Entscheidungsdatum
14.10.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L521 2169263-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde von XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, 1090 Wien, Alser Straße 20, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2017, Zl. 15-1093346402-151674215, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.02.2019 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 wird gemäß § 6 AVG 1991 mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 02.11.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Thörl-Maglern am Tag der Antragstellung gab der Beschwerdeführer an, den Namen XXXX zu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei am XXXX in Bagdad geboren und habe dort zuletzt gelebt, Moslem der schiitischen Glaubensrichtung, seit fünf Monaten geschieden und Vater dreier Kinder. Er habe von 1972 bis 1978 die Grundschule und von 1978 bis 1981 die Mittelschule im Gouvernement Wasit besucht. Zuletzt sei er beruflich selbständig gewesen. Seine drei Kinder und zwei Brüder würden sich im Irak oder einem anderen Drittstaat aufhalten.
Im Hinblick auf seinen Reiseweg brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak etwa Mitte Oktober 2015 legal von Bagdad ausgehend auf dem Luftweg in die Türkei nach Istanbul verlassen zu haben. Von dort habe er sich mit einem Bus nach Izmir begeben. In weiterer Folge sei er schlepperunterstützt auf dem Seeweg auf die Insel Lesbos nach Griechenland gelangt. Anschließend sei er per Bus, Zug und im Fußweg über Nordmazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gereist.
Zu den Gründen seiner Ausreise aus dem Irak befragt, führte der Beschwerdeführer aus, die Milizen hätten ihn und seine Familie bedroht. Überall sei Krieg. Er verfüge nunmehr weder über ein Geschäft noch Arbeit. Ein Bruder und ein Neffe seien in die Vereinigten Staaten von Amerika geflohen. Bei einer Rückkehr würde er bedroht werden und hätte er Angst zu sterben. Im Irak hätte er keine Zukunft mehr.
2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 02.06.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten Außenstelle Klagenfurt, im Beisein einer Vertrauensperson und eines geeigneten Dolmetschers in arabischer Sprache niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.
Eingangs bestätigte der Beschwerdeführer, bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben getätigt zu haben. Des Weiteren bejahte der Beschwerdeführer, dass alles korrekt protokolliert worden sie. Er habe jedoch nicht alles anführen können, da die Einvernahme am Abend stattgefunden habe und er sehr müde gewesen sei. Die Einvernahme habe kurz gedauert.
Zur Person und seinen Lebensumständen befragt gab der Beschwerdeführer an, im Gouvernement Wasit geboren worden zu sein und dort bis 1996 gelebt zu haben. In der Folge habe er in Bagdad zunächst in einem Hotel und nach seiner Eheschließung bei seinen Schwiegereltern gelebt. Er sei Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, Moslem der schiitischen Glaubensrichtung und Vater dreier Kinder. Er sei verheiratet, lebe jedoch derzeit in Trennung von seiner Ehegattin. Er habe sechs Jahre die Grund- und drei Jahre Mittelschule im Gouvernement Wasit besucht. Nach dem Abschluss seiner Schulausbildung habe er bis etwa Oktober 2015 als Obst- und Gemüseverkäufer seinen Lebensunterhalt bestritten. Seine Eltern würden noch im Irak leben. Zudem verfüge er über zwei Brüder und fünf Schwestern. Ein Bruder lebe in den Vereinigten Staaten von Amerika und ein Bruder in Kerbela. Eine Schwester befinde sich in Bagdad und der Rest der Familie sei im Gouvernement Wasit aufhältig. Ein weiterer Bruder sei bereits verstorben. Er stehe derzeit nicht mit seiner Familie, aber mit Freunden in Kontakt.
Den Irak habe er verlassen, da er ab 2010 aufgrund seiner Glaubensrichtung Probleme mit seinen Verwandten gehabt habe. Etwa Ende 2014 habe ein Neffe aus dem Gouvernement Wasit bei ihm für etwa zehn Tage Schutz gesucht, da dieser bei den Amerikanern als Dolmetscher tätig gewesen sei. Sein Schwiegervater habe davon nichts gewusst. Er habe es diesem nicht erzählen wollen, da sein Schwiegervater strenggläubig sei und jeden als Verräter ansehe, der mit den Amerikanern zusammenarbeite. Sein Schwiegervater habe wohl von der Anwesenheit seines Neffen gewusst, nicht aber, dass dieser für die Amerikaner gearbeitet habe und auf der Flucht sei. Am neunten oder zehnten Tag habe sein Schwiegervater hievon Kenntnis erlangt und von ihm verlangt, dass er seinen Neffen zur schiitischen Mahdi-Armee bringe. Dieser Aufforderung habe er nicht nachkommen können. Er habe seinen Neffen entkommen lassen. Sein Schwiegervater habe dann der Miliz mitgeteilt, dass sein Schwiegersohn den auf der Flucht gewesenen Neffen bei sich versteckt habe. Er habe sich dann zwar gegenüber seinen Kunden diesbezüglich rechtfertigen müssen, wobei er nicht gewusst habe, welcher Miliz diese angehört hätten, sei jedoch seiner Arbeit ganz normal nachgegangen. Eines Nachts sei exakt auf seine Wohnung geschossen worden, woraufhin Freunde und Nachbarn gekommen seien. Sein Schwiegervater habe auch sein Gewehr genommen, weshalb er diesen für den Schützen gehalten habe. Er habe Angst gehabt, weiter dort zu bleiben, zumal er seinen Feind nicht gekannt habe. Er wisse nicht, ob dies sein Schwiegervater oder die Milizen gewesen seien. Bevor er das Haus verlassen habe, habe er seine Familie vor die Wahl gestellt, ob diese mit ihm gehen oder bleiben wolle. Seine Ehegattin und die Kinder hätten bei seinem Schwiegervater bleiben wollen. Er sei dann zu seiner Schwester nach Bagdad gereist und habe dort einige Tage verbracht. Anschließend habe er dort für etwa vier Monate gearbeitet, wobei er sich dort nicht sicher gefühlt habe. Er habe Angst gehabt, dass ihn irgendwelche schiitischen oder sunnitischen Milizen töten würden.
Nachgefragt zu Details gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass die Probleme zwischen seinem Schwiegervater und ihm 2010 begonnen hätten, weil dieser strenggläubig sei. Dieser habe eine sehr starke Verbindung mit den sunnitischen Milizen und Parteien. Als sich sein Schwiegervater mit den Anderen getroffen habe, habe diese über seine Glaubensrichtung geschimpft. Nachdem der Neffe bei ihm gewesen sei, hätten die Probleme richtig begonnen. Er wisse nicht zu welcher Miliz sein Schwiegervater gegangen sei. Als auf das Haus geschossen worden sei, sei es in der Nacht gewesen, weshalb er nicht wisse, wer die Schüsse abgegeben habe. Er habe seinen Schwiegervater verdächtigt, da dieser eine Waffe in der Hand gehalten habe, als dieser aus dem Haus gekommen sei. Er habe keine Anzeige erstattet. Er habe gehört, dass nach diesem Schussvorfall Personen nach ihm gefragt hätten. Bei einer Rückkehr in den Irak würde er von den Gruppierungen oder ansonsten von seinem Schwiegervater getötet werden.
Mit dem Beschwerdeführer wurden ferner die länderkundlichen Feststellungen zur Lage im Irak erörtert und gab er hiezu folgende Stellungnahme ab: "Ich kenne die Lage im Irak.".
