TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/23 L518 2127353-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.10.2019
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Entscheidungsdatum

23.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4

Spruch

L518 2127353-3/22E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 09.10.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus Steininger als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, alias Russische Föderation, vertreten durch Verein Menschenrechte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg vom 27.08.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A.) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge als "bP" bezeichnet), ist Staatsangehöriger der Republik Armenien.

In Bezug auf das bisherige verfahrensrechtliche Schicksal der bP im Bundesgebiet wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, welche wie folgt wiedergegeben werden:

"...

- Der Beschwerdeführer stellte am 2.6.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde am 18.3.2008 negativ entschieden.

- Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Rechtsmittel der Berufung an den UBAS wurde keine Folge gegeben und bestätigte der UBAS am 2.9.2010 die erstinstanzliche Entscheidung und wurde die Ausweisung in die Russische Föderation rechtskräftig.

- Am 21.2.2011 brachte der BF neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

- Am 10.3.2011 wurde dieser Antrag gem. § 68 AVG zurückgewiesen und wurde der BF gem. § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 in die Russische Föderation ausgewiesen.

- Eine gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung an den AsylGH wurde mit Erkenntnis vom 28.3.2011 keine Folge gegeben und die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Dieses Erkenntnis und die Ausweisung in die Russische Föderation wurde am 28.3.2011 in 2. Instanz rechtskräftig.

- Der BF ist im Zeitraum vom 2.6.2007 bis zur ggst. Erstinstanzlichen Entscheidung mit kurzen Unterbrechungen im österreichischen Bundesgebiet nach dem Meldegesetz gemeldet und wurde dem BF am 19.1.2016 eine Duldungskarte für ein Jahr ausgestellt.

- Mit Bescheid vom 10.5.2016 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist. Die aufschiebende Wirkung wurde gem. § 18 Abs. 1 Z1 BFA-VG aberkannt und es wurde wider den BF ein mit 8 Jahren Befristetes Einreiseverbot erlassen.

- Dem dagegen eingebrachten Rechtsmittel der Beschwerde wurde durch Beschluss des Bundesverwaltungsgericht vom 30.8.2016 insoweit folge gegeben, als der erstinstanzliche Bescheid auf Grund fehlender Ermittlungstätigkeit zur Staatsangehörigkeit behoben und an das BFA zur neuerlichen Entscheidungsfindung zurückverwiesen wurde.

- Mit Bescheid des BFA vom 11.11.2016 wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen, ein mit 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14. Tagen gesetzt.

- Der dagegen eingebrachten Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 14.3.2017 mit Ausnahme der Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG insoweit Folge gegeben, als dieser ersatzlos behoben wurde, da es für nicht zulässig erachtet wurde, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, ohne unter einem gem. § 52 Abs. 9 FPG festzustellen, dass die Abschiebung des Fremden in wenigstens einen Staat zulässig ist.

- Im Zeitraum vom 2011 bis 2018 wurde der BF 7 Mal rechtskräftig wegen Vorsatztaten verurteilt.

- Am 6.6.2019 wurde der BF durch die Vertretungsbehörde der Republik Armenien als StA von Armenien identifiziert und ein Heimreisezertifikat ausgestellt.

- Mit Schreiben vom 19.6.2019 wurde dem BF ein Parteiengehör mit der Aufforderung zur Stellungnahme zugestellt.

- Am 28.6.2019 langte eine Stellungnahme ein und wurde dem BF ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

- Mit im Spruch bezeichnetem Bescheid wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gem. § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF wurde wider den BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (BGBl. I Nr. 100/2005(FPG) idgF erlassen (Spruchpunkt II.). Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG nach Armenien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF wurde wider den BF ein mit 7 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Gem. § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.). Gem. § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

- Mit Schreiben vom 9.9.2019 erhob der BF das Rechtsmittel der Beschwerde und begründete diese im Wesentlichen dahingehend, dass die Rückkehrentscheidung massiv und unverhältnismäßig in das Familien- und Privatleben des BF und somit durch Art. 8 EMRK geschützte Rechtsgüter des BF in Österreich eingreift.

