TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/4 L504 2208114-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2019
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Entscheidungsdatum

04.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

L504 2208114-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX .1990 geb., StA. Türkei, vertreten durch Verein ZEIGE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.05.2019, Zl. 556952109-180396987, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 57, 10 AsylG 2005, §§ 52, 46, 55, 53 FPG idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 25.04.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen Angaben nach Staatsangehöriger der Türkei und Atheist ist, der Volksgruppe der Kurden angehört und aus dem Dorf XXXX stammt.

Aus dem unbestritten gebliebenen Verfahrensgang des angefochtenen Bescheides ergibt sich Folgendes:

"[...]

- Am 10.06.2011 beantragten Sie erstmalig einen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet.

- Am 24.02.2012 wurde Ihnen vom Magistrat der Stadt Wien (MA35) ein bis zum 01.09.2012 befristeter Aufenthaltstitel ausgestellt.

- Am 28.02.2012 wurde Ihnen von der Österreichischen Botschaft in Ankara ein Visum D zur Abholung eines Aufenthaltstitels ausgestellt und war dieses von 28.02.2012 bis zum 27.06.2012 gültig.

- Aufgrund dieses Visums war es Ihnen möglich, legal in das österreichische Bundesgebiet einzureisen. Die Ausreise aus Ihrem Heimatland Türkei erfolgte ebenfalls legal und gestaltete sich ohne Schwierigkeiten.

- Sowohl am 02.09.2012, als auch am 03.09.2013 und am 13.04.2017 wurden Ihre Aufenthaltstitel vom Magistrat der Stadt Wien (MA35) verlängert und war Ihr letzter Aufenthaltstitel bis zum 13.07.2017 gültig.

- Erst nachdem Ihr letzter Aufenthaltstitel keine Gültigkeit mehr besaß und Ihr Erstantrag auf Ausstellung einer "Aufenthaltskarte (Angehöriger eines EWR- oder Schweizer Bürgers)" mit Bescheid vom 14.08.2017 zurückgewiesen wurde, stellten Sie am 25.04.2018 Ihren Antrag auf internationalen Schutz.

- Im Zuge Ihrer Erstbefragung gaben Sie am 25.04.2018 vor Sicherheitsbeamten der LPD befragt nach Ihren Fluchtgründen Folgendes an:

"Mein Asylgrund ist der Umstand, dass ich keinen Militärdienst leisten will. Da ich Kurde bin, würde man mich in ein Kurdengebiet senden. Ich will aber nicht auf meine Brüder schießen. Außerdem wurde ich unterdrückt, weil ich Atheist bin und zur Fastenzeit nicht gefastet habe. Da ich nicht bete und faste, falle ich als Ungläubiger auf. Ich wurde immer wieder gefragt warum ich den Glauben nicht nachgehe. Auch fühle ich mich dort nicht sicher und meine Familie wollte meinen Nichtglauben nicht akzeptieren und mich zwangsverheiraten. Ich habe hiermit all meine Asylgründe genannt und weshalb ich das Land verlassen habe und hier her nach Österreich gekommen bin. Es gibt keine weiteren Gründe".

Bezüglich Ihrer Rückkehrbefürchtungen gaben Sie im Rahmen Ihrer Erstbefragung Folgendes an:

"Dass ich zum Militärdienst einrücken muss."

- Sowohl Ihrer Ladung vom 04.07.2018 als auch vom 26.07.2018 blieben Sie unentschuldigt fern.

- Erst Ihre dritte Ladung zur asylrechtlichen Einvernahme, die Sie mittels Ladungsbescheids erhalten haben, nahmen Sie wahr. Folglich wurden Sie am 20.08.2018 von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, unter Teilnahme eines beeideten Dolmetschers für die Sprache Türkisch, einvernommen. Die wesentlichen Passagen dieser Einvernahme gestalteten sich dabei folgendermaßen:

[...]

Der Dolmetscher wird aufgefordert, bei Mehrfachbedeutungen eines Wortes nicht eigenmächtig eine Bedeutung zu wählen, sondern beide bzw. alle anzugeben oder zumindest auf diesen Umstand hinzuweisen und bei Unklarheiten nachzufragen, zumal sonst die Glaubwürdigkeit des Asylwerbers beeinträchtigt werden könnte.

F: Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen können. Ich möchte sicher sein können, dass alles, was Sie gesagt haben, auch so gemeint wurde. Bei Bedarf machen wir eine kurze Pause.

A: Ja, passt. Dankeschön.

F: Welche Sprachen sprechen Sie?

A: Türkisch, Kurdisch und Deutsch.

F: Wie ist die Verständigung mit dem Dolmetscher? Haben Sie dazu Einwände?

A: Gut.

F: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

A: Mir geht es gut, danke.

F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, der Einvernahme zu folgen?

A: Ja.

F: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstige Einwände gegen die anwesenden Personen vor?

A: Nein, keine Befangenheitsgründe.

F: Werden Sie im Verfahren von jemanden vertreten oder besteht für jemanden eine Zustellvollmacht?

A: Ja, ich werde vom Verein ZEIGE vertreten.

F: Entsprechen Ihre bisherigen Aussagen in den behördlichen Befragungen der Wahrheit?

A: Ja, die Angaben stimmen.

F: Wie heißen Sie, bitte nennen Sie Ihren vollständigen und richtigen Familiennamen und Vornamen?

A: Mein Name ist XXXX .

F: Wann und wo wurden Sie geboren?

A: Ich wurde am XXXX , Türkei, geboren.

F: Haben Sie entsprechende identitätsbezeugende Dokumente oder sonstige Beweismittel die Sie vorlegen können?

A: Meinen türkischen Personalausweis (Nüfus) mit der Nummer XXXX

Anmerkung: Dieser befindet sich im Akt.

Ich habe mehrere Integrationsbemühungen, jedoch habe ich diese heute nicht mit.

Anmerkung: 14-tägige Frist zur Nachreichung der Dokumente wird gewährt. Bis zum 03.09.2018.

F: Wo befindet sich Ihr Reisepass? Laut Erstbefragung haben Sie sich einen von der türkischen Botschaft in XXXX ausstellen lassen. Was sagen Sie dazu?

A: Ich habe ihn verloren. Das stimmt, ich habe ihn mir in XXXX ausstellen lassen.

F: Wann haben Sie Ihren Reisepass verloren?

A: Nach der Asylantragsstellung.

F: Wo haben Sie ihn verloren?

A: In meiner ehemaligen Wohnung meines Freundes. Ich habe ihn gesucht, aber nicht gefunden.

F: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?

A: Ich bin türkischer Staatsbürger.

F: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

A: Ich bin Kurde

F: Welche Religionszugehörigkeit haben Sie?

A: Ich bin ohne Bekenntnis; Atheist.

F: Wie lange sind Sie schon ohne Bekenntnis?

A: Seit ungefähr vier Jahren.

F: Was gab den Ausschlag dafür, dass Sie keinen Glauben mehr haben?

A: Aufgrund der Tatsache, dass die IS-Kämpfer in Syrien wegen der Religion andere Menschen töten. An so etwas glaube ich nicht.

F: Waren Sie davor gläubig?

A: Ja. Normal.

F: Wer weiß davon Bescheid, dass Sie keinen Glauben mehr haben?

A: Niemand.

F: Sind Ihre Eltern streng gläubig?

A: Jetzt, ja, früher nicht.