Im Gefolge seiner Einvernahme brachte der Beschwerdeführer, einen irakischen Personalausweis, einen irakischen Reisepass, einen irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis, eine irakische Meldekarte, eine irakische Lebensmittelkarte (jeweils in Kopie), Bestätigungen über die Teilnahme an einem Basisbildungskurs und über die aktive Mithilfe im Verein XXXX sowie ein Unterstützungsschreiben des Gemeinschaftswohnprojekts " XXXX " bei.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte III und IV).
Begründend führte die belangte Behörde nach der Wiedergabe der Einvernahme des Beschwerdeführers und den Feststellungen zu dessen Person im Wesentlichen aus, es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer den Irak aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch Milizen verlassen habe. Der Beschwerdeführer sei im Falle einer Rückkehr keiner Gefährdung durch den irakischen Staat ausgesetzt. Des Weiteren könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr einer Bedrohung durch private Personen ausgesetzt wäre. Eine Rückkehr in den Irak sei dem Beschwerdeführer zumutbar und möglich.
In der Beweiswürdigung wird diesbezüglich dargelegt, der Beschwerdeführer habe in seiner Erstbefragung und der Einvernahme vor der belangten Behörde in wesentlichen Punkten widersprüchliche und unplausible Ausführungen getroffen, was für dessen Unglaubwürdigkeit spreche. Ferner sei es unverständlich, dass der Beschwerdeführer die nächtlichen Schüsse auf das Haus nicht zur Anzeige gebracht habe. Schließlich könne nicht nachvollzogen werden, dass der Beschwerdeführer seinen Entschluss zur Ausreise bereits etwa im Jahr 2011 gefasst habe, jedoch in der Folge noch vier Jahre bis zu seiner Ausreise im Oktober 2015 im Irak im Einflussbereich seines Schwiegervaters verblieben sei.
In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewärtigen, sodass kein internationaler Schutz zu gewähren sei. Dem Beschwerdeführer sei der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, da ihm keine reale Gefahr einer Verletzung in elementaren Rechten sowie keine Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts drohe. Dem Beschwerdeführer sei schließlich kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen.
4. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.08.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und der Beschwerdeführer ferner mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.08.2017 gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.
5. Gegen den dem Beschwerdeführer am 14.08.2017 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die im Wege der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
In dieser wird Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde, in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt werde, in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Bescheid im Spruchpunkt III betreffend die gegen den Beschwerdeführer gefällte Rückkehrentscheidung aufgehoben werde, in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Bescheid im Spruchpunkt III betreffend die gegen den Beschwerdeführer festgestellte Abschiebung aufgehoben werde, in eventu dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 und § 57 AsylG 2005 zuzuerkennen und in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen sowie eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anzuberaumen.
In der Sache bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe ein mangelhaftes Verfahren geführt. Der Beschwerdeführer habe bei seiner Einvernahme beim belangten Bundesamt ausführlich zu seinen Asylgründen Stellung genommen. Falls asylrelevante Antworten ausgeblieben seien, wäre der Beschwerdeführer ferner bereit gewesen, weiter an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken.
Was die Beweiswürdigung betrifft, so wird diesbezüglich ausgeführt, dass sich die "Erstbefragung" gemäß § 19 Abs. 1 AsylG ausdrücklich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen habe. Diese würde "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden dienen. Im Übrigen sei das Vorbringen des Beschwerdeführers während der Erstbefragung keinesfalls widersprüchlich zu dem von der Einvernahme vor dem belangten Bundesamt gewesen, zumal der Beschwerdeführer schon bei der Erstbefragung geschildert habe, aufgrund der Bedrohung durch Milizen geflohen zu sein und Angst um sein Leben gehabt zu haben. Der Beschwerdeführer habe bei der Erstbefragung die Fragen, soweit er sie verstanden habe, beantwortet. Erst bei der Einvernahme vor dem belangten Bundesamt habe er detaillierter erzählen können, wobei sich die Ausführungen des Beschwerdeführers mit den aktuellen Länderinformationen decken würden.
Dem Beschwerdeführer sei zudem nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen.
Ferner ergebe sich schlüssig aus dem Gesamtvorbringen des Beschwerdeführers, dass er sich keiner Seite im Zuge der fortwährenden Kampfhandlungen angeschlossen habe und auch eine "Rekrutierung" abgelehnt habe. Vor diesem Hintergrund müsse die Furcht des Beschwerdeführers vor einer Verfolgung durch oppositionelle/ fundamentalistische, zum Teil islamistische, Gruppierungen im Irak als berechtigt und "wohlbegründet" im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention angesehen werden.
Was den Eventualantrag auf Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter betrifft, so sei anzuführen, dass sich die derzeitige Situation im Irak so auswirke, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr einem Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wäre. Unter auszugsweiser Zitierung mehrerer Länderberichte wird schließlich, die Sicherheitssituation im Irak, speziell in Bagdad, der Einfluss schiitischer Milizen in Bagdad und die allgemeine Menschenrechtslage im Irak dargelegt.
6. Die Beschwerdevorlage langte am 30.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zugewiesen.
7. Mit Schreiben vom 29.01.2019 wurde seitens des Beschwerdeführers im Wege der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation eine schriftliche Stellungnahme zur aktuellen Sicherheitslage im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers erstattet. Ferner beantragte der Beschwerdeführer die Ladung von XXXX zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, um seine Integrationsbemühungen in Österreich darzutun.
Abgesehen von den bereits im Zuge des Rechtsmittelschriftsatzes angeführten und nun erneut zitierten Länderberichten zur Sicherheitssituation im Irak, speziell in Bagdad, zum Einfluss schiitischer Milizen in Bagdad und zur allgemeinen Menschenrechtslage im Irak wird unter auszugsweiser Zitierung weiterer Länderberichte zur aktuellen Sicherheitslage im Irak dargelegt, dass im Zuge des internen bewaffneten Konfliktes Regierungstruppen, kurdische Streitkräfte, paramilitärische Milizen, die US-geführte Militärallianz und die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat auch 2017 Kriegsverbrechen, Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und schwere Menschenrechtsverstöße begangen hätten.
Ferner seien seit Jänner 2015 Berichte von Menschen, die an Checkpoints festgehalten und daran gehindert worden seien, bestimmte Provinzen des Irak zu betreten, immer häufiger geworden. Es gebe regelmäßig Berichte von Zugangssperren in von der irakischen Regierung kontrollierte Gebiete, sowie auch in unter der Kontrolle der Autonomieregion Kurdistan stehende Gebiete. Eine häufig angewandte Beschränkung der Bewegungsfreiheit sei das sogenannte "Sponsorensystem": Personen, die in eine Provinz einreisen wollen, müssten einen Sponsor vorweisen. Ein solches System werde auf viele Binnenvertriebene angewandt, die in die kurdische Autonomieregion flüchten wollen. Die Binnenvertriebenen würden in gemieteten Unterkünften, unfertigen Gebäuden, Notunterkünften, oft ohne adäquate Ernährung, Wasserversorgung oder medizinischer Versorgung leben. In manchen Orten, die die Popular Mobilisation Forces vom Islamischen Staat zurückerobert hätten, würden überhaupt keine ehemaligen Ortseinwohner zurückgelassen werden. Für Rückkehrer bestünde oft auch die Gefahr, Opfer von explosiven Kampfmittelrückständen zu werden. Teilweise würden Binnenvertriebene auch aufgefordert in ihre Häuser zurückzukehren, obwohl die sehr reale Gefahr bestünde, dass diese mit Sprengfallen versehen seien. In einer Zusammenschau sei daher erkennbar, dass es dem Beschwerdeführer ohne möglichen Sponsor an der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative mit großer Wahrscheinlichkeit mangle.