Er möchte auch in Zukunft mit seiner im Schengenraum lebenden Familien und den Verwandten in Kontakt bleiben und die Möglichkeit haben, diese gelegentlich zu besuchen. Im Ergebnis bestätigt, der BF, dass er lediglich während der beiden Asylverfahren temporär legal in Österreich aufhältig war und seit 28.3.2011 zur Ausreise verpflichtet war. Jedoch treffe ihn für den langjährigen rechtswidrigen Aufenthalt keine Schuld, da er trotz Bemühungen ein Heimreisezertifikat (HRZ) nicht erlangen konnte. Auch weiß der BF, dass er durch sein Verhalten die öffentliche Ordnung gefährdet hat und ihm täten diese Vorfälle leid. Seit 4,5 Monaten mache er beim XXXX Suchtmedizinische Substitutionsambulanz eine Therapie. Zudem sei er drogensüchtig und leide noch an einer chronischen Hepatitis C.

Im Falle einer Rückkehr nach Armenien würde der BF unweigerlich in eine ausweglose Situation geraten.

- Für den 9.10.2019 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt. Ebenso wurde - in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich der Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurde die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.

- Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet.

Die bP wurde iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.

Im Strafregister der Republik Österreich - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheinen folgende Verurteilungen auf:

1) LG XXXX /2011m vom 28.06.2011 RK 28.06.2011 §§15/1 105/2 106 Abs 1 StGB

Freiheitsstrafe 18 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre Vollzugsdatum 28.06.2011

zu LG XXXX /2011m RK 28.06.2011 (Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig Vollzugsdatum 28.06.2011

LG XXXX /2011m vom 12.09.2014

2) LG XXXX /2013w vom 06.12.2013 RK 06.12.2013 §§ 127, 130 1. Fall StGB § 15 StGB

§ 164 (2) StGB

Datum der (letzten) Tat 24.10.2013

Freiheitsstrafe 18 Monate, davon Freiheitsstrafe 12 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG XXXX /2013w RK 06.12.2013

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 16.03.2014, bedingt, Probezeit 3 Jahre

LG XXXX /2013b vom 17.12.2013

zu LG XXXX /2013w RK 6.12.2013

Probezeit der bedingten Entlassung verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG XXXX /2016H vom 19.12.2016

Zu LG XXXX /2013w RK 6.12.2013

Probezeit des bedingten Strafteils verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG XXXX /2016h vom 19.12.2016

3) LG XXXX /2015a vom 10.02.2015 RK 03.06.2015 §§ 127, 130 1. Fall StGB

§§ 27 (1) Z 1 1.2. Fall, 27 (2) SMG Datum der (letzten) Tat 31.12.2014

Freiheitsstrafe 21 Monate, davon Freiheitsstrafe 14 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG XXXX /2015a RK 03.06.2015 Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 21.08.2015 LG XXXX /2015a vom 21.08.2015

zu LG XXXX /2015a RK 3.6.2015

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG XXXX /2016h vom 19.12.2016

4) BG XXXX /2016h vom 13.04.2016 RK

19.08.2016 § 127 StGB

Datum der (letzten) Tat 19.02.2016 Freiheitsstrafe 1 Monat

5) BG XXXX /2016h vom 19.12.2016 RK 26.1.2017

§ 15 StGB § 127 StGB

Datum der (letzten) Tat 28.4.2016, Freiheitsstrafe 3 Monate

6) BG XXXX /2016g vom 11.12.2017 RK 15.12.2017

§§ 27 (1) Z 1 1.2. Fall, 27 (2) SMG

Datum der (letzten) Tat 4.5.2016

Keine Zusatzstrafe gem. §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf BG XXXX /2016h vom 19.12.2016 RK 26.1.2017

7) BG XXXX /2018k vom 12.3.2018 RK 16.3.2018

§§ 27 (1) Z1 1. Fall, 27 (1) Z1 2.Fall, 27 (2) SMG Datum der (letzten) Tat 31.7.2017 Freiheitsstrafe 2 Monate bedingt.