F: Was meinen Sie damit? Seit wann sind sie strenger gläubig?

A: Wir haben telefonischen Kontakt. Ich merke aufgrund der Gespräche, dass sie jetzt strenger gläubig sind.

F: Seit wann sind Ihre Eltern strenger gläubig?

A: Seitdem ich in Österreich bin.

F: Was gab den Ausschlag dafür, dass Ihre Eltern strenger gläubig sind?

A: Seit kurzer Zeit will die Türkei dem Scharia-Gesetz mehr Beachtung schenken. Auch meine Eltern wurden streng gläubiger.

F: Wie lautet Ihr Familienstand?

A: ich bin verheiratet. Meine Ehegattin heißt XXXX . Sie ist ungarische Staatsbürgerin. Wo sie momentan lebt, weiß ich nicht. Ob in Ungarn, oder Österreich, weiß ich nicht. Wir haben seit längerer Zeit keinen Kontakt mehr. Wir haben im Jahr 2015 geheiratet. Es war im April 2015. Ich glaube, es war der 7. April.

Vorhalt: Im Oktober 2016 wurden sowohl Sie als auch Ihre vermeintliche Ehegattin wegen Verdachts der Aufenthaltsehe zur Anzeige gebracht. Diesbezüglich gab selbst Ihr ehemaliger Mitbewohner Hr. XXXX an, dass Fr. XXXX zu keiner Zeit bei Ihnen gewohnt hatte. Was sagen Sie dazu?

A: Ich war verliebt, ich habe aus Liebe geheiratet. Sie hat sich von mir entfernt. Deswegen habe ich auch Probleme bekommen.

F: Auch geht aus dem Aktenstand hervor, dass Ihre Ehegattin tatsächlich nie gearbeitet hat, obwohl sie angemeldet war. Was sagen Sie dazu?

A: Meine Ehegattin hat nicht gearbeitet, das stimmt. Ich habe gehört, dass Sie nun in Tirol arbeitet.

Vorhalt: Sie sagten doch eben erst, nicht zu wissen, ob Sie in Ungarn oder in Österreich lebt. Was sagen Sie dazu?

A: Das habe ich nur gehört.

F: Wo waren Sie in der Türkei bisher wohnhaft? Geben Sie bitte all Ihre Adresse von Ihrer Geburt bis zu Ihrer Ausreise aus der Türkei an!

A: Von der Geburt an bis zu meiner Ausreise lebte ich in XXXX .

F: Nennen Sie mir bitte die Namen und Geburtsdaten Ihrer in der Türkei lebenden Familienmitglieder!

A:

Vater: XXXX , 1953 geb.

Mutter: XXXX , 1951 geb.

Schwestern: XXXX

Brüder: XXXX

Mein Bruder XXXX lebt in Österreich. Meine anderen Familienangehörigen leben in der Türkei. Meine Familie lebt weiterhin in meinem Heimatdorf. Meine Schwestern sind bereits verheiratet.

F: Haben Sie Kontakt mit Ihrer Familie?

A: Wir haben regelmäßigen Kontakt. Das Verhältnis zu meiner Familie ist gut.

F: Nennen Sie nun bitte die Daten Ihrer weiteren Angehörigen in der Türkei!

A: Ich habe in der Türkei zwei Onkel und zwei Tanten. Diese leben in Gaziantep.

F: Verfügen Sie über Familienmitglieder in Österreich?

A: In Österreich lebt nur mein Bruder Hüseyin. Er lebt schon seit 16 Jahren in Österreich.

F: Leben Sie im gleichen Haushalt?

A: Nein.

F: Haben Sie Kinder?

A: Nein.

F: Wie oft sehen Sie Ihren Bruder?

A: Im Monat ein- oder zweimal.

F: Wie bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt?

A: Meine Familie überweist mir Geld aus der Türkei. Auch unterstützt mich mein Bruder in Österreich ein wenig.

F: Welche Schulbildung haben Sie?

A: Ich habe das Gymnasium in der Türkei abgeschlossen. In Österreich habe ich Sprachkurse gemacht. Ich befinde mich auf dem Sprachniveau B2.

F: Haben Sie in Österreich studiert?

A: Nein. Ich habe die Deutschkurse nicht rechtzeitig absolviert und mich dann zu spät inskribiert.

Vorhalt: Laut Erstbefragung reisten Sie nach Österreich, um hier zu studieren. Ist das richtig?

A: Ja.

F: Geben Sie bitte alle Beschäftigungen an, die Sie je ausgeübt haben!

A: Meine Eltern haben eine Tankstelle gehabt, dort war ich Geschäftsführer.

F: Haben Sie sonst noch etwas gearbeitet?

A: Nein

Vorhalt: Laut Erstbefragung waren Sie außerdem als Kellner tätig. Was sagen Sie dazu?

A: Kellner war ich in Österreich.

F: Ist Ihre Familie im Besitz von Grundbesitz oder Häusern?

A: Ja. Meine Familie besitz ein Haus und eine Tankstelle.

F: Wie beschreiben Sie die finanziellen Verhältnisse Ihrer Eltern?

A: Gut.

F: Wann haben Sie den Entschluss dazu gefasst, Ihr Heimatland zu verlassen?

A: Im Jahr 2013.

F: Gab es Probleme bei Ihrer Ausreise?

A: Nein. Ich reiste legal mit Visum aus der Türkei aus.

Vorhalt: Sie sind seit dem Jahr 2013 im österreichischen Bundesgebiet aufhältig, aber stellten erst im Jahr 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz, obwohl Sie seit über 5 Jahren nicht mehr in der Türkei aufhältig sind. Wie erklären Sie sich das denn?

A: Am Anfang war ich sowieso legal in Österreich und hatte das Studentenvisum. Dann konnte ich das Visum verlängern. Ich wollte nicht illegal in Österreich bleiben und suchte um Asyl an, nachdem der Aufenthaltstitel abgelaufen war.

A: Nein.

F: Was machen Sie in Ihrer Freizeit hier in Österreich?

A: Ich treffe mich mit Freunden, spiele Fußball, gehe ins Kaffeehaus und gehe schwimmen.

F: Gehören Sie einem Verein oder einer Organisation an?

A: Ja, ich gehören einem kurdischen Verein an.

F: Gehen Sie momentan einer Beschäftigung nach?

A: Nein.

F: Waren Sie jemals in Haft oder wurden Sie jemals festgenommen?

A: Nein.

F: Haben Sie je Probleme mit staatlichen Behörden wie z.B. Gerichten etc. in Ihrem Heimatland gehabt?

A: Nein.

F: Waren Sie je Mitglied einer politischen Partei?

A: Nein.

F: Waren Sie in der Türkei religiös aktiv?

A: Nein.

FLUCHTGRUND:

F: Nennen Sie mir nun bitte all Ihre Fluchtgründe so detailliert und konkret wie möglich?

A: Ich möchte nicht zum Militärdienst gehen. Falls ich in die Türkei zurückkehre, muss ich den Wehrdienst antreten. Ich möchte keine Waffe in die Hand nehmen und auf Menschen schießen. Ich habe Angst, dass ich getötet werde, wenn ich den Militärdienst antrete. Sie werden mich an die Front bringen.

