr. 3294 über den Förderungsfonds für Soziale Hilfe und Solidarität und Nr. 5263, Gesetz über Organisation und Aufgaben der Generaldirektion für Soziale Hilfe und Solidarität, gewährt. Die Hilfeleistungen werden von den in 81 Provinzen und 850 Kreisstädten vertretenen 973 Einrichtungen der Stiftungen für Soziale Hilfe und Solidarität (Sosyal Yardimlasma ve Dayanisma Vakfi) ausgeführt, die den Gouverneuren unterstellt sind. Anspruchsberechtigt sind bedürftige Staatsangehörige, die sich in Armut und Not befinden, nicht gesetzlich sozialversichert sind und von keiner Einrichtung der sozialen Sicherheit ein Einkommen oder eine Zuwendung beziehen, sowie Personen, die gemeinnützig tätig und produktiv werden können. Die Leistungsgewährung wird von Amts wegen geprüft. Leistungen werden gewährt in Form von Unterstützung der Familie (Nahrungsmittel, Heizmaterial, Unterkunft), Bildungshilfen, Krankenhilfe, Behindertenhilfe sowie besondere Hilfeleistungen wie Katastrophenhilfe oder die Volksküchen. Die Leistungen werden in der Regel als zweckgebundene Geldleistungen für neun bis zwölf Monate gewährt. Darüber hinaus existieren weitere soziale Einrichtungen, die ihre eigenen Sozialhilfeprogramme haben (AA 3.8.2018).

Das Sozialversicherungssystem besteht aus zwei Hauptzweigen, nämlich der langfristigen Versicherung (Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversicherung) und der kurzfristigen Versicherung (Berufsunfälle, berufsbedingte und andere Krankheiten, Mutterschaftsurlaub) (SGK 2016a). Das türkische Sozialversicherungssystem finanziert sich nach der Allokationsmethode durch Prämien und Beiträge, die von den Arbeitgebern, den Arbeitnehmern und dem Staat geleistet werden (SGK 2016b).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (3.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei

ÖB - Österreichische Botschaft - Ankara (10.2017): Asylländerbericht Türkei

SGK - Sosyal Güvenlik Kurumu (Anstalt für Soziale Sicherheit) (2016a): Das Türkische Soziale Sicherheitssystem, http://www.sgk.gov.tr/wps/portal/sgk/de/detail/das_turkische, Zugriff 4.7.2018

SGK - Sosyal Güvenlik Kurumu (Anstalt für Soziale Sicherheit) (2016b): Financing of Social Security, http://www.sgk.gov.tr/wps/portal/sgk/en/detail/social_security_system/social_security_system, Zugriff 4.7.2016

Zur bP ist festzustellen, dass sie Verwandte in der Türkei hat, welche sie zur Überwindung von anfänglichen Schwierigkeiten zumindest kontaktieren und um Hilfe ersuchen kann. Zudem hat sie Verwandtschaft in Österreich, welche sie ebenfalls in der Türkei finanziell unterstützen kann. Doch selbst wenn sie vorübergehend in Not geraten würde, ist sie als türkischer Staatsangehöriger wie oben dargelegt in Bezug auf Sozialleistungen anspruchsberechtigt, wodurch ausgeschlossen ist, dass die bP in eine aussichtslose Lage geraten würde.

Die medizinische Primärversorgung ist flächendeckend ausreichend. Die sekundäre und postoperationelle Versorgung dagegen oft mangelhaft, aufgrund der staatlichen sanitären Zustände in den Spitälern und der Hygienestandards, die nicht dem westlichen Standard entsprechen. Dies gilt v.a. in staatlichen Spitälern in ländlichen Gebieten und kleinen Provinzstädten (ÖB 10.2017). Trotzdem hat sich das staatliche Gesundheitssystem in den letzten Jahren strukturell und qualitativ erheblich verbessert - vor allem in ländlichen Gegenden sowie für die arme, (bislang) nicht krankenversicherte Bevölkerung. Auch wenn Versorgungsdefizite - vor allem in ländlichen Provinzen - bei der medizinischen Ausstattung und im Hinblick auf die Anzahl von Ärzten bzw. Pflegern bestehen, sind landesweit Behandlungsmöglichkeiten für alle Krankheiten gewährleistet. Landesweit gab es 2016 1.510 Krankenhäuser mit einer Kapazität von 217.771 Betten, davon ca. 58% in staatlicher Hand (AA 3.8.2018). Die Gesundheitsreform ist als Erfolg zu werten, da mittlerweile 90% der Bevölkerung eine Krankenversicherung haben, die Müttersterblichkeit bei Geburt um 70%, die Kindersterblichkeit um 2/3 gesunken ist, und dies von der Welt Bank als eine der größten Erfolgsgeschichten bezeichnet wird. Allerdings warnt die Welt Bank vor explodierenden Kosten. Zahlreiche Ärzte kritisieren die sinkende Qualität der Behandlungen (aufgrund der reduzierten Konsultationsdauer und der geringeren Ressourcen pro Patient) (ÖB 10.2017).