Schließlich besage ein Bericht von Human Rights Watch, dass schiitische Milizen, nach der Vertreibung des Islamischen Staates aus der Stadt Tikrit, hunderte von Wohnhäusern und Gebäuden in Tikrit und Städten der Umgebung geplündert, in Brand gesteckt und gesprengt hätten. Außerdem seien rund 200 Männer und Buben rechtswidrig festgenommen worden, von denen zum Zeitpunkt des Verfassens des Berichtes noch zumindest 160 verschwunden gewesen seien.
Der Stellungnahme sind - abgesehen von den bereits im Zuge der Einvernahme vor dem belangten Bundesamt am 02.06.2017 vorgelegten Unterlagen bezüglich der Integration - acht weitere Empfehlungsschreiben angeschlossen.
8. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 30.01.2019 wurden dem Beschwerdeführer seitens des Bundesverwaltungsgerichtes aktuelle länderkundliche Informationen zur Lage im Irak zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit eröffnet, sich hiezu innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens schriftlich zu äußern.
Der Beschwerdeführer reagierte auf die Aufforderung nicht und brachte zu diesen aktuellen länderkundlichen Informationen keine schriftliche Stellungnahme ein.
9. Am 25.02.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, eines Dolmetschers für die arabische Sprache und einer Vertreterin der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand der bereits vor der Verhandlung an den Beschwerdeführer bzw. die bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelten aktuellen Länderdokumentationsunterlagen erörtert. Ferner wurde die zur Verhandlung stellig gemachte XXXX als Zeugin einvernommen. Seitens des Beschwerdeführers wurde zudem ein weiteres Empfehlungsschreiben vorgelegt. Abschließend beantragte die Vertreterin der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation eine Frist zur Vorlage einer Einstellungszusage, woraufhin seitens des erkennenden Richters des Bundesverwaltungsgerichtes festgehalten wurde, dass mit der Erlassung der Entscheidung noch zwei Wochen zugewartet werde.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verzichtete auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.
10. Am 08.03.2019 langten beim Bundesverwaltungsgericht eine Einstellungszusage der XXXX GmbH vom 06.03.2019 und ein für den Beschwerdeführer ausgestellter - aufschiebend bedingter - Dienstvertrag der Firma XXXX vom 06.03.2019 ein.
11. Mit E-Mail vom 11.03.2019 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht um Mitteilung, ob von der XXXX GmbH ebenfalls ein aufschiebend bedingter Dienstvertrag erreicht werden könne und ob eine Perspektive bestünde, ob der Beschwerdeführer das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz absolviere, zumal nur in diesem Fall die Einstellungszusagen von Gewicht wären, da nur in diesem Fall ein Arbeitsmarktzugang möglich wäre.
12. Mit E-Mail vom 22.03.2019 übermittelte der Beschwerdeführer im Wege der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation einen für den Beschwerdeführer ausgestellten - aufschiebend bedingten - Dienstvertrag der Firma XXXX GmbH vom 15.03.2019 und eine Anmeldebestätigung für einen Kurs "Deutsch als Zweitsprache".
13. Mit Note vom 16.07.2019 erging seitens des Bundesverwaltungsgerichtes in Anbetracht der seit der mündlichen Verhandlung vergangenen Zeit der Auftrag, bis zum 16.08.2019 die noch ausstehenden Unterlagen zur Integration (insbesondere das Zeugnis über die bestandene Integrationsprüfung) in Vorlage zu bringen.
14. Am 13.08.2019 übermittelte der Beschwerdeführer im Wege der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation eine Bestätigung über die ehrenamtliche Tätigkeit in einem Tennisclub. Ferner legte er eine E-Mail bzw. Bestätigung vom 20.07.2019 vor, wonach er einen A1-Kurs besuche. Am Modul 1 dieses Kurses habe er von 24.04.2019 bis 16.06.2019 regelmäßig teilgenommen. Das Modul 2 laufe bis 22.08.2019, wobei er noch das Modul 3 (Beginn voraussichtlich im September) besuchen müsse, um das Niveau A 1 abzuschließen. Der Beschwerdeführer könne nach Meinung des Kursveranstalters frühestens Ende November zur Integrationsprüfung A1 antreten.
15. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.09.2019 wurden dem Beschwerdeführer bzw. der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation weitere aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zum Irak zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und dem Beschwerdeführer bzw. ihr die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens Stellung zu nehmen.
16. Mit Telefax vom 06.09.2019 übermittelte der Beschwerdeführer im Wege der bevollmächtigen Rechtsberatungsorganisation eine Stellungnahme zu den mit Note vom 04.09.2019 übermittelten Länderdokumentationsunterlagen.
Zunächst wird festgehalten, dass den übermittelten Länderfeststelllungen nicht entgegengetreten wird. Stattdessen zitiert der Beschwerdeführer auszugsweise aus den ihm übermittelten länderkundlichen Feststellungen zur Sicherheits- und Menschenrechtssituation sowie zur Wasserknappheit und Grundversorgung der Bürger im Irak. Ansonsten werden nochmals die bereits im Zuge der Stellungnahme vom 29.01.2019 angeführten und nun erneut zitierten Länderberichte samt der auszugsweisen Anführung eines weiteren Länderberichtes (UN Assistance Mission für Iraq 13.06.2015: Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict in Iraq) zu den Beschränkungen der Bewegungsfreiheit im Irak und zur Situation von Binnenvertriebenen dargelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angegebenen Namen. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und Moslem der schiitischen Glaubensrichtung. Er wurde am XXXX im Gouvernement Wasit geboren und lebte dort bis etwa Mitte der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Anschließend begab sich der Beschwerdeführer nach Bagdad, wo er sich bis zu seiner Ausreise aufhielt. Er bewohnte dort auf dem Grundstück seiner Schwiegereltern gemeinsam mit seinen drei Kindern und deren Mutter ein von ihm finanziertes "Gartenhaus". Nähere Feststellungen zum Familienstand können nicht getroffen werden.
Der Beschwerdeführer besuchte im Gouvernement Wasit die Grund- und Mittelschule. Im Anschluss betrieb er zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes in Bagdad ein Obst- und Gemüsegeschäft. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Arabisch.
Die Eltern und ein Bruder sind bereits verstorben. Die übrigen Geschwister des Beschwerdeführers - mit Ausnahme eines in den Vereinigten Staaten von Amerika lebenden Bruders - halten sich derzeit im Irak auf. Ein Bruder lebt in Kerbela, eine Schwester in Bagdad und ein Bruder und vier Schwestern im Gouvernement Wasit. Seine fünf Schwestern führen den Haushalt ihrer jeweiligen Familien und seine beiden Brüder sind als Angestellte im Bau- und Wohnministerium beruflich tätig. Der Beschwerdeführer steht mit seinen Familienangehörigen eigenen Angaben zufolge seit Jahren nicht in Kontakt.
Mitte Oktober 2015 verließ der Beschwerdeführer den Irak legal von Bagdad ausgehend auf dem Luftweg nach Istanbul in die Türkei und reiste in weiterer Folge schlepperunterstützt nach Griechenland. Von dort gelangte er über Nordmazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich, wo er am 02.11.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.2. Der Beschwerdeführer gehört keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte in seinem Herkunftsstaat keine Schwierigkeiten aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit und seines Religionsbekenntnisses zu gewärtigen. Der Beschwerdeführer hatte außerdem vor seiner Ausreise keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften seines Herkunftsstaates zu gewärtigen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr in seinem Herkunftsstaat einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat vor der Ausreise Drohungen oder Übergriffen seines Schwiegervaters, einer sunnitischen oder schiitischen Miliz oder eines ihrer Mitglieder ausgesetzt war bzw. er der Gefahr von Übergriffen durch diese Personen bzw. diese Gruppierungen im Falle einer Rückkehr in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.