Der zweite Grund ist wegen der Religion. Wenn ich in die Türkei zurückkehre, muss ich das machen, was die Eltern verlangen. Ich möchte den Islam aber nicht streng ausleben. In meinem Dorf kennt sich ein jeder. Ich fühle mich in Österreich frei, in der Türkei nicht. Mir gefällt Österreich sehr gut. In Österreich gibt es Menschenrechte. Man kann frei leben.

F: Wurden Sie in der Türkei bereits persönlich bedroht?

A: Ja.

Auff: Schildern Sie mir diese Bedrohung so genau wie möglich, mit allen Details und Emotionen!

A: Im Jahr 2007 wurde ich beschuldigt, dass ich den Sprit der Tankstelle inoffiziell verkaufe. Es wurde nach Beweisen gesucht und haben sie das Geschäft durchsucht. Es waren Zivilpolizisten.

F: Weshalb kam der Verdacht auf, dass Sie illegal Sprit verkaufen?

A: Ich hatte Flaggen der HDP aufgehängt gehabt. Ich habe einen HDP-Abgeordneten kennengelernt und habe ich danach diese Flaggen aufgehängt. So wurde gesehen, dass ich die HDP unterstütze und wurde ich deshalb unterdrückt, indem ich deswegen beschuldigt wurde.

F: Was war das Ergebnis der Ermittlungen gegen Sie? A: Es wurde nach Beweisen gesucht, aber wurde nichts gefunden. Ich wurde jedoch für 3, 4 Stunden festgehalten bzw. wurde die Tankstelle nach Beweisen durchsucht und wurde ich während dieser Zeit beobachtet.

F: Was passierte im Laufe dieser Zeit?

A: Die Tankstelle wurde nach Beweisen durchsucht, es wurde aber nichts gefunden. Solch Durchsuchung fand noch zwei weitere Male statt, jedoch wurde nie etwas gefunden, weshalb mir nie etwas vorgeworfen werden konnte. Mir ist nichts passiert.

F: Wurden Sie jemals aufgrund Ihrer Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit bedroht?

Anmerkung: VP überlegt länger.

A: Im Jahr 2009 war ich mit meinem Bruder in einem anderen Dorf. Dort wollten wir arbeiten gehen. Sie haben uns als Terroristen beschimpft und meinten, dass wir Feinde wären.

Vorhalt: Werden Sie konkreter!

A: Ich wurde von türkischen Bewohnern beschimpft. Sie schimpften uns, weil wir Kurden sind.

F: Was passierte dann?

A: Nichts. Ich bin weg gegangen. Ich wollte nicht streiten.

F: Haben Sie den Grundwehrdienst abgeleistet in der Türkei?

A: Nein.

F: Wie war es Ihnen möglich, so lange in der Türkei zu leben, ohne den Grundwehrdienst abzuleisten?

A: Den Grundwehrdienst konnte ich stets verschieben.

Vorhalt: Den Wehrdienst muss jeder türkische Staatsbürger antreten. Wieso sollten gerade Ihnen etwas schlimmeres als den anderen Grundwehrdienern drohen?

A: Weil ich Kurde bin.

F: Gibt es weitere Gründe, die dafür sprechen, dass Ihnen etwas schlimmeres als den anderen droht?

A: Nein, nur weil ich Kurde bin.

F: Sie meinten, dass Sie nicht in die Türkei zurückkehren können, weil Sie in der Türkei machen müssen, was Ihre Eltern gerne möchten. Sie sind doch mit 28 Jahren ein Mann, der selbst Entscheidungen treffen kann und müssen Sie nicht mehr bei Ihren Eltern leben.

A: Mir ist lieber in Österreich zu leben. Hier habe ich keine Probleme. Österreich ist im Vergleich zur Türkei schöner und sicherer.

F: Was spricht beispielsweise gegen eine Rückkehr nach Istanbul oder Ankara?

A: In der Türkei gibt es überall streng gläubige.

F: Weswegen sollten Sie Probleme bekommen?

A: Wenn herausgefunden wird, dass ich nicht in die Moschee gehe, kann ich Probleme bekommen.

F: Wurden Sie jemals geschlagen oder gefoltert?

A: Nein.

F: Haben Sie weitere Fluchtgründe?

A: Nein. Ich habe keinen weiteren Fluchtgrund.

F: Waren Sie oder Familienangehörige Ihrerseits jemals militärisch, politisch oder religiös aktiv?

A: nein.

F: Was befürchten Sie im Falle der Rückkehr in die Türkei?

A: Sie werden mich sofort festnehmen und zum Militärdienst bringen. Ich habe Angst beim Militär getötet zu werden.

F: Möchten Sie die Länderfeststellung zu Ihrem Herkunftsstaat Türkei haben und Stellung dazu nehmen?

Anmerkung: Der rV. wird eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme bis zum 03.09.2018 gewährt.

Die rV. hat keine weiteren Fragen oder Anmerkungen.

F: Möchten Sie noch etwas sagen?

A: Nein.

F: Konnten Sie sich bei dieser Einvernahme konzentrieren? Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?

A: Ja, alles hat gepasst.

F: Ich beende jetzt die Befragung. Möchten Sie noch etwas angeben?

A: Nein.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt. Im Zuge dieser Rückübersetzung besteht die Möglichkeit Korrekturen, Ergänzungen oder Richtigstellungen vorzunehmen, Einwendungen anzubringen oder gegebenenfalls rückzufragen. Mit seiner Unterschrift bestätigt der/die ASt., dass die Angaben vollständig, verständlich und richtig wiedergegeben wurden. Der/Die ASt. bestätigt auch, dass die Befragung in einer respektvollen und angenehmen Atmosphäre stattfand.

- Am 25.09.2018 wurde Ihr Antrag auf internationalen Schutz von der ha. Behörde gemäß § 3, § 8 sowie § 57 abgewiesen und wurde gegen Sie gemäß § 10 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen. Darüber hinaus wurde Ihre Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG für zulässig erklärt und Ihnen gemäß § 55 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

- Diese Entscheidung wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.11.2018 behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an die ha. Behörde zurückverwiesen. Im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts wurde bemängelt, dass sich die ha. Behörde im erlassenen Bescheid zu den relevanten Themen, wie Ableistung des Militärdienstes bzw. Wehrersatzdienst bzw. Wehrdienstverweigerung, ethnischen Minderheiten, insbesondere der Kurden sowie der Abkehr vom Islam bzw. einer lockeren Handhabung des islamischen Glaubens vor dem Hintergrund streng gläubiger Eltern und Dorfbewohnern, auf Berichte zum Herkunftsstaat stütze, die im Wesentlichen aus den Jahren 2014, 2015 und 2016 stammen, weswegen diese zur Beurteilung für den Fall der gedachten Rückkehr als nicht geeignet eingestuft wurden.

- Am 11.12.2018 wurden Sie vom Bezirksgericht XXXX gemäß §§ 117 (1), 117 (4) FPG (Eingehen und Vermittlung von Aufenthaltsehen und Aufenthaltspartnerschaften) sowie gemäß § 293 (2) StGB (Fälschung eines Beweismittels) rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 4 Euro (800,00 Euro) im NEF 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

- Am 07.02.2019 wurde eine Anfrage an die Staatendokumentation zum Thema "Diskriminierung bei Apostasie oder Nicht-Einhaltung des Ramadan" gestellt. Die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation langte am 25.02.2019 bei der ha. Behörde ein.

- Am 28.02.2019 wurden Sie zu einer asylrechtlichen Einvernahme von der ha. Behörde geladen, doch blieben Sie dieser Ladung unentschuldigt fern.