Grundsätzlich können sämtliche Erkrankungen in staatlichen Krankenhäusern angemessen behandelt werden, insbesondere auch chronische Erkrankungen wie Krebs, Niereninsuffizienz (Dialyse), Diabetes, Aids, Drogenabhängigkeit und psychiatrische Erkrankungen. Wartezeiten in den staatlichen Krankenhäusern liegen bei wichtigen Behandlungen/Operationen in der Regel nicht über 48 Stunden. Im Fall von Krebsbehandlungen kann nach aktuellen Medienberichten aufgrund des gesunkenen Wertes der türkischen Währung keine ausreichende Versorgung mit bestimmten Medikamenten aus dem Ausland gewährleistet werden; es handelt sich aber nicht um ein flächendeckendes Problem (AA 3.8.2018).

Auch durch die zahlreichen Entlassungen nach dem gescheiterten Putschversuch, von denen auch der Gesundheitssektor betroffen ist, kommt es nach Medienberichten gelegentlich zu Verzögerungen bei der Bereitstellung medizinischer Dienstleistungen. Das neu eingeführte, seit 2011 flächendeckend etablierte Hausarztsystem ist von der Eigenanteil-Regelung ausgenommen. Nach und nach soll das Hausarztsystem die bisherigen Gesundheitsstationen (Saglik Ocagi) ablösen und zu einer dezentralen medizinischen Grundversorgung führen. Die Inanspruchnahme des Hausarztes ist freiwillig (AA 3.8.2018).

Die Behandlung bleibt für die bei der staatlichen Krankenversicherung Versicherten mit Ausnahme der "Praxisgebühr" unentgeltlich. In vielen staatlichen Krankenhäusern ist es nach wie vor üblich, dass Pflegeleistungen nicht durch Krankenhauspersonal, sondern durch Familienangehörige und Freunde übernommen werden (AA 3.8.2018). NGOs, die sich um Bedürftige kümmern, sind in der Türkei vereinzelt in den Großstädten vorhanden, können jedoch kaum die Grundbedürfnisse der Bedürftigen abdecken (ÖB 10.2017).

Um vom türkischen Gesundheits -und Sozialsystem profitieren zu können, müssen sich in der Türkei lebende Personen bei der türkischen Sozialversicherungsbehörde (Sosyal Guvenlik Kurumu - SGK) anmelden. Gesundheitsleistungen werden sowohl von privaten als auch von staatlichen Institutionen angeboten. Sofern Patienten bei der SGK versichert sind, sind Behandlungen in öffentlichen Krankenhäusern kostenlos. Die Kosten von Behandlungen in privaten Krankenhäusern werden von privaten Versicherungen gedeckt. Sobald man bei der SGK versichert ist, erhält man folgende Leistungen kostenlos: Impfungen, Diagnosen und Laboruntersuchungen, Gesundheitschecks, Schwangerschafts -und Geburtenbetreuung, Notfallbehandlungen. Beiträge sind einkommensabhängig (zwischen 65,88 TRY und 395,28 TRY) (IOM 2017). Die SGK refundiert auch die Kosten in privaten Hospitälern, sofern mit diesen ein Vertrag besteht. Die Kosten in privaten Krankenhäusern unterliegen, je nach Qualitätsstandards, gewissen, von der SGK vorgegebenen Grenzen. Die Kosten dürfen maximal 90% über denen von der SGK verrechneten liegen. Notfalldienste, Intensivmedizin, Verbrennungen, Krebstherapie, Neugeborenenversorgung, alle Transplantationen, Operationen bei angeborenen Anomalien, Hämodialyse und kardiovaskuläre Chirurgie sind von diesen zusätzlichen Zahlungen im privaten Sektor ausgenommen. Für die stationäre Versorgung kann das Privatkrankenhaus dem Patienten einen Zuschlag für Unterbringungsleistungen in Rechnung stellen (IBZ 10.7.2015).