- Mit Schreiben vom 14.10.2019 wurde die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnis begehrt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Die beschwerdeführende Partei

Bei der beschwerdeführenden Partei handelt es sich um eine im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörigen männlichen Armenier welche aus einem überwiegend von Armeniern bewohnten Gebiet stammt und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennt.

Die beschwerdeführende Partei ist ein junger, gesunder, arbeitsfähiger Menschen mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.

Der Vater des Beschwerdeführers wurde im Oktober 2018 nach Armenien abgeschoben. Der BF verneinte familiäre Beziehungen zu Armenien.

Die Identität der bP steht fest.

2. Beweiswürdigung

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben.

Aufgrund der vorliegenden, unbedenklichen und von den Verfahrensparteien nicht beanstandeten Aktenlage ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

II.2.2. Die Feststellungen zur Person der bP ergeben sich aus dem Umstand, dass die Familie, bestehend aus dem Vater der Mutter und einen Bruder des BF sowie der BF, über die armenische Vertretungsbehörde eindeutig als Staatsangehörige der Republik Armenien identifiziert wurden. Untermauert wird diese Tatsache, dass ein bis 24.10.2019 gültiges HRZ von Armenien ausgestellt wurde und dies verlängert werden kann. Zudem wurde glaubwürdig seitens des in der Verhandlung anwesenden Behördenvertreters mitgeteilt, dass die Fingerabdrücke und das Lichtbild an die armenische Botschaft übermittelt und die personenbezogenden Daten: XXXX , geb. am XXXX , StA Armenien bestätigt wurden. Ebenso wurden die Nationalität und die Identität der Eltern mit Hilfe der Fingerabdrücke eindeutig identifiziert.

Der Umstand, dass die Identitäten des Beschwerdeführers sowie der in Österreich befindlichen Familienmitglieder nicht früher festgestellt werden konnte, ist letztlich auf die mangelnde Mitwirkung der bP an der Identitätsfeststellung zurückzuführen und sind alle daran anknüpfenden Konsequenzen daher von der bP zu vertreten.

An dieser Beurteilung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer auch in der Beschwerdeverhandlung ausführte, dass er noch ein kleines Kind gewesen sei, als seine Eltern mit ihm das Heimatland Armenien verlassen haben und er die ganze Zeit in Russland aufhältig gewesen sei.

Darüber hinaus war festzuhalten, dass der Vater im Oktober 2018 nach Armenien abgeschoben wurde und der Mutter mangels Voraussetzungen der für ein Jahr gültige und zwischenzeitlich abgelaufene humanitäre Titel derzeit in Österreich illegal aufhältig ist. Dass die wider den Bruder des BF verhängte aufenthaltsbeendende Maßnahme bislang nicht effektuiert wurde beruht auf dem Umstand, dass auch dieser derzeit eine Haftstrafe verbüßt.

3. Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

II.3.2.

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht, Sicherer Herkunftsstaat

II.3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungs-gericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

II.3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesver-waltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.

II.3.1.3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft und hat das ho. Gericht im gegenständlichen Fall gem. § 17 leg. cit das AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

II.3.1.4. Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

II.3.1.5. Gem. § 19 Abs. 5 BFA-VG kann die Bundesregierung bestimmte Staaten durch Verordnung als sicher Herkunftsstaaten definieren. Gemäß § 1 Z 12 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF, gilt die Republik Armenien als sicherer Herkunftsstaat.

II.3.1.5.1. Gem. Art. 37 der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zum gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes können die Mitgliedstaaten zum Zwecke der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz Rechts- und Verwaltungsvorschriften beinhalten oder erlassen, die im Einklang mit Anhang I zur VO sichere Herkunftsstaaten bestimmen können. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Staat als sicherer Herkunftsstaat bestimmt werden kann, werden verscheide Informationsquellen, insbesondere Inforationen andere Mitgliedstaaten, des EASO, des UNHCR, des Europarates und andere einschlägiger internationaler Organisationen herangezogen

Gem. dem oben genannten Anhang I gilt ein Staat als sicherer Herkunftsstaat, wenn sich anhand der dortigen Rechtslage, der Anwendung der Rechtsvorschriften in einem demokratischen System und der allgemeinen politischen Lage nachweisen lässt, dass dort generell und durchgängig weder eine Verfolgung im Sinne des Artikels 9 der Richtlinie 2011/95/EU noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind.