- Am 21.03.2019 wurden Sie erneut zu einer asylrechtlichen Einvernahme geladen, doch blieben Sie auch dieser Ladung unentschuldigt fern.

- Da Sie die Ladungen zu Ihrer asylrechtlichen Einvernahme nicht wahrnahmen, wurde Ihnen eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme mit der Bitte um Beantwortung der sich darin gestellten Fragen übermittelt, welches am 28.03.2019 in einer Abgabeeinrichtung hinterlegt wurde.

- Am 16.04.2019 langte die Stellungnahme Ihrer rechtlichen Vertretung zu dem Ihnen zugestellten Ergebnis der Beweisaufnahme ein.

- Mit Verfahrensanordnung vom heutigen Tag wurde Ihnen ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

[...]"

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen.

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Gemäß § 53 Absatz 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 8 Fremdenpolizeigesetz wird ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ebenso ergebe sich aus allgemeinen Lage im Herkunftsstaat keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung der bP. Abschiebungshindernisse lägen demnach nicht vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht gegeben. Ein die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung übersteigendes Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen und wurde daher eine Rückkehrentscheidung verfügt. Die bP wurde wegen des Eingehens einer Aufenthaltsehe sowie Urkundenfälschung rechtskräftig verurteilt und sei deshalb ein Einreiseverbot zu verhängen.

Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Moniert wird im Wesentlichen, dass

* die Nichtanerkennung als Flüchtling wegen des Wehrdienstes "genau so falsch sei wie der "Kicklismus", wonach die Politik das Recht vor sich hertreibe vulgo bestimme; dies sei die juristische Hilfeleistung nach dem Motto, der Österreicher denkt sich seinen Teil und lässt andere sich den Schädel einschlagen, eine zutiefst humanistische Aussage, die man schon bei Grillparzer in seinem König Ottokar findet, wo sich dieser Herr ein österreichisches Weltbild zusammenzimmert, geprägt von Enthaltung und davonlaufen, Verkennung der wahren Probleme, wobei er dieser feige Haltung noch als österreichische Tugend hinstell"t;

* die Behörde verkenne, dass die behauptete atheistische Aktivität und Neigung nicht asylrelevant wäre;

* alle Beschönigungen der Staatendoku, wonach man dem konkreten Atheisten in der Türkei schon nicht den Schädel abreißen werde, sei in Wirklichkeit eine nicht sehr kunstvolle Beschönigung der Verhältnisse in der Türkei;

* man der bP "ein Einreiseverbot von fünf Jahren aufbrummt, einfach so, als Höchststrafe, aber nein, er ist ja offensichtlich noch gut bedient, denn wenn er eine Gefahr für Österreich auch noch wäre, dann wäre das sogar unbefristet möglich";

* der "kleine Türke, der unsere Kultur mit Scheinehen befleckt, der dafür auch ? 200 gerichtlich belangt wird, abführen, wegschicken, wohin, natürlich in die Türkei";

* die "BFAs probieren halt gleich im Höchstbereich der möglichen Strafen herumzufuhrwerken, die politischen Verhältnisse begünstigen dieses unangemessene Vorgehen, getragen von dem Gefühl der Rache, gegen alles, das nicht der heimischen Würstelstandkultur entspricht, das ist jetzt modern geworden, wenn früher wegen Messerstich ein Aufenthaltsverbot von fünf Jahren bekommen habe, dann jetzt derjenige bereits, dessen ?Verbrechen' darin bestanden habe eine nicht ganz koschere Ehe über die Bühne zu bringen;

* das BFA sich mit der Frage auseinandersetzen müsse, ob die bP im Falle einer Rückkehr in die Türkei damit zu rechnen hätte, dass ihm ernstliche Schwierigkeiten drohen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Das Bundesamt traf auf Grund des Ermittlungsverfahrens folgende Feststellungen denen sich das BVwG anschließt:

"Zu Ihrer Person:

Ihre Identität konnte zweifelsfrei festgestellt werden.

Sie heißen XXXX , sind am XXXX geboren und sind türkischer Staatsangehöriger.

Sie sind gesund und leiden an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen.

Während festgestellt werden konnte, dass Sie der kurdischen Volksgruppe angehörig sind, konnte nicht festgestellt werden, dass Sie tatsächlich nicht mehr dem islamischen Glauben angehörig sind.

Fest steht, dass Sie ledig sind und keine Kinder bzw. Obsorgeberechtigungen haben.

Die von Ihnen angeführte Ehe mit einer ungarischen Staatsbürgerin stellte sich als Scheinehe heraus, weswegen Sie am 11.12.2018 vom Bezirksgericht XXXX rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 4 Euro (800 Euro) bzw. im NEF zu 100 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt wurden.

Ihre Muttersprache stellt sowohl die türkische als auch die kurdische Sprache dar.

Die deutsche Sprache beherrschen Sie lediglich in geringem Ausmaß.

Von Ihrer Geburt an bis zu Ihrer Ausreise aus Ihrem Heimatland im Jahr 2012 lebten Sie an ein und derselben Adresse in XXXX .

Festgestellt wurde, dass kein Asylausschlussgrund gegen Ihre Person vorliegend ist.

Zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:

Nicht festgestellt werden konnte, dass Sie in der Türkei einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt waren bzw. eine solche zukünftig zu befürchten hätten. Es kann auch aus den sonstigen Umständen keine asylrelevante Verfolgung iSd Gründe der GFK festgestellt werden.

Zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Es sind keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls körperliche oder psychische Erkrankungen Ihrer Rückkehr entgegenstehen würden. Sie sind gesund, im arbeitsfähigen Alter, besuchten die Schule und sammelten Berufserfahrung in Ihrem Heimatland. Zudem verfügen Sie in Ihrem Heimatland weiterhin über familiäre Anknüpfungspunkte und geht es Ihrer Familie keineswegs schlecht, weder gesundheitlich noch finanziell.

Unter Berücksichtigung alle bekannten Umstände kann nicht festgestellt werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr in die Türkei der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wären.

Auch kann nicht festgestellt werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr in die Türkei dort einer realen Gefahr der Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle 6 oder Nr. 7 zur Konvention ausgesetzt wären oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Zudem konnte festgestellt werden, dass in Ihrem Fall keine relevante Gefährdungslage in Bezug auf Ihren unmittelbaren Heimatort XXXX oder auf die türkische Hauptstadt Istanbul vorliegt und das sichere Erreichen dieser Orte ohne Bedenken gewährleistet werden kann.

Zusammenfassend war festzustellen, dass Sie keinesfalls in eine Notlage geraten werden und von der erfolgreichen Abdeckung Ihrer lebensnotwendigen Bedürfnisse auszugehen ist.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Fest steht, dass Sie Ende Februar 2012 in Österreich legal mittels Visums D, welches zur Abholung eines Aufenthaltstitels mit dem Aufenthaltszweck "Student" diente, eingereist sind.

Festgestellt wurde jedoch, dass Sie zu keiner Zeit tatsächlich in Österreich studiert haben.

Des Weiteren steht fest, dass Sie erst nachdem Ihr letzter Aufenthaltstitel keine Gültigkeit mehr besaß und Ihnen kein weiterer ausgestellt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.