Die meisten Rückkehrer, die über keine Krankenversicherung verfügen und eine Aufenthaltserlaubnis besitzen und bereits mindestens ein Jahr in der Türkei leben, müssen monatlich in den Fond einzahlen. Dazu müssen sie im System registriert sein und mindestens 180 Tage Beitragszahlungen leisten. Rückkehrer werden bei der SGK-Registrierung nicht gesondert behandelt. Kinder gelten automatisch als versichert, sobald die Eltern bei der SGK registriert sind (IOM 2017).

Der Mindestbetrag für die Grundversorgung - sofern keine Versicherung durch den Arbeitgeber bereits besteht - beträgt zwischen 6-12% des monatlichen Einkommens. Personen ohne ein reguläres Einkommen müssen ca. 15 EUR/Monat in die Krankenkasse einzahlen. Bei Nachweis über ein sehr geringes Einkommen (weniger als 150,- EUR/Monat) werden die Grundversorgungsbeiträge vom Staat übernommen (ÖB 10.2017).

Die Einrichtungen sind auf Personen mit besonderen Bedürfnissen abgestimmt (Familien, Kinder, Senioren und erkrankte Menschen, Menschen mit psychischen Erkrankungen) sowie auf ökonomisch benachteiligte Menschen. Der Patient kann sich direkt an eine Apotheke (ECZANE) wenden, ohne vorher einen Anmeldevorgang durchlaufen zu müssen. Apotheken sind überall verfügbar. Für einige Medikamente benötigt man ein grünes bzw. ein rotes Rezept. Andere Medikamente können ohne Rezept gekauft werden (IOM 2017).

Die Behandlung psychischer Erkrankungen erfolgt überwiegend in öffentlichen Institutionen. Bei der Behandlung sind zunehmende Kapazitäten und ein steigender Standard festzustellen. Insgesamt standen 2016 zwölf psychiatrische Fachkliniken mit einer Bettenkapazität von rund 4.400 zur Verfügung, weitere Betten gibt es in besonderen Fachabteilungen von einigen Regionalkrankenhäusern (AA 3.8.2018). Insgesamt 32 therapeutische Zentren für Alkohol- und Drogenabhängige (AMATEM) befinden sich in Adana, Ankara (4), Antalya, Bursa (2), Denizli, Diyabakir, Edirne, Elazig, Eskisehir, Gaziantep, Istanbul (5), Izmir (3), Kayseri, Konya, Manisa, Mersin, Sakarya, Samsun, Tokat und Van (2) (AA 3.8.2018).

Bei der Schmerztherapie und Palliativmedizin bestehen Defizite, allerdings versorgt das Gesundheitsministerium derzeit alle öffentlichen Krankenhäuser mit Morphinen, auch können Hausärzte bzw. deren Krankenpfleger diese Schmerzmittel verschreiben und Patienten künftig in Apotheken auf Rezept derartige Schmerzmittel erwerben (AA 3.8.2018).

Im Rahmen der häuslichen Krankenbetreuung sind in allen Landesteilen staatliche mobile Teams im Einsatz (bestehend meist aus Arzt, Krankenpfleger, Fahrer, ggf. Physiotherapeut etc.), die Kranke zu Hause betreuen. Etwa 15% der Bevölkerung profitiert von diesen Angeboten (AA 3.8.2018).