Bei der entsprechenden Beurteilung wird unter anderem berücksichtigt, inwieweit Schutz vor Verfolgung und Misshandlung geboten wird durch

a) die einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Staates und die Art und Weise ihrer Anwendung;

b) die Wahrung der Rechte und Freiheiten nach der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und/oder dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und/oder dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention keine Abweichung zulässig ist;

c) die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung nach der Genfer Flüchtlingskonvention;

d) das Bestehen einer Regelung, die einen wirksamen Rechtsbehelf bei Verletzung dieser Rechte und Freiheiten gewährleistet.

Artikel 9 der Richtlinie 2011/95/EU definiert Verfolgung wie folgt:

"1) Um als Verfolgung im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention zu gelten, muss eine Handlung

a) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, oder

b) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchstabe a beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne von Absatz 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

a) Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,

b) gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,

c) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

d) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

e) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 fallen, und

f) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Gemäß Artikel 2 Buchstabe d muss eine Verknüpfung zwischen den in Artikel 10 genannten Gründen und den in Absatz 1 des vorliegenden Artikels als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen bestehen."

Aus dem Grundsatz, wonach, wann immer nationale Behörden oder Gerichte Recht anwenden, das Richtlinien umsetzt, diese gemäß der richtlinienkonformen Interpretation dazu verhalten sind, "das zur Umsetzung einer Richtlinie erlassene nationale Recht in deren Licht und Zielsetzung auszulegen" (VfSlg. 14.391/1995; zur richtlinienkonformen Interpretation siehe weiters VfSlg. 15.354/1998, 16.737/2002, 18.362/2008; VfGH 5.10.2011, B 1100/09 ua.) ergibt sich, dass davon ausgegangen werden kann, dass sich der innerstaatliche Gesetzgeber und in weiterer Folge die Bundesregierung als zur Erlassung einer entsprechenden Verordnung berufenes Organ bei der Beurteilung, ob ein Staat als sicherer Herkunftsstaat gelten kann, von den oa. Erwägungen leiten lässt bzw. ließ. Hinweise, dass die Republik Österreich entsprechende Normen, wie etwa hier die Herkunftssaaten-Verordnung in ihr innerstaatliches Recht europarechtswidrig umsetzt bestehen nicht, zumal in diesem Punkt kein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich anhängig ist bzw. eingeleitet wurde (vgl. Art. 258 f AEUV).

Der VfGH (Erk. vom 15.10.20014 G237/03 ua. [dieses bezieht sich zwar auf eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Vorgängerbestimmung des § 19 BFA-VG, ist aber nach Ansicht des ho. Gerichts aufgrund der in diesem Punkt im Wesentlichen unveränderten materiellen Rechtslage nach wie vor anwendbar]) stellt ein Bezug auf die innerstaatliche Rechtslage ua. fest, dass der Regelung des AsylG durch die Einführung einer Liste von sicheren Herkunftsstaaten kein Bestreben des Staates zu Grunde liegt, bestimmte Gruppen von Fremden kollektiv außer Landes zu schaffen. Es sind Einzelverfahren zu führen, in denen auch über die Sicherheit des Herkunftslandes und ein allfälliges Refoulement-Verbot endgültig zu entscheiden ist. Dem Gesetz liegt - anders als der Vorgangsweise im Fall Conka gegen Belgien (EGMR 05.02.2002, 51564/1999) - keine diskriminierende Absicht zu Grunde. Die Liste soll bloß der Vereinfachung des Verfahrens in dem Sinne dienen, dass der Gesetzgeber selbst zunächst eine Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall vornimmt. Sicherheit im Herkunftsstaat bedeutet, dass der Staat in seiner Rechtsordnung und Rechtspraxis alle in seinem Hoheitsgebiet lebenden Menschen vor einem dem Art 3 EMRK und der Genfer Flüchtlingskonvention widersprechenden Verhalten seiner Behörden ebenso schützt wie gegen die Auslieferung an einen "unsicheren" Staat. Das Schutzniveau muss jenem der Mitgliedstaaten der EU entsprechen, was auch dadurch unterstrichen wird, dass die anderen sicheren Herkunftsstaaten in § 6 Abs. 2 AsylG [Anm. a. F., nunmehr § 19 Abs. 1 und 2 BFA-VG] in einem Zug mit den Mitgliedstaaten der EU genannt werden.