Seit Ihrer Einreise in das Bundesgebiet im Februar 2012 waren Sie bis zu der nunmehrigen Bescheiderlassung von 06.09.2013 - 23.10.2014 bei der Firma XXXX GmbH beschäftigt. Anschließend übten Sie keine legale Beschäftigung mehr aus, sondern leben Sie sowohl von der Grundversorgung als auch von der finanziellen Unterstützung Ihrer Eltern.

Bis zur Bescheiderlassung brachten Sie lediglich ein Zeugnis über die Absolvierung eines Deutschkurses im Jahr 2013 in Vorlage, wobei Sie drei von vier Prüfungen mit "Nicht genügend" abschlossen.

Während Sie in Österreich über einen Bruder verfügen, befinden sich in Ihrem Heimatland Türkei weiterhin eine Vielzahl an Familienangehörigen, zumal mindestens Ihre Eltern, Ihre beiden Schwestern und vier Ihrer fünf Brüder in der Türkei leben. Dazu konnte festgestellt werden, dass Sie weiterhin regelmäßigen Kontakt mit Ihren in der Türkei lebenden Familienangehörigen führen und von diesen sogar finanziell unterstützt werden, wohingegen Sie mit Ihrem in Österreich lebenden Bruder in keinem gemeinsamen Haushalt leben und diesen bloß ein bis zwei Mal monatlich sehen.

Bezüglich des von Ihnen angeführten Eheverhältnisses mit einer ungarischen Staatsbürgerin ergaben die Ermittlungen der LPD XXXX , dass es sich bei diesem lediglich um eine Aufenthaltsehe handelte, weswegen Sie gemäß § 117 FPG, Eingehen und Vermittlung von Aufenthaltsehen und Aufenthaltspartnerschaften, sowie gemäß § 293 (2) StGB (Fälschung eines Beweismittels) rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 4 Euro (800,00 Euro) im NEF 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt wurden.

Zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots:

Fest steht, dass Sie wegen des Eingehens einer Aufenthaltsehe sowie der Fälschung eines Beweismittels am 11.12.2018 rechtskräftig verurteilt wurden.

Zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat: [...]"

Das Bundesamt hat im Folgenden den Inhalt des Länderinformationsblattes, Stand 14.03.2019, widergegeben. Weiters die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Thema Diskriminierung bei Apostasie oder Nicheinhaltung des Ramadan. Dies wurde der bP zu Gehör gebracht, diese nahm jedoch die Möglichkeit einer Stellungnahme nicht wahr. Im Wesentlichen ergibt sich für diesen Fall zusammengefasst daraus Folgendes:

Mehr als 15 Millionen türkische BürgerInnen, so wird geschätzt, haben einen kurdischen Hintergrund und sprechen einen der kurdischen Dialekte. Wenngleich es zu Diskriminierungen kommen kann, ergibt sich auf Grund der Berichtslage nicht, dass Kurden mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in der Türkei einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wären.

Die Versorgungslage ist in der Türkei grds. gesichert und ist Kurden - so wie der übrigen Bevölkerung - auch eine Teilnahme am Erwerbsleben und Inanspruchnahme medizinischer Leistungen möglich.

Die Sicherheit ist für die Bevölkerung im Allgemeinen gewährleistet und die staatlichen Schutzmechanismen hinreichend funktionsfähig. Es kann nicht festgestellt werden, dass in der Türkei aktuell eine Lage herrschen würde, wonach diese für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

Die Dauer des Militärdienstes dauert nunmehr sechs Monate und kann durch die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages auf 21 Tage verkürzt werden. Der Einsatzort der Wehrpflichtigen wird im Zufallsverfahren unabhängig von der Volksgruppenzugehörigkeit entschieden. Dass Kurden beim Wehrdienst mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt oder entscheidungsrelevanten Repressalien ausgesetzt wären, kann nicht festgestellt werden.

Es gibt es kein eigenes Blasphemiegesetz. Das Strafgesetzbuch sieht jedoch Strafen für Taten vor, bei denen Personen provoziert werden oder diese Taten feindselig sind. Dazu gehört auch die öffentliche Respektlosigkeit gegenüber religiösen Überzeugungen. Das Bekehren von Andersgläubigen, ist in der Türkei legal und Apostasie kein Verbrechen. Das Recht auf Verbreitung der eigenen Religion ist gesetzlich geschützt, obwohl es auf gesellschaftliche Widerstände stoßen kann. In ländlichen Gebieten, kleinen Städten und Dörfern ist die Intoleranz stärker ausgeprägt. Der Abfall vom Islam kann insbesondere in konservativen und ländlichen Gemeinden konfliktbeladen sein. Vereinzelt wurde Gewalt auf niedriger Ebene gegen christliche Gruppen verübt, die bei ihren Bekehrungsversuchen, Informationen über ihre Religion zu verbreiten trachteten. Zudem lehnten es die Sicherheitskräfte ab die Sicherheit für solche christliche Gruppen zu gewährleisten. Es gibt vereinzelte Beispiele von Gewaltdrohungen und Übergriffen auf Personen, die sich nicht an die Regeln des Fastengebot halten.

Die individuelle Religionsfreiheit ist weitgehend gewährt; individuelle nicht-staatliche Repressionsmaßnahmen und staatliche Diskriminierungen (z. B. bei Anstellungen im öffentlichen Dienst) kommen vereinzelt vor und werden mit unterschiedlicher Intensität verfolgt und geahndet.

2. Beweiswürdigung

Das Bundesamt würdigte die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens folgendermaßen:

"[...]

Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

Aufgrund der Vorlage Ihres türkischen Personalausweises im Original konnte Ihre Identität zweifelsfrei festgestellt werden.

Die Feststellung zu Ihrem physischen und psychischen Gesundheitszustand ergibt sich sowohl aus Ihren dahingehend glaubhaften Angaben sowie dem Eindruck, welchen der Einvernehmende im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme für sich gewinnen konnte als auch aus den Ausführungen Ihrer rechtlichen Vertretung im Rahmen der Stellungnahme zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme.

Die Feststellungen bezüglich Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit, Ihrer Schulbildung und Ihrer Berufserfahrung, Ihrer bisherigen Wohnorte sowie Ihrer Sprachkenntnisse stützen sich auf Ihre diesbezüglichen Angaben im Zuge Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA.

Bezüglich der Feststellung, weshalb Ihr angeblicher Abfall vom Islam nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, darf auf die nachstehende Beweiswürdigung zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats verwiesen werden.

Die Feststellung, dass die von Ihnen eingegangene Eheschließung lediglich als Aufenthaltsehe dienen sollte, wurde nach umfassenden Ermittlungen von der LPD XXXX bestätigt, weswegen Sie vom Bezirksgericht XXXX am 11.12.2018 sowohl gemäß §§ 117 (1), 117 (4) FPG als auch gemäß § 293 (2) StGB rechtskräftig verurteilt wurden.

Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:

[...]

Ihr beim BFA vorgelegtes Vorbringen entspricht jedoch nicht diesen genannten Anforderungen, zumal Sie beim BFA bloß ein höchst vages und abstraktes Vorbringen dargelegt haben und der Behörde absolut keine lebensnahen Schilderungen wiedergaben. Zudem verwickelten Sie sich im Rahmen Ihres Verfahrens auch in einige Widersprüche, weshalb Ihnen kombiniert mit Ihrer besonders auffällig vernachlässigten Mitwirkungspflicht im Rahmen des Verfahrens und der festgestellten Aufenthaltsehe Ihrer Person jegliche persönliche Glaubwürdigkeit abzusprechen ist. Zudem traten bereits vor Ihrer asylrechtlichen Einvernahme mehrere Anzeichen hervor, die einer asylrelevanten Verfolgung Ihrer Person eindrucksvoll entgegenstehen.