Eine AIDS-Behandlung kann in allen Provinzen mit Universitätskrankenhäusern durchgeführt werden. In Istanbul stehen drei, in Ankara und Izmir jeweils zwei private Krankenhäuser für eine solche Behandlung zur Verfügung (AA 3.8.2018).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (3.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei

IBZ - Federal Public Service Home Affairs General Directorate Aliens' Office Belgium, MedCOI - Belgian Desk on Accessibility (10.7.2015): Country Fact Sheet Access to Healthcare: Turkey, Zugriff 4.7.2018

IOM - International Organisation for Migration (2017): Country Fact Sheet Türkei 2017, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2017_T%C3%Bcrkei_DE.pdf, Zugriff 2.7.2018

ÖB - Österreichische Botschaft - Ankara (10.2017): Asylländerbericht Türkei

Wenn die bP in ihrer Niederschrift und in der Beschwerde somit darlegt, dass es in der Türkei keine Medikamente gegen HIV gibt, so ist dem entgegen zu halten, dass sich aufgrund o. a. Ausführungen in den Länderfeststellungen ergibt, dass eine entsprechende Behandlungsmöglichkeit für die bP jedenfalls gegeben ist.

Dass es aktuell in der Türkei keinen landesweiten bewaffneten Konflikt gibt, unter dem die Zivilbevölkerung in einer Weise zu leiden hätte, dass ein Aufenthalt dort jedermann, sohin auch die bP, in eine maßgebliche Gefahrenlage bringen würde, war zugleich als notorisch festzustellen, wie dies aus den Feststellungen des BFA zu gewinnen war.

Im Übrigen war die bP schon auf Besuch in der Türkei, was ebenso gegen die Wahrscheinlichkeit irgendeines Bedrohungsszenarios sprach.

2.3. Die vom BFA getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage in der Türkei stellen sich in den für die Entscheidung wesentlichen Aspekten als ausreichend und tragfähig dar und stehen mit dem Amtswissen des Gerichts hierzu im Einklang.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

1. Zu Spruchpunkt I.

Rückkehrentscheidung

1.1. Gemäß § 52 Abs. 4 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet, dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen.

In Bezug auf die bP kommt § 52 Abs. 4 Z 4 in Betracht.

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 und Z 4 NAG darf ein Aufenthaltstitel nur dann erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet und wenn der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen.

Das BFA legte in Bezug auf die bP dar, dass gegenständlichen zweifellos ein öffentliches Interesse an Ihrer Aufenthaltsbeendigung besteht. Die bP hat beharrlich gegen die Gesetze der österreichischen Rechtsordnung verstoßen. Die Straftaten sind wesentliche Gründe, die bei Rückkehrentscheidungen im Rahmen der Interessensabwägung zu Ungunsten eines Fremden ausschlagen können. Hierbei sind vor allem die Art der begangenen Straftat sowie deren Schwere und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild relevant. Ihr bisheriges Verhalten läuft zweifellos den Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit massiv zuwider. Durch ihr Fehlverhalten bringt sie eine mangelnde Rechtstreue und ihre Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten deutlich zum Ausdruck. Die von ihr gesetzten Straftaten beeinträchtigen in gravierendem Ausmaß die öffentlichen Interessen an der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen. Eine Phase des Wohlverhaltens konnte nicht festgestellt werden.

Ihre Gewaltbereitschaft, gepaart mit ihrem mangelnden Respekt vor der Staatsgewalt, indiziert die von ihr ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Besonderen.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist einem Verstoß gegen die öffentliche Ordnung, sei es auf dem Gebiet des Fremdenwesens (NAG, FPG, AsylG - z.B. VwGB vom 11.05.2010, Zl. 2008/22/0845; 26.06.2013, Zl. 2013/22/0318; 31.01.201, Zl. 2011/23/0513) oder Normen anderer Rechtsgebiete betreffend, wie etwa jenen des AuslBG, z.B. VwGH vom 30.01.2002, Zl. 2002/12/0029), große Bedeutung beizumessen.

Bis dato waren die bP insgesamt nur 198 Tage (6,5 Monate) erwerbstätig. Sie hat regelmäßig Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Überbrückungshilfe bezogen, weshalb die gegenständliche Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden war.

Dem BFA ist bei seinen Ausführungen nicht entgegen zu treten. Die bP ist türkischer Staatsangehöriger und somit Drittstaatsangehöriger. Wie bereits oben ausgeführt, ist die bP kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Sie hält sich auf Grund des Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" rechtmäßig im Bundesgebiet auf und ist durch diesen Titel zur befristeten Niederlassung berechtigt, womit sich vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen zu ihrem strafrechtlich relevanten Verhalten die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 52 Abs 4 Z 1 FPG ergibt.