Die Einführung einer Liste sicherer Herkunftsstaaten führte zu keiner Umkehr der Beweislast zu Ungunsten eines Antragstellers, sondern ist von einer normativen Vergewisserung der Sicherheit auszugehen, soweit seitens des Antragstellers kein gegenteiliges Vorbringen substantiiert erstattet wird. Wird ein solches Vorbringen erstattet, hat die Behörde bzw. das ho. Gerichten entsprechende einzelfallspezifische amtswegige Ermittlungen durchzuführen.

Aus dem Umstand, dass sich der innerstaatliche Normengeber im Rahmen einer richtlinienkonformen Vorgangsweise und unter Einbeziehung der allgemeinen Berichtslage zum Herkunftsstaat der bP ein umfassendes Bild über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien verschaffte, ist ableitbar, dass ein bloßer Verweis auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat, bzw. die Vorlage von allgemeinen Berichten grundsätzlich nicht geeignet ist, einen Sachverhalt zu bescheinigen, welcher geeignet ist, von der Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall abzuweichen (das ho. Gericht geht davon aus, dass aufgrund der in diesem Punkt vergleichbaren Interessenslage die Ausführungen des VwGH in seinem Erk. vom 17.02.1998, Zl. 96/18/0379 bzw. des EGMR, Urteil Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77 sinngemäß anzuwenden sind, zumal sich die genannten Gerichte in diesen Entscheidungen auch mit der Frage, wie allgemeine Berichte im Lichte einer bereits erfolgten normativen Vergewisserung der Sicherheit [dort von sog. "Dublinstaaten"] zu werten sind).

II.3.1.5.2. Auf den konkreten Einzelfall umgelegt bedeutet dies, dass im Rahmen einer verfassungs- und richtlinienkonformen Interpretation der hier anzuwendenden Bestimmungen davon ausgegangen werden kann, dass sich die Bundesregierung im Rahmen einer normativen Vergewisserung in umfassendes Bild von der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien unter Einbeziehung der unter II.2.3 erörterten Quellen verschaffte und zum Schluss kam, dass die Republik Armenien die unter Anhang I der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes und den im Erk. des VfGH vom 15.10.20014 G237/03 ua. genannten Kriterien erfüllt.

Aufgrund dieser normativen Vergewisserung besteht für die bB bzw. das ho. Gericht die Obliegenheit zur amtswegigen Ermittlung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage nur insoweit, als seitens der bP ein konkretes Vorbringen erstattet wird, welches im konkreten Einzelfall gegen die Sicherheit Armeniens spricht und der bB bzw. dem ho. Gericht im Lichte der bereits genannten Kriterien die Obliegenheit auferlegt, ein entsprechendes amtswegiges Ermittlungsverfahren durchzuführen. Diese Obliegenheit wurde seitens der bB übererfüllt.

Das Vorbringen der bP war nicht geeignet, einen Sachverhalt zu bescheinigen, welcher die Annahme zuließe, dass ein von der Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall abweichender Sachverhalt vorliegt. Die Behörde bzw. das ho. Gericht waren in diesem Zusammenhang auch nicht verpflichtet, Asylgründen nachzugehen, die der Antragsteller gar nicht behauptet hat (Erk. des VfGH vom 15.10.2014 G237/03 ua mit zahlreichen wN) und liegt auch kein notorisch bekannter Sachverhalt vor, welcher über das Vorbringen der bP hinausgehend noch zu berücksichtigen wäre.