Zusammengefasst brachten Sie bezüglich Ihrer Fluchtgründe hervor, dass Sie nicht gewillt sind, den Militärdienst in Ihrem Heimatland zu leisten sowie sich aufgrund Ihres vermeintlichen Abfalls vom Islam in Ihrem Heimatland nicht mehr sicher zu fühlen.

Vor dem Hintergrund, wonach Ihnen persönlich, wie im Folgenden ausführlich ausgeführt, keinerlei Glaubwürdigkeit zuzubilligen ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass Sie der ha. Behörde Ihre tatsächlichen Fluchtgründe geschildert hätten, sondern besteht vielmehr die Annahme, dass Sie Ihren Aufenthalt im Bundesgebiet mit einem konstruierten Fluchtgrund zu legalisieren versuchten.

Erstens ist darauf hinzuweisen, dass Sie Ihr Heimatland Türkei auf legalem Weg verlassen haben und ebenso rechtmäßig unter der Vorlage eines Visums, Typ D, welches zur Abholung eines Aufenthaltstitels dient, in das österreichische Bundesgebiet eingereist sind.

Hätten Sie tatsächlich eine von Ihrem Herkunftsstaat ausgehende Verfolgung asylrelevanter Intensität zu erwarten, wäre Ihnen keinesfalls eine legale Ausreise aus Ihrem Heimatland ermöglicht worden.

Darüber hinaus spricht auch die Tatsache, dass Sie sich bei der Türkischen Botschaft in XXXX einen Reisepass haben ausstellen lassen, gegen eine asylrelevante Verfolgung in Ihrem Heimatstaat. Wären Sie aus Ihrem Heimatland tatsächlich aus konkreter Furcht einer Gefahr für Leib und Leben geflohen, würden Sie sich keinesfalls bei der Botschaft Ihres Heimatlandes "unter Schutz stellen" und einen Reisepass Ihres Heimatlandes beantragen.

Des Weiteren lässt die ha. Behörde auch der Zeitpunkt der Stellung Ihres Antrags auf internationalen Schutz besonders an der Glaubhaftigkeit Ihrer Verfolgung zweifeln, zumal Sie Ihren Antrag auf internationalen Schutz erst über sechs Jahre nach Ihrer Einreise in das Bundesgebiet sowie erst nach Ablauf Ihres Aufenthaltstitels sowie nach Zurückweisung Ihres Antrags auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte ("Angehöriger eines EWR- oder Schweizer Bürgers"), einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben.

Hätten Sie Ihr Heimatland tatsächlich aus Furcht vor Verfolgung verlassen, hätten Sie jedenfalls zeitnahe nach Ihrer Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt! Sie jedoch gaben im Rahmen Ihrer niederschriftlichen Einvernahme selbst an, lediglich aus Ihrem Heimatland ausgereist zu sein, um in Österreich studieren zu können und bloß um Asyl angesucht zu haben, da Sie sich nicht illegal in Österreich befinden wollten, wie folgender Textausschnitt zeigt:

Vorhalt: Laut Erstbefragung reisten Sie nach Österreich, um hier zu studieren. Ist das richtig?

A: Ja.

Vorhalt: Sie sind seit dem Jahr 2013 im österreichischen Bundesgebiet aufhältig, aber stellten erst im Jahr 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz, obwohl Sie seit über 5 Jahren nicht mehr in der Türkei aufhältig sind. Wie erklären Sie sich das denn?

A: Am Anfang war ich sowieso legal in Österreich und hatte das Studentenvisum. Dann konnte ich das Visum verlängern. Ich wollte nicht illegal in Österreich bleiben und suchte um Asyl an, nachdem der Aufenthaltstitel abgelaufen war.

Doch selbst bezüglich der Ausstellung des Visums D, zur Abholung Ihres Aufenthaltstitels "Studierender", sei zu erwähnen, dass Sie dieses völlig ungerechtfertigter Weise erhalten haben und Ihren Antrag auf Aufenthaltstitel "Studierender" lediglich gestellt haben, um sich Ihre legale Einreise in das Bundesgebiet zu ermöglichen. Im Rahmen Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der ha. Behörde gaben Sie diesbezüglich selbst an, zu keiner Zeit Ihres Lebens tatsächlich in Österreich studiert zu haben

Ein weiteres Indiz, dass Ihre persönliche Unglaubwürdigkeit eindrucksvoll um ein Weiteres untermauerte, war die von der LPD XXXX festgestellt Scheinehe mit einer ungarischen Staatsbürgerin, welche Sie lediglich eingingen, um Ihren Aufenthalt im Bundesgebiet ungerechtfertigter Weise zu legalisieren.

Den Fluchtgrund des verfolgten Wehrdienstverweigerers versuchten Sie mit einem absolut vagen und undetaillierten Vorbringen zu einer angeblichen Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen zu steigern, wobei Sie jedoch bloß angaben, keine Waffen tragen zu wollen sowie weder getötet werden noch selbst töten zu wollen. Diese Angaben waren aber keinesfalls ausreichend, um zu der Überzeugung zu gelangen, dass Sie den Wehrdienst tatsächlich aus Gewissensgründen nicht ableisten könnten bzw. tatsächlich keine Waffe tragen würden. Diesbezüglich sei nochmals zu erwähnen, dass bereits der Umstand, dass Ihnen bei der Türkischen Botschaft in XXXX problemlos ein neuer Reisepass ausgestellt wurde, gegen eine Verfolgung Ihrer Person wegen einer angeblich drohenden Wehrdienstverweigerung spricht.

Doch selbst für den Fall, dass Ihnen tatsächlich die Einberufung zum Wehrdienst drohen würde, darf darauf hingewiesen werde, dass einer Wehrdienstverweigerung lediglich aus Gewissensgründen zu keiner asylrelevanten Verfolgung führen kann, wie in folgender Rechtsprechung des VwGH bzw. VfGH ausgeführt wird:

Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird in diesem Sinne grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen (VwGH vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0718; 21. April 1993, Zlen. 92/01/1121, 1122). Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben (vgl. VwGH 30. November 1992, Zl. 92/01/0789, betreffend Somalia, und Zl. 92/01/0718, betreffend Äthiopien, vom 8. April 1992, Zl. 92/01/0243, vom 16. Dezember 1992, Zl. 92/01/0734, und vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0784, alle betreffend die frühere Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien).

In diesem Zusammenhang ist noch ergänzend festzuhalten, dass der Beschwerdeführer auch nicht dargelegt hat, inwieweit er eine Gesinnung vertrete, die ihm eine Ableistung des Wehrdienstes unzumutbar mache. Das Vertreten einer allgemeinen liberalen Gesinnung und der Wunsch, nicht kämpfen zu wollen im Allgemeinen ist zu wenig (vgl. dazu AsylGH 17.03.2009, E3 318.536-1/2008-7E; 17.02.2010, E1 312.233; in diesen Fällen hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss abgelehnt, VfGH 27.04.2009, U 1060/09-3; 26.04.2010, U 766/10-3).

Es ist absolut kein Grund ersichtlich, weshalb die Bestrafung Ihrerseits aufgrund der Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen sein sollte oder Ihnen Sanktionen drohen würden, denen jede Verhältnismäßigkeit fehlt.