1.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak. Die irakische Hauptstadt Bagdad ist im Luftweg auch direkt und sicher erreichbar.
Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit hinreichender Ausbildung in der Schule und Berufserfahrung als Gemüse- und Obstverkäufer.
Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung.
Der Beschwerdeführer verfügt über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat sowie über familiäre Anknüpfungspunkte und eine hinreichende Versorgung mit Nahrung und Unterkunft durch seine Familie. Der Beschwerdeführer verfügt über irakische Ausweisdokumente (Reisepass, Personalausweis und Staatsbürgerschaftsnachweis) in Kopie.
1.4. Der Beschwerdeführer hält sich seit etwa Anfang November 2015 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig in Österreich ein, ist seither Asylwerber und verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel. Er ist strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer bezieht seit der Antragstellung bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber. Er ist nicht legal erwerbstätig, er verrichtet(e) jedoch ehrenamtlich dreimal wöchentlich von 10.00 Uhr bis 14.00 Uhr unterschiedliche Tätigkeiten im Verein XXXX . Des Weiteren engagiert sich der Beschwerdeführer beispielsweise bei der Bewegung " XXXX " und dem Kunst- und Kulturverein XXXX . Ebenso übernimmt der Beschwerdeführer ehrenamtlich für eine monatliche Aufwandsentschädigung bzw. einen Fahrtkostenzuschuss in der Höhe von Euro 100,00 Arbeiten im Verein Tennisclub XXXX . Der Beschwerdeführer verfügt über zwei - aufschiebend bedingte - Dienstverträge. Einerseits für eine Vollzeitstelle als Küchenhilfe bei der Firma XXXX GmbH für einen Monatslohn von Euro 1.500,00 brutto und andererseits für eine zehnstündige Teilzeittätigkeit bei der Firma XXXX XXXX ür einen Monatslohn von Euro 400,00 brutto.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten und pflegt im Übrigen normale soziale Kontakte überwiegend zu österreichischen Staatsbürgern. In seiner Freizeit nimmt er an diversen Veranstaltungen teil und besucht Ausstellungen mit seinen Freunden und Bekannten. Er legte mehrere Unterstützungserklärungen vor. Freunde bzw. Unterstützer des Beschwerdeführers attestieren ihm Umsichtigkeit, Freundlichkeit, Menschlichkeit, Höflichkeit, Hilfsbereitschaft, Offenheit und Verlässlichkeit, ein Engagement im Rahmen der Aktivitäten der Vereine XXXX , " XXXX " und XXXX , Interesse an den Werten unserer Gesellschaft, unserer Kultur und der Lebensweise in Österreich sowie Engagement beim Erwerb der deutschen Sprache. Die Stärken des Beschwerdeführers lägen im Umgang mit anderen Menschen durch seine freundliche und herzliche Art und seine handwerklichen Fähigkeiten.
Der Beschwerdeführer ist für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig und hier alleinstehend.
Der Beschwerdeführer hat 2016/17 einen Basisbildungskurs "Besser Lesen, Schreiben und Rechnen 15/16-211" besucht. Seit 24.04.2019 absolviert er einen in Modulen aufgebauten Deutschkurs Niveau A1 (Modul 1 von 24.04.2019 bis 19.06.2019, Modul 2 endete am 22.08.2019 und Beginn für Modul 3 war für September 2019 geplant), er hat jedoch keine Prüfungen absolviert und verfügt erst über grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache. Eine Verständigung im Alltag in deutscher Sprache ist möglich. Laut seinen eigenen Angaben und lernt er die deutsche Sprache eher im Rahmen seines Freundeskreises.
Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG geduldet. Sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.
1.5. Zur gegenwärtigen Lage im Gouvernement Bagdad werden folgende Feststellungen getroffen:
Das Gouvernement Bagdad ist das mit ca. 4.555 km² flächenmäßig kleinste Gouvernement des Landes und beherbergt die gleichnamige irakische Hauptstadt Bagdad. In Bagdad lebten 2018 offiziell schätzungsweise 8,1 Millionen Menschen. Obwohl Bagdad das kleinste Gouvernement im Irak ist, hat es die höchste Einwohnerzahl von allen Gouvernements. 87% der Bevölkerung des Gouvernements leben in der Stadt Bagdad selbst. Die Hauptstadt ist das wichtigste Wirtschaftszentrum des Landes und beherbergt die stark geschützte grüne Zone.
Die Stadt Bagdad ist in neun Verwaltungsbezirke gegliedert: Adhamiyah, Karkh, Karada, Khadimiyah, Mansour, Sadr City, Al Rashid, Rasafa und 9 Nissan ('new Baghdad'). Die restliche Fläche des Gouvernements beherbergt die Verwaltungsbezirke Al Madain, Taji, Tarmiyah, Mahmudiyah und Abu Ghraib, die den sogenannten "Bagdad Belt" bilden und die Vororte beherbergen.
Gouvernement und Stadt Bagdad weisen eine gemischte Bevölkerung aus Schiiten und Sunniten mit einer geringeren Anzahl christlicher Gemeinschaften auf. Während die meisten Stadtteile in Bagdad in der Vergangenheit von einer Mischung aus Sunniten und Schiiten bewohnt waren, führte die gewaltsame Säuberung im Zuge der konfessionellen Konflikte insbesondere in den Jahren 2006 und 2007 dazu, dass die Stadt viel stärker religiös geteilt und von den Schiiten dominiert zu sein scheint (siehe dazu im Detail unten 1.10 "Lage von sunnitischen Arabern in Bagdad").
Die Einheiten der irakischen Armee in Bagdad unterstehen Führung des Baghdad Operations Command (BOC), das in zwei Gebiete unterteilt ist, das Karkh Area Command und das Rusafa Area Command. Die Special Forces Division (SFD) des Premierministers ist für die Sicherheit in der grünen Zone und den Schutz des Premierministers verantwortlich und kann vom Verteidigungsministerium, dem BOC, dem Joint Operations Command (JOC) sowie dem Premierminister selbst eingesetzt werden. Die SDF wird auch für Sicherungsaufgaben in Bagdad herangezogen, insbesondere während der schiitischen Pilgerreisen.
Dem Karkh Area Command untersteht die 6. irakische Armeedivision mit verschiedenen Brigaden, die in und außerhalb der Stadt stationiert sind. Die dem Rusafa Area Command unterstehende 9. Irakische Armeedivision ist derzeit nicht in Bagdad stationiert. Die Bundespolizei des irakischen Innenministeriums ist in Bagdad durch drei Bundespolizeidivisionen vertreten. Die 1. Federal Police Division sichert die südwestliche, westliche und südöstliche Kanalzone von Bagdad. Die 2. Federal Police Division, die einzige mechanisierte Division der Bundespolizei in Bagdad, wird hauptsächlich zur Terrorismusbekämpfung in Bagdad und den Bagdad-Belts, zur Sicherung von Pilgerwegen und zu Aufgaben in Zusammenhang mit der Strafverfolgung herangezogen. Die 4. Federal Police Division deckte das südliche Bagdad und Gebiete südlich der Hauptstadt ab und betreibt das Gefängnis in Karkh. Ergänzend steht westlich von Bagdad die 3. Brigade der Emergency Response Division (ERD) zur Verfügung. Die Stadt Bagdad und die Vororte werden grundsätzlich von den irakischen Behörden kontrolliert. In der Praxis teilen sich die Behörden jedoch die Verteidigungs- und Strafverfolgungsaufgaben mit den schiitisch dominierten Milizen der Volksmobilisierungseinheiten (al-hashd al-sha'bi, engl.: popular mobilization units, PMU oder popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF), was zu einer "unvollständigen" oder überlappenden Kontrolle mit diesen Milizen führt. Für die Jahre 2014 und 2015 liegen Berichte vor, wonach Einheiten der PMF an Misshandlungen und Morden an Zivilisten und Sunniten im Zusammenhang mit Operationen gegen den Islamischen Staat in den Bagdad-Belts beteiligt waren.