II.3.1.5.3. Es steht außer Zweifel, dass das ho. Gericht gehörig kundgemachte Gesetze und Verordnungen anzuwenden hat, weshalb das ho. Gericht § 19 AsylG, sowie die Herkunftsstaaten-Verordnung selbstredend anzuwenden hat. Sollte die bP die Auffassung vertreten, dass die Republik Armenien in die Herkunftssaatenverordnung aufgenommen wurde, ohne die bereits beschriebenen Kriterien zu erfüllen, steht es ihr frei, den Weg zum Verfassungsgerichtshof zu beschreiten.

II.3.2. Weitere maßgebliche Rechtsvorschriften

§ 57 AsylG lautet

"Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) ...

(3) ...

(4) ..."

§ 10 AsylG lautet:

"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10. (1) ...

(2) ...

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

§ 9 BFA-VG lautet:

"Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) (Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

§ 52 FPG lautet:

"Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

----------

1.-nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2.-nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

----------

1.-dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2.-dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.-ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4.-ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) ...

(5) ...

(6) ...

(7) ...

(8) ...

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) ...

(11) ..."

§ 55 FPG lautet:

"Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) ...

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde

(5) ..."

Art. 8 EMRK lautet:

"Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

II.3.3. Einzelfallspezifische Überlegungen

II.3.3.1. Vorab ist zu prüfen, ob im gegenständlichen Fall ein Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 Abs 1 EMRK vorliegt.

Zum Prüfungsumfang des Begriffes des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK- Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423, vgl. auch VwGH vom 8.6.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder VwGH vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, wo der VwGH im letztgenannten Erkenntnis feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Sowohl eheliche als auch uneheliche Kinder aus einer Familienbeziehung, die unter Art 8 EMRK fällt, werden von ihrer Geburt an ipso iure Teil der Familie (Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74; VfSlg 16.777/2003; ferner Gül gg Schweiz, ÖJZ 1996, 593; 5. 2 2004, 60457/00, Kosmopoulou gg Griechenland; 18. 1. 2007, 73819/01, Estrikh gg Litauen). Umgekehrt werden Kinder erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).

Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua). Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR in Cruz Varas).

Der Vater des Beschwerdeführers wurde im Oktober 2018 nach Armenien abgeschoben. Im Bundesgebiet sind die Mutter und der Bruder des Beschwerdeführers anwesend. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme betreffend des Bruders des BF wurde bislang nicht effektuiert, da dieser derzeit eine Strafhaft verbüßt. Der mit einem Jahr befristete humanitäre Aufenthaltstitel der Mutter ist abgelaufen und ist die Mutter derzeit illegal im Bundesgebiet aufhältig. Weitere familiäre Anbindungen hat der BF in Österreich nicht.

Im Bundesgebiet halten sich die bereits genannten den bP nahestehenden Personen auf.

Die bP möchte offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich bereits seit Juni 2007 im Bundesgebiet auf. Sie reiste rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein.

Der angefochtene Bescheid stellen somit einen Eingriff in das Recht auf das Privat- und Familienleben dar.

Wie bereits erwähnt, ist gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff aufgrund der bereits zitierten gesetzlichen Bestimmungen gesetzlich vorgesehen.

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- bzw. Familienlebens der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 (2) EMRK, in verhältnismäßiger Wiese verfolgt.

Bereits vor Inkrafttreten der Vorgängerbestimmung des § 9 Abs. 2 BFA-VG in der Form des AsylG 2005 idF BGBl 29/2009 entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erk. d. VfGH vom 29.9.2007, Zahl B 1150/07-9 und Erk. d. VwGH vom 17.12.2007, Zahl 2006/01/0216 bis 219-6 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Richtlinien (in den Medien der vielgenannte "Kriterienkatalog") im Rahmen der Interessensabwägung gem. Art. 8 Abs. EMRK, welche zu berücksichtigen sind:

- Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046),

- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271)

- und dessen Intensität (EGMR 2.8.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00),

- die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

- den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124),

- die Bindungen zum Heimatstaat,

- die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch

- Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und

- Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet.

Auch

- die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562).

Ebenso bereits vor Inkrafttreten des durch BGBl I 38/2011 in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG eingefügten lit. i, welcher der nunmehrigen Bestimmung des § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG entspricht, warf der VfGH in seinem Erk. B 950-954/10-08, S. 19 die Frage auf, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen (ähnlich VfGH 10.03.2011, B1565/10).