Entsprechend dem Erkenntnis des VwGH v. 21.06.2011, 2009/22/0060, ist bei der Prüfung, ob ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu treffen (VwGH vom 7. April 2011, 2009/22/0066, mwN, und vom 3. März 2011, 2009/22/0096). Dabei kommt etwa früheren Beschäftigungen, den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung, sowie der Wahrscheinlichkeit, ob die nun bekanntgegebenen Einkommensverhältnisse auch auf absehbare Zeit andauern werden, Bedeutung zu. Berücksichtigt man die Situation der bP vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen, so liegen auch die Voraussetzungen des § 52 Abs 4 Z 4 FPG vor, da das zur Verfügung stehen von gesicherte Unterhaltsmittel in Bezug auf die bP keinesfalls als gegeben anzunehmen ist. Vielmehr lebte die bP regelmäßig von staatlichen Zuwendungen und ging kaum einer Beschäftigung nach, wie sich aus den Feststellungen unbestrittener Weise ergibt.

Die Voraussetzungen des § 52 Abs 4 Z 4 FPG sind somit ebenfalls gegeben. Es liegen somit die entsprechenden Versagungsgründe für die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels vor. Es war demnach eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

1.2. Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme:

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zweifellos handelt es sich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl um eine öffentliche Behörde im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK; der Eingriff ist - wie bereits oben dargestellt - in § 9 Abs. 1 BFA-VG iVm § 67 FPG gesetzlich vorgesehen.

Es ist daher in weiterer Folge zu prüfen, ob der Eingriff in Ihr Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK, verfolgt. Es ist eine individuelle Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen, um festzustellen, ob der Eingriff durch das Aufenthaltsverbot auch als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.

Art. 8 EMRK:

Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

Für die Beurteilung ob ein relevantes Privat- und/oder Familienleben iSd Art 8 EMRK vorliegt sind nach der höchstgerichtlichen Judikatur insbesondere nachfolgende Umstände beachtlich:

Privatleben

Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Rückkehrentscheidungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Bei der Schutzwürdigkeit des Privatlebens manifestiert sich der Grad der Integration des Fremden insbesondere an intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124).

Familienleben

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben;

das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00); etwa bei Zutreffen anderer Faktoren aus denen sich ergibt, dass eine Beziehung genügend Konstanz aufweist, um de facto familiäre Bindungen zu erzeugen: zB Natur und Dauer der Beziehung der Eltern und insbesondere, ob sie geplant haben ein gemeinsames Kind zu haben; ob der Vater das Kind als eigenes anerkannt hat; ob Unterhaltszahlungen für die Pflege und Erziehung des Kindes geleistet wurden; und die Intensität und Regelmäßigkeit des Umgangs (EGMR v. 8.1.2009, Zl 10606/07, Fall Grant gg. Vereinigtes Königreich).

Kinder werden erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).

Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere "de facto Beziehungen" ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).

Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 8 EMRK Rz 76).

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern, die wegen des Fehlens von über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmalen der Abhängigkeit nicht (mehr) unter den Begriff des Familienlebens fallen, unter den Begriff des ebenfalls von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Privatlebens zu subsumieren (VwGH 21.4.2011, 2011/01/0093-7 [vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 9. Oktober 2003, Slivenko gegen Lettland, Beschwerde Nr. 48321/99, Randnr. 97, vom 15. Juni 2006, Shevanova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 58822/00, Randnr. 67, vom 22. Juni 2006, Kaftailova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 59643/00, Randnr. 63, und vom 12. Jänner 2010, A.W. Khan gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 47486/06, Randnr. 31 ff]).

Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778; 26.6.2007, 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR im Fall Cruz Varas gegen Schweden). In diesen Fällen ist nach der Judikatur des EGMR der Eingriff in das Privatleben gegebenenfalls separat zu prüfen (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 856 mwN).

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

1.3. In Österreich lebt die Gattin der bP. Es wurde jedoch bereits die Scheidung eingereicht und wird kein Familienleben mehr mit dieser geführt. Die bP hat keine Kinder. Vor ihrer Inhaftierung lebte sie mit ihrer Mutter im gemeinsamen Haushalt, wobei dies insofern zu relativieren ist, als die bP sich regelmäßig in Strafhaft befand. Ihr Vater ist gestorben und ihre Geschwister leben in Österreich. Die Rückkehrentscheidung stellt daher zwar einen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, wobei das Familienleben nicht sehr ausgeprägt ist.