Seit dem Eintritt der militärischen Niederlage des Islamischen Staates im Dezember 2017 gibt es in Bagdad und anderen Landesteilen weniger Angriffe des Islamischen Staates mit großer Breitenwirkung. Der Islamische Staat verfügt weiterhin über aktive Zellen im nördlichen und westlichen Bagdad-Belt, diese befinden sich jedoch erheblichen Verlusten im Jahr 2017 in einem inaktiven Zustand. Seit dem Jahr 2018 sind Bagdad und die Bagdad-Belts kein prioritäres Operationsgebiet des Islamischen Staates mehr und ist der Islamische Staat nicht mehr für den überwiegenden Teil der Gewalttätigkeiten in der irakischen Hauptstadt verantwortlich. Die Möglichkeit, Anschläge auch im Zentrum der irakischen Hauptstadt zu verüben, dürfte nach wie vor gegeben sein, allerdings befindet sich die verbliebenen Anhänger des Islamischen Staates in einer Phase der Neuaufstellung.
Wenn der Islamische Staat die Verantwortung für Angriffe übernimmt, werden die Opfer entweder als "Abtrünnige" oder "Rafida" (eine abfällige Bezeichnung für schiitische Muslime) oder als bewaffnete Akteure bezeichnet, obwohl die Opfer möglicherweise Zivilisten sind. Der Islamische Staat übertreibt das häufig die Verluste, die seine Anschläge nach sich ziehen.
Die nachstehende Grafik zeigt, dass die Anzahl der zivilen Opfer von Gewaltakten in Bagdad in den Jahren 2017 und 2018 gegenüber den Vorjahren signifikant gesunken ist und wieder das Niveau vor dem Erstarkten des Islamischen Staates erreicht hat (Anmerkung: Die Datenbank Iraq Body Count kommt zu abweichenden Werten, siehe dazu die weitere Grafik).
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Die folgende Grafik veranschaulicht die Entwicklung der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Gouvernement Bagdad und Anzahl der Opfer nach der Datenbank Iraq Body Count, wobei die Darstellung jedwede Art von Gewaltanwendung (insbesondere Bombenanschläge, Selbstmordattentate, Attacken mit Schusswaffen und außergerichtliche Tötungen) umfasst.
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Die Verwaltungsbezirke mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu zivilen Todesfällen führten, waren im Jahr 2018 Adhamiya mit 78 sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu 94 zivilen Todesfällen führten, gefolgt von Resafa (einschließlich Thawra 1 & 2) mit 77 sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu 161 zivilen Todesfällen führten, gefolgt von und Mada'In mit 63 sicherheitsrelevanten Vorfällen, bei denen 69 Zivilisten ums Leben kamen. Die höchste Rate an Todesfällen pro 100.000 Einwohner) wurden im Vorort Tarmia (35,80) verzeichnet, gefolgt von Mada'in (15,91) und Adhamiya (8,25). Die meisten von der Iraq Body Count im Jahr 2018 im Gouvernement Bagdad erfassten Vorfälle betrafen Schießereien (46,4%), gefolgt von Morden ("executions") (30,6%) und die Verwendung improvisierter Sprengsätze (20,7%).
Dem Experten Michael Knights zufolge ereigneten sich in Bagdad 2018 die wenigsten Terroranschläge von -Jihadisten seit dem Jahr 2003. Anschläge des Islamischen Staates sind in der Stadt selbst "mehr oder weniger verschwunden", in den Bagdad-Belts sind die Anschläge des islamischen Staates zurückgegangen. Derzeit verhält sich der Islamische Staate in Bagdad und den Bagdad-Belts unauffällig und hat 2018 nicht viele Operationen durchgeführt. Wenn Angriffe verübt werden, handelt es sich meistens um Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen. Der Islamische Staat ist wahrscheinlich nicht für den Großteil der Gewalt in Bagdad verantwortlich. Das Institute for the Study of War geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass die derzeit registrierten Gewaltakte in Bagdad im Zusammenhang mit kriminellen und politischen Auseinandersetzungen (unter letztes fallen politische Einschüchterung, gezielte Attentate usw.) und nicht mit dem Islamischen Staat stehen. Auch der Experte Michael Knights geht davon aus, dass meisten Gewalttaten in Bagdad nicht dem Islamischen Staat zuzuschreiben sind. Quellen besagen, dass der Islamische Staat seine Aktivitäten derzeit nur im Bagdad-Belt und in den Randgebieten der angrenzenden Gouvernements entfaltet, anstatt in der Stadt selbst. Der Experte Joel Wing gab an, dass die gewalttätigsten Vorfälle mit improvisierten Sprengsätzen und Schießereien, die er aufzeichnete, Medienberichten zufolge im äußersten Norden und Süden von Bagdad und in geringerem Maße im Westen vorkommen. Das Institute for the Study of War stellte fest, dass die intensiveren Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen im nördlichen und nordwestlichen Teil der Stadt Bagdad (Kadhimiyah, Adahamyah) und im Vorort Tarmia (nördlich von Bagdad) verübt werden. Nur einige Vorfälle ereigneten sich in Bagdad westlich des Tigris - Karadah und Neu-Bagdad / al-Nissan und östlich des Tigris (Rusafa, Karkh, Rasheed und Mansour) sowie in Doura, jedoch in geringerer Intensität.
Das Institute for the Study of War kommt in seiner Analyse zum Ergebnis, dass "überwiegende Mehrheit" der Gewaltakte in Bagdad im Jahr 2018 "politische Gewalt" darstellte, die im Allgemeinen politische Einschüchterungen, bewaffnete Scharmützel und gezielte Morde unter Schiiten vor dem Hintergrund des anhaltenden politischen Wettbewerbs und der Regierungsbildung nach den Wahlen im Mai 2018 umfasste. In ähnlicher Weise erklärt der Experte Michael Knights, dass der Haupttrend bei der Gewalt in Bagdad darin besteht, dass es sich fast ausschließlich um persönliche, gezielte oder kriminelle Gewalt handelt, die in erster Linie den Einsatz von Kleinwaffen, Erpressung, Einschüchterung, improvisierte Sprengsätze oder Granaten, Schießereien, Raubüberfälle und andere Erscheinungsformen organisierter Kriminalität umfasst. Diese Aktivitäten dienen dem Experten zufolge in erster Linie der Einschüchterung und Gewalt gegen Zivilisten, um Geld zu verdienen, Zivilisten zu vertreiben, die als Außenseiter angesehen werden, oder um politische Gegner oder Menschen mit einer anderen ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit zu vertreiben oder ist gegen Personen gerichtet, die aufgrund ihres Lebensstils oder ihrer vorherigen Beteiligung an Verbrechen oder bewaffneten Konflikten exponiert sind. Er erwähnte auch, dass die politischen Spaltungen unter den Schiiten derzeit einen Großteil der Gewalt in den schiitischen Gebieten von Bagdad und Basrah ausmachen.