Ein mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden soll daher als zusätzliche Tatsache bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK berücksichtigt werden, andererseits stellte der VfGH in seinem Erkenntnis v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 unmissverständlich fest, dass die zeitliche Komponente dann in den Hintergrund tritt, wenn sich die Verweil- bzw. Verfahrensdauer aus dem Verhalten der beschwerdeführenden Partei ergibt (vgl. hierzu auch Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:

- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:

Die bP ist seit Juni 2007, also seit ca 12,5 Jahren in Österreich aufhältig. Sie reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und konnte ihren Aufenthalt lediglich durch die Stellung von zwei unbegründeten Anträge auf internationalen Schutz vorübergehend legalisieren. Hätte sie diesen unbegründeten Antrag nicht gestellt, wäre sie vom Anfang an rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig gewesen und wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und sie sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würde. Darüber hinaus war festzustellen, dass der Beschwerdeführer, sowie auch seine Eltern und sein Bruder jahrelang über die wahre Nationalität täuschten und vorgaben StA der Russischen Föderation zu sein. Erst Mitte 2018 war es der bB Möglich die tatsächliche Nationalität der Familie zu klären. Der Beschwerdeführer setzte keinerlei Maßnahmen, um die Ermittlungstätigkeit der bB betreffend die Nationalität zu unterstützen. Vielmehr führte der BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung neuerlich an, kein armenischer Staatsangehöriger, sondern staatenlos zu sein. Selbst über Vorhalt, dass dies unglaubwürdig ist, da die Identität und Nationalität mit Hilfe von Lichbildern und Fingerabdrücken geklärt werden konnte und die armenische Vertretungsbehörde in Österreich ein HRZ für ihn ausgestellt hat, vermeinte der BF lediglich, dass er als Kind das Heimatland mit seinen Eltern verlassen habe und beantwortete den Vorhalt mit der Gegenfrage, "Wer nimmt die Fingerabdrücke von Kleinkindern ab? Wie konnte das sein, dass meine Fingerabdrücke in Armenien vorliegen?".

Betreffend seiner Mutter gab der BF an, dass diese aus Aserbaidschan sei und es unmöglich sei, dass sie die armenische Staatsbürgerschaft innehat.

Angesichts dieses aktiven Unterlaufens der den BF obliegenden Mitwirkungsverpflichtung und dem Versuch die Behörden und Gerichte in die Irre zu führen, war festzustellen, dass der langjährige Aufenthalt des BF in erheblichem Ausmaß zu relativieren war.

- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens [Privatlebens]

Die bP verfügt über die bereits beschriebenen familiären Anknüpfungspunkte. Betreffend des Privatleben gab der BF an, keine österreichischen Freunde, sondern nur Bekannte zu haben. In XXXX würde ein aus XXXX stammender Freund leben.

- die Schutzwürdigkeit des Familienlebens [Privatlebens]

Die bP begründete ihr Privatleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung von zwei unbegründeten Anträgen auf internationalen Schutz vorübergehend legalisiert wurde, wenngleich der BF auch temporär für die Dauer eines Jahres eine Duldungskarte erhalten hat. Auch war der Aufenthalt der bP ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer der mittlerweile rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren und der Dauer der Duldung beschränkt.

Letztlich ist auch festzuhalten, dass die bP nicht gezwungen ist, nach einer Ausreise die in Österreich bestehenden Bindungen zur Gänze abbrechen müssten. So stünde es ihnen frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten (vgl. Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74 mwN). Ebenso stünde es ihr frei, nach ihrer Ausreise sich -wie jeder andere Fremde auch- um eine legale Einreise und einen legalen Aufenthalt zu bemühen.

- Grad der Integration

Die beschwerdeführende Partei ist -in Bezug auf ihr Lebensalter- erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig, hat hier keine qualifizierten Anknüpfungspunkte und musste im Rahmen der letztmaligen Befragung durch die belangte Behörde bzw. das erkennende Gericht ein Dolmetsch beigezogen werden, wenngleich im Verfahren hervorkam, dass sie die deutsche Sprache so weit beherrschen, dass eine Verständigung im Alltag möglich ist.