Als bloßen Grund, weshalb Ihnen eine Benachteiligung im Rahmen des Wehrdienstes drohen könnte, führten sie lediglich Ihre Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden an. Dass Sie nur wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit zu den Kurden wesentlich schlechter behandelt werden würden als andere Personen konnte jedoch keinesfalls festgestellt werden.

(vgl. dazu AsylGH 17.03.2009, E3 318.536-1/2008-7E; 17.02.2010, E1 312.233; in diesen Fällen hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss abgelehnt, VfGH 27.04.2009, U 1060/09-3; 26.04.2010, U 766/10-3).

Bezüglich Ihrer Angabe, nicht auf Menschen schießen zu wollen sowie Angst zu haben, getötet zu werden, darf darauf hingewiesen werden, dass weder aus Sicht der ha. Behörde noch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts damit zu rechnen ist, dass unerfahrene Wehrpflichtige zu Kampfeinsätzen herangezogen werden, weshalb auch nicht davon ausgegangen werde, dass Sie der Gefahr unterlaufen würden, in Kampfhandlungen miteinbezogen zu werden. Dies wird mit folgender Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.02.2019, GZ: L5212206508-1/20Z untermauert:

Ein Zwang zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kann ebenfalls nicht erkannt werden, zumal den mit dem Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung erörterten bzw. ihm zur Stellungnahme zugemittelten Berichten keine Hinweise dahingehend entnommen werden konnten, dass in der Türkei derzeit großflächige Kampfhandlungen oder gar eine Generalmobilmachung stattfinden. Diesen Standpunkt nimmt im Übrigen auch das Home Office des Vereinigten Königreichs im bereits zitierten Bericht Country Information and Guidance Turkey: Military Service vom März 2016 und der aktualisierten Fassung vom September 2018 ein. Entgegen den Beschwerdebehauptungen führt die Türkei derzeit auch keine offensiven Operationen in Syrien oder dem Südosten der Türkei gegen Separatisten durch und ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht damit zu rechnen, dass unerfahrene Wehrpflichtige zu Kampfeinsätzen herangezogen werden. In Ansehung des Beschwerdeführers kann das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls kein im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung erhöhtes Risiko einer Teilnahme an Kampfhandlung erkennen.

Auch ist bezüglich Ihrer Angst, in ein Kurdengebiet gesendet zu werden, im nachstehenden Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts auch klar herauszulesen, dass der Einsatzort der Wehrpflichtigen im Zufallsverfahren unabhängig von der Volksgruppenzugehörigkeit entschieden wird und Sie somit keiner größeren Gefahr unterlaufen, im Südosten der Türkei eingesetzt zu werden, als die anderen Staatsangehörigen der Türkei. Dementgegen ist sogar vielmehr anzunehmen, dass Sie eher in Regionen der Süd- bzw. Westtürkei eingesetzt werden, da Wehrpflichtige nicht in ihrer unmittelbaren Heimatregion stationiert werden.

Ferner ist es als notorisch bekannt anzusehen, dass der Einsatzort der Wehrpflichtigen in der Türkei grundsätzlich im Zufallsverfahren unabhängig von der Volksgruppenzugehörigkeit entschieden wird und es daher zu keiner individuellen Diskriminierung GFK-relevanter Natur dabei kommt. Dass die Möglichkeit besteht, dass der Beschwerdeführer im Südosten der Türkei eingesetzt wird, wird vom Bundesverwaltungsgericht nicht bestritten, ist jedoch unwahrscheinlich, da der Beschwerdeführer aus Zentralanatolien stammt und Wehrpflichtige nicht in ihrer unmittelbaren Heimatregion, sondern generell in anderen Landesteilen eingesetzt werden. In Ansehung des Beschwerdeführers kommt demnach ein Einsatz in jeder Region der Türkei im Osten, Westen, Norden und Süden in Betracht. Ferner sind Angehörige mit dem sozio-geographischen Hintergrund des Beschwerdeführers nicht in einem höheren Maße potentiell betroffen, gegen ihren Willen zu einem Einsatz im Feld herangezogen zu werden, als sonstige türkische Staatsangehörige.

(ebenfalls ein Ausschnitt des Erkanntnisses vom 19.02.2019, GZ: L521 2206508-1/20Z)

Da Sie aufgrund des bereits beschriebenen Sachverhalts gänzlich unglaubwürdig sind und obendrein weder einen Einberufungsbefehl noch einen Haftbefehl in Vorlage brachten, konnte nicht einmal festgestellt werden, dass Sie den Wehrdienst noch nicht abgeleistet haben und Ihnen dieser tatsächlich droht.

Auch Ihrem zweiten Fluchtvorbringen, in Schwierigkeiten mit Ihren Eltern geraten zu können, da Sie nicht mehr gewillt wären, den Islam streng auszuleben konnte weder Glaubhaftigkeit noch Asylrelevanz abgewonnen werden.

Während Sie im Rahmen Ihrer Erstbefragung noch anführten, dass Sie in Ihrem Heimatland aufgrund des Abfalls vom Islam sowohl von anderen unterdrückt als auch von Ihren Eltern nicht akzeptiert worden wären, führten Sie im Zuge Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA an, dass Sie erst seit dem Jahr 2014 - also zwei Jahre nach Ihrer Einreise in das Bundesgebiet - vom Islam abgefallen wären, womit eine Bedrohung diesbezüglich bereits aufgrund der enormen zeitlichen Differenz gänzlich auszuschließen ist.

Darüber hinaus führten Sie im Zuge Ihrer niederschriftlichen Einvernahme auch an, dass Ihre Eltern erst seit Ihrer Ankunft in Österreich strenger gläubig geworden wären, womit eine von Ihren Eltern ausgehende Bedrohung aufgrund Ihres angeblichen Nichtglaubens ebenfalls auszuschließen wäre. Doch selbst die Tatsache, dass Ihre Eltern ausgerechnet seit Ihrer Einreise in das Bundesgebiet strenger gläubig sein würden, ist nicht glaubhaft, zumal Sie dieses Vorbringen lediglich damit begründeten, dass der türkische Staat dem Scharia-Gesetz seit kurzer Zeit mehr Beachtung schenken würde. Völlig unverständlich ist, weshalb die persönliche innere Überzeugung Ihrer Eltern vom Islam ins Unermessliche gestiegen wäre, bloß weil die politische Ausrichtung Ihres Heimatlandes plötzlich mehr Wert auf die Beachtung des Scharia-Gesetzes legen würde.

Ein weiterer Fakt, der gegen die Glaubhaftigkeit Ihrer Differenzen mit Ihren Eltern spricht, ist die Tatsache, dass Sie befragt nach Ihren Familienverhältnissen angaben, mit Ihren Eltern, mit denen Sie regelmäßigen Kontakt pflegen, in einem guten Verhältnis zu stehen und sogar weiterhin von diesen finanziell unterstützt werden. Würde der Fluchtgrund, dass Ihre Eltern Ihren Nichtglauben nicht akzeptieren und Sie hätten zwangsverheiraten wollen, tatsächlich der Wahrheit entsprechen, ist doch völlig unrealistisch, dass Sie trotz der Ausreise aus Ihrem Heimatland und dem Widersetzen Ihrer Eltern immer noch ein derart tolles Verhältnis zu diesen pflegen und sogar weiterhin finanziell von diesen unterstützt werden würden.