Die Expertin Geraldine Chatelard hebt hervor, dass Milizen in Bagdad häufig von Sunniten und Minderheiten der Gewalt beschuldigt werden, Morddrohungen, Entführungen, gezielte Attentate oder die Übernahme von Gebäuden von rechtmäßigen Eigentümern verübt zu haben, dies unter Hinweis darauf, dass sogar Schiiten Opfer von Erpressung und Tötung geworden sind. Der Expterte Michael Knights weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Sunniten und Christen in erster Linie befürchten, von schiitischen Milizen in Bagdad erpresst oder entführt zu werden, jedoch Quellen davon berichteten, dass die Zuweisung der Verantwortung für bestimmte Angriffe zu bestimmten Täter in Bagdad schwierig ist und insbesondere Sprengstoff sowohl zu politischen als auch zu kriminellen Zwecken eingesetzt wird, um Ziele anzugreifen und einzuschüchtern. Den PMF-Milizen werden dabei "enge Verbindungen zu kriminellen Banden" zugeschrieben, die Unterscheidung zwischen beiden ist nicht immer klar.
Der Experte Michael Knights vertritt zur Sicherheitslage allgemein die Ansicht, dass in der Stadt Bagdad die Gebiete sicherer sind und weniger Raum für offene Gewalt wie z.B. improvisierte Sprengsätze oder Raubüberfälle bieten, in denen sich die irakischen Streitkräfte auf die Bewachung wichtiger Standorte konzentrieren - etwa die Verwaltungsbezirke Karkh, Doura und Mansour. Dort wo die irakischen Streitkräfte weniger dominant ist und bewaffnete Akteure wie kriminelle Banden und Milizen Revierkämpfe führen und um Einfluss konkrurrieren, ist die Sicherheitslage entsprechend angespannter, wie in Kadhimiyah, Jihad, Bayaa und Karadah. Er vertrat die Ansicht, dass die "schlimmsten Sicherheitsbereiche" in der Stadt Adhamiyah, New Bagdad und Sadr City seien.
Milizen sind auch in bewaffnete Zusammenstöße zwischen ihnen selbst und den regulären Sicherheitskräften verwickelt, die laut Michael Knights im Jahr 2018 im Zentrum der Hauptstadt und in östlich gelegenen Gebieten mehrmals stattfanden. Ein Vorfall zog mediale Aufmerksamkeit nach sich: Am 20. Juni 2018 stoppte die irakische Polizei ein Auto in der Innenstadt von Bagdad, das Angehörigen der von Iran unterstützten Miliz Kataib Hezbollah ("Hisbollah-Brigaden") gehörte. Ein Hisbollah-Konvoi mit fünf Fahrzeugen traf ein und begann auf die Polizei zu schießen, was zu einem Feuergefecht führte, bei dem zwei Offiziere und ein Milizionär verletzt wurden. Die Polizei umzingelte daraufhin das Hauptquartier der Kataib Hezbollah, bis der Schütze der Polizei übergeben wurde. Der Vorfall spiegelt den möglichen Machtkampf zwischen irakischen Sicherheitskräften (Armee, Bundespolizei, örtliche Polizei) und PMF-Milizen wider.
EASO hat die folgenden sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2018 exemplarisch identifiziert:
Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen und Bomben
Bagdad wurde in der Vergangenheit vom Islamischen Staat wegen der Bevölkerungskonzentration bevorzugt angegriffen, da die großen Menschenansammlungen die Möglichkeit geboten haben, mit einem Bombenanschlag eine große Anzahl von Opfern zu treffen. 2018 sind solche Anschläge jedoch zurückgegangen. Noch im Jahr 2017 verfolgte der Experte Michael Knights eine hohe Anzahl von Angriffen mit Hilfe von improvisierten Sprengsätzen auf Märkte und Geschäfte in Bagdad. Die Anzahl der Angriffe dieser Art ging jedoch im weiteren Verlauf des Jahres 2018 zurück. Das Institute for the Study of War stellte fest, dass ein in Bagdad im Jahr 2018 festgestellter charakteristischer Angriff des Islamischen Staates darin bestand, Sprengsätze gegen kleine Personenbusse einzusetzen, die jeweils etwa zehn Personen befördern und die in ganz Bagdad zum Straßenbild gehören. Diese Busse wurden im Islamischen Staat im Jahr 2018 mehrmals mit improvisierten Sprengsätzen angegriffen, was zwar nur minimale Verluste, aber Einschüchterungen der Zivilbevölkerung zur Folge hatte.
Noch im Januar 2018 sprengten sich zwei Selbstmordattentäter auf dem überfüllten Tayran-Markt in Bagdad und töteten dabei mindestens 38 Menschen und verletzten bis zu 90 Menschen. Der Angriff schockierte die Bevölkerung von Bagdad, da er nach einem signifikanten Rückgang solcher Angriffe in Bagdad. Er wurde vom Guardian als der schwerste Angriff auf Bagdad seit der Erklärung des Sieges über den Islamischen Staat beschrieben. Beispiele für andere explosive Angriffe im Jahr 2018 sind die folgenden:
- In Rashidiya explodierte im Januar 2018 eine Bombe, ein Milizionär der PFM wurde getötet und zwei weitere wurden verletzt wurden.
- Am 23. Januar 2018 wurde ein Soldat getötet und zwei weitere verletzt, als eine irakische Militärpatrouille in Tarmiya nördlich von Bagdad von einer Straßenbombe getroffen wurde.
- Am 16. Mai 2018 wurden 5 Menschen getötet und 10 verletzt, als ein Selbstmordattentäter ein schiitisches Begräbnis in Tarmiya angriff.
- Am 23. Mai 2018 verübte der Islamische Staat einen Selbstmordanschlag in der Shula-Region, bei dem Angaben des Islamischen Staates zufolge 33 Menschen getötet und verletzt wurden. Die irakischen Medien berichteten demgegeneüber, dass vier Menschen getötet und 15 verletzt wurden.
- Der Islamische Staat meldete im August 2018 5 Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen auf Kleinbusse in Bagdad in den Distrikten Amil, Shula, Turath und Baladiyat. 669 Zwei dieser Angriffe töteten und verletzten 12 schiitische Muslime.
- Im Juni 2018 wurden 17 Menschen bei einer Explosion eines Waffenlagers der Miliz von Muqtada al Sadr getötet und 80 verletzt. Berichten zufolge wurden die Waffen in einer Moschee aufbewahrt, die von Sadr-Anhängern benutzt wurde.
- Eine Explosion auf einem Markt in Sadr City am 14. August 2018 wurde von einer Quelle im Sicherheitsapparat auf kriminelle Gründe zurückgeführt. Dabei wurden drei Menschen getötet und vier verletzt.
- Ein improvisierter Sprengsatz, der auf Schiiten im Bezirk Jihad (West-Bagdad) abzielt, tötete Berichten zufolge im September 2018 vier Menschen in der Nähe eines Einkaufszentrums.