Ebenso geht aus dem Akteninhalt nicht hervor, dass die bP selbsterhaltungsfähig wäre bzw. ernsthafte Bemühungen zur Herstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit unternommen hätte. Der BF führte vielmehr an, dass er versucht habe, Arbeit zu finden und ihm verboten sei, zu arbeiten. Er habe temporär (ca. 1 Jahr) bei der Kronen Zeitung gearbeitet. Als er in Bad Hofgastein lebte, habe er freiwillig bei der Gemeinde gearbeitet.

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die -hier bei weitem nicht vorhandenen- Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

Zur vorgebrachten Existenz einer Einstellungszusage wird ebenfalls auf die ständiger höchstgerichtlicher Judikatur verwiesen, wonach einer solchen nur ein untergeordneter Wert zukommt (vgl. Erk. des VwGH 21.1.2010, 2009/18/0523; 29.6.2010, 2010/18/0195; 17.12.2010, 2010/18/0385; 22.02.2011, 2010/18/0323)

- Bindungen zum Herkunftsstaat

Die bP verbrachte - eigenen unbestätigten Angaben zur Folge - den überwiegenden Teil ihres Lebens in der Russischen Föderation.

Es deutet daher nichts darauf hin, dass es der bP im Falle einer Rückkehr nach Armenien nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. Vielmehr wurde der Vater des Beschwerdeführers im Oktober 2018 nach Armenien abgeschoben.

- strafrechtliche Unbescholtenheit

Die bP wurde wegen der oben zitierten nachfolgenden Straftaten rechtskräftig verurteilt:

Auszugsweise war hinsichtlich der Verurteilungen, welche der Beschwerdeführer dem Grunde nach auch eingestand, nachstehende Feststellungen zu treffen.

Der Verurteilung durch das LG XXXX , zu Zl. XXXX , mit welcher wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung gem. der §§ 15 Abs. 1, 105 Abs. 2 und 106 Abs. 1 StGB und des Vergehens der schweren Körperverletzung gem. der §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB der Beschwerdeführer zu 18 Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt wurde, lag der Sachverhalt zu Grunde, dass der BF mit seinem Bruder XXXX und einem weiteren Mittäter durch Versetzen von Faustschlägen ins Gesicht und gegen den Körper, sowie durch Versetzen von Schlägen mit einer Gaspistole ins Gesicht in Verbindung mit der sinngemäßen Äußerung, was mit dem Geld sei, wobei XXXX ihn durch Ansetzen einer Gaspistole gegen den Kopf sinngemäß mit dem Erschießen habe drohen wollen, durch Gewalt oder durch Drohung mit dem Tod zur Herausgabe der dem BF am selben Tag weggenommenen Wertgegenstände - nämlich ? 30.-an Bargeld, eines Mobiltelefons und einer Packung Zigaretten - und damit zu einer Handlung zu nötigen versucht und eine an sich schwere Körperverletzung in Form des Verlusts bzw. der Lockerung mehrerer Zähne des Oberkiefers, dreier ca. 2cm großer Rissquetschwunden im Bereich des re. Auges sowie einer Schwellung der Nase zugefügt.

Beim Beschwerdeführer fand die bisherige Unbescholtenheit mildernd Berücksichtigung, während das Zusammentreffen von einem Vergehen und einem Verbrechen erschwerend zu Buche schlug.

Der Verurteilung durch das LG XXXX vom 6.12.2013, zu Zl. XXXX , mit welcher der BF wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahles nach den §§ 127, 130 erster Fall, 15 Abs. 1 StGB und das Vergehen der Hehlerei nach § 164 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt wurde, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe in der Höhe von 12 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, lag nachstehender Sachverhalt zu Grunde.

Der Beschwerdeführer wurde nebst seinem Bruder und seinen Vater schuldig gesprochen, zu den nachgenannten Zeiten an nachgenannten Orten Verfügungsberechtigten fremde bewegliche Sachen gewerbsmäßig mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, um sich durch deren Zueignung unrechtmäßig z

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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