Auf Grund der langen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet und der gegeben persönlichen Umstände liegt hier auch ein relevantes Privatleben in Österreich vor.

Da die Rückkehrentscheidung somit einen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben darstellt, bedarf es diesbezüglich einer Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen Interessen, ob eine Rückkehrentscheidung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Im vorliegenden Fall ist der Eingriff gesetzlich vorgesehen und verfolgt gem. Art 8 Abs. 2 EMRK legitime Ziele, nämlich

- die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, worunter auch die geschriebene

Rechtsordnung zu subsumieren ist;

- das wirtschaftliche Wohl des Landes;

- zur Verhinderung von strafbaren Handlungen;

Öffentliche Ordnung / Verhinderung von strafbaren Handlungen (auch im Bereich des Aufenthaltsrechtes)

Der EGMR geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Der EGMR erkennt in stRsp weiters, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Rückkehrentscheidung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. uva. zB. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.). Die Schaffung eines Ordnungssystems mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt wird, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs. 2 EMRK) daher ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.9.2007, B 328/07, VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251 uva.).

Wirtschaftliches Wohl

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist auch für das wirtschaftliche Wohl des Landes (vgl zB EGMR 31.7.2008, Darren Omoregie u.a. gg. Norwegen) von besonderer Bedeutung, da diese sowohl für den geordneten Arbeitsmarkt als auch für das Sozial- und Gesundheitssystem erhebliche Auswirkung hat.

2.2. Im Einzelnen ergibt sich unter zentraler Beachtung der in § 9 Abs. 1 Z 1-9 AsylG genannten Determinanten Folgendes:

- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:

Die bP war bisher legal im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Derzeit hat sie den Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" inne und ist zur beschränkten Niederlassung in Österreich berechtigt. Es liegen jedoch Versagungsgründe für die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels vor. Zudem steht die bP im Begriff sich von ihrer Gattin scheiden zu lassen, was ebenfalls dazu führen würde, die Aufenthaltsberechtigung zu verlieren. Die ursprüngliche Aufenthaltsberechtigung "Daueraufenthalt EU" wurde der bP bereits entzogen.

- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens

Das Familienleben in Österreich beschränkt sich darauf, dass die bP kurzfristig mit ihrer Mutter in gemeinsamen Haushalt lebte und die Mutter für die Miete aufkam.

- Schutzwürdigkeit des Privatlebens

Die bP ist in Österreich geboren und hielt sich fast durchgehend hier auf. Während des bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet hat die bP auch private Anknüpfungspunkte in Österreich erlangt, wobei jedoch diesbezüglich auch der kriminelle Aspekt diverser Anknüpfungspunkte nicht übersehen werden darf.

- Grad der Integration

Der bP ist in Österreich geboren. Sie hat Freunde in Österreich, wobei diese laut eigenen Angaben zum Teil kriminell sind. Sie spielte in Österreich teilweise Fußball und Basketball. Sie spricht Deutsch.

Die bP ging insgesamt nur etwa 6 1/2 Monate lang einer Arbeit nach. Überwiegend bezog sie Arbeitslosengeld, Notstandhilfe und Überbrückungshilfe. Die bP war regelmäßig straffällig und verbüßte regelmäßig Strafhaften.

- Bindungen zum Herkunftsstaat

Die bP hat Verwandte in der Türkei, wie ihre Tante, ihren Onkel, einen Cousin und ihre pflegebedürftige Oma. Einmal war sie bisher mit ihren Eltern in der Türkei für die Dauer von 1 Monat, vor etwa 14 Jahren, aufhältig. Ihre Muttersprache ist laut eignen Angaben Türkisch.

- strafrechtliche Unbescholtenheit

In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen die o. a. Verurteilung auf. Die für die Integration wesentliche soziale Komponente wird durch die von der bP begangene Straftat erheblich beeinträchtigt. Die Integration eines Fremden in seinem Gastland verlangt die Bereitschaft, die Rechtsordnung dieses Gastlandes zu respektieren. Diese Bereitschaft hat die bP jedenfalls nicht gezeigt. Insbesondere beging sie auch schwere Delikte wie Raubüberfälle und Einbruchdiebstähle, zudem leistete sie auch Widerstand gegen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und beging Drogendelikte.

- Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-. Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Die beschwerdeführende Partei war bisher rechtmäßig in Österreich aufhältig.

1.4. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass ein Rückkehrverbot einen nur sehr geringfügigen Eingriff in das Familienleben der bP darstellt.

Letztlich ist jedoch auch auf die Judikatur des VwGH zu verweisen, wonach die allfällige Trennung von Familienangehörigen ebenso wie mögliche Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung im Heimatland im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen sind (vgl. VwGH 09.07.2009, 2008/22/0932; 22.02.2011, 2010/18/0417) und selbst Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse, die infolge der alleinigen Rückkehr auftreten können, hinzunehmen sind (vgl. VwGH 15.03.2016, Zl. Ra 2015/21/0180).

Eine Integration im privaten Bereich ist der bP nicht abzusprechen, insbesondere wo sie in Österreich geboren wurde und sich hier fast durchgehend aufhielt. Zu relativieren ist dies jedoch insofern, als die bP regelmäßig rechtskräftig verurteilt wurde und sich regelmäßig in strafhaft befand. Selbst Umstände, dass der Fremde einen großen Freundes- und Bekanntenkreis hat und er der deutschen Sprache mächtig ist, können seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht maßgeblich verstärken (vgl. VwGH 26.11.2009, 2007/18/0311; 29.6.2010, 2010/18/0226). Insbesondere kam nicht hervor, dass die bP selbsterhaltungsfähig ist.

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und unter Einbeziehung der oa. Judikatur der Höchstgerichte ist gegenständlich ein überwiegendes öffentliches Interesse - nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, sowie zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere in Bezug auf die rechtskräftigen Verurteilungen der bP besonders auch wegen schwerer Delikte - an der Aufenthaltsbeendigung der bP festzustellen, welches ihre Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiegt. Die Rückkehrentscheidung ist daher als notwendig und nicht unverhältnismäßig zu erachten.

Die persönlichen Bindungen in Österreich lassen keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK erkennen, die es der bP schlichtweg unzumutbar machen würden, in ihr Heimatland zurückzukehren.

Es erfolgte daher zu Recht die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 4 FPG. Die Beschwerde war somit hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.

2. Zu Spruchpunkt II.

2.1. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

2.2. Dass die bP im Fall ihrer Rückkehr in die Türkei einer Gefährdung im Sinn des Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre oder ihr die Todesstrafe dort drohen könnte, ist nicht ersichtlich. Es besteht in der Türkei kein internationaler oder innerstaatlicher Konflikt, der für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt bedeuten würde. Dies ist notorisch und wurde Gegenteiliges im Verfahren auch nie behauptet. Anhaltspukte dafür, dass die bP in ihrem Herkunftsstaat nicht in der Lage wäre, für ihren notwendigsten Lebensunterhalt zu sorgen, sind ebenso wenig ersichtlich. Diesbezüglich wird auf die entsprechenden Feststellungen und der erfolgten diesbezüglichen Beweiswürdigung verwiesen. Zudem ist folgende Judikatur zum Vorliegen von Krankheiten zu berücksichtigen.

Zur Vereinbarkeit der Abschiebung kranker Personen in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK ist va. auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 6. März 2008, B 2400/07, hinzuweisen, in dem ausgehend vom Urteil des EGMR vom 2. Mai 1997, D. v. The United Kingdom, Nr. 30.240/96, ausführlich auf Rechtsprechung des EGMR verwiesen wird, nach der im Falle der Abschiebung einer kranken Person nur besondere Umstände ("exceptional circumstances") eine Verletzung von Art. 3 ERMK begründen können. Der Verfassungsgerichtshof fasst darin im Wesentlichen zusammen, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung des Art 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

Im Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 27. Mai 2008, N. v. The United Kingdom, Nr. 26.565/05, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine Rechtsprechung in Bezug auf Krankheiten und Art 3 EMRK zusammengefasst und neben dem Urteil D. v. The United Kingdom auf die Entscheidungen B.B. v. France, Nr. 30.930/96, Karara v. Finland, Nr. 40.900/98, S.C.C. v. Sweden, Nr. 46.553/99, Bensaid v.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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