- Am 25. September 2018 wurde in den folgenden Bezirken eine Reihe von Explosionen gemeldet, die zu Opfern führten: Al Jadid (New Bagdad) östlich von Bagdad (1 Tote, 2 Verletzte), al Shaab nördlich von Bagdad (2 Tote) und al-Baayaa westlich von Bagdad (2 Tote) .Der Islamische Staat übernahm am 25. September 2018 die Verantwortung für fünf improvisierte Sprengsätze gegen Shula, Kadhimiyah (Nord-Bagdad), Shaab und Bataween (Rusafa), und den Bezirk Bayaa (Zentral-Bagdad), dabei wurden 3 Zivilisten getötet.
- Am 1. und 2. Oktober 2018 forderten zwei improvisierte Sprengsätze in Shaab und Al Jadid einen Toten und mehrere Verwundete. Dem Islamischen Staat zufolge sei die Zahl der Opfer bei diesen beiden Angriffen viel höher gewesen und habe mehr als 50 Tote und Verwundete betragen.
- Am 7. Oktober 2018 wurden bei einer Reihe von Angriffen auf verschiedene Vororte in Bagdad (Abu Dshir, 17 km südlich von Bagdad, Abu Ghraib, 44 km westlich von Bagdad und im Norden von Bagdad) vier Personen getötet und fünf verletzt.
- Am 4. November 2018 wurden bei einer Serie von fünf improvisiertem Sprengsätzen in verschiedenen Gebieten des Gouvernements 8 Personen getötet und 14 verletzt. Eine andere Quelle berichtete von 7 Toten und 16 Verletzten. Der Islamische Staat behauptete jedoch, es seien bei den von ihm verübten Anschlägen mehr als 50 Opfer zu beklagen gewesen.
Beispiele für bewaffnete Zusammenstöße im Jahr 2018 sind die folgenden:
- Unbekannte bewaffnete Personen eröffneten das Feuer im Stadtteil Jihad im Westen von Bagdad und töteten im Januar 2018 einen lokalen Bürgermeister.
- Der Islamische Staat ermordete 8 Zivilisten bei einem Angriff auf den Vorort Tarmia im Mai 2018; die Opfer stellten Werbung für die Parlamentswahl auf; der Islamische Staat bezeichnete sie als Mitglieder einer Stammesmiliz.
- Bei einem weiteren, nächtlichen Angriff des Islamischen Staates auf den Vorort Tarmia Anfang Mai 2018 wurden 21 Mitglieder eines lokalen Stammes (18 Männer, 2 Frauen und ein Kind) getötet. Sämtliche Opfer waren Mitglieder des Albu-Faraj-Stammes, der ein überzeugter Gegner des Islamische Staates in der Region ist. Die Mitglieder sind Teil der lokalen sunnitischen Miliz und der PMF, die zur Verteidigung gegen des Islamischen Staat gegründet wurden. Die Angreifer des Islamischen Staates trugen Armeeuniformen und gingen zunächst gegen einen Anwalt vor, von dem bekannt war, dass er Opfern des Islamischen Staates half, und töteten ihn in seinem Haus. Als andere Dorfbewohner kamen, um zu helfen, eröffneten sie das Feuer, töteten und verletzten sie und zogen sich zurück, bevor die Armee eintraf, um sie zu fassen.
In Bagdad gab es mehrere Morde an Persönlichkeiten, die in sozialen Medien bekannt geworden waren, ohne dass die Täter identifiziert und einer bestimmten Gruppierung zugeordnet werden konnten.
- Tara Fares, bekannt aus Instagram, die in den sozialen Medien über persönliche Freiheit berichtet, wurde am 27. September 2018. in Bagdad erschossen, als sie in ihrem Porsche fuhr.
- Im Jahr 2017 wurde Karar Nushi, ein männliches Model, das Morddrohungen wegen seiner langen Haare und seiner engen Kleidung erhalten hatte, in der Palästina-Straße erstochen aufgefunden, wobei sein Körper Anzeichen von Folter zeigte.
- Hammoudi al-Meteiry, ein 15-jähriger und als "König von Instagram" bezeichneter Jugendlicher, der Berichten zufolge wegen seiner Homosexualität von unbekannten Tätern getötet wurde.
Der Islamische Staat gab bekannt, Scheichs und Stammesführer angegriffen zu haben, die die Parlamentswahlen im Mai 2018 unterstützten. Im Mai 2018 behauptete der Islamische Staat, er habe das Haus eines wahlfördernden Stammesführers mit einer Bombe angegriffen zu haben; es ist unklar, ob diese dabei getötet wurde. Folgende weiteren Angriffe wurden dem Islamischen Staat zugeschrieben:
- Am 27. Februar 2018 wurden vier Mitglieder der Sahwa-Bewegung von unbekannten Tätern im Norden Bagdads erschossen. Einer wurde getötet, die anderen drei verwundet.
- Am 1. März 2018 wurde ein ehemaliger Beamter der Sahwa-Bewegung durch eine Bombe in Bagdad getötet.
- Am 29. April 2018 wurde ein Führer der PMF, Qassim Al-Zubaidi, bei einem Attentat in der Innenstadt von Bagdad verletzt. Stunden zuvor wurde ein Wahlkandidat der Rechtsstaat-Koalition nördlich von Bagdad getötet.
- Am 22. Juni 2018 gab der Islamische Staat bekannt, einen Stammesführer in al-Zour in der Nähe von Tarmia nördlich der Hauptstadt getötet zu haben, weil er die Parlamentswahlen unterstützt hatte.
- Am 8. Juli 2018 wurden ein Kommandeur der Stammesmiliz und einer seiner Begleiter bei einem Bombenangriff in Nordbagdad verwundet.
- Am 19. Juli 2018 wurde ein Angehöriger der Sicherheitskräfte bei einem Angriff mit einer auf der Straße platzierten Bombe auf ihn in Tarmia im Norden von Bagdad verwundet.
- Am 2. August 2018 wurde mit einer am Straßenrand platzierten Bombe ein Fahrzeug der Sicherheitskräfte in der Region Sabaa al-Bour nördlich von Bagdad angegriffen. Eine Person wurde getötet, eine andere verletzt.
Im Januar 2018 erklärte der Direktor des Medienbüros des BOC, dass die Sicherheitskräfte in der Hauptstadt Fortschritte in Bezug auf das Sammeln von Informationen über den Islamischen Staat gemacht hätten und dass sich Militäreinsätze im Bagdader Gürtel positiv auf die Sicherheitslage ausgewirkt hätten. Der Direktor kündigte ferner den Bau eines Sicherheitszauns um Bagdad mit Sicherheitstoren an, um Aufständische daran zu hindern, in die Stadt einzusickern.
Dem Institute für the Study of War zufolge hat sich BOC im vergangenen Jahr auf die Bagdad-Belts konzentriert, was zu dem Rückgang der Angriffe in Bagdad beigetragen hat. Im Allgemeinen sei es den Sicherheitskräften gelungen, die Rückkehr weitverbreiteter Gewalt nach Bagdad im Jahr 2018 zu verhindern. Dieser Erfolg zeigt sich in der allgemeinen Abnahme von Gewaltereignissen im vergangenen Jahr. Politische Gewalt stelle nach wie vor die größte Herausforderung dar, dazu komme Destabilisierung angesichts der anhaltenden Blockade der neuen irakischen Regierung unter dem irakischen Premierminister Adel Abdul-Mahdi. Die PMF und andere lokale Sicherheitskräfte in Bagdad würden häufig eher auf politische Akteure reagieren, als auf den institutionellen staatlichen Sicherheitsapparat.