Auf die Frage, ob Sie jemals aufgrund Ihrer Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit bedroht wurden, führten Sie lediglich an, dass Sie einmal von türkischen Bewohnern beschimpft worden wären, weil Sie der kurdischen Volksgruppe angehörig sind. Da Sie diese Beschimpfungen ignoriert hätten und achtlos weiter gegangen wären, wäre Ihnen in diesem Zusammenhang nichts weiter passiert. Eine persönliche Bedrohung aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit erwähnten Sie zu keiner Zeit.

Zuletzt ist anzuführen, dass Sie trotz Ankündigung Ihrer rechtlichen Vertretung im Zuge der Beschwerde gegen den vorherigen erlassenen Bescheid, eine Bestätigung des Magistrats bezüglich Ihres Abfalls vom Islam in Vorlage bringen zu können, zu keiner Zeit ein solches Dokument in Vorlage brachten.

Trotz der Tatsache, dass Ihre Person im Allgemeinen gänzlich unglaubwürdig und auch Ihr Abfall vom Islam als nicht glaubhaft qualifiziert werden kann, wurde eine Anfrage an die Staatendokumentation zum Thema "Diskriminierung bei Apostasie oder Nicht-Einhaltung des Ramadan" gestellt. Wie aus der sich im Anschluss des Länderinformationsblatts befindlichen Anfragebeantwortung klar ersichtlich ist, kann der Abfall vom Islam in konservativen ländlichen Gemeinden zwar durchaus konfliktbeladen sein, aber ist die Türkei laut Verfassung weiterhin ein säkularer Staat, in dem Religionsfreiheit herrscht und sowohl das Bekehren von Andersgläubigen als auch die Apostasie immer noch straffrei und legal bleibt. Auch seitens der Europäischen Kommission, wie im Länderinformationsblatt ersichtlich, wird die Glaubens- und Religionsfreiheit in der Türkei generell respektiert.

Befragt, ob Sie in Ihrem Heimatland jemals persönlich bedroht wurden, gaben Sie als einzige Bedrohung an, im Jahr 2007 von Zivilpolizisten beschuldigt worden zu sein, den Sprit einer Tankstelle inoffiziell verkauft zu haben, weswegen Ihre Tankstelle im Anschluss mehrere Male durchsucht worden wäre. Nachdem die Zivilpolizisten bei diesen Durchsuchungen jedoch zu keiner Zeit jegliche Beweise gefunden hätten, hätten diese keine Ermittlungen gegen Ihre Person eingeleitet.

Zusammenfassend gelangt die erkennende Behörde im Rahmen der von ihr vorzunehmenden Beweiswürdigung zu einem den Denkgesetzen und den Erfahrungen des Lebens entsprechenden Ergebnis, indem sie aufgrund der getroffenen Feststellungen, insbesondere aber aufgrund Ihres Vorbringens zu den Fluchtgründen zu dem Schluss kommt, dass Sie mit diesem keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen konnten.

Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Wie im vorigen Abschnitt bereits ausgeführt, konnte keine Verfolgungssituation gegen Ihre Person geltend gemacht werden, womit sich bereits aus den obigen Ausführungen ergibt, dass Sie im Falle einer Rückkehr keiner Bedrohungssituation ausgesetzt sind. Auch den vorhandenen Länderinformationen hinsichtlich der allgemeinen Lage in der Türkei und der Behandlung von Rückkehrern ist nicht zu entnehmen, dass ein Rückkehrer in eine Situation kommen könnte, die einer solchen Gefahr gleichzuhalten wäre.

Sie wurden in der Türkei geboren und lebten bis zu Ihrer Ausreise im Jahr 2012 ununterbrochen in Ihrem Heimatland an ein und derselben Adresse in der Provinz XXXX .

Während Sie in Österreich über einen Onkel und einen Bruder verfügen, leben sowohl Ihre Eltern als auch Ihre vier weiteren Brüder und Ihre beiden Schwester ebenso in der Türkei wie Ihre weiteren Onkel und Tanten. Zu Ihren in Österreich lebenden Verwandten haben Sie äußerst geringen Kontakt, zumal Sie im Rahmen Ihrer niederschriftlichen Einvernahme selbst angaben, Ihren Bruder lediglich ein bis zwei Mal im Monat zu sehen. Darüber hinaus gaben Sie an, keinen gemeinsamen Haushalt mit Ihren Verwandten zu führen und wurde festgestellt, dass Sie Ihren Lebensunterhalt sowohl von der Grundversorgung als auch durch die Unterstützung Ihrer Familienangehörigen bestreiten.

Ihr Verhältnis mit Ihrer in der Türkei lebenden Familie, mit welcher Sie weiterhin in regelmäßigen Kontakt stehen, ist ein gutes. Ebenso darf angemerkt werden, dass auch die finanzielle Situation Ihrer Familie eine gute ist und Ihre Familie sowohl über ein Haus als auch eine Tankstelle verfügt. Da Ihre Familie Ihnen bereits zum jetzigen Zeitpunkt finanziell unter die Arme greift, wird jedenfalls davon ausgegangen, dass Sie Ihre Familie auch im Falle Ihrer Rückkehr in die Türkei unterstützen wird. Somit wären Sie bei einer Rückkehr in Ihr Heimatland keinesfalls auf sich alleine gestellt, sondern haben Sie weiterhin ein entsprechendes familiäres Umfeld, das Sie im Falle der Notwendigkeit unterstützen wird.

Des Weiteren wird angemerkt, dass Sie in Ihrem Heimatland das Gymnasium mit der Matura abgeschlossen haben sowie bereits mehrere Berufe ausgeübt haben. Während Sie in Ihrem Heimatland Geschäftsführer der Tankstelle Ihrer Familie gewesen sind, übten Sie in Österreich unter anderem den Beruf des Kellners aus. Aufgrund Ihres gesundheitlichen Zustands, Ihrer schulischen Bildung und Ihrer Berufserfahrung besteht jedenfalls die Annahme, dass Sie erneut zu einer Beschäftigung gelangen werden.

Weiters ist die ho. Behörde davon überzeugt, dass Sie mit den Sitten und Gepflogenheiten Ihres Heimatlandes bestens vertraut sind und Sie bei einer Rückkehr in Ihr Heimatland absolut keine Anpassungsschwierigkeiten haben werden, zumal Sie den Großteil Ihres Lebens in Ihrem Heimatland verbrachten und daher neben Ihrem familiären auch über ein entsprechendes soziales Umfeld verfügen.

Zusammenfassend konnten keinerlei Anhaltspunkte dahingehend gefunden werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr in die Türkei einer Verfolgungsgefährdung i. S. d. Art. 3 EMRK ausgesetzt wären oder in eine ausweglose Situation geraten könnten.

Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben sowie zu Ihren Lebensumständen stützen sich auf den Inhalt Ihres Asylaktes.

Betreffend den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots:

Die Feststellungen zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots ergeben sich aus dem Strafregisterauszug.

Betreffend die Feststellungen zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zu Ihrem Herkunftsland basieren auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA. Diese ist gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 BFA-G zur Objektivität verpflichtet und unterliegt der Beobachtung eines Beirates. Es ist daher davon auszugehen, dass alle zitierten Unterlagen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen, ausgewogen zusammengestellt wurden und somit keine Bedenken besteh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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