Die Expertin Geraldine Chatelard erklärt, dass die Wirksamkeit des Schutzes der Zivilbevölkerung vor verschiedenen Formen von Gewalt vom politischen Willen der beteiligten Akteure abhängen kann. Schutzbemühungen werden durch die Situation vor Ort untergraben, in der PMF-Milizen auf Befehl ihrer eigenen Kommandos handeln und nicht der irakischen Regierung, weil sie verschiedenen politischen Anwärtern oder iranischen Gönnern gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Die Regierung könne Erscheinungen von "Gesetzlosigkeit und Kriminalität" seitens der Milizen derzeit nicht wirksam begegnen. Der Experte Michael Knights geht davon aus, dass Gesetzesverstöße von Milizen auch derzeit folgenlos bleiben. Landinfo schätzt die Lage in Bagdad so ein, dass Milizen weiterhin Bewegungsfreiheit zukommt und sie über Verbindungen zur Polizei verfügen und an Kontrolle, Verhaftung, Bestrafung bzw. Entführung von Personen ebenso beteiligt sind, wie an anderweitigen an kriminellen Aktivitäten. In den Bagdad-Belts haben die Milizen mehr Handlungsspielraum, dort können sie den Einheimischen das Recht verweigern, in ihre Häuser zurückzukehren. Die PMF-Milizen sind dessen ungeachtet populär und haben sowohl formelle als auch informelle Macht. Sie konzentrieren sich auch auf den Wiederaufbau. In Bagdad wurde etwa ihre Rolle beim Wiederaufbau einer medizinischen Klinik beworben. Manchmal wenden sich die Einheimischen, auch in Bagdad, an die Milizen der Nachbarschaft, anstatt an die Polizei, um Gerechtigkeit zu suchen.
Michael Knights zufolge gibt es eine große Konzentration von Sicherheitskräften, einschließlich der in Bagdad stationierten Armee, die seiner Ansicht nach angemessen und aktiv geführt werden und über adäquate Beratung und nachrichtendienstliche Unterstützung verfügen. Die Androhung bzw. Zufügung von Gewalt in Bagdad erfolge derzeit eher "persönlich und gezielt" und weniger "situativ" (Anwesenheit am falschen Ort / zum falschen Zeitpunkt). Das Institute for the Study of War erklärte, dass Milizen in Bagdad in einem gewaltsamen Wettbewerb um territoriale Präsenz und Territorium, Bevölkerung und politischen Einfluss stehen. Viele ihrer politischen Machthaber wurden im Mai 2018 in das irakische Parlament bzw. die Regierung gewählt.
Checkpoints in Bagdad werden dazu verwendet, um sicherzustellen, dass Autobomben und Selbstmordattentäter nicht in die Stadt eindringen. Dem Experten Fanar Haddad zufolge betreiben PMF-Milizen keine regulären Checkpoints in der Stadt Bagdad, richten solche bei Zwischenfällen aber ad hoc ein. In den Bagdad-Belts gibt es demgegenüber sichtbare PMF-Präsenz und PMF-Kontrollpunkte Eine ähnliche Ansicht vertrat ein im Irak ansässiger Sicherheitsanalytiker, der erklärte, dass sich die von PMF-Milizen betriebenen Kontrollpunkte hauptsächlich am Stadtrand von Bagdad befinden und nicht in der Stadt selbst, wobei an Kontrollpunkten im Osten der Stadt PMF-Elemente gemeldet wurden. Es sei für die PMF-Milizen möglich, temporäre Kontrollpunkte einzurichten, um auf bestimmte Probleme in den Stadtteilen von Bagdad zu reagieren. Im Januar 2018 teilte der Mediendirektor der BOC der Zeitung Asharq Al-Awsat mit, dass 281 Kontrollpunkte in Bagdad aufgehoben wurden, mindestens 600 Hauptstraßen und Ausgänge und ihre Vororte wiedereröffnet und am 10. Dezember 2018 Tausende Betonblöcke entfernt wurden. Im Jahr 2018 wurde außerdem die befestigte Internationale Zone (grüne Zone) in der Innenstadt für die Öffentlichkeit geöffnet. Dies ist die erste Wiedereröffnung nach Jahren. Im Jahr 2015 hatte die Regierung die grüne Zone für ein paar Tage geöffnet, aber nach Widerstand von US-Beamten wieder geschlossen.
1.6. Zur aktuellen Lage im Irak werden schließlich folgende (allgemeinen) Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber dem Beschwerdeführer offengelegten Quellen getroffen:
1. Aktuelle Ereignisse
08.04.2019: Am 30.03.2019 griff der Islamische Staat ein Dorf in der Provinz Salah ad-Din an. Dabei wurden zwei Sicherheitskräfte getötet. In der Provinz Kirkuk stürmte der Islamische Staat ein kurdisches Dorf und eröffnete das Feuer auf eine Gruppe Dorfbewohner. Dabei wurde ein Bewohner getötet und ein weiterer verletzt. Am 02.04.2019 wurden vier Kämpfer des Islamischen Staates bei gezielten Luftangriffen in den Hamrin-Bergen getötet.
IOM veröffentlichte am 04.04.2019 einen Bericht zur Flucht und Vertreibung aufgrund von Wasserknappheit. IOM identifizierte 45 Ortschaften in den zentralirakischen Provinzen Qadisiyya, Nadschaf, Babil, Wasit und Kerbala, die von Wasserknappheit und Dürre betroffen sind. Etwa 1.727 Familien sind innerhalb der genannten Provinzen in Folge von Wasserknappheit vertrieben worden. In den südlichen Provinzen Maisan, Muthanna, Basra und Dhi-Qar soll es sich um 100 Ortschaften und Vertreibungen von bis zu 5.347 Familien handeln.
15.04.2019: Am 14.04.2019 kam es in Mossul zu Zusammenstößen zwischen der irakischen Bundespolizei und PMF-Milizen, als die Polizei die Milizionäre daran hinderte, ihren Kontrollpunkt zu überschreiten, da sie keine Aufgaben in der Gegend zu erfüllen hätten. Ebenfalls am 14.04.2019 erschossen unbekannte Täter in der Provinz Diyala einen irakischen Soldaten.
Bei Zusammenstößen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und Kämpfern des Islamischen Staates wurden am 12.04.2019 in der Provinz Diyala vier Kämpfer des Islamischen Staates getötet. Bei einer Sicherheitsoperation in der Provinz Anbar wurden drei Kämpfer des Islamischen Staates getötet.
Am 11.04.2019 wurden bei einer groß angelegten Sicherheitsoperation gegen den Islamischen Staat in den Hamrin-Bergen zwölf Kämpfer des Islamischen Staates getötet.
Am 10.04.2019 wurde in Shura, nahe Mosul, ein Stammesführer durch eine Bombe getötet, zwei seiner Verwandten verwundet. In der Nähe von Hawija wurden zwei Polizisten durch eine Bombe verletzt.
Angaben der irakischen Justizbehörden zufolge hat der Irak begonnen, Gerichtsverfahren gegen Hunderte mutmaßliche Mitglieder des Islamischen Staates vorzubereiten. Das zuständige Gericht für Terrorismusfälle habe bereits begonnen, Prozesstermine für Sammelverfahren festzulegen.
29.04.2019: Am 27.04.2019 wurden bei einem Luftangriff auf ein Versteck im al-Zour-Gebiet in der Provinz Diyala zwei Kämpfer des Islamischen Staates getötet. Ebenfalls in der Provinz Diyala wurde ein Zivilist bei einem Angriff von Kämpfern des Islamischen Staates getötet und ein weiterer verletzt. In der Provinz Salah ad-Din kam eine Zivilperson bei einem Bombenanschlag ums Leben.
Am 26.04.2019 töteten iraki